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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 03.12.2003
Aktenzeichen: 8 A 2166/02
Rechtsgebiete: USG
Vorschriften:
USG § 4 a | |
USG § 13 a | |
USG § 13 c |
Tatbestand:
Der im Juni 1999 zu einer Wehrübung einberufene Kläger beantragte unter Verwendung des amtlichen Vordrucks Leistungen für Wehrübende nach dem Unterhaltssicherungsgesetz; dabei kreuzte er nur die Rubrik 2.4 "Mindestleistung nach § 13 c Abs. 3 USG" an. Die übrigen Rubriken, insbesondere die Rubrik 2.1 "Leistungen für Selbstständige (§ 13a USG)", blieben unausgefüllt. Mit Bescheid von Juni 1999 bewilligte der Beklagte die Mindestleistung. Im April 2001 bat der Kläger um Prüfung, ob ihm darüber hinaus für die Wehrübung im Juni 1999 die Leistungen für Selbstständige gewährt werden könnten. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit der Begründung ab, das Antragsrecht auf Gewährung von Leistungen nach dem Unterhaltssicherungsgesetz sei gemäß § 4 a Abs. 4 USG drei Monate nach Beendigung des auf Grund der Wehrpflicht geleisteten Wehrdienstes erloschen. Die hiergegen erhobene Verpflichtungsklage hatte keinen Erfolg. Der Senat wies die Berufung des Klägers zurück.
Gründe:
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung weiterer Leistungen für Selbstständige nach dem Unterhaltssicherungsgesetz.
Anspruchsgrundlage sind §§ 1 Abs. 1, 2 Nr. 3, 13 a USG in der Fassung der Bekanntmachung vom 14.12.1987 (BGBl. I S. 2614). Danach erhalten der zur Erfüllung der Wehrpflicht einberufene Wehrpflichtige und seine Familienangehörigen Leistungen zur Sicherung ihres Lebensbedarfs (Unterhaltssicherung) nach Maßgabe dieses Gesetzes. Zur Unterhaltssicherung werden Leistungen nach §§ 13 bis 13 d USG u.a. dann gewährt, wenn der Wehrpflichtige eine Wehrübung leistet. Gemäß § 13 a Abs. 1, 3 USG erhält der Wehrpflichtige, der eine selbstständige Tätigkeit ausübt, für die ihm entfallenden Einkünfte eine Entschädigung, wenn eine Fortführung der selbstständigen Tätigkeit nach § 13 a Abs. 2 USG aus Gründen, die der Wehrpflichtige nicht zu vertreten hat, nicht möglich ist mit der Folge, dass die selbstständige Tätigkeit während des Wehrdienstes ruht.
Die materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen sind gegeben. Der Kläger hat in der Zeit vom 21.6.1999 bis 2.7.1999 eine Wehrübung geleistet. Wie den Anträgen auf Leistungen für Wehrübende vom Oktober 1998 und September 1999 für die davor bzw. danach abgeleistete Wehrübung zu entnehmen ist, ist der Kläger selbstständig tätig und plant bzw. überwacht Bauvorhaben, die in seiner Verantwortung liegen oder direkt an seine Person gebunden sind, so dass die Fortführung der Tätigkeit während der Wehrübung nicht möglich ist.
Der Kläger hat den nach § 4 a Abs. 1 USG erforderlichen Antrag auf Leistungen zur Unterhaltssicherung fristgerecht gestellt. Der Anspruch auf Gewährung von Leistungen für Selbstständige gemäß § 13 a USG ist nicht wegen Ablaufs der Antragsfrist erloschen. Dem Anspruch steht jedoch die Bindungswirkung des Bewilligungsbescheids vom 15.6.1999 entgegen.
