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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 05.09.2006
Aktenzeichen: 8 A 2190/04
Rechtsgebiete: RL 2003/4/EG, IFG NRW


Vorschriften:

RL 2003/4/EG Art. 3 Abs. 1
RL 2003/4/EG Art. 4 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a
IFG NRW § 4 Abs. 1
IFG NRW § 7 Abs. 1
1. Die Frage, ob die Umweltinformationsrichtlinie RL 2003/4/EG im Land NRW unmittelbar gilt, bleibt offen.

2. Zu den Anforderungen an den Ausnahmetatbestand "Vertraulichkeit der Beratungen von Behörden" i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a RL 2003/4/EG und an den Ausschlussgrund "Protokolle vertraulicher Beratungen" i.S.v. § 7 Abs. 1 IFG NRW.


Tatbestand:

In Teilen des Gebiets des Kreises O. sind mehrere Tausend Häuser von ansteigendem Grundwasser bedroht. In Anbetracht der damit verbundenen Probleme beschloss der Kreisausschuss, eine aus Kräften der Verwaltung bestehende Arbeitsgruppe Grundwasser einzusetzen und zur Unterstützung dieser Arbeitsgruppe eine aus sieben Mitgliedern des Kreistags und dem Landrat bestehende Kommission zu bilden. In der konstituierenden Sitzung beschlossen die Mitglieder der so genannten Grundwasserkommission einstimmig, dass deren Sitzungen nicht öffentlich seien und dass der Landrat die Kommission nach außen hin vertrete und die Öffentlichkeit über seine Berichterstattung im Kreisausschuss informiere. Weiterhin wurde der Beschluss gefasst, dass die Bürger der von hohen Grundwasserständen betroffenen Gemeinden jeweils mit einem Vertreter aus der Bürgerschaft an den Sitzungen teilnehmen können. Der Kläger bat fernmündlich u.a. um die Übersendung der Niederschriften über die Sitzungen der Grundwasserkommission. Daraufhin übersandte der Beklagte dem Kläger u.a. Auszüge aus zwei Niederschriften über die Sitzungen der Grundwasserkommission. Dagegen erhob der Kläger Widerspruch und bat um Übersendung der vollständigen Niederschriften. Widerspruch und Klage blieben erfolglos. Auch die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg.

Gründe:

Der Beklagte ist nicht verpflichtet, dem Kläger Ablichtungen der vollständigen Niederschriften über die Sitzungen der Grundwasserkommission auszuhändigen.

Nach der für die Prüfung des Verpflichtungsbegehrens maßgeblichen Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts steht dem Kläger kein Anspruch auf Aushändigung von Ablichtungen der vollständigen Sitzungsniederschriften zu.

Anders als noch bei Erlass des Bescheids des Beklagten und bei Erlass des Widerspruchsbescheids scheidet nunmehr § 4 Abs. 1 UIG 2001 als mögliche Anspruchsgrundlage aus, da das Umweltinformationsgesetz 2001 nach Art. 9 Abs. 1 des Gesetzes zur Neugestaltung des Umweltinformationsgesetzes und zur Änderung der Rechtsgrundlagen zum Emissionshandel vom 22.12.2004 (BGBl. I S. 3704) am 14.2.2005 außer Kraft getreten ist.

Die Nachfolgebestimmung des § 3 Abs. 1 UIG 2005 kann keine Anwendung finden, weil das Umweltinformationsgesetz 2005 - anders als noch das Umweltinformationsgesetz 2001 - allein für informationspflichtige Stellen des Bundes und der bundesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts - und damit nicht für den Beklagten - gilt.

Als mögliche Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers kommen deshalb allein zwei Bestimmungen in Betracht, zum einen Art. 3 Abs. 1 RL 2003/4/EG und zum anderen § 4 Abs. 1 IFG NRW. Beide Anspruchsgrundlagen verhelfen dem Begehren des Klägers aber nicht zum Erfolg.

1. Die Herleitung eines Anspruchs aus Art. 3 Abs. 1 RL 2003/4/EG setzt zunächst voraus, dass diese Richtlinie überhaupt eine unmittelbare Rechtswirkung entfaltet.

