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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 04.03.2002
Aktenzeichen: 7a D 92/01.NE
Rechtsgebiete: BauGB, BImSchG


Vorschriften:

BauGB § 1 Abs. 6
BImSchG § 41
Ist im Bereich eines an eine Bundesstraße angrenzenden allgemeinen Wohngebiets oder eines Mischgebiets in Folge einer Straßenplanung Lärm oberhalb der Grenzwerte der 16. BImSchV zu erwarten, ist in die Abwägung der durch den Bebauungsplan betroffenen Belange einzustellen, wie die Betroffenheit der Nachbarn durch Anordnung von aktivem oder passivem Lärmschutz ausgeglichen werden kann.

Kommt nur passiver Lärmschutz in Betracht, kann für eine rechtsfehlerfreie Abwägung die objektbezogene Untersuchung erforderlich sein, ob für im Lärmpegelbereich VII der DIN 4109 gelegene Gebäude passiver Lärmschutz technisch und rechtlich möglich ist.


Tatbestand:

Die Antragsteller wandten sich gegen den Bebauungsplan, der die Bundesstraße auf einem Abschnitt zwischen der U-Straße und der zum A-Straße als öffentliche Verkehrsfläche festsetzt. Entlang der Bundesstraße setzt der Bebauungsplan Mischgebiete fest, im Übrigen reine Wohngebiete, die im Inneren des Plangebiets durch weitere Straßen erschlossen werden. Für im Einzelnen gekennzeichnete Lärmpegelbereiche fordert der Bebauungsplan Schallschutzmaßnahmen an Außenbauteilen gemäß DIN 4109 (Lärmpegelbereiche III bis VII). Der Bebauungsplan tritt an die Stelle des Vorläuferplans. Wie dieser sieht er eine Verbreiterung der Bundesstraße vor, die zu Lasten der an die Bundesstraße angrenzenden bebauten Grundstücke insoweit geht, als den Gebäuden vorgelagerte Grundstücksteile für die Straßenverbreiterung in Anspruch genommen werden sollen. Der Vorläuferplan setzte entlang der Bundesstraße keine Mischgebiete, sondern allgemeine Wohngebiete fest.

Im Verfahren zur Aufstellung des Bebauungsplans erarbeitete der TÜV eine "Schalltechnische Untersuchung zum Plangebiet" (Gutachten vom 13.5.1996, überarbeitet im April 1998). Das Gutachten ermittelte Beurteilungspegel für den Straßen-, Schienen- und Wasserverkehr sowie für den Gesamtverkehr. Das Gutachten errechnete im Bereich der Gebäude dem Straßenverkehr zugeordnete Beurteilungspegel zwischen 75 und 80 dB (A) tags sowie zwischen 70 und 75 (vor einem Gebäude 80) dB (A) nachts. Die Beurteilungspegel aus dem Gesamtverkehr liegen ausweislich des Gutachtens innerhalb dieser Pegelbereiche. Das Gutachten legte an die Bundesstraße angrenzende allgemeine und reine Wohngebiete zugrunde und ermittelte auf dieser Grundlage 1996, dass passiver Lärmschutz bis hin zum Lärmpegelbereich VI gemäß DIN 4109 zu berücksichtigen sei. Hinsichtlich der in den jeweiligen Lärmpegelbereichen erforderlichen passiven Lärmschutzmaßnahmen sind für die Lärmpegelbereiche Schalldämmmaße der Außenbauteile angegeben, nicht jedoch für den Lärmpegelbereich VI. Zu diesem ist ausgeführt: "Bei der extremen Belastung (Lärmpegelbereich VI) an einigen Gebäuden kann keine allgemein gültige Festlegung gemacht werden. Hier sind Einzelauslegungen notwendig." Seitens der Antragsgegnerin ging man auf Grundlage der 1998 überarbeiteten Berechnungen davon aus, dass der Bereich des dem Lärmpegelbereich VII zuzuordnen sei.

Der Normenkontrollantrag hatte Erfolg.

Gründe:

Der Antrag zulässig.

