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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 29.09.2009
Aktenzeichen: 8 A 2086/08
Rechtsgebiete: RGebStV


Vorschriften:

RGebStV § 5 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3
1. Auch nichtstationäre Einrichtungen wie Häuser der offenen Tür, Kindergärten, Jugendbildungsstätten oder städtische Musikschulen können von der Rundfunkgebührenpflicht nach § 5 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 RGebStV befreit werden.

2. Voraussetzung hierfür ist nicht, dass der betreute Personenkreis (Kinder oder Jugendliche) selbstständig über die Programmwahl entscheiden kann.


Tatbestand:

Die klagende Stadt ist Trägerin einer Musikschule, die musikalische Bildung für Kinder, Jugendliche und Erwachsene anbietet. Im Rahmen des Musikunterrichts setzen die Lehrkräfte der Musikschule auch Fernseh- und Radiogeräte ein, um den Schülern anhand von dort gespielten Musikstücken Rhythmus und musikalische Techniken zu vermitteln. Für diese Fernseh- und Radiogeräte stellte die Klägerin bei dem Beklagten einen Antrag auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht: Die Musikschule sei bereits aufgrund ihrer Eigenschaft als Einrichtung der Jugendhilfe rundfunkgebührenrechtlich privilegiert. Der Beklagte lehnte den Befreiungsantrag mit der Begründung ab, die Rundfunkgeräte würden nicht ausschließlich für den betreuten Personenkreis bereitgehalten, weil die Mitarbeiter der Musikschule über den Geräteeinsatz bestimmten. Die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage wies das VG ab: Es spreche viel dafür, dass nicht alle Einrichtungen der Jugendhilfe unter den Befreiungstatbestand fielen, sondern nur solche, in denen sich die betreuten Personen über einen längeren Zeitraum und nicht - wie hier - nur stundenweise aufhielten. Jedenfalls halte die Klägerin die Rundfunkgeräte nicht für den betreuten Personenkreis bereit, weil die Geräte ausschließlich zu Unterrichtszwecken eingesetzt würden und damit Arbeitsmittel der Kursleiter seien. Die vom Senat zugelassene Berufung der Klägerin hatte Erfolg.

Gründe:

Der Bescheid des Beklagten vom 18.4.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7.7.2006 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Beklagte durfte den Bescheid vom 5.12.2005 über die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht für drei Radiogeräte nicht aufheben und den Antrag auf Gewährung einer Befreiung der streitgegenständlichen Rundfunkempfangsgeräte von der Rundfunkgebührenpflicht für die Zeit vom 1.9.2005 bis zum 31.8.2008 nicht ablehnen. Denn die Klägerin hat einen Anspruch auf Gewährung einer Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht gemäß § 5 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 RGebStV in der am 1.4.2005 in Kraft getretenen Fassung des Art. 5 Nr. 5 des Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrags vom 8. bis 15.10.2004 (GV. NRW. 2005 S. 192). Nach dieser Bestimmung wird eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht auf Antrag für Rundfunkempfangsgeräte gewährt, die in Einrichtungen der Jugendhilfe im Sinne des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (Achtes Buch des Sozialgesetzbuches) für den jeweils betreuten Personenkreis ohne besonderes Entgelt bereitgehalten werden. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

1. Bei der Musikschule handelt es sich um eine "Einrichtung der Jugendhilfe im Sinne des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (Achtes Buch des Sozialgesetzbuches)" nach § 5 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 RGebStV.

Der Rundfunkgebührenstaatsvertrag enthält keine eigene Definition des Begriffs "Einrichtungen der Jugendhilfe". Er nimmt Bezug auf die Regelungen der Kinder- und Jugendhilfe im SGB VIII. Mit dieser Bezugnahme bringt er zum Ausdruck, dass sich widersprechende Entscheidungen im Rundfunkgebührenrecht und im Kinder- und Jugendhilferecht zu vermeiden sind und dem Kinder- und Jugendhilferecht der Vorrang gebührt. Liegt kinder- und jugendhilferechtlich eine Einrichtung der Jugendhilfe vor, ist die Einrichtung auch rundfunkgebührenrechtlich eine solche der Jugendhilfe.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 10.8.2008 - 19 A 3879/06 -, S. 7 des Urteilsabdrucks, und vom 18.8.2004 - 19 A 2510/03 -, S. 6 f. des Urteilsabdrucks (jeweils zu den Vorgängerregelungen nach der Verordnung über die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht vom 30.11.1993, - BefrVO NRW - (GV. NRW. S. 970).

