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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 25.04.2002
Aktenzeichen: 8 A 1530/02.A
Rechtsgebiete: GG, AsylVfG, VwGO
Vorschriften:
GG Art. 103 Abs. 1 | |
AsylVfG § 78 Abs. 3 Nr. 3 | |
VwGO § 138 Nr. 3 |
2. Wird eine im Termin zur mündlichen Verhandlung prozessordnungswidrig begründete Ablehnung eines Beweisantrages in den schriftlichen Urteilsgründen durch eine prozessordnungsgemäße Begründung ersetzt, ist eine Gehörsrüge nur dann schlüssig erhoben, wenn der Beweisantragsteller darlegt, wie er sich auf die ihm erst durch das Urteil bekannt gewordenen prozessordnungsgemäßen Ablehnungsgründe erklärt hätte (wie Hess. VGH, Beschluss vom 14.2.2002 - 9 UZ 1249/98.A -).
3. Zur ordnungsgemäßen Begründung einer Gehörsrüge bei Ablehnung des Beweisantrages wegen widersprüchlichen Vorbringens des Asylbewerbers muss auch dargelegt werden, mit welchen klarstellenden oder konkretisierenden Angaben die in den schriftlichen Urteilsgründen aufgezeigten Widersprüche hätten ausgeräumt oder zumindest relativiert werden können.
Gründe:
Die geltend gemachte Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor.
Das Gericht war zur Gewährung rechtlichen Gehörs nicht gehalten, den Kläger in der mündlichen Verhandlung im Rahmen seiner Hinweispflicht gemäß § 86 Abs. 3 VwGO darauf hinzuweisen, dass es Zweifel an der Glaubhaftigkeit seines Vorbringens hat. Ein Asylbewerber ist selbst für die Darlegung seiner Asylgründe verantwortlich. Die gerichtliche Aufklärungs- und Hinweispflicht befreit ihn nicht von der Obliegenheit, eine in sich stimmige Schilderung seines behaupteten Verfolgungsschicksals zu geben.
Ein zur Zulassung der Berufung führender Gehörsverstoß liegt auch nicht darin, dass das VG die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge des Klägers auf Vernehmung der Zeugen A. und G. abgelehnt hat. Es hat sie in der mündlichen Verhandlung allerdings prozessordnungswidrig mit der Begründung abgelehnt, dass "sie für die Entscheidungsfindung entbehrlich sind". Damit hat es der Sache nach zum Ausdruck gebracht, dass die unter Beweis gestellten Tatsachen für seine Entscheidung unerheblich sind. Gleichwohl hat es in den Entscheidungsgründen seines Urteils das Vorbringen des Klägers zu seinen Vorfluchtgründen für entscheidungserheblich, aber unglaubhaft erachtet. Mit dieser Begründung hat es sich über die aus der Ablehnung des Beweisantrages wegen Unerheblichkeit folgenden Bindung hinweggesetzt und der Ablehnung des Beweisantrages nachträglich die Grundlage entzogen.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.11.1996 - 2 BvR 1753/96 -, AuAS 1997, 6.
Die fehlerhafte Ablehnung des Beweisantrages in der mündlichen Verhandlung wird durch die in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils für die Ablehnung der Beweiserhebung gegebene Begründung nicht geheilt. Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte, Beweisanträge i.S.v. § 86 Abs. 2 VwGO in der mündlichen Verhandlung mit zutreffender Begründung abzulehnen, damit dem Antragsteller Gelegenheit gegeben wird, sich auf die durch die Ablehnung seines Beweisantrages geschaffene neue Prozesssituation einzustellen und ggfls. neue Tatsachen vorzutragen oder neue Anträge zu stellen.
Trotz der fehlerhaften Ablehnung der Beweisanträge in der mündlichen Verhandlung bleibt die Gehörsrüge aber ohne Erfolg. Der Kläger hat sie entgegen der Bestimmung des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG nicht ausreichend begründet. Die ordnungsgemäße Begründung der Gehörsrüge erfordert neben Ausführungen zu den Umständen, aus denen sich das Vorliegen einer Gehörsversagung ergibt, auch die Darlegung, was bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs vorgetragen worden wäre; nur auf der Grundlage eines solchen Vortrages kann nämlich geprüft und entschieden werden, ob auszuschließen ist, dass die Gewährung rechtlichen Gehörs zu einer anderen, dem Beteiligten günstigeren Entscheidung geführt hätte.
Vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 13.3.1993 - 2 BvR 1988.92 -, InfAuslR 1993, 300 (302); BVerwG, Beschlüsse vom 9.10.1984 - 9 B 138.84 -, InfAuslR 1985, 83; vom 2.4.1985 - 3 B 75.82 -, Buchholz 310, § 108 VwGO Nr. 165, und vom 13.1.1999 - 9 B 90.98 -, Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 36, m.w.N.