Grundsätzlich gelten EG-Richtlinien nicht unmittelbar, sondern sind für die Mitgliedstaaten nur hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich und überlassen diesen die Wahl der Form und der Mittel (Art. 249 - vormals Art. 189 - Abs. 3 EGV). Die Tatsache, dass sie an die Mitgliedstaaten adressiert und ihrer Natur nach auf eine Umsetzung angelegt sind, schließt es aber nicht aus, dass sie unmittelbare Wirkung entfalten können. Dieser Fall kann eintreten, wenn eine Richtlinie bis zum Ablauf der Umsetzungsfrist von einem Mitgliedstaat nicht, nicht vollständig oder unzulänglich umgesetzt ist. Voraussetzung ist, dass die Richtlinie eine unbedingte Regelung enthält. Dies trifft zu, wenn ihre Anwendung weder an Bedingungen geknüpft ist noch von einer konstitutiven Entscheidung eines EG-Organs oder des Mitgliedstaats abhängt. Hinzu kommen muss, dass die Verpflichtungen, die sich aus der Richtlinie ergeben, hinreichend bestimmt umschrieben sind.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 25.1.1996 - 4 C 5.95 -, BVerwGE 100, 238 = BauR 1996, 511 = BRS (1996) 58 Nr. 7 = DÖV 1996, 604 = DVBl. 1996, 677 = NuR 1996, 466 = NVwZ 1996, 788 = UPR 1996, 228 = ZfBR 1996, 275 = ZUR 1996, 255, unter Hinweis auf EuGH, Urteile vom 19.1.1982 - RS 8/81 -, Slg. 1982, 53, 71, vom 26.2.1986 - RS 152/84 -, Slg. 1986, 737, 748, und vom 23.2.1994 - C 236/92 -, Slg. 1994, I 497, 502.

Ausgehend davon könnte eine unmittelbare Wirkung der Richtlinie 2003/4/EG in Betracht zu ziehen sein, weil sie eine unbedingte Regelung enthält und die Verpflichtungen, die sich aus ihr ergeben, hinreichend bestimmt umschrieben sind. Denn die Richtlinie 2003/4/EG verfolgt als Ziel insbesondere die Gewährleistung des Rechts auf Zugang zu Umweltinformationen, die bei Behörden vorhanden sind oder für sie bereitgehalten werden, und legt die grundlegenden Voraussetzungen und praktischen Vorkehrungen dieses Rechts ausreichend klar fest.

Vgl. dazu insbesondere VG Stuttgart, Beschluss vom 12.12.2005 - 16 K 379/05 -, NuR 2006, 194 = NVwZ-RR 2006, 392 = UPR 2006, 123 = ZUR 2006, 103; ebenso HessVGH, Beschlüsse vom 16.3.2006 - 12 Q 590/06 -, NVwZ 2006, 951, und vom 4.1.2006 -12 Q 2828/05 -, NuR 2006, 239; Gemeinsamer Runderlass des Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbrauerschutz, des Innenministeriums, des Ministeriums für Bauen und Verkehr und des Ministeriums für Wirtschaft, Mittelstand und Energie vom 17.9.2005 zur Handhabung des Umweltinformationsanspruchs im Lande NRW (MBl. NRW. S. 1216).

Problematisch könnte aber die Frage sein, ob auch die weitere Voraussetzung für den Eintritt einer unmittelbaren Rechtswirkung erfüllt ist, dass die Richtlinie 2003/4/EG bis zum Ablauf der Umsetzungsfrist nicht, nicht vollständig oder unzulänglich umgesetzt worden ist.

Dafür spricht, dass es im Land Nordrhein-Westfalen trotz Ablaufs der Umsetzungsfrist an einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen fehlt. Denn nach Art. 10 Abs. 1 RL 2003/4/EG hatten die Mitgliedstaaten die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft zu setzen, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie bis zum 14.2.2005 nachzukommen. Nachdem mit dem Gesetz zur Neugestaltung des Umweltinformationsgesetzes und zur Änderung der Rechtsgrundlagen zum Emissionshandel vom 22.12.2004 das auch in den einzelnen Ländern geltende Umweltinformationsgesetz 2001 außer Kraft getreten ist und sich der Anwendungsbereich des Umweltinformationsgesetz 2005 auf den Bereich der informationspflichtigen Stellen des Bundes und der bundesunmittelbaren juristischen Person des öffentlichen Rechts beschränkt, hat das Land Nordrhein-Westfalen keine ausdrückliche gesetzliche Regelung zur Umsetzung der Richtlinie 2003/4/EG erlassen.

