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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 11.01.2002
Aktenzeichen: 7a D 6/00.NE
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 1 Abs. 3
BauGB § 1 Abs. 6
Die städtebauliche Erforderlichkeit eines Bebauungsplans, mit dem ein Modellprojekt des autofreien Wohnens ermöglicht und sichergestellt werden soll, setzt nicht zwingend eine gutachterliche Prognose voraus, ob künftige Bewohner auf Dauer kein (eigenes) Auto halten werden. Es genügt, wenn die Gemeinde städtebaulichen Missständen begegnen kann, falls das Modellprojekt fehlschlägt.

Die Gemeinde muss Maßnahmen zur Bewältigung eines Nutzungskonflitks nicht abwägen, der bei zielentsprechender Nutzung des Modellprojekts nicht auftritt, wenn sie im Fall des nicht erwarteten Misserfolgs städtebaulich reagieren kann.


Tatbestand:

Der Antragsteller wendet sich mit dem Normenkontrollantrag gegen den Bebauungsplan Nr. 428. Der Bebauungsplan sieht ein reines Wohngebiet vor, das er durch den Zusatz "Wohnen ohne (eigenes) Auto" ergänzend beschreibt. Durch Baugrenzen, teilweise auch durch Baulinien sind im reinen Wohngebiet insgesamt 14 überbaubare Grundstücksflächen (im Folgenden auch: Baufenster) festgelegt, für die zwingend drei- und vier-, auf Teilflächen der Baufenster zum Teil auch zweigeschossige Bebauung vorgeschrieben ist. Die Baufenster sind in geschlossener Bauweise bebaubar. Sie werden über ein Netz von Flächen erschlossen, die mit Gehrechten zu Gunsten der Öffentlichkeit, ferner mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten zu Gunsten der Erschließungsträger belastet werden sollen. Fahrrechte zu Gunsten der Anlieger eröffnet der Bebauungsplan lediglich auf Teilbereichen der an das reine Wohngebiet im Inneren des Straßenkarrees heranführenden, als öffentliche Verkehrsflächen festgesetzten Parzellenteilen. Das Plangebiet ist über sechs Wegeflächen mit den umgebenden Straßen verknüpft, von denen drei mit Fahrrechten belastet sind. Über die nördlich des allgemeinen Wohngebiets zur Weißenburgstraße vorgesehene Zufahrt zum Planbereich ist eine im äußersten Nordosten vorgesehene Fläche erreichbar, auf der Gemeinschaftsstellplätze und ferner ein "Carsharing"-Platz vorgesehen sind. Über die nördliche der beiden Anbindungen zur Straße Habichtshöhe ist eine dem reinen Wohngebiet westlich vorgelagerte, mit Nebenanlagen bebaute Fläche einer Größe von etwa 40 m x 50 m erreichbar, auf der Garagen und Stellplätze zulässig sind.

Durch textliche Festsetzungen bestimmt der Bebauungsplan, dass im reinen Wohngebiet Stellplätze, Garagen und Carports außerhalb der dafür festgesetzten Flächen auch innerhalb überbaubarer Grundstücksflächen unzulässig sind. Nachrichtlich weist der Bebauungsplan u.a. darauf hin, dass die Unzulässigkeit der Errichtung von Stellplätzen, Garagen oder Carports durch die Verwaltungsvorschriften zur Bauordnung abgedeckt sei (Stellplatzschlüssel 0,2 je Wohneinheit) und durch mit den Eigentümern abzuschließende städtebauliche Verträge sowie mit den zukünftigen Bewohnern zu vereinbarende Miet- und Kaufverträge gestützt werde.

Der Antrag führte zur Feststellung der Unwirksamkeit des Bebauungsplans.

Gründe:

Der Bebauungsplan ist im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB städtebaulich gerechtfertigt. Was im Sinne dieser Vorschrift erforderlich ist, bestimmt sich nach der jeweiligen planerischen Konzeption der Gemeinde. Welche städtebaulichen Ziele die Gemeinde sich setzt, liegt in ihrem planerischen Ermessen. Der Gesetzgeber ermächtigt sie, die Städtebaupolitik zu betreiben, die ihren städtebaulichen Ordnungsvorstellungen entspricht. Nicht erforderlich im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB sind nur solche Bauleitpläne, die einer positiven Planungskonzeption entbehren und ersichtlich der Förderung von Zielen dienen, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuchs nicht bestimmt sind. Davon ist beispielsweise auszugehen, wenn eine planerische Festsetzung lediglich dazu dient, private Interessen zu befriedigen oder eine positive städtebauliche Zielsetzung nur vorgeschoben wird.