Die Antragsteller sind antragsbefugt. Die Antragsteller machen in die Antragsbefugnis begründender Weise namentlich geltend, der Rat der Antragsgegnerin habe die Auswirkungen der, tatsächlich nicht geringfügigen, Verkehrsimmissionen fehlgewichtet. Sie haben damit einen abwägungserheblichen Belang angeführt, der in seiner Bedeutung nicht deshalb an Gewicht verliert, weil auch der Vorläuferplan einen Ausbau der Bundesstraße in vergleichbarer Weise ermöglichen sollte. Zwar können Schutzbedürftigkeit und Schutzwürdigkeit eines Grundstücks durch die Lärmvorbelastung einer vorhandenen Straße gemindert sein. Auch die plangegebene Vorbelastung (hier durch den die Verbreiterung der Bundesstraße vorsehenden Vorläuferplan) kann die Duldungspflicht Betroffener erweitern. Eine Grenze nicht ohne Weiteres unter Berufung auf eine derartige Vorbelastung zumutbarer Straßenplanung ist jedoch erreicht, wenn die Vorbelastung - wie von den Antragstellern behauptet - die Grenze überschreitet, oberhalb derer das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit verletzt sein kann.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 22.3.1985 - 4 C 63.80 -, BVerwGE 71, 150 (155).

Darüber hinaus war für die Abwägung erheblich auch die Frage, auf welchen Schutzmaßstab sich die Antragsteller beziehen können. Der angefochtene Bebauungsplan weist ihre Grundstücke einem Mischgebiet zu. Er mindert damit den ihnen auf Grundlage des Vorläuferplans grundsätzlich zuzusprechenden Schutzmaßstab eines allgemeinen Wohngebiets in abwägungserheblicher Weise.

Das von der Antragsgegnerin bezweifelte Rechtsschutzinteresse der Antragsteller folgt bereits daraus, dass sich die Rechtsstellung der Antragsteller bei Erfolg des Normenkontrollantrags verbessern kann, obwohl auch der Vorläuferplan einen vierspurigen Ausbau der Bundesstraße vorsieht. Für das Rechtsschutzinteresse genügt in aller Regel die Annahme, der Normgeber werde im Falle der Rechtsfehlerhaftigkeit der angegriffenen Vorschrift eine neue, dem Antragsteller günstigere Regelung treffen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 7.6.2001 - 4 CN 1.01 -, BauR 2002, 1845.

Schon angesichts der von den Antragstellern gegen die Gültigkeit des Bebauungsplans vorgebrachten Gründe ist die Annahme der Antragsteller, die Antragsgegnerin werde das mit dem Vorläuferplan verfolgte Konzept überdenken, nahe liegend.

Der Antrag ist auch begründet.

Der Bebauungsplan leidet an zu seiner Nichtigkeit führenden Abwägungsmängeln.

Allerdings spricht Überwiegendes dafür, dass die Antragsgegnerin grundsätzlich die Verbreiterung der Bundesstraße in westlicher Richtung, auch unter Inanspruchnahme (von Teilen) der Vorgärten der dortigen bebauten Grundstücke für sachgerecht ansehen darf. Die Inanspruchnahme dieser Grundstücksflächen ist bis auf geringe Teilbereiche durch den Vorläuferplan bereits vorgezeichnet. Die Grundstücksflächen werden benötigt, um einen Ausbau der Bundesstraße in Abmessungen zu ermöglichen, die der Verkehrsbelastung der Straße entsprechen. Eine Gefährdung, die die Antragsteller darin sehen, dass die Straße teilweise bis nahe an die Außenwände der vorhandenen Gebäude geplant sei, besteht hinsichtlich der fußläufigen Erreichbarkeit der Grundstücke nicht. Die Festsetzung der öffentlichen Verkehrsfläche ist nicht mit dem späteren Ausbau der Straßenfahrbahn gleichzusetzen. Die Ausbauplanung sieht auf der westlichen Straßenseite die Anlage eines Gehwegs vor. Die Bewohner der an der Bundesstraße angrenzenden Häuser werden daher auch in den Fällen nicht unmittelbar aus dem Hauseingang auf die Fahrbahn treten müssen, in denen die Straßenfläche bis nahe an die Gebäude heranrücken soll.

Der Senat geht ferner - wie auch schon der 23. Senat (Urteil vom 15.12.1995 - 23 D 190/91.AK -) für den sich nördlich anschließenden Abschnitt der Bundesstraße - davon aus, dass die Antragsgegnerin einer Verbreiterung der Bundesstraße zu Lasten der östlich gelegenen Straßenbahntrasse nicht den Vorrang vor einer Inanspruchnahme der Grundstücke der Antragsteller geben musste (wird ausgeführt).