Dieses Begriffsverständnis hat der Achte Rundfunkänderungsstaatsvertrag aufgegriffen, der mit der Übernahme der bisher in § 3 Abs. 1 der Befreiungsverordnungen der Länder vorgesehenen Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht für besondere Betriebe und Einrichtungen durch § 5 Abs. 7 bis 9 RGebStV eine Einheitlichkeit der Bestimmungen in allen Ländern sicherstellen will, ohne dass damit eine materielle Veränderung verbunden ist.

Vgl. die Begründung zum Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrags, LT-Drucks. 13/6202, S. 41.

Unter "Einrichtung" i. S. d. SGB VIII ist bei funktionaler Betrachtung eine auf gewisse Dauer angelegte Verbindung von sächlichen und persönlichen Mitteln zu einem bestimmten Zweck für einen größeren, wechselnden Personenkreis unter der Verantwortung eines Trägers zu verstehen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 24.2.1994 - 5 C 17.01 -, juris, Rn. 15 (zu § 100 Abs. 1 BSHG a.F.); OVG NRW, Urteil vom 18.8.2004 - 19 A 2349/02 -, juris, Rn. 21 (zu § 3 Abs. 1 BefrVO NRW).

Zur Bestimmung, was eine "Einrichtung der Jugendhilfe" ist, ist § 2 SGB VIII in den Blick zu nehmen, der die Aufgaben der Jugendhilfe beschreibt. Gemäß § 2 Abs. 1 SGB VIII umfasst die Jugendhilfe Leistungen und andere Aufgaben zugunsten junger Menschen und Familien. Leistungen der Jugendhilfe sind nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII Angebote der Jugendarbeit, der Jugendsozialarbeit und des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes (§§ 11 bis 14 SGB VIII). § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sieht vor, dass jungen Menschen die zur Förderung ihrer Entwicklung erforderlichen Angebote der Jugendarbeit zur Verfügung zu stellen sind. Jugendarbeit wird angeboten von Verbänden, Gruppen und Initiativen der Jugend, von anderen Trägern der Jugendarbeit und den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe (§ 11 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Zu den Schwerpunkten der Jugendarbeit gehören außerschulische Jugendbildung mit allgemeiner, politischer, sozialer, gesundheitlicher, kultureller, naturkundlicher und technischer Bildung (§ 11 Abs. 3 Nr. 1 SGB VIII) sowie Jugendarbeit in Sport, Spiel und Geselligkeit (§ 11 Abs. 3 Nr. 2 SGB VIII).

Die Jugendarbeit, die sich an alle jungen Menschen richtet, die das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 4 SGB VIII), vgl. Struck, in: Wiesner, 3. Aufl. 2006, SGB VIII, § 11 Rn. 7, umfasst dabei auch die Zulassung zu öffentlichen Einrichtungen.

Vgl. Wiesner, in: Wiesner., 3. Aufl. 2006, SGB VIII, Vor §§ 11 ff. Rn. 2.

Der Katalog des § 11 Abs. 3 SGB VIII ist offen gehalten; er enthält keine abschließende Aufzählung. Seine Nummer 1 nennt die Bereiche der Jugendarbeit, die ihrem Charakter nach eine eindeutige Bildungsfunktion haben. Es sind Handlungsbereiche mit eigenen Methoden, die sich z. T. auch nach curricularen Anforderungen ausrichten. Die kulturelle Jugendbildung ist im übergreifenden Sinne zu verstehen. Sie findet in allen Bereichen der Jugendarbeit statt, ist aber auch eigenständiges Handlungsfeld mit besonderen Einrichtungen. Zur kulturellen Jugendbildung gehören etwa Jugendkunstschulen und kulturpädagogische Dienste sowie Arbeitsgemeinschaften in den Bereichen Literatur, Tanz, Theater und Film.

Vgl. Münder u. a., Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, 5. Aufl. 2006, § 11 Rn. 18, 19 und 21; Kunkel/Steffan, in: LPK-SGB VIII, 3. Aufl. 2002, § 11 Rn. 13; Struck, in: Wiesner, a.a.O., § 11 Rn. 17.

