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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 18.07.2007
Aktenzeichen: 8 A 1075/06.A
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO, StPO
Vorschriften:
VwGO § 98 | |
ZPO § 404 | |
ZPO § 412 | |
ZPO § 414 | |
StPO § 244 |
Tatbestand:
Der Kläger hatte im Rahmen einer asylrechtlichen Streitigkeit in erster Instanz den Antrag gestellt, zum Beweis dafür, dass für ihn in der Türkei selbst nach einem Freispruch die Gefahr von Verhören mit asylrelevanter Misshandlung durch staatliche Sicherheitskräfte bestehe, den türkischen Rechtsanwalt B. als sachverständigen Zeugen zu hören. Das VG lehnte den Beweisantrag ab und wies die Klage ab. Der hiergegen gerichtete Antrag auf Zulassung der Berufung hatte keinen Erfolg.
Gründe:
Die Berufung ist nicht wegen der geltend gemachten Versagung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.
Die Ablehnung der in der mündlichen Verhandlung gestellten und durch Beschluss gemäß § 86 Abs. 2 VwGO abgelehnten Beweisanträge ist nicht zu beanstanden. Der Anspruch auf rechtliches Gehör wird durch die Ablehnung eines Beweisantrages nur dann verletzt, wenn seine Ablehnung im Prozessrecht objektiv keine Stütze findet.
Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 8.11.1978 - 1 BvR 158/78 -, BVerfGE 50, 32 (35 f.), und vom 29.11.1983 - 1 BvR 1313/82 -, BVerfGE 65, 305 (307); BVerwG, Beschluss vom 24.3.2000 - 9 B 530.99 -, Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 308.
Dies ist hier nicht der Fall.
aa) Soweit die Antragsschrift die unterbliebene Vernehmung des Rechtsanwalts B. als sachverständigen Zeugen rügt, trägt sie nicht hinreichend dem Unterschied zwischen dem Beweis durch "sachverständige Zeugen" (§ 98 VwGO i.V.m. § 414 ZPO) und dem Beweis durch "Sachverständige" (§ 98 VwGO i.V.m. §§ 402 ff. ZPO) Rechnung. Dieser Unterschied ist jedoch bedeutsam für die Beantwortung der Frage, ob das VG dem Beweisantrag entsprechen musste.
Auf den sachverständigen Zeugen finden die Vorschriften über den Zeugenbeweis Anwendung (§ 98 VwGO i.V.m. § 414 ZPO). Beweisanträge dürfen grundsätzlich nur abgelehnt werden, wenn das vom Antragsteller angebotene Beweismittel schlechterdings untauglich ist, wenn es auf die Beweistatsache nicht ankommt oder wenn die Beweistatsache als wahr unterstellt wird; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, dann muss der (Zeugen-)Beweis antragsgemäß erhoben werden.
Für die beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens, namentlich eines weiteren Gutachtens, gilt dieser Grundsatz hingegen nicht. Die Auswahl der zuzuziehenden gerichtlichen Sachverständigen und die Bestimmung ihrer Anzahl erfolgt durch das Prozessgericht, das sich insbesondere auf die Ernennung eines einzigen Sachverständigen beschränken kann (§ 98 VwGO i.V.m. § 404 Abs. 1 Sätze 1 und 2 ZPO). Die Entscheidung darüber, ob ein - weiteres - Gutachten eingeholt werden soll, steht im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 VwGO) im pflichtgemäßen Ermessen des Tatsachengerichts. Dieses Ermessen wird nur dann verfahrensfehlerhaft ausgeübt, wenn das Gericht von der Einholung eines - weiteren - Gutachtens oder eines Obergutachtens absieht, obwohl die Notwendigkeit dieser weiteren Beweiserhebung sich ihm hätte aufdrängen müssen. Der "Sachverständige" begutachtet als "Gehilfe" des Richters einen grundsätzlich vom Gericht festzustellenden Sachverhalt aufgrund seiner besonderen Sachkunde auf einem Fachgebiet. Aufgabe des Sachverständigen ist es, dem Gericht besondere Erfahrungssätze oder Kenntnisse des jeweiligen Fachgebietes zu vermitteln und/oder aufgrund von besonderen Erfahrungssätzen oder Fachkenntnissen Schlussfolgerungen aus einem feststehenden Sachverhalt zu ziehen. Reicht ein bereits eingeholtes Gutachten aus, um das Gericht in die Lage zu versetzen, die entscheidungserheblichen Fragen sachkundig beurteilen zu können, ist die Einholung eines weiteren Gutachtens oder Obergutachtens weder notwendig noch veranlasst.