Der Rat der Antragsgegnerin hat die maßgebenden Belange jedoch insoweit fehlgewichtet, als Verkehrsimmissionen in die Abwägung einzustellen waren. Durch den Bau oder die wesentliche Änderung von Straßen dürfen grundsätzlich keine Verkehrsgeräusche hervorgerufen werden, die als schädliche Umwelteinwirkungen zu qualifizieren sind. Die Gemeinde hat sich bei der Abwägung unter dem Gesichtspunkt der Abwehr von Lärmbeeinträchtigungen an dem Schutzmodell des Bundes-immissionsschutzgesetzes auszurichten. Das gilt auch im Bereich der Bauleitplanung, die die sonst wegerechtlich zulässige Planfeststellung oder Plangenehmigung ersetzen kann. Die Gemeinde muss sich insbesondere unter dem Blickwinkel des § 41 BImSchG vor Augen führen, welche Dimensionen der Konflikt hat, den sie auslöst, wenn sie eine Straße plant. Hat die Planung zur Folge, dass eine Vielzahl von Straßennachbarn Lärmbelästigungen ausgesetzt werden, für die kein physisch-realer Ausgleich vorgesehen ist, wobei der Gesetzgeber dem aktiven Lärmschutz Vorrang gegeben hat, hat die Gemeinde zu prüfen, ob hinreichend gewichtige Verkehrsbelange eine solche Lösung rechtfertigen. Bejaht sie dies, so muss sichergestellt sein, dass die Betroffenen durch Maßnahmen des passiven Lärmschutzes vor unzumutbaren Beeinträchtigungen durch Verkehrslärm bewahrt werden.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.5.1995 - 4 NB 30.94 -, BRS 57 Nr. 2; Urteil vom 18.4.1996 - 11 A 86.95 -, DVBl. 1996, 921 = NVwZ 1996, 901.

Die Entscheidung, von aktivem Schallschutz abzusehen und auf passiven Lärmschutz zu verweisen, hat sich an den Kriterien der Unvereinbarkeit mit dem Vorhaben bzw. der Unverhältnismäßigkeit auszurichten.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.8.1989 - 4 B 97.89 -, Buchholz 406.25, § 41 BImSchG Nr. 5.

Maßgebend ist auch insoweit, mit welchem Gewicht die widerstreitenden Belange einander gegenüberstehen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob und inwieweit das Gewicht der privaten Belange der Anwohner durch Vorbelastungen von dem zu ändernden Verkehrsweg gemindert ist, ob öffentliche Belange etwa des Landschaftsschutzes oder der Stadtbildpflege oder private Belange Dritter der Ausschöpfung aller technischen Möglichkeiten des aktiven Schallschutzes entgegenstehen, und mit welchen Mehrkosten der Schutz der Außenwohnbereiche im Verhältnis zu wirksamem passiven Schallschutz verbunden ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 5.3.1997 - 11 A 25.95 -, DVBl 1997, 831 (836) m.w.N.

Letztlich wird die Ausgewogenheit einer Planung trotz Betroffenheit der Nachbarn durch Lärm oberhalb der Grenzwerte der 16. BImSchV dann nicht berührt, wenn bei der Planung eine Alternative nicht ernsthaft in Betracht kam und die genannte Betroffenheit der Nachbarn abwägungsfehlerfrei durch Anordnung von aktivem oder passivem Schallschutz ausgeglichen werden kann.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 29.11.1995 - 11 VR 15.95 -, Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 7; Urteil vom 5.3.1997 - 11 A 25.95 -, aaO.

Die Antragsgegnerin hat von der Festsetzung aktiven Schallschutzes abwägungsfehlerfrei abgesehen. Für wirksamen aktiven Lärmschutz steht dort westlich der Bundesstraße letztlich kein hinreichender Platz zur Verfügung (wird ausgeführt).

Durfte die Antragsgegnerin demnach Maßnahmen passiven Schallschutzes erwägen, musste sie nicht notwendig mit dem Bebauungsplan selbst durch über die Ausweisung von Lärmpegelbereichen hinausgehende konkrete Festsetzungen zum passiven Lärmschutz Vorsorge treffen. Ausreichend ist grundsätzlich, dass der betroffene Eigentümer vom Straßenbaulastträger Ersatz von für Schallschutzmaßnahmen erbrachte notwendige Aufwendungen beanspruchen kann.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.5.1995 - 4 NB 30.94 -, aaO.

Jedoch musste die Antragsgegnerin sich Klarheit darüber verschaffen, ob mit Maßnahmen passiven Schallschutzes überhaupt sichergestellt werden kann, die Antragsteller vor unzumutbaren Beeinträchtigungen durch Verkehrslärm zu bewahren. Ob die hier erforderlichen Maßnahmen passiven Schallschutzes überhaupt möglich sind, um zu den Bewohnern der Häuser entlang der Bundesstraße zumutbaren Lärmpegeln zu kommen, hat die Antragsgegnerin nicht untersucht und in ihre Abwägung eingestellt.