Vgl. dazu auch den zuvor genannten Gemeinsamen Runderlass vom 17.9.2005, a.a.O.

Andererseits könnte aber auch daran zu denken sein, dass die Bestimmungen des Informationsfreiheitsgesetzes NRW zur Ausfüllung der Vorgaben aus der Richtlinie 2003/4/EG genügen oder jedenfalls im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung herangezogen werden können.

Vgl. dazu VG Minden, Beschluss vom 25.5.2005 - 11 K 32/05 -, NuR 2005, 551.

Diese Frage bedarf vorliegend aber keiner Entscheidung, da dem Kläger auch bei einer unterstellten unmittelbaren Wirkung der Richtlinie 2003/4/EG kein Anspruch aus Art. 3 Abs. 1 RL 2003/4/EG auf Aushändigung von Ablichtungen der vollständigen Sitzungsniederschriften zusteht.

Für einen Teil der dem Kläger vorenthaltenen Passagen aus den Sitzungsniederschriften folgt dies schon daraus, dass es sich nicht um Umweltinformationen im Sinne von Art. 2 Nr. 1 RL 2003/4/EG handelt. (wird ausgeführt)

Ob es sich bei den übrigen dem Kläger vorenthaltenen Passagen uneingeschränkt um Umweltinformationen im Sinne von Art. 2 Nr. 1 RL 2003/4/EG handelt, bedarf keiner Entscheidung. Denn auch für den Fall, dass dies anzunehmen ist, besteht kein Anspruch auf Aushändigung von Ablichtungen der vollständigen Sitzungsniederschriften, da einem Zugangsanspruch des Klägers ein Ausnahmetatbestand aus Art. 4 RL 2003/4/EG entgegensteht.

Die Ausnahmetatbestände aus Art. 4 RL 2003/4/EG finden bei einer unmittelbaren Wirkung der Richtlinie 2003/4/EG Anwendung. Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass dort keine den Zugang zu Umweltinformationen betreffenden Ablehnungsgründe ausdrücklich bestimmt sind, sondern lediglich vorgesehen ist, dass die Mitgliedstaaten diese Regelungen als Ablehnungsgründe bestimmen können.

So aber VG Stuttgart, Beschluss vom 12.12.2005 - 16 K 379/05 -, a.a.O.

Dieser Einwand trägt dem Umstand nicht hinreichend Rechnung, dass der Einzelne sich - wie bereits ausgeführt - auf eine nicht oder unzureichend umgesetzte Richtlinie nur hinsichtlich solcher Bestimmungen berufen kann, die inhaltlich unbedingt und hinreichend bestimmt sind. Wenn und soweit die Entscheidung über die nähere Ausgestaltung einer Rechtsposition in die Gestaltungsfreiheit des Mitgliedstaates gestellt ist, handelt es sich, soweit der Gestaltungsspielraum des Mitgliedstaates reicht, bereits nicht um eine unbedingte und damit auch nicht unmittelbar anwendbare Richtlinienbestimmung. Hat der nationale Gesetzgeber eine Richtlinie fehlerhaft umgesetzt, vermittelt diese dem Einzelnen - sofern die weiteren Voraussetzungen einer unmittelbaren Richtliniengeltung erfüllt sind - lediglich einen Anspruch darauf, dass die Bestimmungen, mit denen der nationale Gesetzgeber den ihm überlassenen Gestaltungsspielraum überschritten hat, auf ihn nicht angewandt werden.

Vgl. EuGH, Urteil vom 15.6.2000 - C-365/98 -, EuGHE I 2000, 4619.

