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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 08.04.2002
Aktenzeichen: 7a D 91/01.NE
Rechtsgebiete: BauNVO


Vorschriften:

BauNVO § 4 Abs. 4
BauNVO § 4 Abs. 6
1. Die Ermittlung des infolge einer Bebauungsplanung zu erwartenden zusätzlichen Verkehrsaufkommens und damit einhergehender Lärmbelastungen im Wege einer Modellprognose, anhand derer sich die zu erwartenden Verkehrsmengen und künftigen Belastungen im neuen Netz ergeben, kann eine geeignete fachgerechte Methode sein; sie kann auf Verkehrsverflechtungsdaten gestützt werden, die auf der Grundlage allgemeiner Verkehrsdaten ermittelt und für die örtliche Situation modifiziert wurden.

2. Die Überschreitung der in der DIN 18005 für die Ausweisung von neuen Baugebieten vorgesehenen Orientierungswerte um wenige Dezibel (hier bis zu 4 dB (A)) kann im Einzelfall noch im Bereich abwägungsgerechter Akzeptanz liegen.

3. In überplanten bereits bebauten Bereichen, die durch den bereits vorhandenen Straßenverkehr erheblich lärmvorbelastet sind, können Werte von (deutlich) mehr als 70 dB (A) am Tag bzw. 60 dB (A) in der Nacht einen gewissen Anhalt geben, ab wann mit ungesunden Wohnverhältnissen zu rechnen ist. Gewisse Überschreitungen können - je nach den Umständen des konkreten Einzelfalls - im Rahmen sachgerechter Abwägung noch hingenommen werden, sofern durch Planfestsetzungen eine unter städtebaulichen Gesichtspunkten noch vertretbare Wohnsituation innerhalb der Gebäude sichergestellt ist.

4. Mittelbare Auswirkungen für potenzielle FFH-Gebiete durch Ausweisung neuer Baugebiete hat der Plangeber im Rahmen seiner Abwägungsentscheidung zu berücksichtigen. Nach dem gemeinschaftsrechtlichen Schutzmaßstab dürfen potenzielle FFH-Gebiete, deren Schutzwürdigkeit sich nach der FFH-RL aufdrängt, nicht zerstört oder so nachhaltig beeinträchtigt werden, dass sie für eine Meldung bzw. spätere Aufnahme in die Gemeinschaftsliste nicht mehr in Betracht kommen.


Tatbestand:

Der Antragsteller wandte sich gegen einen Bebauungsplan, mit dem im Wesentlichen ein ehemaliges innerstädtisches ca. 25 ha großes Kasernengelände einer neuen städtebaulichen Ordnung zugeführt werden sollte. Das Bebauungsplangebiet wird an drei Seiten von Straßen begrenzt. Im Osten grenzt das Plangebiet an ein vorhandenes Gewerbegebiet. Der Geltungsbereich des Bebauungsplans liegt teilweise im Grundwassereinzugsbereich für ein ca. 400 m entferntes Kalkflachmoor, welches unter Naturschutz gestellt ist. Innerhalb des Plangebiets weist der Bebauungsplan neue allgemeine Wohngebiete ("WA"), ein Mischgebiet und ein Gewerbegebiet aus. Im Hinblick auf die von den drei umgebenden Straßen ausgehenden Lärmimmissionen wird die entlang dieser Straßen bestehende und geplante Bebauung unterschiedlichen Lärmpegelbereichen zugeordnet. Zur städtebaulichen Neuordnung des Kasernengeländes holte die Antragsgegnerin schalltechnische Untersuchungen ein. Der Antragsteller ist Eigentümer eines mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks im Plangebiet an der L.-Straße, einer der drei umgebenden Straßen. Mit dem fristgerechten Normenkontrollantrag rügte er eine abwägungsfehlerhafte Entscheidung der Antragsgegnerin u.a. hinsichtlich der Bewältigung des Verkehrslärms durch das zur erwartende Verkehrsmehraufkommen sowie die Beeinträchtigungen des Naturschutzgebietes

Der Normenkontrollantrag hatte keinen Erfolg.

Gründe:

Soweit der Bebauungsplan im inneren Bereich des Plangebiets und am äußeren Rand entlang der drei umgebenden Straßen (H.-Straße, F.-Straße und L.-Straße) allgemeine Wohngebiete festsetzt, lassen sich Abwägungsfehler nicht feststellen.

(...)