Gemessen an diesen Maßstäben ist die Musikschule eine Einrichtung der Jugendhilfe. Sie nimmt als öffentliche Jugendbildungseinrichtung, vgl. hierzu auch OVG NRW, Urteil vom 28.11.1994 - 22 A 2478/93 -, NWVBl. 1995, 313 = juris, Rn. 2; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 30.10.1986 - 9 S 2497/86 -, NVwZ 1987, 701, Aufgaben der Jugendhilfe wahr, indem sie durch die Erteilung musisch-kreativen Unterrichts gerade für junge Menschen Jugendarbeit in Form kultureller Jugendbildung leistet und damit gemäß §§ 2 Abs. 2 Nr. 1, 11 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 1 SGB VIII eine Leistung der Jugendhilfe erbringt.

2. Die Musikschule fällt auch als nichtstationäre Einrichtung der Jugendhilfe in den Anwendungsbereich des § 5 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 RGebStV.

§ 5 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 RGebStV ist nicht einschränkend dahingehend auszulegen, dass nur solche Einrichtungen der Jugendhilfe dem Befreiungstatbestand unterfallen, in denen die betreuten Personen über einen längeren zusammenhängenden Zeitraum anstalts- bzw. heimmäßig - d. h. stationär oder zumindest teilstationär - untergebracht sind und betreut werden. Für eine solche restriktive Handhabung des Einrichtungsbegriffs bietet der Wortlaut der Vorschrift keinen Anhalt. Hätte der Achte Rundfunkänderungsstaatsvertrag eine anderslautende Regelungsabsicht verfolgt, hätte er dies bei der Formulierung des § 5 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 RGebStV zum Ausdruck gebracht und den Begriff der Einrichtung eingegrenzt. Dies hat er jedoch nicht getan. Statt dessen sind die in der ansonsten identischen Vorgängerregelung des § 3 Abs. 1 Nr. 3 BefrVO NRW noch im Normtext beispielhaft aufgeführten verschiedenartigen Einrichtungen der Jugendhilfe - mit stationärer und mit nichtstationärer Unterbringung bzw. Betreuung - aus der Regelung selbst herausgenommen und nahezu wortgleich in die Begründung zum Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag als Beispiele für Einrichtungen i.S.d. § 5 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 RGebStV ("insbesondere ... Kinder- und Jugendheime, Häuser der offenen Tür, Jugendbildungs- und Freizeittagesstätten, Kinder- und Jugenderholungsheime, Jugendherbergen, Kindergärten, Kindertagesstätten und Horte sowie andere Einrichtungen, in denen sich Kinder für einen Teil des Tages oder ganztags aufhalten (Tagesbetreuungseinrichtungen), Einrichtungen über Tag und Nacht (Heimerziehung), Lehrlings- und Schülerheime und andere Jugendwohnheime, Waisenhäuser, Erziehungsheime und sonstige Wohnformen in der Erziehungshilfe") überführt worden.

Vgl. die Begründung zum Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrags, LT-Drucks. 13/6202, S. 41.

Auch aus dem Sinn und Zweck des § 5 Abs. 7 Satz 1 RGebStV ergibt sich nicht, dass Einrichtungen ohne stationären oder teilstationären Aufenthalt der betreuten Personen aus dem Anwendungsbereich des § 5 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 RGebStV auszuklammern sind. § 5 Abs. 7 Satz 1 RGebStV verfolgt - ebenso wie die Gebührenbefreiung natürlicher Personen nach § 6 RGebStV - eine im Zusammenhang mit der Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu sehende soziale Zielrichtung. Da eine freie Meinungsbildung mittels Rundfunks in der demokratischen Ordnung unverzichtbar ist, muss gewährleistet sein, dass möglichst jedermann unabhängig von seinem sozialen Status am Empfang von Rundfunk teilnehmen kann.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 2.7.2009 - 8 A 866/08 -; Göhmann/Naujock/Siekmann, in: Beck'scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 2. Aufl. 2008, § 5 RGebStV Rn. 64; Gall/Siekmann, in: Beck'scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 2. Aufl. 2008, § 6 RGebStV Rn. 8.