Die unmittelbare Anwendung europarechtlicher Richtlinien, die dem nationalen Gesetzgeber einen Gestaltungsspielraum belassen, begründet Ansprüche nur in Bezug auf die in der Richtlinie vorgesehenen Mindestgarantien, denen sich der Mitgliedstaat bei pflichtgemäßer Umsetzung der Richtlinie nicht entziehen könnte, oder - anders ausgedrückt - in Bezug auf den Mindestschutz, der auf jeden Fall zu verwirklichen ist. Nur so weit reicht der zwingende Charakter der aus Art. 249 Abs. 3 EGV folgenden Verpflichtung, die eine unmittelbare Anwendung nicht oder unzureichend umgesetzter Richtlinien rechtfertigt.

Vgl. EuGH, Urteile vom 19.1.1982 - Rs. 8/81 -, EuGHE 1982, 53 = NJW 1982, 499, und vom 5.10.2004 - C-397/01 bis C-403/01 -, EuGHE I 2004, 8835 = DVBl. 2005, 35 = NJW 2004, 3547.

Dies hat im vorliegenden Sachzusammenhang zur Folge, dass der Richtlinie 2003/4/EG überhaupt nur insoweit eine unmittelbare Wirkung zukommt, wie es erforderlich ist, um den Mindeststandard an Zugang zu Umweltinformationen, den die einzelnen Mitgliedstaaten bei der Umsetzung dieser Richtlinie nicht unterschreiten dürfen, zu gewährleisten. Der Mindeststandard besteht aber nicht in einem unbeschränkten Zugang zu sämtlichen vorhandenen Umweltinformationen, sondern lediglich in einem Zugangsanspruch unter den Einschränkungen, die sich aus den in Art. 4 RL 2003/4/EG genannten Ausnahmetatbeständen ergeben. Anders gewendet: Ein Anspruch auf Zugang zu Umweltinformationen unmittelbar aus der Richtlinie 2003/4/EG greift nicht ein, wenn für die Mitgliedstaaten die Möglichkeit besteht, auf der Grundlage der in Art. 4 RL 2003/4/EG genannten Ausnahmetatbestände den Anspruch ausschließen.

Ausgehend von diesen Erwägungen steht einem Zugangsanspruch des Klägers entgegen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des Ausnahmetatbestands aus Art. 4 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a RL 2003/4/EG vorliegen und die nach Art. 4 Abs. 2 Satz 3 RL 2003/4/EG vorzunehmende Einzelfallabwägung zu einem Überwiegen des Interesses an der Verweigerung der Bekanntgabe führt.

Nach Art. 4 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a RL 2003/4/EG kommt die Ablehnung eines Antrags auf Zugang zu Umweltinformationen in Betracht, wenn die Bekanntgabe negative Auswirkungen auf die Vertraulichkeit der Beratungen von Behörden hätte, sofern eine derartige Vertraulichkeit gesetzlich vorgesehen ist. Die Voraussetzungen dieser Regelung sind vorliegend gegeben.

Die in Rede stehenden Passagen aus den Sitzungsniederschriften geben Beratungen einer Behörde im Sinne von Art. 4 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a RL 2003/4/EG wieder.

Der Begriff der Beratungen im Sinne dieser Bestimmung ist bezogen auf den Zweck der Regelung, die interne Willensbildung insbesondere im behördlichen Bereich zu schützen, vgl. Fluck/Theuer, Informationsfreiheitsrecht, Teil A, § 7 UIG Rn. 50; Reidt/Schiller, in: Landmann/ Rohmer, Umweltrecht, Teil II Nr. 3, § 8 UIG Rn. 21, dahingehend zu konkretisieren, dass von ihm nur die Beratungs- und Abwägungsvorgänge, d.h. der Beratungsprozess oder -verlauf selbst, nicht aber die den Beratungen zugrunde liegenden, bereits zuvor vorliegenden Sachinformationen, über die beraten wird (Beratungsgegenstand wie etwa die zur Entscheidung führenden Tatsachen), oder auch die Beratungsergebnisse (wie etwa Gutachten, die die tatsächlichen oder rechtlichen Entscheidungsgrundlagen zusammenstellen), erfasst sind.