Diesen Anforderungen genügt die Antragsschrift nicht. Sie legt nicht dar, dass das angefochtene Urteil auf der im Termin zur mündlichen Verhandlung erfolgten prozessordnungswidrig begründeten Ablehnung der Beweisanträge beruht.
Das VG hat im Urteil vom 4.3.2002 die Ablehnung der Beweisanträge damit begründet, dass das Asylvorbringen des Klägers in seinem Kerngeschehen widersprüchlich sei und dass es deshalb selbst substantiierten Beweisanträgen zum Verfolgungsgeschehen des Klägers nicht habe nachgehen müssen (UA S. 10, oben). Diese Begründung findet im Prozessrecht eine Stütze. Auch substanttiierten Beweisanträgen zum Verfolgungsvorbringen eines Asylbewerbers muss nicht nachgegangen werden, wenn die Schilderung, die der Asylbewerber von seinem persönlichen Verfolgsschicksal gibt, in wesentlichen Punkten unschlüssig oder in nicht auflösbarer Weise widersprüchlich ist.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 26.5.1994 - 2 BvR 1183/92 -, DVBl. 1994, 1403; BVerwG, Beschlüsse vom 26.10.1989 - 9 B 405.89 -, NVwZ-RR 1990, 379, und vom 20.7.1998 - 9 B 10.98 -, NVwZ-RR 1999, 208; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 17.6.1998 - A 14 S 1178/98 -, NVwZ 1998, 110.
Das VG hat in den Entscheidungsgründen zahlreiche Widersprüche und Steigerungen im Vortrag des Klägers aufgezeigt. Diese betreffen - jedenfalls was die unterschiedlichen Angaben des Klägers zur Anzahl der angeblich erlittenen Verhaftungen, zum Zeitpunkt seiner erstmaligen Verhaftung, zur Anzahl der im Jahre 1998 in seinem Elternhaus durchgeführten Razzien und zur zeitlichen Einordnung der anlässlich dieser Razzien erfolgten Tötung seines Hundes anbelangt - den Kern des Verfolgungsgeschehens und erreichen die für die Ablehnung eines Beweisantrages erforderliche Schwelle der Widersprüchlichkeit.
Wird eine im Termin zur mündlichen Verhandlung prozessordnungswidrig begründete Ablehnung eines Beweisantrages in den schriftlichen Urteilsgründen - wie hier - durch eine prozessordnungsgemäße Begründung ersetzt, ist eine Gehörsrüge nur schlüssig erhoben, wenn der Beweisantragsteller darlegt, wie er sich auf die ihm erst durch das Urteil bekannt gewordenen prozessordnungsgemäßen Ablehnungsgründe erklärt hätte, wenn sein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag vorab mit der im Urteil gegebenen Begründung abgelehnt worden wäre. Die Bestimmung des § 86 Abs. 2 VwGO soll gewährleisten, dass der Beweisantragsteller vor Erlass des Urteils die Meinung des Gerichts über die Erheblichkeit der von ihm angebotenen Beweise zur Kenntnis erhält, um sein weiteres Prozessverhalten darauf einstellen zu können. Danach müssen der Beschluss und auch dessen Begründung den Beteiligten in einem Zeitpunkt eröffnet werden, der es ihnen ermöglicht, sich auf die durch die Ablehnung des Beweisantrages geschaffene neue Verfahrenslage einzustellen. Gibt aber ein Beweisantragsteller nicht an, wie er auf die in den schriftlichen Urteilsgründen enthaltenen prozessordnungsgemäßen Ablehnungsgründe reagiert hätte, wären sie ihm bereits im Termin zur mündlichen Verhandlung bekannt gewesen, kann nicht beurteilt werden, ob sich die nach § 86 Abs. 2 VwGO verspätete Bekanntgabe der prozessordnungsgemäßen Ablehnungsgründe überhaupt auf die Entscheidung ausgewirkt haben kann.
Vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 14.2.2002 - 9 UZ 1249/98.A -, unter Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 13.9.1977 - V CB 68.74 -, Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 20 zum Fall der gänzlich fehlenden Entscheidung über einen Beweisantrag.
Die Antragsschrift lässt nicht erkennen, was der Kläger noch ausgeführt hätte, wenn das VG die Ablehnung der Beweisanträge bereits in der mündlichen Verhandlung mit der Widersprüchlichkeit des Verfolgungsvorbringens des Klägers begründet hätte. Zu einer ordnungsgemäßen Gehörsrüge in einem Fall wie diesem hätte dargelegt werden müssen, mit welchen klarstellenden oder konkretisierenden Angaben die aufgezeigten Widersprüche im Vorbringen des Asylberwerbers hätten ausgeräumt oder doch zumindest relativiert werden können. Daran fehlt es hier. Der Kläger setzt sich nicht mit den aufgezeigten Widersprüchen in seinem Vortrag im Einzelnen auseinander. Vielmehr behauptet er lediglich pauschal, er habe sein Verfolgungsgeschehen in seinem Kern gleichbleibend vorgetragen.
Ende der Entscheidung
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