Die Leistungen zur Unterhaltssicherung werden gemäß § 4 a Abs. 1 USG auf Antrag gewährt. Das Antragsrecht erlischt nach § 4 a Absatz 4 USG drei Monate nach Beendigung des auf Grund der Wehrpflicht geleisteten Wehrdienstes, im Falle des § 7 b Abs. 2 USG drei Monate nach Zustellung des maßgeblichen Einkommensteuerbescheides. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist der Anspruch des Klägers auf Leistungen für Selbstständige nicht wegen Fristablaufs untergegangen. Zwar hat der Kläger erst mit Schreiben vom 24.4.2001, mithin deutlich nach Ablauf der Dreimonatsfrist, eine Nachbewilligung von Leistungen nach dem Unterhaltssicherungsgesetz beantragt. Die Nichteinhaltung der Antragsfrist hätte den Untergang des Anspruchs auf Unterhaltssicherung zur Folge, wenn es sich, wie das VG angenommen hat, bei der Antragsfrist gemäß § 4 a Abs. 4 USG um eine materiellrechtliche Ausschlussfrist handelt.
Vgl. Eichler/Oestreicher, Unterhaltssicherungsgesetz, Stand: 1. 2. 2001, § 4 a Anm. III.6 m.w.N.
Materiellrechtliche Ausschlussfristen sind für Behörden und Beteiligte gleichermaßen verbindlich und stehen nicht zur Disposition der Verwaltung oder der Gerichte. Nach Ablauf der Frist kann der Anspruch nicht mehr geltend gemacht werden, sofern das geltende Recht keine Ausnahme vorsieht.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. 10. 1993 - 6 C 10/92 -, NVwZ 1994, 575.
Das kann der Senat jedoch offen lassen. Denn der Kläger hat innerhalb der Antragsfrist am 8.6.1999 einen anspruchswahrenden Antrag auf Leistungen für Wehrübende nach dem Unterhaltssicherungsgesetz gestellt.
Der Antrag auf Leistungen zur Unterhaltssicherung gemäß § 4 a Abs. 1 USG ist gesetzlich an keine besondere Form gebunden. Insbesondere ist die Verwendung eines bestimmten Formulars nicht vorgeschrieben. Antrag im Sinne des § 4 a Abs. 1 USG ist jede bei der Unterhaltssicherungsbehörde eingegangene Erklärung, die dahingehend ausgelegt werden kann, dass Leistungen zur Unterhaltssicherung begehrt werden. Dabei ist nicht erforderlich, dass erklärt wird, welche Leistungen im Einzelnen geltend gemacht werden (vgl. 4 a.1 der Hinweise des Bundesministeriums der Verteidigung zur Durchführung des Unterhaltssicherungsgesetzes). Ebenso wenig sind - wie sich aus dem Fehlen einer entsprechenden gesetzlichen Regelung ergibt - für die Zulässigkeit des Antrags sonstige inhaltliche Angaben notwendig. Wird ein solcher Antrag auf Unterhaltssicherung innerhalb der Frist des § 4 a Abs. 4 USG gestellt, erlischt das Antragsrecht nicht.
Vgl. Eichler/Oestreicher, a.a.O., § 4 a Anm. III.1.
Aus dem bei der Unterhaltssicherungsbehörde des Beklagten gestellten Antrag vom 5.6.1999 ist der Wille des Klägers zweifelsfrei erkennbar, dass Leistungen zur Unterhaltssicherung begehrt werden. Das reicht als Antrag im Sinne des § 4 a Abs. 1 USG und damit zur Wahrung der Antragsfrist aus. Dass der Kläger die begehrte Leistung durch Ankreuzen der Rubrik 2.4 "Mindestleistung" auf dem amtlichen Vordruck konkretisiert hat, ist für die Zulässigkeit des Antrags ohne Belang. Die Verwendung des gesetzlich nicht vorgeschriebenen Formulars dient der Verwaltungsvereinfachung. Es soll den Wehrpflichtigen im Rahmen seiner gemäß § 20 Abs. 1 USG bestehenden Auskunftspflicht zur Abgabe aller erforderlichen Angaben einschließlich der begehrten Leistungsart veranlassen und die Behörde in die Lage versetzen, möglichst rasch abschließend zu entscheiden. Das Ausfüllen des Antragsformulars erleichtert damit lediglich die Überprüfung der materiellen Anspruchsvoraussetzungen. Werden die Auskünfte vom Wehrpflichtigen und den Familienangehörigen erst nach längerer Zeit - u.U. später als drei Monate nach Beendigung des auf Grund der Wehrpflicht geleisteten Wehrdienstes - erteilt, verzögert sich die Bearbeitung und Auszahlung der Leistungen. Die späte Auskunftserteilung steht dem Anspruch auf Unterhaltssicherung jedoch auch dann nicht entgegen, sofern nur der Antrag rechtzeitig gestellt wurde. Für die Erteilung der Auskünfte nach § 20 Abs. 1 USG ist eine gesetzliche Frist nicht vorgesehen. Die in § 4 a Abs. 4 USG bestimmte Frist bezieht sich nach ihrem klaren Wortlaut nur auf die Stellung des Antrags; dieser muss die für die Bewilligung einer Leistung zur Unterhaltssicherung notwendigen Angaben nicht enthalten. Werden für die Feststellung der Leistungen nach dem Unterhaltssicherungsgesetz erhebliche Angaben nicht gemacht, kann die Behörde im Rahmen der Mitwirkungslast des Wehrpflichtigen und der Familienangehörigen davon ausgehen, dass Anspruchsvoraussetzungen nicht nachgewiesen sind und - ggf. nach Setzung einer behördlichen Frist zur Erfüllung der Auskunftspflichten (vgl. § 31 Abs. 2, 7 VwVfG) - über den Antrag in der Sache entscheiden.