Vgl. OVG Schl.-H., Urteil vom 15.9.1998 - 4 L 139/98 -, DVBl. 1999, 250 = NVwZ 1999, 670; Fluck/Theuer, a.a.O., § 7 UIG Rn. 58; Reidt/Schiller, a.a.O., § 8 UIG Rn. 21; Schrader, in: Schomerus/Schrader/Wegener, UIG-Handkommentar, 2. Aufl. 2002, § 7 Rn. 9.

Ausgehend davon handelt es sich bei den im vorliegenden Zusammenhang in Rede stehenden Passagen aus den Sitzungsniederschriften durchgängig um die Wiedergabe von Beratungen im Sinne von Art. 4 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a RL 2003/4/EG, da es sich dabei in allen Punkten um die Niederlegung von Wortbeiträgen der Sitzungsteilnehmer im Zusammenhang mit der Behandlung der Grundwasserproblematik handelt. Die Passagen beinhalten sämtlich Angaben zum Beratungsverlauf und geben weder einen Beratungsgegenstand noch ein Beratungsergebnis wieder.

Vgl. ebenso für Beratungen in Angelegenheiten im Rat einer Gemeinde, bei denen die Öffentlichkeit ausgeschlossen ist: Reidt/Schiller, a.a.O., § 8 UIG Rn. 23; Schrader, a.a.O., § 7 Rn. 9.

Es handelt sich auch um Beratungen einer Behörde. Die Grundwasserkommission ist Teil der Gemeindeverwaltung des Kreises und damit Teil einer Behörde im Sinne von Art. 2 Nr. 2 RL 2003/4/EG. Rechtsgrundlage für die Bildung der Grundwasserkommission ist § 8 Abs. 5 der Hauptsatzung des Kreises. Dort ist vorgesehen, dass Ausschüsse aus ihren Mitgliedern für besondere Aufgaben Kommissionen bilden können. Von dieser Befugnis hat der Kreisausschuss Gebrauch gemacht und die Grundwasserkommission gebildet.

Die Beratungen der Grundwasserkommission sind vertraulich und diese Vertraulichkeit ist auch i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a RL 2003/4/EG gesetzlich vorgesehen.

Nach §§ 41 Abs. 2 und 4 Satz 1 sowie 33 Abs. 2 Satz 2 der KrO NRW i.V.m. § 7 Abs. 6 der Geschäftsordnung des Kreistages und § 8 Abs. 6 der Hauptsatzung des Kreises kann die Grundwasserkommission durch Beschluss für ihre Sitzungen die Öffentlichkeit ausschließen, wenn es das öffentliche Wohl oder die Wahrung schutzwürdiger Interessen erfordert. Von dieser - auf eine gesetzliche Grundlage zurückzuführenden - Befugnis hat die Grundwasserkommission mit dem in ihrer ersten Sitzung am 21.8.2001 gefassten Beschluss Gebrauch gemacht, nach dem die Sitzungen der Grundwasserkommission nicht öffentlich stattfinden sollen.

Der Ausschluss der Öffentlichkeit ist auch unter Berücksichtigung der großen Bedeutung der Sitzungsöffentlichkeit in nicht zu beanstandender Weise erfolgt.

Zu den Anforderungen vgl. OVG NRW, Urteile vom 24.4.2001 - 15 A 3021/97 -, DÖV 2001, 916 = DVBl. 2001, 1281 = NWVBl. 2002, 31 = NVwZ-RR 2002, 135, und vom 2.5.2006 - 15 A 817/04 -, juris.

Wie der Beklagte überzeugend dargelegt hat, ist es Ziel der Grundwasserkommission, die Probleme des ansteigenden Grundwassers und die dafür zur Verfügung stehenden Lösungsmöglichkeiten unter allen Facetten zu beleuchten. Die Arbeit der Grundwasserkommission lebt davon, dass die Sitzungsteilnehmer, zu denen insbesondere auch Vertreter von wirtschaftlichen Unternehmen zählen, sich unbefangen zu den jeweils erörterten Fragen äußern können, ohne befürchten zu müssen, sich in der Öffentlichkeit für die geäußerten Auffassungen rechtfertigen zu müssen. Wenn aber die Sitzungen der Grundwasserkommission öffentlich wären und damit für jedermann die Möglichkeit eröffnet wäre, den Sitzungen beizuwohnen, stünde zu befürchten, dass derartige unbefangene Meinungsäußerungen unterblieben und damit das angestrebte Ziel der Grundwasserkommission nicht erreicht werden könnte. Insbesondere die Erörterung von Themenkreisen, die Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, Haftungsfragen und sensible finanzielle Angelegenheiten betreffen, stellt einen hinreichenden Grund dar, die Öffentlichkeit von den Sitzungen auszuschließen.