§ 5 Abs. 7 Satz 1 RGebStV erfasst Sachverhalte, in denen die Rundfunkempfangsgeräte nicht von dem betreuten Personenkreis, sondern von den besonderen Betrieben und Einrichtungen für den betreuten Personenkreis zum Empfang bereitgehalten werden. In den meisten dieser Fallkonstellationen hat der Gesetzgeber eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht deshalb vorgesehen, weil der betreute Personenkreis in den in der Vorschrift aufgeführten Betrieben und Einrichtungen überwiegend über einen längeren zusammenhängenden Zeitraum stationär oder teilstationär mit anstalts- bzw. heimmäßiger Betreuung untergebracht und somit weitgehend von der Teilnahme am öffentlichen, sozialen und kulturellen Leben ausgeschlossen ist. Die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht soll in diesen Fällen durch die damit eröffnete Gelegenheit zur Teilnahme am Rundfunk Ersatz für die nicht (mehr) mögliche Teilnahme am öffentlichen, sozialen und kulturellen Leben schaffen.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 2.7.2009 - 8 A 866/08 -, sowie die Begründung zum Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrags, LT- Drucks. 13/6202, S. 41, und Göhmann/ Naujock/ Siekmann, a.a.O., § 5 RGebStV Rn. 64; sowie OVG NRW, Urteil vom 10.6.2008 - 19 A 2450/07 -, NWVBl. 2009, 69 = juris, Rn. 36 (zu § 3 Abs. 1 BefrVO NRW).

Diese vorrangige Zwecksetzung des § 5 Abs. 7 Satz 1 RGebStV legt zwar grundsätzlich ein enges Verständnis des Einrichtungsbegriffs nahe, der sich im Regelfall auf Einrichtungen mit stationärer oder teilstationärer Unterbringung bzw. Betreuung erstreckt. Daneben verfolgt § 5 Abs. 7 Satz 1 RGebStV aber auch den weiteren (allgemeinen) sozialen Zweck, bestimmte Institutionen, die in besonderem Maße Dienst für die Allgemeinheit oder für sozial Schwache leisten, unabhängig davon von der Rundfunkgebührenpflicht freizustellen, ob sich die betreuten Personen dort über einen längeren zusammenhängenden Zeitraum heim- bzw. anstaltsmäßig aufhalten. Der Gesetzgeber sieht ausweislich der Begründung zum Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag zahlreiche offenkundig nichtstationäre Einrichtungen wie Häuser der offenen Tür, Jugendbildungs- und Freizeitstätten oder Kindergärten und Kindertagesstätten als nach § 5 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 RGebStV befreiungsfähig an. In diesen Fällen deckt sich der Befreiungszweck mit dem jeweiligen Förderungszweck, der die Einrichtung - etwa aufgrund ihres Charakters als Einrichtung der Jugendhilfe - rundfunkgebührenrechtlich privilegiert. Die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht soll den betreuten Personen danach mittelbar zugute kommen, um ihnen für die Dauer des Aufenthalts in der betreffenden Einrichtung im Rahmen von deren jeweiligen Förderungszweck die kostenlose Teilnahme am Rundfunk zu ermöglichen.

Vgl. zum Ganzen OVG NRW, Urteile vom 18.8.2004 - 19 A 2510/03 -, S. 14 f. des Urteilsabdrucks (zu § 3 Abs. 1 Nr. 4 BefrVO NRW - "Seniorenbüro"), vom 18.8.2004 - 19 A 2349/02 -, juris Rn. 33 ff., sowie Beschlüsse vom 12.3.2002 - 19 A 2637/00 -, NWVBl. 2003, 66 = juris, Rn. 42, und vom 9.3.2007 - 19 A 3035/04 - (jeweils zu § 3 Abs. 1 BefrVO NRW); VGH Bad.-Württ., Urteile vom 30.6.2005 - 2 S 395/04 -, juris, Rn. 29 und 33, und vom 11.12.2003 - 2 S 963/03 -, juris, Rn. 24; OVG S.-H., Urteil vom 25.2.2005 - 3 LB 5/04 - juris, Rn. 37 (Seniorenbegegnungsstätte); OVG Berlin, Urteil vom 2.3.2004 - 8 B 1.04 -, juris, Rn. 20 f. und 25 (Einrichtung für Suchtkranke); enger Bay. VGH, Urteile vom 18.4.2002 - 7 B 01.2383 -, juris, Rn. 16, und vom 11.7.2001 - 7 B 00.2866 -, juris, Rn. 33; VGH Bad.-Württ., Urteile vom 15.1.1996 - 2 S 1749/95 -, juris, Rn. 20, und vom 15.11.1991 - 14 S 1921/89 -, juris, Rn. 21.

Der Sinn und Zweck des § 5 Abs. 7 Satz 1 RGebStV gebietet es daher nicht, den Begriff der Einrichtung einengend auszulegen.

