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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 26.02.2002
Aktenzeichen: 8 A 2664/00.A
Rechtsgebiete: VwVfG, AuslG


Vorschriften:

VwVfG § 48
VwVfG § 49
VwVfG § 51
AuslG § 53
1. Bejaht das VG lediglich einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge nach § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 VwVfG, so ist es nicht verpflichtet, abschließend darüber zu befinden, ob die frühere unanfechtbare Sachentscheidung zu § 53 AuslG rechtswidrig war.

2. Das VG ist andererseits nicht gehindert, einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung über das Wiederaufgreifen mit der Begründung zu verneinen, dass bereits im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung feststehe, dass ein wieder aufgegriffenes Verfahren erfolglos bleiben müsste.


Gründe:

Die von der Beklagten sinngemäß als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage, ob das VG bei Bejahen eines Anspruchs auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über das Wiederaufgreifen eines Verwaltungsverfahrens, das auf die Feststellung der Voraussetzungen des § 53 AuslG gerichtet ist, auch stets die Rechtswidrigkeit der früheren Sachentscheidung prüfen muss, bedarf keiner Klärung im Berufungsverfahren. Sie lässt sich ohne Weiteres bereits im Zulassungsverfahren im verneinenden Sinne beantworten.

In der Rechtsprechung ist geklärt, dass das VG, wenn es einen Anspruch auf Wiederaufgreifen nach § 51 Abs. 1 VwVfG bejaht, die Sache nicht zur Entscheidung über das begehrte Asyl oder den begehrten Abschiebungsschutz nach § 53 AuslG an das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) "zurückverweisen" darf, sondern hierüber auch selbst entscheiden ("durchentscheiden") muss. In dieser Fallkonstellation sind sowohl die verfahrensrechtliche Entscheidung über das Wiederaufgreifen als auch die materiell-rechtliche Entscheidung in der Sache gebundene Verwaltungsentscheidungen, so dass das Gericht zur Herbeiführung der Spruchreife verpflichtet ist.

BVerwG, Urteil vom 10.2.1998 - 9 C 28.97 -, BVerwGE 106, 171

Das Gericht ist auch dann zum "Durchentscheiden" verpflichtet, wenn ein Anspruch auf Wiederaufgreifen nach § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 VwVfG besteht. Ein solcher Anspruch auf Wiederaufgreifen ist gegeben, wenn ein Festhalten an der früheren Entscheidung zu einem schlechthin unerträglichen Ergebnis führen würde. Das kann u.a. der Fall sein, wenn der Ausländer anderenfalls einer erheblichen Gefahr für Leib und Leben, insbesondere einer extremen Gefahrensituation i.S.d. Rechtsprechung zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG ausgesetzt wäre und die geltend gemachte Gefahr zuvor behördlich oder gerichtlich noch nicht geprüft worden ist.

BVerwG, Urteile vom 27.1.1994 - 2 C 12.92 -, NVwZ 1995, 388 (389), vom 19.11.1996 - 1 C 6.95 -, NVwZ 1997, 685, vom 7.9.1999 - 1 C 6.99 -, NVwZ 2000, 204 (206), und vom 21.3.2000 - 9 C 41.99 -, NVwZ 2000, 940 (941); BVerfG, Beschluss vom 21.6.2000 - 2 BvR 1989/97 -, NVwZ 2000, 907; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 22.1.1999 - 10 A 11912/96 -, NVwZ-Beilage 1999, 45 f.

Hiervon zu unterscheiden ist der Fall, dass das VG keine Verpflichtung zum Wiederaufgreifen, sondern lediglich einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung des Bundesamtes nach § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 VwVfG bejaht. In dieser Fallkonstellation ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts offen, ob das Bundesamt das Verfahren wiederaufgreifen wird. Sollte das Bundesamt ermessensfehlerfrei das Wiederaufgreifen ablehnen, käme es auf die Frage der Rechtmäßigkeit der früheren Sachentscheidung nicht an. Das VG ist daher nicht verpflichtet, im Vorhinein - gewissermaßen auf Vorrat - abschließend darüber zu befinden, ob die frühere unanfechtbare Sachentscheidung zu § 53 AuslG rechtswidrig war oder nachträglich rechtswidrig geworden ist. Sollte das Bundesamt das Verfahren hingegen wieder aufgreifen, würde es den Weg zu einer Sachprüfung auch im gerichtlichen Verfahren freimachen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 21.3.2000 - 9 C 41.99 -, a.a.O.

Allerdings ist das VG nicht gehindert, einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung über das Wiederaufgreifen mit der Begründung zu verneinen, dass bereits im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung feststehe, dass ein wieder aufgegriffenes Verfahren erfolglos bleiben müsste. Unter solchen Umständen besteht kein Rechtsschutzbedürfnis für eine Verpflichtung des Bundesamtes, eine Ermessensent-scheidung zum Wiederaufgreifen des Verfahrens zu treffen.

Ebenso VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29.2.2000 - A 6 S 675/99 -.

Dieser Weg ist der prozessökonomischere, wenn keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine dem Ausländer günstige Entscheidung zu § 53 AuslG vorliegen.

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