Dafür, dass die Grundwasserkommission die ihr zustehende Befugnis in fehlerhafter Weise ausgeübt haben könnte, besteht demnach kein Anhalt. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Ausschluss der Öffentlichkeit nur zum Zwecke der Beschränkung von Informationszugangsrechten der Bürger erfolgt sein könnte. Für eine sachgerechte Ausübung der Befugnis spricht im Übrigen auch, dass auf Seiten der Grundwasserkommission das Bestreben festzustellen ist, die Vertraulichkeit der Beratungen auch tatsächlich sicherzustellen. Dies zeigt sich namentlich in dem Umstand, dass von den an den Sitzungen teilnehmenden Bürgern aus den betroffenen Gemeinden die Abgabe einer Vertraulichkeitserklärung verlangt wird.

Entgegen der Auffassung des Klägers bedarf es keines formellen Gesetzes, in dem die Vertraulichkeit der Beratungen der Grundwasserkommission ausdrücklich geregelt ist. Nach dem Wortlaut des Art. 4 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a RL 2003/4/EG reicht es vielmehr aus, dass die Vertraulichkeit gesetzlich "vorgesehen" ist. Das ist hier der Fall. Der Grundwasserkommission - eine Behörde im Sinne von Art. 2 Nr. 2 RL 2003/4/EG - ist aufgrund eines formellen Gesetzes - der Kreisordnung für das Land Nordrhein-Westfalen - die Möglichkeit eingeräumt, die Vertraulichkeit der Beratungen zu begründen. Von dieser Möglichkeit hat sie in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht.

Die Bekanntgabe der hier in Rede stehenden Passagen aus den Sitzungsniederschriften hätte auch negative Auswirkungen auf die Vertraulichkeit der Beratungen. Denn aus den im Zusammenhang mit dem sachlichen Grund für den Ausschluss der Öffentlichkeit dargestellten Erwägungen wäre eine erhebliche Beeinträchtigung der Effektivität der Arbeit der Grundwasserkommission zu erwarten, wenn die Sitzungsteilnehmer damit rechnen müssten, dass ihre Meinungsäußerungen in den Sitzungen über die Veröffentlichung der Sitzungsniederschriften publik würden.

Die nach Art. 4 Abs. 2 Satz 3 RL 2003/4/EG vorzunehmende Einzelfallabwägung führt dazu, dass der Zugang zu den in Rede stehenden Passagen aus den Sitzungsniederschriften zu versagen ist. Denn das Interesse an der Verweigerung der Bekanntgabe überwiegt das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe. Dem Interesse an einer möglichst uneingeschränkten Arbeit der Grundwasserkommission kommt in Anbetracht der mit dem Anstieg des Grundwassers verbundenen Probleme für mehrere Tausend Häuser im Kreisgebiet eine große Bedeutung zu. Da die Effektivität der Arbeit der Kommission beeinträchtigt wäre, wenn die Sitzungsteilnehmer befürchten müssten, dass ihre unbefangenen Meinungsäußerungen publik würden, muss das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe der Passagen aus den Sitzungsniederschriften vorliegend zurücktreten.

Da aufgrund der vorstehenden Erwägungen der Ausnahmetatbestand aus Art. 4 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a RL 2003/4/EG eingreift, bedarf es keiner Entscheidung, ob die Niederschriften über die Sitzungen der Grundwasserkommission auch als interne Mitteilungen im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. e RL 2003/4/EG anzusehen sind und auf der Grundlage dieser Bestimmung ebenfalls der Zugang verweigert werden könnte.

Vgl. in diesem Sinne etwa Schrader, a.a.O., § 7 Rn. 29.