Danach wird die Musikschule auch als nichtstationäre Einrichtung der Jugendhilfe vom Anwendungsbereich des § 5 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 RGebStV erfasst. Der Umstand, dass der Unterricht in der Regel lediglich einmal in der Woche stattfindet, sich die Schüler der Musikschule dort also jeweils lediglich kurzzeitig aufhalten, lässt den Charakter als Einrichtung der Jugendhilfe im Sinne der vorgenannten Vorschrift nicht entfallen.

3. Die Rundfunkempfangsgeräte, auf die sich das Befreiungsbegehren der Klägerin erstreckt, werden i. S. d. § 5 Abs. 7 Satz 1 RGebStV "für den jeweils betreuten Personenkreis ... bereitgehalten".

Die Befreiung wird nur für Rundfunkempfangsgeräte gewährt, für die sich anhand ihrer Zweckbestimmung in der jeweiligen Einrichtung nach objektiven Kriterien feststellen lässt, dass sie ausschließlich zur Nutzung durch "den jeweils betreuten Personenkreis bereitgehalten" werden. Mit dieser Voraussetzung verfolgt der Gesetzgeber (lediglich) den Zweck, die Gebührenbefreiung für diejenigen Geräte auszuschließen, die nicht für die betreuten Personen, sondern - ohne Bezug zum Förderungszweck - etwa für Mitarbeiter oder andere nicht in dem Betrieb oder der Einrichtung betreute Dritte zum Empfang bereitgehalten werden. Eine Gebührenbefreiung ist allerdings nicht ausgeschlossen, wenn die Benutzung oder Mitbenutzung der Rundfunkempfangsgeräte durch Dritte nur zufällig erfolgt, z. B. beim Besuch der betreuten Person durch Gäste, oder zwangsläufig im Rahmen der Erfüllung des Zwecks der Einrichtung, z. B. bei der Betreuung durch Mitarbeiter der Einrichtung.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 2.7.2009 - 8 A 866/08 -; die Begründung zum Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrags, LT-Drucks. 13/6202, S. 41; Göhmann/ Naujock/Siekmann, a.a.O., § 5 RGebStV Rn. 66; siehe außerdem OVG NRW, Urteile vom 10.6.2008 - 19 A 2450/07 -, NWVBl. 2009, 69 = juris, Rn. 34, vom 10.6.2008 - 19 A 3879/06 -, S. 9 des Urteilsabdrucks, und vom 18.8.2004 - 19 A 2349/02 -, juris, Rn. 29, sowie Beschlüsse vom 5.12.2002 - 19 A 2778/00 -, juris, Rn. 24, und vom 17.7.2002 - 19 A 1972/99 -, juris, Rn. 5 (jeweils zu § 3 Abs. 1 BefrVO NRW); VGH Bad.-Württ., Urteile vom 30.6.2005 - 2 S 395/04 -, juris, Rn. 33, und vom 15.11.1991 - 14 S 1921/89 -, juris, Rn. 21.

§ 5 Abs. 7 Satz 1 RGebStV differenziert hinsichtlich des "Bereithaltens für den jeweils betreuten Personenkreis" nicht danach, ob der begünstigte Personenkreis die Programmauswahl selbst trifft, ob dies durch Betreuungspersonal oder durch Betreuer und Betreute gemeinsam geschieht.

Vgl. VG Göttingen, Urteil vom 12.1.2006 - 2 A 220/05 -, juris, Rn. 15.

In nach dem Willen des Gesetzgebers befreiungsfähigen nichtstationären Einrichtungen der Jugendhilfe i. S. d. § 5 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 RGebStV wie Kindergärten, Kindertagesstätten, Horten oder anderen Tagesbetreuungseinrichtungen für Kinder kann bzw. soll eine selbständige Programmauswahl in der Regel gerade nicht durch den betreuten Personenkreis erfolgen. In anderen Einrichtungen wie Jugendbildungsstätten soll die Programmauswahl im Regelfall im Zusammenwirken mit dem Betreuungspersonal stattfinden, um den in der Jugendbildung liegenden Förderungszweck zu erreichen. Der Befreiungstatbestand erfasst demnach auch eine gemeinsame Nutzung der Rundfunkgeräte durch Betreuer und Betreute zu Unterrichtszwecken.