Dem Anspruch des Klägers auf Bewilligung von Leistungen nach § 13 a USG steht jedoch der bestandskräftige Bescheid des Beklagten vom 15.6.1999, mit dem dem Kläger die Mindestleistung bewilligt wurde, entgegen. Über den Anspruch des Klägers auf Unterhaltssicherungsleistungen für die Wehrübung vom 21.6.1999 bis 2.7.1999 hat der Beklagte abschließend entschieden.
Maßgebend für den Umfang der Bindungswirkung in sachlicher Hinsicht ist der durch den bekannt gegebenen Inhalt des Verwaltungsakts bestimmte, wenn nötig durch Auslegung näher festzulegende Entscheidungsgegenstand, also die im Verwaltungsakt verbindlich mit Wirkung nach außen getroffene Regelung.
Vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., § 43 Rn. 54.
Welchen Inhalt der Verwaltungsakt hat, ist nach den Auslegungsgrundsätzen zu bestimmen, die für die Auslegung von Willenserklärungen allgemein gelten. Insoweit ist die Auslegungsregel des § 133 BGB entsprechend anwendbar. Für die Bedeutung der Erklärung kommt es damit nicht auf den inneren Willen des Bearbeiters an, sondern auf den erklärten Willen, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte. Unklarheiten müssen hierbei zu Lasten der Verwaltung gehen.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. 6. 1980 - 6 C 55/79 -, BVerwGE 60, 223, 228 f.
Bei der Auslegung kommen auch Umstände vor und beim Ergehen der behördlichen Maßnahme in Betracht.
Danach durfte der Kläger den Bescheid vom 15.6.1999 bei objektiver Auslegung nicht dahingehend verstehen, dass die Bewilligung der Mindestleistung als Abschlagszahlung auf erst zukünftig - nämlich nach Vorlage des Einkommensteuerbescheids - zu bewilligende Leistungen für Selbstständige gemäß § 13 a USG erfolgen sollte. Vielmehr wurde erkennbar mit der Bewilligung der Mindestleistung entschieden, dass für die Dauer der Wehrübung über die bewilligte Mindestleistung hinaus weitergehende Leistungen nicht mehr beansprucht werden können. Der Kläger hat mit seinem Antrag vom 5.6.1999, so wie ihn die Unterhaltssicherungsbehörde aus ihrer Sicht bei verständiger Würdigung verstehen durfte, nicht erkennen lassen, dass er über die Mindestleistung hinaus Leistungen für Selbständige begehrte. Gleichlautende Anträge auf die Gewährung der Mindestleistung hatte der Kläger bereits im Oktober 1997 gestellt, während er in den anderen Unterhaltssicherungsverfahren teilweise ausschließlich die Leistungen für Selbstständige, teilweise beide Leistungen nach § 13 a USG und § 13 c USG beantragt hatte. Vor diesem Hintergrund musste der Beklagte, anders als der Kläger meint, kein Erklärungsversehen annehmen. Auf den Antrag des Klägers vom 5.6.1999 nimmt der Bewilligungsbescheid Bezug. Die im Bescheid aufgeführten Leistungen nach §§ 13, 13 a und 13 b USG sind, anders als die Mindestleistung, nicht nur nicht angekreuzt, sondern die für die Höhe der Leistung jeweils vorgesehenen Kästchen sind zusätzlich gestrichen. Darin kommt der Erklärungswille des Beklagten, eine abschließende Entscheidung über die dem Kläger auf Grund der Wehrübung zustehenden Leistungen zu treffen, hinreichend deutlich zum Ausdruck. Das war für den Kläger unter Berücksichtigung der vorangegangenen