2. Auch die zweite als Anspruchsgrundlage in Betracht kommende Vorschrift des § 4 Abs. 1 IFG NRW greift nicht durch.

Dabei kann offen bleiben, ob einem Anspruch aus dieser Bestimmung, soweit er auf die Gewährung eines Zugangs zu Umweltinformationen im Sinne von Art. 2 Nr. 1 RL 2003/4/EG gerichtet ist, schon die Subsidiaritätsklausel des § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW entgegensteht. An ein Eingreifen der Subsidiaritätsklausel könnte zu denken sein, wenn man die Regelungen in der Richtlinie 2003/4/EG als besondere Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen verstünde.

Vgl. in diesem Zusammenhang für eine Eingreifen der Subsidiaritätsklausel gegenüber einem Anspruch aus § 4 Abs. 1 UIG 2001: Haurand/ Stollmann, in: Praxis der Kommunalverwaltung, Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Nordrhein-Westfalen, Kommentar, Stand: April 2003, § 4 Anm. 3.2; für ein Eingreifen der vergleichbaren Subsidiaritätsklausel aus § 1 Abs. 3 IFG gegenüber einem Anspruch aus § 3 Abs. 1 UIG 2005: Jastrow/Schlatmann, IFG, 2006, Teil C § 1 Rn. 62; Reidt/Schiller, a.a.O., § 3 UIG Rn. 30; Rossi, IFG, 2006, § 1 Rn. 109; Scheel, in: Berger/Roth/Scheel, IFG, 2006, § 1 Rn. 133.

Gegen ein Eingreifen der Subsidiaritätsklausel könnte aber sprechen, dass mit der unmittelbaren Anwendung der Richtlinie 2003/4/EG nur ein Mindeststandard an Zugang zu Umweltinformationen gewährleistet wird. Das Recht der Mitgliedstaaten, Vorschriften beizubehalten oder einzuführen, die der Öffentlichkeit einen weiteren Zugang zu Informationen gestatten als in der Richtlinie vorgesehen, ist ausdrücklich unberührt geblieben (vgl. Erwägungsgrund 24 der RL 2003/4/EG).

Diese Frage bedarf vorliegend aber keiner Entscheidung. Denn ein Anspruch aus § 4 Abs. 1 IFG NRW scheitert jedenfalls an dem Ausschlussgrund des § 7 Abs. 1 Fallvariante 3 IFG NRW, dessen Voraussetzungen hier vorliegen.

Nach dieser Bestimmung ist ein Antrag auf Informationszugang abzulehnen für Protokolle vertraulicher Beratungen. Die Niederschriften über die Sitzungen der Grundwasserkommission stellen derartige Protokolle dar.

Wie bereits im Rahmen der Prüfung des Ausnahmetatbestands aus Art. 4 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a RL 2003/4/EG festgestellt, handelt es sich bei den im vorliegenden Zusammenhang in Rede stehenden Passagen aus den Sitzungsniederschriften durchgängig um die Wiedergabe von Beratungen. Der Inhalt des Begriffs der Beratungen im Sinne der Richtlinie ist deckungsgleich mit demjenigen des Informationsfreiheitsgesetzes NRW.

Diese Beratungen sind vertraulich, da die Grundwasserkommission beschlossen hat, dass ihre Sitzungen nicht öffentlich sind. Wie ebenfalls im Zusammenhang mit den Ausführungen zum Ausnahmetatbestand aus Art. 4 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a RL 2003/4/EG festgestellt worden ist, ist für den Ausschluss der Öffentlichkeit eine gesetzliche Grundlage vorhanden, von der in einer nicht zu beanstandenden Weise Gebrauch gemacht worden ist.

Da mithin die Voraussetzungen des Ausschlussgrunds aus § 7 Abs. 1 Fallvariante 3 IFG NRW gegeben sind, könnte ein Zugangsanspruch des Klägers nur dann bestehen, wenn die Ausnahmeregelung des § 7 Abs. 3 Satz 2 IFG NRW zur Anwendung gelangen könnte. Dies kommt jedoch nicht in Betracht, da die in Rede stehenden Passagen aus den Sitzungsniederschriften keine Ergebnisse der vertraulichen Beratungen beinhalten.

Ende der Entscheidung

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