Vgl. hierzu Nds. OVG, Urteil vom 21.9.1999 - 10 L 2704/99 -, juris, Rn. 41; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15.11.1991 - 14 S 1921/89 -, juris, Rn. 21 f.; VG Potsdam, Urteil vom 17.8.2004 - 11 K 6462/00 -, juris, Rn. 16; anders VG Schleswig, Urteil vom 26.2.2009 - 14 A 146/08 -, juris, Rn. 14 f.; wohl auch VG Düsseldorf, Urteil vom 4.6.2003 - 27 K 3856/02 -, juris, Rn. 37; Göhmann/Naujock/Siekmann, a.a.O., § 5 RGebStV Rn. 66.

Ob Rundfunkempfangsgeräte in nichtstationären Einrichtungen der Jugendhilfe typischerweise bestimmungsgemäß für den betreuten Personenkreis bereitgehalten werden, richtet sich danach maßgeblich nach dem jeweiligen Förderungszweck der Einrichtung, der hier zugleich der Befreiungszweck ist. Eine andere - engere - Betrachtungsweise ließe den Befreiungstatbestand für diejenigen nichtstationären Einrichtungen i. S. d. § 5 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 RGebStV, deren Zweck typischerweise eine gemeinsame Nutzung der Geräte durch Betreuer und Betreute erfordert, leer laufen.

Ausgehend von diesen Grundsätzen werden die streitgegenständlichen Rundfunkempfangsgeräte typischerweise gerade für die betreuten Personen - also für die Schüler der Musikschule - bereitgehalten. Die Rundfunkempfangsgeräte dienen unstreitig ausschließlich der Vermittlung von Unterrichtsinhalten. Sie werden nach dem Vortrag der Klägerin bestimmungsgemäß im Rahmen eines themenbezogenen Unterrichts - z. B. in den Unterrichtsbereichen "Tonstudioarbeit", "Pop- und Rockschule" und "Grundstufenarbeit" - eingesetzt, um den die Musikschule besuchenden Kindern und Jugendlichen so die Möglichkeit zu geben, sich Informationen zu einem bestimmten Thema des Unterrichts zu verschaffen, indem sie nach bestimmten Sendungen suchen und diese anhören oder ansehen dürfen. Anhand von Musikstücken, die von CDs abgespielt oder die durch verschiedene Radio- und Fernsehsender gespielt werden, werden nach Angaben der Klägerin Rhythmus und Techniken erklärt und vermittelt.

4. Die Rundfunkempfangsgeräte werden in der Musikschule "ohne besonderes Entgelt" für den betreuten Personenkreis bereitgehalten.

Der Begriff des "besonderen Entgelts" für den Ausschluss der Gebührenbefreiung setzt einerseits voraus, dass gerade für die Benutzung des Rundfunkgeräts eine finanzielle Gegenleistung verlangt wird, hat aber andererseits nicht zur Voraussetzung, dass diese Leistung kostendeckend ist oder einen Gewinn erbringt.

Vgl. Bay. VGH, Urteil vom 29.5.1996 - 7 B 94.720 -, juris (nur Leitsatz).

Der Besuch der Musikschule ist zwar gemäß § 6 Abs. 1 ihrer Satzung gebührenpflichtig. Eine finanzielle Gegenleistung gerade für die Benutzung von Rundfunkempfangsgeräten im Rahmen des Unterrichts wird aber - im Gegensatz zu der Überlassung von Instrumenten (vgl. § 6 Abs. 1 b) der Satzung) - nicht verlangt.

5. Schließlich sind die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung einer Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht in dem beantragten Umfang gegeben.

Die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht nach § 5 Abs. 7 RGebStV setzt gemäß § 5 Abs. 8 Satz 1 RGebStV voraus, dass die Rundfunkempfangsgeräte von dem jeweiligen Rechtsträger des Betriebes oder der Einrichtung bereitgehalten werden. Die Gebührenbefreiung tritt nur ein, wenn der Rechtsträger gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken im Sinne der §§ 51 bis 68 der Abgabenordnung (AO) dient (§ 5 Abs. 8 Satz 2 RGebStV). Das Gleiche gilt, wenn bei dem Betrieb oder der Einrichtung eines Rechtsträgers diese Voraussetzungen vorliegen (§ 5 Abs. 8 Satz 3 RGebStV). Dies trifft hier zu. Die im Streit befindlichen Rundfunkempfangsgeräte der Musikschule werden von der Klägerin als deren Trägerin bereitgehalten. Die Musikschule dient auch gemeinnützigen Zwecken i. S. v. §§ 51 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 4 und Nr. 5 AO.

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