Der sachverständige Zeuge ist demgegenüber ein Zeuge, der sein Wissen von bestimmten vergangenen Tatsachen oder Zuständen bekundet, zu deren Wahrnehmung eine besondere Sachkunde erforderlich war und die er nur kraft dieser besonderen Sachkunde ohne Zusammenhang mit einem gerichtlichen Gutachtenauftrag wahrgenommen hat. Kennzeichnend für den sachverständigen Zeugen ist es, dass er "unersetzbar" ist, da er (nur) von ihm selbst wahrgenommene "vergangene" Tatsachen bekundet (§ 414 ZPO), während ein Sachverständiger in aller Regel gegen einen anderen gleichermaßen Sachkundigen ausgewechselt werden kann.
Zum Vorstehenden BVerwG, Urteil vom 6.2.1985 - 8 C 15.84 -, BVerwGE 71,38 = Buchholz 303 § 414 ZPO Nr. 1, m.w.N.
Das VG hätte demnach Rechtsanwalt B. als sachverständigen Zeugen nur zum Beweis vergangener Tatsachen oder Zustände vernehmen können. Der Kläger hat ihn aber für ein Beweisthema benannt, für das nach der Prozessordnung richtigerweise nur ein Sachverständiger als zulässiges Beweismittel in Betracht kam, nämlich für die Prognose, "dass selbst bei einem Freispruch die Gefahr von Verhören mit asylrelevanter Misshandlung durch staatliche Sicherheitskräfte, insbesondere durch die konkurrierenden Geheimdienste, für den Kläger besteht". Insoweit war der vom Kläger zu dem von ihm angegebenen Beweisthema angebotene sachverständige Zeuge ein untaugliches Beweismittel, so dass seine beantragte Vernehmung zu diesem Beweisthema abgelehnt werden durfte.
Allerdings kommt auch in Betracht, dass der Beweisantrag dahin zu verstehen war, dass er auf Einholung eines Sachverständigengutachtens gerichtet war (so die Antragsbegründung auf S. 10 in Zusammenhang mit dem zweiten Beweisantrag sowie die entsprechende Klarstellung im Schreiben vom 16.7.2007 auf den Hinweis des Vorsitzenden). Für diesen Fall hat das VG jedenfalls zutreffend ausgeführt, dass die bereits vorliegenden Auskünfte und Stellungnahmen ausreichten, um die entscheidungsrelevanten Fragen zu beantworten. Ein auf Einholung eines Sachverständigengutachtens gerichteter Beweisantrag kann verfahrensfehlerfrei nach tatrichterlichem Ermessen entweder gemäß § 98 VwGO in entsprechender Anwendung des § 412 ZPO oder mit dem Hinweis auf eigene Sachkunde abgelehnt werden.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 27.3.2000 - 9 B 518.99 -, NVwZ 2000, Beilage Nr. 9, 99, m.w.N.; BVerwG, Beschluss vom 11.2.1999 - 9 B 381.98 -, DVBl. 1999, 1206.
Das VG muss in beiden Fällen nachvollziehbar darlegen, dass es aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse beziehungsweise aufgrund der aus den vorliegenden Erkenntnissen gewonnenen Sachkunde über eine ausreichende Erkenntnisgrundlage verfügt.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8.11.2004 - 8 A 4331/04.A -.
Diesen Anforderungen ist das VG gerecht geworden. Auf der Grundlage der Erkenntnisse, auf die das VG in seinem den Beweisantrag ablehnenden Beschluss abgestellt und in den Urteilsgründen näher erläutert hat, besteht kein Anlass, die eigene Sachkunde des Gerichts bezüglich der Beurteilung der Gefahrenprognose in Frage zu stellen. Auch der Kläger stellt dies nicht substantiiert in Frage.
Ende der Entscheidung
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