Die Antragsgegnerin hat bei der Ausweisung des neuen allgemeinen Wohngebiets "WA" die betroffenen privaten und öffentlichen Belange eingestellt, insbesondere hat sie bei ihrer Planung des neuen Baugebiets die Auswirkungen der Lärmimmissionen hinreichend berücksichtigt. Die Antragsgegnerin hat zutreffend erkannt, dass die neue Wohnbebauung Lärmimmissionen ausgesetzt sein wird, die insbesondere von der H.-Straße, der F.-Straße und der L.-Straße ausgehen, und dass daher abwägend zu prüfen war, welche Lärmbelastung die Wohnbevölkerung erwartet und ob diese den Anwohnern zugemutet werden kann. Als Anhaltspunkt konnte sie für die Ausweisung des Neubaugebiets "WA" die Orientierungswerte der DIN 18005 "Schallschutz im Städtebau" ihrer Abwägung zu Grunde legen.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.12.1990 - 4 N 6.88 -, BRS 50 Nr. 25; OVG NRW, Urteil vom 16.10.1997 - 11a D 116/96.NE -, NVwZ-RR 1998, 632 (634f.).

Das für den Abwägungsvorgang notwendige Abwägungsmaterial hat sich die Antragsgegnerin verschafft, indem sie eine schalltechnische Untersuchung der I.A. vom Dezember 1997 zu den Verkehrslärmauswirkungen eingeholt hat, die im März 1998 durch ein weiteres schalltechnische Gutachten bezogen auf das innere Bebauungsplangebiet ergänzt wurde und deren Ergebnisse in die Abwägungsentscheidung des Rates eingeflossen sind. Das Gutachten beurteilt die Lärmsituation im Innern des Plangebiets nach der DIN 18005, die für allgemeine Wohngebiete unter Nr. 1.1 b) des Beiblattes 1 Beurteilungspegel von 55 dB (A) tags und 45 dB (A) nachts vorsieht. Nach der erstellten Prognose der I.A. vom März 1998 werden die Orientierungswerte der DIN 18005 in den neu zu bebauenden allgemeinen Wohngebieten ("WA") weitgehend eingehalten bzw. nur in einigen wenigen Bereichen überschritten, wobei sich die Überschreitungen noch in Bereichen abwägungsgerechter Akzeptanz bewegen.

Im Einzelnen hat die I.A. in ihrem Gutachten vom März 1998 im Fall der Realisierung des Bebauungsplangebiets ("Plan-Fall") für die geplanten Gebäude in den WA-Gebieten Lärmimmissionen ermittelt, die sie in einer Gebäudelärmkarte (5 m Raster) in der Anlage 3 niedergelegt hat.

Danach werden in den Wohngebieten an den festgesetzten Baugrenzen weitgehend nur Lärmwerte von 51 dB (A) bis 55 dB (A) erreicht und lediglich an einigen wenigen Gebäudefronten von vier Gebäuden sind maximale Tagwerte von 56 bis 58 dB (A) zu erwarten. Der von der DIN 18005 den allgemeinen Wohngebieten bei Nacht zugeordnete Lärmwert von 45 dB (A) wird nach dem Gutachten der I.A. ebenfalls weitgehend eingehalten oder gar unterschritten. Auch nachts ist nur an einigen wenigen Gebäudefassaden mit Überschreitungen von 1 bis maximal 4 dB (A) zu rechnen.

Die Überschreitungen der von der DIN 18005 vorgesehenen Orientierungswerte liegen unter 5 dB (A) und damit noch im Bereich abwägungsgerechter Akzeptanz.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.12.1990 - 4 N 6.88 -, BRS 50 Nr. 25; OVG NRW, Beschluss vom 18.6.Juni 2001 - 7a D 182/98.NE -.

Die Antragsgegnerin hat die teilweisen Lärmbelastungen erkannt und ihnen im Bebauungsplanverfahren Rechnung getragen, indem sie zur Wahrung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse durch die textliche Festsetzung Nr. 7.1 im Bebauungsplan passive Schallschutzmaßnahmen an den Zufahrtsstraßen von der H.-Straße zum Bebauungsplangebiet festsetzt und für die Gebäude innerhalb der lärmbelasteten Flächen die ruhebedürftigen Räume wie Schlaf- und Kinderzimmer den lärmabgewandten Gebäudeseiten zuordnet sowie fensterunabhängige Lüftungsanlagen vorsieht. Die insoweit in Nr. 7.1 getroffenen Regelungen lassen Abwägungsmängel nicht erkennen, zumal es nur bei den Tagwerten um den Schutz von Außenwohnbereichen geht und die Überschreitungen Bereiche erfassen, bei denen auf die Anlage von Außenwohnbereichen verzichtet werden kann (Nordseiten) bzw. mit geringen Mitteln ggf. ein eigener Schutz möglich ist. Die Antragsgegnerin konnte angesichts dessen im Interesse des städtebaulich gerechtfertigten "Flächenrecycling" und der Deckung eines Wohnbedarfs die WA-Bereiche wie geschehen ausweisen, ohne mit den Wohnbauflächen noch weiter von den Hauptemissionsquellen (H.-Straße, F.-Straße, L.-Straße) abzurücken bzw. aktiven Lärmschutz vorzusehen.