Die städtebauliche Rechtfertigung im vorgenannten Sinne ergibt sich ohne Weiteres unmittelbar aus der Bebauungsplanbegründung. Die Bebauungsplanung soll dazu dienen, Wohnbedarf unter Inanspruchnahme einer innerstädtischen Fläche abzudecken, die sich für eine solche Entwicklung im Hinblick auf die umgebende Nutzungsstruktur durchaus anbietet.

Die städtebauliche Rechtfertigung wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass das die Planung des reinen Wohngebiets tragende Konzept - Wohnen ohne eigenes Auto - gar nicht umsetzbar wäre. Zunächst steht die städtebauliche Rechtfertigung eines Bebauungsplans grundsätzlich nicht schon dann in Frage, wenn eine Bedarfsanalyse nicht erstellt worden ist.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14.8.1995 - 4 BN 21.95 -, Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 86.

Dennoch fehlt die städtebauliche Erforderlichkeit, wenn eine Planung zwangsläufig an dauerhaften tatsächlichen oder rechtlichen Hindernissen scheitern würde.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 30.8.2001 - 4 CN 9.00 -.

Tatsächliche oder rechtliche Hindernisse stehen der Verwirklichung des Bebauungsplans jedoch nicht entgegen.

Zunächst steht außer Frage, dass die Bebauungsplanfestsetzungen selbst verwirklicht werden können, insbesondere der Errichtung der im reinen Wohngebiet zulässigen Wohnhäuser keine tatsächlichen oder rechtlichen Hindernisse entgegenstehen. Dass auf dem jeweiligen Baugrundstück oder in seiner unmittelbaren Nähe keine Stellplätze angelegt werden können, könnte das mit der Bebauungsplanung verfolgte städtebauliche Konzept der Antragsgegnerin allerdings dann in Frage stellen, wenn überhaupt nicht mit Interessenten zu rechnen wäre, die das durch den Bebauungsplan eröffnete Angebot ausnutzen wollen, Wohnhäuser zu errichten, die nicht über eigene Stellplätze verfügen und deren künftige Bewohner sich vertraglich verpflichten sollen, kein (eigenes) Auto zu halten. Von einem entsprechenden Bedarf durfte die Antragsgegnerin allerdings ohne nähere Analyse ausgehen.

Die Antragsgegnerin hat darauf abgestellt, der Bebauungsplan werde durch einen Investor auf Grundlage eines städtebaulichen Vertrages umgesetzt (vgl. etwa Bebauungsplanbegründung Nr. 9). Dass ein entsprechender städtebaulicher Vertrag im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses noch nicht vorlag, ist unschädlich. Die Antragsgegnerin hat keinen vorhabenbezogenen Bebauungsplan beschlossen, der gemäß § 12 Abs. 1 BauGB voraussetzen würde, dass sich der Vorhabenträger vor Satzungsbeschluss zur Durchführung des Vorhabens in einem Durchführungsvertrag verpflichtet. Diese Anforderung des § 12 BauGB ist entgegen den Erwägungen des Antragstellers auf den hier beschlossenen qualifizierten Bebauungsplan nicht entsprechend anzuwenden. Der vorhabenbezogene Bebauungsplan ermöglicht der Gemeinde, die Zulässigkeit eines Vorhabens ohne Bindung an die Festsetzungsmöglichkeiten nach § 9 BauGB und der Baunutzungsverordnung zu bestimmen (vgl. §§ 30 Abs. 2, 12 Abs. 3 Satz 2 BauGB). Die Realisierung eines derart spezifischen Vorhabens soll vertraglich vor Satzungsbeschluss gesichert sein. Demgegenüber hat sich die Antragsgegnerin zum Erlass eines Bebauungsplans entschlossen, der sich mit allen seinen Festsetzungen im Rahmen der durch § 9 BauGB und die Baunutzungsverordnung vorgegebenen Festsetzungsmöglichkeiten hält. Die plankonforme Verwirklichung der Bebauungsplanfestsetzungen setzte keine vertragliche Bindung des Investors voraus. Die Antragsgegnerin durfte sich demnach auf die Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen für den Erlass eines qualifizierten Bebauungsplans beschränken, zu denen der Abschluss eines städtebaulichen Vertrags vor Satzungsbeschluss nicht gehört.