Die Antragsgegnerin hat allerdings nicht verkannt, dass sie grundsätzlich von einer Berechnung und Bewertung der Lärmimmissionen nach Maßgabe der 16. BImSchV auszugehen hatte. Die Bundesstraße soll um jedenfalls einen durchgehenden Fahrstreifen erweitert werden (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 1 16. BImSchV). Der Beurteilungspegel liegt im Bereich der der Straße zugewandten Grundstücke über 70 dB(A) tags/60 dB(A) nachts und wird nach den Angaben der Antragsgegnerin um etwa 1 dB(A) erhöht. Eine solche Erhöhung ist - anders als dies der Rat angenommen hat (vgl. Bebauungsplanbegründung Seite 9) - nicht etwa deshalb zu vernachlässigen, weil eine Pegelerhöhung um 1 dB(A) an der Grenze zur Wahrnehmbarkeitsschwelle liege. § 1 Abs. 2 Satz 2 16. BImSchV bestimmt jede Erhöhung des Beurteilungspegels als erheblich, wenn die dort genannte Lärmbelastung gesteigert wird. Dem hat der Rat im Ergebnis letztlich allerdings auch Rechnung getragen, denn er hat durch Ausweisung entsprechender Lärmpegelbereiche und Festsetzung passiven Lärmschutzes "die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse " sicherstellen wollen. Ob dies aber im Bereich der bestehenden Bausubstanz überhaupt möglich ist, hat er nicht untersucht. Hierzu bestand Veranlassung. Die vom Rat eingeholten bzw. erarbeiteten Schallgutachten haben ergeben, dass die an die Bundesstraße angrenzenden Gebäudeseiten dem Lärmpegelbereich VII gemäß DIN 4109 zugewandt sind. Die DIN 4109 - Schallschutz im Hochbau -, MBl NRW 1990, 1349, gibt für Aufenthaltsräume in Wohnungen für den Lärmpegelbereich VII keine von Außenbauteilen einzuhaltenden Dämmwerte vor, sondern verlangt, die jeweiligen Anforderungen auf Grund der örtlichen Gegebenheiten festzulegen (vgl. Tabelle 8). Hierauf haben auch die von der Antragsgegnerin der Bebauungsplanung zu Grunde gelegten schalltechnischen Untersuchungen bereits hingewiesen. Es ist auch keineswegs selbstverständlich, dass ausreichende Maßnahmen passiven Schallschutzes im jeweiligen Einzelfall möglich sind. Vielmehr ergibt sich die Notwendigkeit tatsächlicher Überprüfung bereits aus der DIN 4109, die für den Lärmpegelbereich VII eine objektbezogene Prüfung fordert. Aber auch in rechtlicher Hinsicht ist die Möglichkeit, ausreichenden Schallschutz durch bautechnische Maßnahmen zu bewirken, für die Häuser entlang der Bundesstraße nicht selbstverständlich, die unter Denkmalschutz stehen. Die Veränderung von Baudenkmälern ist erlaubnispflichtig (vgl. § 9 Abs. 1 a DSchG NRW). Gründe des Denkmalschutzes können einer Erlaubnis entgegenstehen (vgl. § 9 Abs. 2 a DSchG NRW).

Die Prüfung, ob passiver Lärmschutz überhaupt im erforderlichen Ausmaß möglich ist, war auch nicht deshalb entbehrlich, weil der maßgebende Bereich der Bundesstraße tatsächlich und planerisch vorbelastet ist. Führt eine tatsächliche Vorbelastung der Umgebung dazu, dass von dem Vorhaben selbst keine zusätzlichen nachteiligen Auswirkungen ausgehen, dann besteht mangels Schutzwürdigkeit des Interesses am Unterbleiben des Vorhabens grundsätzlich kein Anlass, Schutzvorkehrungen zu treffen oder einen Ausgleich in Geld zu gewähren. Anders ist es jedoch dann, wenn eine tatsächliche (Vor-) Belastung in demselben Ausmaß nicht besteht, wie sie auf Grundlage der Bebauungsplanung zu erwarten ist. In diesem Fall kann dem zum notwendigen Abwägungsmaterial gehörenden Interesse von Anwohnern an der Vermeidung einer tatsächlichen Zunahme der Umgebungsbelastung - hier: einer Zunahme der Lärmimmissionen des Verkehrs - die Schutzwürdigkeit nicht stets schon allein deshalb abgesprochen werden, weil sich diese Zunahme im Rahmen der bereits bestehenden planungsrechtlichen Situation hält. Vielmehr ergibt sich die Grenze der Berücksichtigung der bisherigen planungsrechtlichen Situation als schutzmindernde Vorbelastung jedenfalls dort, wo die zu erwartenden Einwirkungen Eigentums- oder Gesundheitsbeeinträchtigungen darstellen. Aus dem objektiv-rechtlichen Gehalt der davon betroffenen Grundrechte (vgl. Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 14 Abs. 1 GG) folgt nämlich die Pflicht der staatlichen Organe, sich schützend und fördernd vor die entsprechenden Rechtsgüter zu stellen und sie insbesondere vor rechtswidrigen Eingriffen von Seiten anderer zu bewahren. Diese Pflicht würde verletzt, wenn durch die Bebauungsplanung an der Herstellung oder Fortsetzung solcher rechtswidrigen Eingriffe mitgewirkt würde.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 28.10.1998 - 11 A 3.98 -, BVerwGE 107, 350 = NVwZ 1999, 539.