Die dieser Abwägung zu Grunde liegenden prognostischen Abschätzungen der schalltechnischen Untersuchung der I.A. sind auch unter Berücksichtigung der von dem Antragsteller erhobenen Einwände gegen das Gutachten nicht zu beanstanden.

...

Dem Gutachten liegen zu erwartende Verkehrsbelastungen und damit einhergehende Lärmbelastungen zu Grunde, die im Wege der Modellprognose als einer geeigneten fachgerechten Methode ermittelt worden sind.

Die I.A. hat sich zur Beurteilung der zukünftig von dem Baugebiet durch das vermehrte Verkehrsaufkommen zu erwartenden Lärmimmissionen einer computerunterstützten Modellrechnung bedient. Dieser Modellprognose lagen Basisdaten über den Straßenverkehr zu Grunde, welche die das Bebauungsplangebiet umgebenden Straßen betrafen. Im Einzelnen lagen Belastungszahlen für die H.-Straße, die B.-Straße, die L.-Straße und den D. Weg vor, die aus der Landesverkehrszählung von 1995 sowie ergänzenden städtischen Zählungen zur vorhandenen Verkehrsbelastung stammten. Ferner gab es noch Verkehrsdaten von Knotenpunktzählungen aus den Jahren 1987 und 1988. Des Weiteren wurden Grundlagendaten aus aktuellen Verkehrsuntersuchungen aus dem Jahre 1996 genutzt, um die Verkehrssituation ergänzend zu analysieren. Auf der Grundlage dieser Daten, die in der nachmittäglichen Spitzenstunde ca. 9 bis 11% des Tagesbelastungswertes der durchschnittlichen täglichen Verkehrsstärke (DTV) aufwiesen, wurde entsprechend der Steigerung des Verkehrsaufkommens ein realistischer DTV-Wert ermittelt. Ferner wurden die Überlagerung von zusätzlich auftretenden Verkehren im modelltechnischen Weg sowie Verkehrsverlagerungen berücksichtigt, die nicht unbedingt in Wechselwirkung zu dem Bebauungsplangebiet stehen, wie der Vertreter der I.A. in der mündlichen Verhandlung ausführte.

Eine solche Modellprognose ist methodisch sachgerecht. Sie ermittelt, ausgehend von allgemeinen Verkehrsdaten, die für die örtliche Situation modifiziert werden, Verkehrsverflechtungsdaten, anhand derer sich die zu erwartenden Verkehrsmengen und künftige Belastungen im neuen Netz ergeben. Gerade in Fällen, in denen es - wie hier - um die Ausweisung eines großen innerstädtischen Baugebiets geht, welches einerseits Auswirkungen auf ein größeres Netz von Verkehrswegen hat, deren Belastung andererseits maßgeblich auch durch andere Planungen im Einzelnen beeinflusst wird, ist es nicht nur sachgerecht, sondern geboten, auf eine umfassende Modellprognose zurückzugreifen. Nichts anderes ist hier mit dem Rückgriff auf vorhandene Basisdaten der Landesverkehrszählung 1995 und Einzelermittlungen der Antragsgegnerin geschehen. Auch wenn die Daten von 1995/1996 stammen, waren sie zum Zeitpunkt der Prognoseerstellung 1997 und 1998 noch verwertbar und konnten als taugliche Prognosegrundlage herangezogen werden, um sie nach anerkannten Berechnungsmethoden auf die vorhandene tatsächliche und die künftige Verkehrssituation nach Fertigstellung des Plangebiets hochzurechnen. Konkrete "kalibrierte" Messungen, wie sie der Antragsteller fordert, lassen sich im Planungsstadium nicht vornehmen, da sie nur die vorhandene, nicht aber die künftige Verkehrssituation erfassen können. Der Plangeber ist deshalb auf prognostische Abschätzungen angewiesen. Dass die auf der Grundlage der Landesverkehrszählung 1995, modifiziert durch ergänzende städtische Zählungen, dem erstellten Gutachten zugrunde gelegten Zahlen und Daten fehlerhaft oder als Berechnungsgrundlage untauglich sind, ist nicht ersichtlich und wird auch von dem Antragsteller nicht substantiiert in Zweifel gezogen.