Auch kann nicht festgestellt werden, dass mit einem Bedarf an Wohnungen, die nur an solche Bewohner vergeben werden, die sich zivilrechtlich verpflichten, kein (eigenes) Auto zu halten, nicht hätte gerechnet werden können. Eine entsprechende zivilrechtliche Verpflichtung ist den Bewohnern nicht nur nachteilig, sondern hat für das unmittelbare Wohnumfeld auch Auswirkungen, die beispielsweise für Familien mit Kindern, für Personen, die ökologischen Gesichtspunkten besonders nahe stehen, oder für Personen, die etwa altersbedingt oder aus finanziellen Gründen kein (eigenes) Auto nutzen wollen oder können, attraktiv erscheinen können. So wird ein Anliegerverkehr im Planbereich weitgehend nicht stattfinden. Das überplante Gebiet eignet sich nach seiner Lage im Hinblick auf die Zentrumsnähe, die hervorragende Infrastruktur seiner Umgebung, die Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr darüber hinaus durchaus für ein Modellprojekt des autofreien Wohnens.

Schließlich war bei der Antragsgegnerin ein Bedarf an Wohnungen, denen keine eigenen Stellplätze zugeordnet sind, zu verzeichnen. Nach den in der Bebauungsplanbegründung wiedergegebenen Umständen hat sich bei der Antragsgegnerin bereits vor Satzungsbeschluss eine Vielzahl von Wohnungsinteressenten gemeldet, denen das mit dem Bebauungsplan verfolgte Konzept, Wohnen ohne (eignes) Auto, bekannt war.

Es liegt durchaus im Rahmen der der Antragsgegnerin obliegenden Entwicklung stadtpolitischer Konzepte, auch für den Bevölkerungsteil, der an "autofreien" Wohnformen interessiert ist, ein entsprechendes Angebot zu unterbreiten. Der in Betracht zu ziehende Bevölkerungsteil mag zahlenmäßig von verhältnismäßig geringem Gewicht sein. In einer Großstadt wie Münster ist die Erwartung der Antragsgegnerin, für ein Gebiet der hier in Rede stehenden Größenordnung entsprechenden Wohnbedarf vorzufinden, jedoch nicht offenkundig fehlerhaft. Der nach Satzungsbeschluss geschlossene städtebauliche Vertrag bestätigt, dass der Planverwirklichung keine dauerhaften tatsächlichen Hindernisse entgegenstehen.

Es mag zu erwägen sein, die städtebauliche Erforderlichkeit der Bebauungsplanung in Frage zu stellen, weil die der städtebaulichen Konzeption der Antragsgegnerin zu Grunde liegende Erwartung, die zukünftigen Bewohner des Gebiets würden den vorausgesetzten zivilrechtlichen Vereinbarungen gemäß kein (eigenes) Auto halten, auf Dauer unrealistisch sei und eine entsprechende Lebensführung letztlich nicht sicher gestellt werden könne. Auch unter diesen Gesichtspunkten steht die städtebauliche Rechtfertigung des Bebauungsplans nicht in Frage.

Die Antragsgegnerin durfte grundsätzlich von einem vertragstreuen Verhalten der künftigen Bewohner des reinen Wohngebiets ausgehen. Auch der Antragsteller stellt die Verträglichkeit des Wohngebiets mit der umliegenden Wohnnutzung für den Fall nicht in Abrede, dass das Konzept autofreien Wohnens (vertragsgemäß) realisiert werden kann. Die Antragsgegnerin hat auf die Freiwilligkeit der vertragsgemäß beschränkten Wohnnutzung im Bebauungsplanbereich abgestellt. Der Antragsteller zieht in Zweifel, ob etwa im jeweiligen Einzelfall ein freiwilliger Verzicht auf ein Auto erwartet werden könne. Er wirft ferner die Frage auf, ob die vorausgesetzte Verpflichtung, kein (eigenes) Auto zu halten, im jeweiligen Einzelfall zivilrechtlich erfolgversprechend durchgesetzt werden kann. Das von der Antragsgegnerin eingeholte Rechtsgutachten mag gewisse Zweifel offen lassen. Es erfasst, worauf die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers zutreffend hingewiesen haben, auch nicht alle denkbaren Fallgestaltungen. Auf den Einzelfall kommt es jedoch ersichtlich nicht an. Das Plankonzept der Antragsgegnerin wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass sich einzelne Bewohner nicht dem Plankonzept unterwerfen. Einzelne Autohalter lösen keinen Parksuchverkehr aus, der in einer Großstadt nicht ohne weiteres hingenommen werden müsste. Ein nicht unproblematischer Parksuchverkehr mag dann zu befürchten sein, wenn eine nennenswerte Bewohnerzahl ein (eigenes) Auto hält (und hiergegen zivilrechtlich nicht wirksam vorgegangen werden kann). Der Antragsteller meint, die Antragsgegnerin hätte eine Prognose erarbeiten müssen, ob mit einer solchen Entwicklung zu rechnen sei. Das von der Antragsgegnerin in Auftrag gegebene Rechtsgutachten leide an methodischen Mängeln und werde den Anforderungen an eine Prognose nicht gerecht. Der Antragsteller übersieht, dass eine verlässliche Prognose der zu erwartenden Entwicklung schon deshalb nicht möglich ist, weil bereits eine Prognosegrundlage nicht ermittelt werden kann. Langjährig bestehende Vergleichsmodelle, aus denen verallgemeinerungsfähige Erfahrungswerte für eine Prognose abgeleitet werden könnten, sind dem Senat nicht bekannt. In Nordrhein-Westfalen handelt es sich um ein Modellvorhaben. Zivilrechtliche Rechtsprechung zur Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit von Verpflichtungen, kein (eigenes) Auto zu halten, liegt ebenfalls nicht vor.