Unterhaltssicherungsverfahren auch erkennbar. Den Bescheiden vom 14.6.1993, 7.9.1993, 13.6.1994 und 17.1.1997, mit denen dem Kläger die Mindestleistung bewilligt wurde, lagen Anträge des Klägers auf Gewährung von Leistungen für Selbstständige zugrunde. In der Begründung der Bescheide heißt es ausdrücklich, dass eine Berechnung nach § 13 a USG erst nach Vorlage des Einkommensteuerbescheides möglich ist. Ferner war dem Kläger jeweils vorher ein Fragebogen zum Antrag auf Leistungen für Selbstständige nach § 13 a USG übersandt worden. Unter diesen Umständen besteht der Regelungsgehalt der Bewilligungsbescheide erkennbar darin, die Mindestleistung nach § 13 c Abs. 1 USG als Abschlagszahlung auf erst zukünftig zu bewilligende Leistungen für Selbstständige zu gewähren (vgl. Ziffer 13 c.1 der Hinweise des Bundesministeriums der Verteidigung zur Durchführung des Unterhaltssicherungsgesetzes). In dem Bescheid vom 21.10.1998 war zwar die Mindestleistung gewährt worden, ohne dass in der Begründung auf eine nachfolgende Berechnung nach § 13 a USG hingewiesen worden war. Einen Fragebogen hatte der Kläger jedoch erhalten. Bei verständiger Würdigung war daraus auf eine Abschlagszahlung zu schließen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Bewilligungsbescheid vom 30.1.1998. Wie im hier streitigen Bescheid war weder in der Begründung auf die Voraussetzungen für eine Berechnung nach § 13 a USG hingewiesen, noch ein Fragebogen übersandt worden. Gleichwohl wurden dem Kläger unter dem 21.2.2001 nachträglich Leistungen für Selbstständige bewilligt. Dort hatte der Kläger jedoch neben der Mindestleistung auch die Leistungen nach § 13 a USG beantragt. Der Inhalt eines Verwaltungsakts wird im Antragsverfahren maßgebend vom Antrag und den darin enthaltenen tatsächlichen Angaben mitbestimmt, sofern in dem Bescheid - so wie hier - darauf Bezug genommen wird. In diesem Fall wird man annehmen können, dass die Mindestleistung vorab bewilligt und über den - noch offenen - Antrag auf Leistungen nach § 13 a USG später entschieden werden sollte. Demgegenüber war im vorliegenden Fall nur ein Antrag auf die Mindestleistung gestellt worden. Dass dem Kläger erst später bewusst wurde, dass er die Leistungen für Selbstständige versehentlich nicht beantragt hatte, ist unerheblich. Für die Auslegung von Willenserklärungen der Verwaltung gemäß § 133 BGB kommt es auf den objektiven Erklärungswert für den Empfänger an, nicht auf sein konkretes subjektives Verständnis. Bei verständiger Würdigung folgt aus dem Umstand, dass für eine bestimmte Wehrübung die Mindestleistung beantragt und bewilligt wurde, dass es sich dabei um die diesen Sachverhalt abschließende Zahlung handelt.
Ob die Voraussetzungen für die Gewährung eines Härteausgleichs gemäß § 23 Abs. 1 USG vorliegen, kann offen bleiben. Den gemäß § 4 a Abs. 1 USG erforderlichen Antrag vgl. Eichler/Oestreicher, a.a.O., § 4 a Anm. III.1, hat der Kläger nicht gestellt. Im Übrigen setzt die Gewährung eines Ausgleichs das Einvernehmen der obersten Landesbehörde und des Bundesministeriums der Verteidigung (§ 23 Abs. 1 Satz 2 USG) voraus.
Ende der Entscheidung
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