Die Abschätzung der künftigen Lärmimmissionen genügt auch im Übrigen fachwissenschaftlichen Anforderungen. Die Berechnung der Verkehrslärmimmissionen erfolgte auf der Grundlage der "Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen, RLS-90". Da es im vorliegenden Fall um die Ermittlung der gesamten Verkehrslärmimmissionen geht, die durch den vom Bebauungsplangebiet verursachten Mehrverkehr hervorgerufen werden, können die RLS-90 grundsätzlich herangezogen werden. Hierbei handelt es sich um sachverständig erstellte Leitlinien zur Berechnung von Schallausbreitungen im Verkehr, in die die gewonnenen Erfahrungen und Forschungsergebnisse zum Verkehrslärm eingeflossen sind (Nr. 1.0 RLS-90). Für die Frage der Bewertung, welche Verkehrslärmbelastung die Straßenanwohner zu tragen haben, können nach Nr. 4.0 RLS-90 eine Reihe von Faktoren von Bedeutung sein (beispielsweise absolutes Verkehrsaufkommen, Anteile am Straßenverkehrsaufkommen nach PKW und LKW, zulässige Höchstgeschwindigkeit, Straßenbelag, Schallreflexionen, Abstand zwischen Straßenfahrbahn und Wohnbebauung). Diese Bewertungsfaktoren hat das I.A. bei seiner Berechnung berücksichtigt.

Zweifel hinsichtlich der Sachgerechtigkeit und Plausibilität der aus den angeführten Zahlen der Verkehrsbelastung abgeleiteten Lärmimmissionen bestehen nicht. Entgegen der Auffassung des Antragstellers sind die "Verkehrsverflechtungs-daten", auf deren Grundlage die schalltechnische Untersuchung des I.A. basiert, wie oben näher ausgeführt, nachvollziehbar dargelegt worden.

Das Gutachten hat auch den planbedingten Verkehrszuwachs bei seinen Berechnungen berücksichtigt. (wird ausgeführt). Dass die planbedingten Zuwachsraten in der Untersuchung nicht ausdrücklich benannt werden, macht das Gutachten nicht unplausibel. Die verkehrsbedingten Zuwächse sind auch nicht im Gutachten "versteckt", sondern ergeben sich ohne weiteres durch einen direkten Vergleich der untersuchten Straßenabschnitte in der vorhandenen Situation ("IST-Fall") mit ihrer Belastung im "PLAN-Fall".

Die von der I.A. ermittelten Zahlen liegen in nachvollziehbaren Größenordnungen.

Die Ausgangsdaten des Gutachtens - wie sie von der Antragsgegnerin vorgelegt wurden - sind auch im Übrigen nicht zu beanstanden (wird augeführt).

Die vorhandene Lärmbelastung durch die das Plangebiet umgebenden Straßen sowie den nach Realisierung der Bauleitplanung bedingten Mehrverkehr hat die Antragsgegnerin nicht nur für die neuen Wohngebiete im "WA"-Bereich, sondern ebenso für die entlang der H.-Straße, der F.-Straße und der L.-Straße überplanten bereits vorhandenen Wohngebiete "WA1" bei ihrer Abwägung berücksichtigt und fehlerfrei abgewogen.