Bei dieser Ausgangslage durfte die Antragsgegnerin den ihr zustehenden politischen Gestaltungsspielraum dahin ausschöpfen, ein Modellprojekt zu verfolgen, das nicht offenkundig verfehlt ist. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass eine nennenswerte Zahl künftiger Bewohner des reinen Wohngebiets der vertraglich eingegangenen Verpflichtung, kein (eigenes) Auto zu halten, von vornherein keine Beachtung schenken wollte. Dass sich in Einzelfällen die Lebensumstände nach Vertragsschluss dahin ändern können, dass die Forderung, weiterhin auf ein (eigenes) Auto zu verzichten, ebenso unzumutbar sein kann wie das Verlangen, dennoch aus den geänderten Lebensumständen die ansonsten erwartete Konsequenz zu ziehen (und umzuziehen), stellt das Modellprojekt ebenfalls nicht in Frage. Im Übrigen hat die Antragsgegnerin die mit dem Modellprojekt verbundenen Risiken erkannt. Sie hat erkannt, dass rechtlich nicht in jeder Hinsicht als geklärt angesehen werden kann, ob die zivilrechtliche Verpflichtung, kein (eigenes) Auto zu halten, durchgesetzt werden kann. Sie hat dem Rechnung getragen und zum Ausdruck gebracht, auf etwaige Änderungen der Nutzungsverhältnisse durch städtebauliche Maßnahmen reagieren zu wollen.

Ob die städtebauliche Rechtfertigung eines Bebauungsplans auch dann in Frage steht, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein Modellprojekt - für dessen Realisierbarkeit eine plausible Prognose weder in der einen noch in der anderen Richtung möglich ist - fehlschlägt, die Gemeinde für diesen Fall jedoch keine Möglichkeit hat, der dann etwaig drohenden städtebaulichen Fehlentwicklung zu begegnen, kann dahinstehen. Die Antragsgegnerin jedenfalls kann städtebaulich in einer Weise reagieren, um städtebauliche Missstände, die hier nur hinsichtlich der vom Antragsteller befürchteten Auswirkungen fehlender Stellplätze im Plangebiet ersichtlich sind, zu beheben. Der Antragsteller vermisst die konkrete Aussage, wie die Antragsgegnerin im Falle des Scheiterns des Projekts städtebaulich reagieren wolle. Die Antwort hierauf liegt jedoch auf der Hand und bedurfte keiner gesonderten Ausführungen der Antragsgegnerin. Einem für den Fall des Scheiterns des Modellprojekts erforderlichen Stellplatzbedarf kann die Antragsgegnerin beispielsweise durch entsprechende Festsetzungen innerhalb des Bebauungsplangebiets begegnen. Etwa könnte die Antragsgegnerin den im Nordwesten des Bebauungsplangebiets festgesetzten Platz für Stellplätze und Garagen (ggfls. unter Berücksichtigung entsprechender Schallschutzmaßnahmen entlang der Zufahrt) für eine Tiefgaragennutzung oder andere Parkanlagen freigeben.

Der Bebauungsplan leidet nicht an zu seiner Nichtigkeit führenden Abwägungsmängeln.