Ohne zureichende Maßnahmen passiven Schallschutzes sind durch den Verkehrslärm zu befürchtende Gesundheitsbeeinträchtigungen der Anwohner der Bundesstraße je nach Lage der betroffenen Wohnungen nicht von vornherein ausgeschlossen. Auch kann die Grenze einer entschädigungslos zulässigen Eigentumsbindung überschritten sein. Allerdings gibt es keine enteignungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle, die schematisch daran anknüpfen würde, dass bestimmte Immissionsgrenzwerte überschritten sind. Vielmehr lässt sich die Grenze nur auf Grund wertender Betrachtung des Einzelfalls ziehen. Dabei können auch Gebietsart und Lärmvorbelastung eine wesentliche Rolle spielen. Ungeachtet der Frage, ob in die danach erforderliche Bewertung das im Vorläuferplan festgesetzte allgemeine Wohngebiet oder die nunmehr festgesetzten Mischgebiete einzustellen sind, sind hier jedoch entlang der Bundesstraße Lärmwerte derartiger Größenordnung erreicht, dass den tatsächlichen und rechtlichen Auswirkungen des Lärms besondere Bedeutung zukommt. Immerhin nähert sich ein Beurteilungspegel von 60 dB(A) nachts in einem Wohngebiet bzw. 62 dB(A) nachts in einem Mischgebiet der enteignungsrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle.

Vgl. BGH, Urteil vom 17.4.1986, III ZR 202/84 -, BGHZ 97, 361 (366); Urteil vom 25.3.1993 - III ZR 60/91 -, BGHZ, 122, 76 (81 f); Urteil vom 10.12.1987 - III ZR 204/86 -, BauR 1988, 204; BVerwG, Urteil vom 17.11.1999 - 11 A 4/98 -, BVerwGE 110, 180 = NVwZ 2000, 567; Urteil vom 12.4.2000 - 11 A 18.98 -, BVerwGE 111, 108 = NVwZ 2001, 82.

Diesen Anforderungen hat der Rat insoweit entsprochen, als er auf passiven Lärmschutz dort verweisen konnte, wo er tatsächlich und rechtlich möglich ist. Für die vorhandene Bausubstanz ist die tatsächliche und rechtliche Möglichkeit jedoch - wie ausgeführt - jedenfalls in den an den Lärmpegelbereich VII angrenzenden Gebäuden nicht augenscheinlich und hätte näherer Prüfung bedurft.

Der Bebauungsplan leidet an einem weiteren Abwägungsmangel. Ob die Annahme des Rats, die Mischgebietsfestsetzungen trage den tatsächlichen Verhältnissen Rechnung, den Gegebenheiten im maßgebenden Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses entsprochen hat, ist fraglich, bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung. Eine - hier einmal zugunsten der Antragsgegnerin unterstellt - eingetretene, zum Vorläuferplan in Widerspruch stehende Veränderung der Gebietsstruktur würde den der Festsetzung eines allgemeinen Wohngebiets im Vorläuferplan entsprechenden Immissionsschutzanspruch der Anwohner allein noch nicht entfallen lassen. Der Rat der Antragsgegnerin hätte sich daher abwägend zur Frage verhalten müssen, ob die Mischgebietsfestsetzung von gewichtigeren Belangen getragen ist als das Interesse der Bewohner, nach dem Schutzmaßstab eines allgemeinen Wohngebiets vor Verkehrslärm geschützt zu werden. Nur angemerkt sei, dass auch die einer Wohnnutzung in einem Mischgebiet noch zumutbare Lärmbelastung ohne wirksame Maßnahmen passiven Lärmschutzes nicht gewährleistet ist.

Ende der Entscheidung

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