Nach dem I.A.-Gutachten werden die Orientierungswerte der DIN 18005 für die in den straßennahen Randbereichen des Bebauungsplans ausgewiesenen "WA1"-Gebiete schon in der vorhandenen Situation auf Grund der bestehenden Vorbelastung durch den Verkehrslärm deutlich überschritten. Bei der Überplanung erheblich vorbelasteter Wohngebiete, bei denen sich die Orientierungswerte der DIN 18005 nicht einhalten lassen, muss der Planungsgeber jedenfalls sicherstellen, dass auch unter Berücksichtigung "gesunder Wohnverhältnisse" (§ 1 Abs. 5 Nr. 1 BauGB) die Ausweisung eines (reinen oder allgemeinen) Wohngebiets entsprechend der vorhandenen Bebauung städtebaulich noch vertretbar ist. Die Antragsgegnerin konnte den bereits vorhandenen Baubestand deshalb nur dann als allgemeines Wohngebiet ausweisen, sofern dadurch kein städtebaulicher Missstand herbeigeführt, verschärft oder fortgeschrieben wurde. Wann ein solcher Missstand anzunehmen ist, der auch die planungsrechtliche Absicherung eines vorhandenen Wohnbestands als (reines oder allgemeines) Wohngebiet nicht mehr zulässt, bedarf aus Anlass des vorliegenden Falles keiner abschließenden Entscheidung. Zwar lässt sich der vorliegenden Rechtsprechung, vgl. BGH, Urteil vom 10.11.1987 - III ZR 204/86 -, NJW 1988, 900; Urteil vom 25.3.1993 - III ZR 60/91 -, NJW 1993, 1700; BVerwG, Beschluss vom 18.12.1990 - 4 N 6.88 -, BRS 50 Nr. 25; Urteil vom 12.4.2000 - 11 A 18.98 -, NVwZ 2001, 82; OVG NRW, Urteile vom 6.6.1990 - 23 AK 3/87 -, NVwZ 1991, 389 und vom 4.3.2002 - 7a D 41/01 -, die Tendenz entnehmen, eine Schwelle für ungesunde Wohnverhältnisse etwa bei Außenpegeln in Bereichen von (deutlich) mehr als 70 dB (A) am Tag bzw. 60 dB (A) in der Nacht zu sehen. Diese Werte geben einen gewissen Anhalt, ab wann mit ungesunden Wohnverhältnissen zu rechnen ist. Eine absolute Grenze stellen sie nicht dar. Gewisse Überschreitungen können - je nach den Umständen im konkreten Einzelfall - auch insoweit im Rahmen sachgerechter Abwägung noch hingenommen werden, so dass die Überplanung bebauter Wohnbereiche mit einer Vorbelastung von mehr als 70 dB (A) am Tag bzw. 60 dB (A) in der Nacht nicht von vornherein ausgeschlossen ist, sofern durch Planfestsetzungen eine Reduzierung der Innenpegel sichergestellt werden kann. In diesen Fällen muss der Plangeber alles tun, um eine unter städtebaulichen Gesichtspunkten noch vertretbare Wohnsituation für solchermaßen vorbelastete Grundstücke zu erhalten oder zu schaffen. Ist eine Wohnnutzung z.B. in lärmabgewandten, gleichsam im "Lärmschatten" gelegenen Bereichen möglich, die jedenfalls dort ein Wohnen und/oder Schlafen bei gelegentlich geöffneten Fenstern noch zulassen, kann die Entscheidung zur Ausweisung eines allgemeinen Wohngebiets trotz hoher Lärmimmissionen im Einzelfall noch abwägungsgerecht sein.

Diesen Anforderungen genügt die Ausweisung der allgemeinen Wohngebiete "WA1" entlang der H.-Straße, der F.-Straße und der L.-Straße.

Aus der Anlage 2 der schalltechnischen Untersuchung der I.A. vom Dezember 1997 in Verbindung mit den dazu erstellten Gebäudelärmkarten (5 m Raster) ergibt sich, dass die prognostizierten Lärmwerte für die Grundstücke entlang der F.-Straße und entlang der L.-Straße nach Realisierung des Bebauungsplans ("PLAN-Fall") zum Teil deutlich unterhalb von 70 dB (A) tags und 60 dB (A) nachts liegen werden. Auch für die an der H.-Straße vom Bebauungsplan als "WA1"-Gebiet überplanten Grundstücke "H.-Straße Nrn. 146 bis 244" werden die Lärmwerte von 70 dB (A) am Tag und 60 dB (A) in der Nacht, zumeist unterschritten und in einigen Fällen gerade erreicht. Lediglich in drei Fällen beträgt der Nachtwert 61 dB (A), der Tagwert von 70 dB (A) wird in keinem Fall überschritten.

Trotz dieser hohen Belastungen ist die abwägende Entscheidung der Antragsgegnerin, die vorhandene straßenrandnahe Wohnbebauung als allgemeines Wohngebiet ("WA1") auszuweisen, noch vertretbar. Die Antragsgegnerin hat die vorhandene Lärmbelastung durch die umgebenden Straßen erkannt und bei ihrer Abwägung berücksichtigt. Letztlich wird die Ausgewogenheit einer Planung trotz Betroffenheit der Anlieger durch Lärm dann nicht berührt, wenn bei der Planung eine Alternative nicht ernsthaft in Betracht kam und die genannte Betroffenheit abwägungsfehlerfrei durch Anordnung von aktivem oder passivem Schallschutz ausgeglichen werden kann.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 29.11.1995 - 11 VR 15.95 -, Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 7; Urteil vom 5.3.1997 - 11 A 25.95 -, Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 25.

