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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 06.05.2002
Aktenzeichen: 7a D 30/99.NE
Rechtsgebiete: BauNVO, BauNVO 1990


Vorschriften:

BauNVO § 1 Abs. 6
BauNVO 1990 § 3 Abs. 3 Nr. 2
Sollen im Bebauungsplan gemäß § 1 Abs. 6 BauNVO ausnahmsweise zulässige Vorhaben für "allgemein zulässig" erklärt werden, setzt dies voraus, dass der betreffende Vorhabenstyp nach den sonst geltenden planungsrechtlichen Regelungen in dem betreffenden Baugebiet ausnahmsweise zulässig wäre (hier verneint für Anlagen für gesundheitliche Zwecke nach der BauNVO 1968).
Tatbestand:

Die Antragsteller wandten sich gegen die Änderung eines Bebauungsplans der Antragsgegnerin, soweit diese in § 1 ihrer textlichen Festsetzungen für ein an das Grundstück der Antragsteller angrenzendes reines Wohngebiet Anlagen für gesundheitliche Zwecke für allgemein zulässig erklärt. Der Normenkontrollantrag hatte Erfolg.

Gründe:

Der Normenkontrollantrag ist begründet.

Die im Änderungsplan getroffene strittige Festsetzung wird nicht den an sie zu stellenden materiellen Anforderungen gerecht.

Die Festsetzung ist bereits nicht von einer hinreichenden Ermächtigungsgrundlage getragen, nämlich dem in den textlichen Festsetzungen ausdrücklich erwähnten § 1 Abs. 6 BauNVO.

Die Voraussetzungen für eine Anwendung von § 1 Abs. 6 BauNVO (vgl. § 1 Abs. 5 BauNVO 1968) liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift kann im Bebauungsplan festgesetzt werden, dass einzelne in den §§ 2 bis 9 BauNVO für das jeweilige Baugebiet vorgesehene Ausnahmen im Baugebiet allgemein zulässig sind. § 1 Abs. 6 BauNVO gibt - im Ergebnis nicht anders als die Regelungen der Absätze 4 bis 9 der genannten Vorschrift - dem Plangeber ein Instrument zur Festlegung planerischer Differenzierungsmöglichkeiten an die Hand - vgl.: BVerwG, Beschluss vom 6.5.1996 - 4 NB 16.96 - BRS 58 Nr. 23 -, mit deren Hilfe im Rahmen der Wahrung der Zweckbestimmung des jeweiligen Baugebietstyps - zu dieser Grenze für den Einsatz der Differenzierungsmöglichkeiten des § 1 Abs. 4 bis 9 BauNVO vgl.: BVerwG, Beschluss vom 22.12.1989 - 4 NB 32.89 - BRS 49 Nr. 74 - die Gemeinde - je nach ihrer Vorstellung von der erwünschten Struktur des Gebiets - eine nach der Baunutzungsverordnung nur ausnahmsweise zulässige Nutzung für "allgemein zulässig" erklären kann.

Vgl.: BVerwG, Urteil vom 1.10.1986 - 8 C 53.85 - NJW 1987, 969.

Das setzt voraus, dass die Nutzungsart, die für allgemein zulässig erklärt werden soll, nach den sonst geltenden planungsrechtlichen Regelungen in dem betreffenden Baugebiet ausnahmsweise zulässig wäre. An letzterem fehlt es hier.

Die Urfassung des Bebauungsplans ist 1972 bekannt gemacht worden. Damit ist hinsichtlich der im Plan getroffenen Ausweisungen zur Art der baulichen Nutzung auf Grund der statischen Verweisung des § 1 Abs. 3 Satz 2 BauNVO - zum statischen Charakter dieser Verweisung vgl.: Kuschnerus, "Das zulässige Bauvorhaben", 2002, RdNr. 44 m.w.N. - die Baunutzungsverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 26.11.1968 (BGBl. I S. 1237; BauNVO 1968) Planinhalt geworden und mangels nachträglicher Umstellungen des Bebauungsplans auf eine neuere Fassung der Baunutzungsverordnung - vgl. hierzu: BayVGH, Urteil vom 23.12.1998 - 26 N 98.1675 - BRS 60 Nr. 31 - bis zum Erlass der hier strittigen Änderung des Bebauungsplans Planinhalt geblieben.

Die Baunutzungsverordnung 1968 sieht jedoch keine ausnahmsweise Zulässigkeit von Anlagen für gesundheitliche Zwecke in einem reinen Wohngebiet vor. Sie enthält in ihrem § 3 Abs. 3 vielmehr nur Regelungen zur ausnahmsweisen Zulässigkeit von bestimmten Läden und nicht störenden Handwerksbetrieben sowie von kleinen Betrieben des Beherbergungsgewerbes.

Mit der hier strittigen Änderung ist der Bebauungsplan auch nicht etwa - ganz oder teilweise - auf die Baunutzungsverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 23.1.1990 (BGBl. I S. 132; BauNVO 1990) umgestellt worden mit der Folge, dass der Plangeber gleichsam in einem Akt die nach § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO 1990 gegebene ausnahmsweise Zulässigkeit bestimmter Anlagen für gesundheitliche Zwecke - nämlich solcher, die den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienen - in eine allgemeine Zulässigkeit umwandeln konnte. Die textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans, die neben der Planzeichnung den Planinhalt wiedergeben, enthalten keine entsprechende Regelung. Ebenso wenig lässt sich der Planbegründung auch nur ansatzweise ein Anhalt dafür entnehmen, dass der Plangeber eine entsprechende Umstellung des Bebauungsplans - sei es insgesamt, sei es jedenfalls für das hier in Rede stehende reine Wohngebiet - festlegen wollte. Die bloße Erwähnung der "ausnahmsweisen Zulässigkeit von Anlagen für gesundheitliche Zwecke nach § 3 Abs. 3 Nr. BauNVO" - bezeichnenderweise ohne Angabe der Fassung der Baunutzungsverordnung - in § 1 der textlichen Festsetzungen zur Änderung gibt für einen entsprechenden Rechtsanwendungsbefehl ebenso wenig etwas her wie der seitens der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgetragene Hinweis auf die Überschrift der Legende zum Bebauungsplan, in der die "Baunutzungsverordnung (BauNVO) in der Fassung vom 23.01.1990 (BGBl. I S. 132)" ausdrücklich erwähnt ist. Es fehlt an einer entsprechenden Regelung zur Umstellung des Plans auf die Baunutzungsverordnung 1990 in den textlichen Festsetzungen und an einer entsprechenden Verlautbarung einer solchermaßen tragenden Planfestsetzung in der Begründung zum Bebauungsplan, wie es ständiger Planungspraxis entspricht.

Ende der Entscheidung

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