Das Gebot, die öffentlichen und privaten Belange untereinander und gerecht abzuwägen, wird zunächst dann verletzt, wenn eine sachgerechte Abwägung überhaupt nicht stattfindet. Es ist ferner dann verletzt, wenn in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss. Schließlich liegt eine solche Verletzung auch dann vor, wenn die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens ist dem Abwägungsgebot jedoch genügt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde im Widerstreit verschiedener Belange für die Bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die Zurückstellung des anderen Belangs entscheidet.

Abwägungsmängel im vorgenannten Sinne, die bei vorausgesetzter Nutzung des Plangebiets eintreten könnten, sind vom Antragsteller nicht benannt und auch nicht ersichtlich. Halten die Bewohner des reinen Wohngebiets selbst kein (eigenes) Kraftfahrzeug, sind keine Nutzungskonflikte zu erwarten. Zwar ist ein gewisser Besucherverkehr in Rechnung zu stellen. Der Besucherverkehr findet jedoch ausreichende Parkmöglichkeiten auf der Gemeinschaftsstellfläche im Nordosten des Plangebiets. Den Stellplatzbedarf, den die Antragsgegnerin ihrer Planung zugrunde gelegt hat, nimmt sie mit 0,2 je Wohneinheit an. Dies ist der Sache nach nicht zu beanstanden. Dass etwaig überschießender Besucherverkehr zu solchen Unzuträglichkeiten führen kann, die Konfliktlösungen erfordern, ist nicht ersichtlich. Mit einer gewissen Belastung des öffentlichen Verkehrsraums durch Besucher eines Wohngebiets muss wie allenthalben in Großstadtlagen gerechnet werden.

Der Antragsteller hält den Nutzungskonflikt für abwägungsbeachtlich, der sich dann ergibt, wenn die Bewohner des reinen Wohngebiets nicht auf ein (eigenes) Auto verzichten. Er unterstellt damit, dass das mit dem Bebauungsplan verfolgte städtebauliche Ziel, Wohnen ohne (eigenes) Auto, nicht erreicht wird. Dieser in der Tat nicht völlig ausgeschlossene Fall der Zielverfehlung war nach Ansicht des Senats nicht abwägungsrelevant. Die Antragsgegnerin musste nicht bereits Maßnahmen der Bewältigung eines Nutzungskonflikts abwägen, der bei zielentsprechender Nutzung des reinen Wohngebiets nicht auftreten wird. Sie durfte sich vielmehr darauf beschränken, sich für ein Modellprojekt zu entscheiden und darauf abzustellen, für den Fall eines von ihr nicht erwarteten Misserfolgs die zur Bewältigung etwaiger Konflikte dann und nicht bereits jetzt erforderlichen Maßnahmen auch städtebaupolitischer Art zu ergreifen.

Die Antragsgegnerin hat sich demgemäß mit der Frage befasst, ob alle künftigen Bewohner des reinen Wohngebiets vertragsgemäß auf die Haltung eines Autos verzichten werden. Sie hat gewisse Unsicherheiten der rechtlichen Beurteilung erkannt. Dass sie dennoch von der grundsätzlichen Realisierbarkeit ihrer Planung ausgegangen ist, ist nicht offenkundig fehlerhaft. Die Antragsgegnerin durfte vom grundsätzlich vertragsgemäßen Verhalten der Bewohner ausgehen. Es gibt keine Erkenntnis darüber, dass in der sozialen Wirklichkeit der Stadt Münster Verträge in einem beachtlichen Umfang nicht beachtet würden. Die von der Antragsgegnerin begutachteten Sicherungsmöglichkeiten erfassen darüber hinaus nur den Fall, dass die Vertragsparteien sich an die vereinbarten Verpflichtungen, hier an die Verpflichtung, auf ein (eigenes) Auto zu verzichten, nicht halten. Dem Antragsteller ist einzuräumen, dass nach den jeweiligen persönlichen Lebensumständen der Bewohner des reinen Wohngebiets die zunächst eingegangene freiwillige Verpflichtung zum Verzicht auf ein Kraftfahrzeug in einen Zwang umschlagen kann. Dies mag auch dazu führen, dass vertragswidrig tatsächlich Kraftfahrzeuge genutzt werden. Dass dies aber in einer nennenswerten Zahl von Fällen eintreten wird, also in einer Größenordnung, die im umliegenden Straßensystem zwangsläufig zu Nutzungskonflikten führen wird, ist nicht von vornherein zu erwarten.

Der Bebauungsplan leidet jedoch an einem Mangel, der zu seiner Unwirksamkeit führt. Der Rat hat keine Grundflächenzahl (und auch keine Größe der Grundflächen der baulichen Anlagen) festgesetzt. (wird ausgeführt)

Ende der Entscheidung

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