Eine andere Planungsalternative zur Reduzierung der Verkehrsmengen und des Verkehrslärms ist nicht offensichtlich und wird auch von dem Antragsteller nicht substantiiert behauptet. Eine Änderung in der Festsetzung nach Art der Nutzung der Baugebiete schied aus, da jede Art von Nutzung des Kasernengeländes, und sei es nur als reines Wohngebiet, mit einer Verkehrszunahme und weiteren Verkehrslärmimmissionen verbunden gewesen wäre. Die Umnutzung des ehemaligen innerstädtischen Kasernengelände im Sinne eines "Flächenrecycling" stellt insoweit einen abwägungsbeachtlichen Belang dar. Bei einer Änderung des Planungskonzepts hätte die Antragsgegnerin den vorhandenen Bedarf an Wohnungen und/oder Gewerbeflächen an anderer Stelle im Gemeindegebiet decken müssen. Dies würde aber dem Grundsatz eines sparsamen Umgangs mit Grund und Boden sowie einer Schonung des Außenbereichs widersprechen. Zudem hat der Plangeber von einer Maximalverdichtung des Plangebiets abgesehen. Das mit der Ausweisung der Baugebiete verbundene Verkehrsaufkommen ist des Weiteren nur in einem begrenztem Umfang mit LKW-Verkehr verbunden, da der Plangeber neben Wohnnutzungen Kleinbetriebe und wohnverträgliche Gewerbebetriebe ansiedeln will. Angesichts des Umstandes, dass die bereits gegebene Vorbelastung durch die Ausweisung des Bebauungsplangebiets in allen Fällen nur um rd. 1 dB (A) erhöht wird, ist die Überschreitung des Schwellenwerts von 60 dB (A) an drei Grundstücken entlang der H.-Straße noch hinnehmbar, zumal sich die Lärmzunahme in einer Größenordnung bewegt, die unterhalb der Merkbarkeitsschwelle von Erhöhungen liegt. Zusätzlich wurde zu Recht von der Antragsgegnerin darauf hingewiesen, dass die Prognose der I.A. bewusst "auf der sicheren Seite" angesetzt wurde, indem diese durch Aufrundungen und Sicherheitszuschläge immer von den ungünstigsten Annahmen ausging.

Wie bereits dargelegt hat sich der Rat der Antragsgegnerin zur Gewährleistung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse angesichts der Lärmvorbelastung einerseits, der, wenn auch relativ geringen, Erhöhung der Verkehrslärmimmissionen bei Verwirklichung des Planungsvorhabens andererseits, in Nr. 7.1 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans zur Festsetzung von passiven Schallschutzmaßnahmen im straßenseitigen Bereich der H.-, F.- und L.-Straße entschlossen. Die Entscheidung, von aktivem Schallschutz abzusehen und die Betroffenen auf passive Schallschutzmaßnahmen zu verweisen, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Sie hat sich an den Kriterien der Unvereinbarkeit mit dem Vorhaben bzw. der Unverhältnismäßigkeit auszurichten.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.8.1989 - 4 B 97.89 -, Buchholz 406.25, § 41 BImSchG Nr. 5.

Die Antragsgegnerin hat von der Festsetzung aktiven Schallschutzes abwägungsfehlerfrei abgesehen, denn aktive Schallschutzmaßnahmen wie Schallschutzwände schieden auf Grund der innerörtlichen Gegebenheiten entlang der Straßenzüge offensichtlich aus, weil die Wohnhäuser ausschließlich von den hochbelasteten Straßen erschlossen werden. Die Antragsgegnerin durfte sich deshalb auf die tragende Erwägung stützen, die Lärmbelastungen in den straßenrandnahen Wohngebieten "WA1" durch passive Lärmschutzmaßnahmen abzufangen und so den Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse Rechnung zu tragen.

Die im jeweiligen Einzelfall erforderlichen lärmdämmenden Maßnahmen musste die Antragsgegnerin im Bebauungsplan nicht nennen. Diese konnte sie dem baurechtlichen Genehmigungsverfahren überlassen. ...

Die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege sind von dem Rat der Antragsgegnerin bei seiner Abwägung weder verkannt noch fehlgewichtet worden.

Vgl. zu allem: BVerwG, Beschluss vom 31.1.1997 - 4 NB 27.96 -, BRS 59 Nr. 8.

Die Entscheidung der Antragsgegnerin, nach Aufgabe der militärischen Nutzung des Areals entsprechende Baugebiete in Anbetracht eines im Stadtgebiet vorhandenen Bedarfs an Wohnbau- und Gewerbeflächen auszuweisen, trägt dem Integritätsinteresse von Natur und Landschaft hinreichend Rechnung. Mit dem Bebauungsplan werden zum Teil bereits versiegelte Flächen im Sinne eines "Flächenrecycling" überplant. Die Inanspruchnahme unbebauter Flächen ist demgegenüber relativ gering. Dass diese Flächen einer besonderen Schutzwürdigkeit für Natur- und Landschaft unterliegen, die ihrer Bebauungsplanung entgegenstünden, ist von dem Antragsteller nicht dargetan und auch sonst nicht ersichtlich. Die ehemalige Kasernenfläche war nicht nur teilweise bebaut, sie liegt auch im innerstädtischen Bereich, der mit Wohn- und gewerblichen Nutzungen an dieses Areal anschließt und auch eine nahezu optimale Anbindung an das Netz des öffentlichen Personennahverkehrs aufweist. Es entspricht sachgerechten städtebaulichen Zielvorstellungen, einen solchen Bereich entsprechend den vorhandenen innerstädtischen Nutzungen aufzugreifen und einer geordneten städtebaulichen Entwicklung zuzuführen, um so andere Flächen, insbesondere solche im Außenbereich gelegene, zu schonen. Die Antragsgegnerin musste ihre ausdrücklich angeführten städtebaulichen Belange deshalb nicht hinter das Integritätsinteresse von Natur und Landschaft zurückstellen.

Art und Umfang der eingriffsbedingten Beeinträchtigungen durch den streitigen Bebauungsplan sind in der Begründung des Planes sowie namentlich in dem landschaftspflegerischen Fachbeitrag, der zum Bestandteil des Bebauungsplanes gemacht worden ist, im Einzelnen beschrieben worden. Diese Ausführungen, zu denen nochmals Ergänzungen im Rahmen der Beschlussfassungen über die Anregungen und Bedenken hinzugetreten sind, erfassen sämtliche, für die Beurteilung der Wirkungszusammenhänge des Naturhaushaltes und der prägenden Elemente des Landschaftsbildes maßgeblichen ökologischen und optisch wirksamen Strukturen des vom Plan betroffenen Raumes. Weiterhin sind die eingriffsbedingten Folgen der Planung für Natur und Landschaft erfasst und im Hinblick auf die hieraus zu ziehenden Konsequenzen für die nähere Ausgestaltung des Planes sowie auf die Möglichkeiten einer Bewältigung planbedingter Eingriffsfolgen geprüft worden. Dabei ist auf der Grundlage der mehrfach vorgetragenen Bedenken, vor allem gesehen und abgewogen worden, dass und welche Eingriffsfolgen mit der Planung für das benachbarte Naturschutzgebiet ausgelöst werden. Ein Ermittlungsdefizit besteht nicht. Die Antragsgegnerin hat die diesbezüglichen Belange geprüft und sachgerecht abgewogen.

Durch die Festsetzungen des Bebauungsplans erfolgt eine Beeinträchtigung des Naturschutzgebiets als eines potentiellen Gebiets von gemeinschaftsweiter Bedeutung im Sinne der EG-Richtlinie 92/43/EWG - Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie - (FFH-RL) nicht. Insbesondere verstößt die Ausweisung des Bebauungsplangebiets entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht gegen § 19b Abs. 5 BNatSchG. Diese Vorschrift, auf deren Geltung zum Zeitpunkt der Abwägungsentscheidung gemäß § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB abzustellen ist, greift schon tatbestandsmäßig nicht ein. Nach § 19b Abs. 5 BNatSchG sind in einem nach § 19a Abs. 4 BNatSchG bekannt gemachten Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung bis zur Unterschutzstellung alle Vorhaben, Maßnahmen, Veränderungen oder Störungen, die zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele maßgeblichen Bestandteilen führen können, unzulässig. Weder ist das Naturschutzgebiet aber bereits im Sinne des § 19b Abs. 4 BNatSchG bekannt gemacht worden, noch werden von § 19b Abs. 5 BNatSchG Maßnahmen erfasst, die außerhalb des Schutzgebiets stattfinden.

Vgl. Louis, Bundesnaturschutzgesetz, 2. Aufl., 2000, § 19 b Rdnr. 32; Gellermann, Natura 2000, 1998, S. 116.

Die Planung der Antragsgegnerin ist auch nicht deshalb bedenklich, weil der Plangeber - ohne Durchführung einer Verträglichkeitsprüfung - im Rahmen seiner Abwägung die mittelbare Beeinträchtigung eines potenziellen FFH-Gebiets hingenommen hätte. Auch wenn die FFH-RL mittlerweile in nationales Recht umgesetzt worden ist (vgl. §§ 19a ff. BNatSchG), folgt aus dem Gemeinschaftsrecht (Art. 10 Abs. 2 EGV) das Verbot, dass ein Mitgliedstaat die Ziele der Richtlinie nicht unterlaufen und keine vollendeten Tatsachen schaffen darf, die ihm die Erfüllung der durch die Richtlinie begründeten Pflichten unmöglich machen.

Vgl. EuGH, Urteil vom 18.12.1997 - Rs. C-129/96 (Inter-Environnement Wallonie) -, Slg. 1997, I-7435 = NVwZ 1998, 385.

Dementsprechend muss der Planungsgeber im Rahmen seiner Abwägungsentscheidung ermitteln, ob auf Flächen zurückgegriffen wird, denen nach der FFH-RL rechtliche Relevanz beizumessen ist. Dies betrifft in erster Linie Bereiche, die als potenzielles FFH-Gebiet einzustufen sind. Hierbei handelt es sich um Bereiche im Sinne des Art. 1 lit. j FFH-RL, die die sachlichen Kriterien des Art. 4 Abs. 1 FFH-RL erfüllen und deren Meldung für die Aufnahme in ein kohärentes Netz mit anderen Gebieten sich aufdrängt.

Vgl. BVerwG, Urteil von 27.1.2000 - 4 C 2/99 -, BRS 63 Nr. 222 = NVwZ 2000, 1171 (1172).

Als solches potenzielles FFH-Gebiet kommt hier nur das ca. 400 m vom Bebauungsplangebiet entfernt gelegene Naturschutzgebiet T. in Betracht. Nach dem von dem Antragsteller vorgelegten Schreiben der EG-Kommission ist das Naturschutzgebiet T. als FFH-Gebiet gemeldet worden. Ob allerdings stets schon die bloße Meldung gemäß § 4 Abs. 1 FFH-RL für die Annahme eines potenziellen FFH-Gebiets ausreicht oder über die Meldung des Gebiets hinaus weitere materielle Voraussetzungen notwendig sind, vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 27.1.2000, a.a.O., kann offen bleiben. Hinsichtlich des Naturschutzgebiets T. handelt es sich um ein der Kommission gemeldetes Gebiet, dessen fachliche Einstufung als - noch verbindlich auszuweisendes - Schutzgebiet zwischen den Beteiligten nicht in Zweifel steht, so dass der Charakter eines potenziellen FFH-Gebiets bezüglich des Kalkflachmoores unterstellt werden kann.

Allerdings werden Flächen des potenziellen FFH-Gebiets T. von dem angegriffenen Bebauungsplan nicht in Anspruch genommen. Die Bauleitplanung hat somit keinen unmittelbaren Einfluss auf das Naturschutzgebiet, sondern allenfalls einen mittelbaren. Im Einzelfall können jedoch auch mittelbare Auswirkungen für ein potenzielles FFH-Gebiet von abwägungserheblicher Bedeutung sein, da der Planungsgeber alle durch seine Planung berührten privaten und öffentlichen Interessen von entsprechendem Gewicht in seine Abwägung einzustellen hat. Dies ist geschehen. Eine mittelbare Beeinträchtigung des potenziellen FFH-Gebiets T. hat die Antragsgegnerin jedoch abwägungsfehlerfrei verneint.

Der Schutzmaßstab gegenüber einem potenziellen Schutzgebiet leitet sich allein aus dem Gemeinschaftsrecht her.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 27.10.2000 - 4 A 18/99 -, NVwZ 2001, 673 (679).

Die gemeinschaftsrechtliche Vorwirkung des EGV verhindert danach aber nur, dass Gebiete, deren Schutzwürdigkeit sich nach der FFH-RL aufdrängt, zerstört oder anderweitig so nachhaltig beeinträchtigt werden, dass sie für eine Meldung bzw. spätere Aufnahme in die Gemeinschaftsliste nicht mehr in Betracht kommen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 27.10.2000, a.a.O.

Anhaltspunkte für derart gewichtige Auswirkungen auf das Naturschutzgebiet T. durch die Bauleitplanung der Antragsgegnerin sind vorliegend nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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