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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 19.06.2007
Aktenzeichen: 8 A 2677/06
Rechtsgebiete: BauGB, UVPG, VwGO


Vorschriften:

BauGB § 1 Abs. 7
BauGB § 35 Abs. 3 Satz 3
UVPG § 3 c
VwGO § 113 Abs. 5 Satz 1
1. Die im Rahmen einer Verpflichtungsklage in der Regel bestehende Pflicht des Gerichts, die Sache spruchreif zu machen, kann ausnahmsweise entfallen, wenn die Immissionsschutzbehörde die Genehmigung des Vorhabens wegen eines bestimmten Rechtsverstoßes abgelehnt hat, ohne seine Vereinbarkeit mit baurechtlichen oder sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften umfassend zu prüfen (sog. "stecken gebliebenes" Genehmigungsverfahren), und deshalb im Verwaltungsverfahren noch nicht behandelte komplexe Fragen erstmals im gerichtlichen Verfahren geprüft werden müssten.

2. Beschränkt sich die Teilfortschreibung eines Flächennutzungsplans im Ergebnis auf den Wegfall von Konzentrationszonen für die Nutzung von Windkraft, muss die Gemeinde erneut in eine Abwägung der für und gegen die wegfallenden bzw. beizubehaltenden Standorte sprechenden Belange eintreten und dabei das gesamte Gemeindegebiet erneut in den Blick nehmen.


Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Errichtung einer Windkraftanlage mit einer Nennleistung von 1,8 MW auf dem Stadtgebiet der Beigeladenen. Bei der Antragstellung im Mai 2003 lag der Standort der geplanten Anlage in einer von vier der im Flächennutzungsplan der Beigeladenen - 17. Änderung - ausgewiesenen Konzentrationszonen für Windkraftanlagen. Die Beigeladene, an die der Antrag zunächst gerichtet gewesen war, stellte dem Kläger im Hinblick auf Belange des Landschaftsschutzes die Versagung der Genehmigung in Aussicht. Daraufhin erhob der Kläger Untätigkeitsklage, die er im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens gegen die Beklagte als Immissionsschutzbehörde richtete. Im August 2004 wurde die 38. Änderung des Flächennutzungsplans der Beigeladenen öffentlich bekannt gemacht, mit der zwei der vier Konzentrationszonen, u.a. die für den Standort des streitigen Vorhabens maßgebliche, aufgehoben wurden. Die 38. Änderung des Flächennutzungsplans beruhte im Wesentlichen auf Erwägungen zum Schutz des Orts- und Landschaftsbildes sowie des Vogelschutzes, die einer Beibehaltung der beiden aufzuhebenden Konzentrationszonen entgegenstünden. Nachdem die Beigeladene ihr Einvernehmen versagt hatte, lehnte die Beklagte, die über die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bislang nicht entschieden hat, den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 30.5.2005 ab. Das auf Neubescheidung beschränkte Klagebegehren blieb ohne Erfolg. Die Berufung, mit der sich der Kläger im Wesentlichen gegen die 38. Änderung des Flächennutzungsplans der Beigeladenen wandte, hatte Erfolg.

Gründe:

Der Beschränkung des Klagebegehrens auf eine Verpflichtung zur Neubescheidung stehen keine durchgreifenden Bedenken entgegen. Zwar ist der Behörde bei ihrer Entscheidung über die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung einer Windkraftanlage, deren Voraussetzungen sich aus § 6 Abs. 1 i.V.m. § 5 BImSchG ergeben, kein Ermessen eingeräumt. Dies hat zur Folge, dass für eine Beschränkung des Klagebegehrens auf die Prüfung einzelner Genehmigungsvoraussetzungen wegen der Pflicht des Gerichtes, die Sache grundsätzlich umfassend spruchreif zu machen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO) in der Regel kein Rechtsschutzbedürfnis besteht. Dies ist aber ausnahmsweise dann anders zu beurteilen, wenn die Immissionsschutzbehörde die Genehmigung des Vorhabens, ohne seine Vereinbarkeit mit baurechtlichen oder sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften umfassend zu prüfen, wegen eines bestimmten Rechtsverstoßes - etwa mangelnder Konformität mit einzelnen bauplanungsrechtlichen Anforderungen - ablehnt. In einem solchen Fall eines "stecken gebliebenen" Genehmigungsverfahrens entfällt die Verpflichtung des Gerichts zur Herbeiführung der Spruchreife, wenn ansonsten im Verwaltungsverfahren noch nicht behandelte komplexe Fragen - etwa des Immissionsschutz-, des Bauplanungs- und Naturschutzrechts - erstmals im gerichtlichen Verfahren geprüft werden müssten. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Klageantrag entsprechend auf Neubescheidung beschränkt wird.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 14.4.1989 - 4 C 52.87 -, NVwZ 1990, 257; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 11.5.2005 - 8 A 10281/05 -, BauR 2005, 1606.

Dies zugrunde gelegt, besteht ein Rechtsschutzbedürfnis für die vom Kläger gewählte Antragsfassung. Die Beklagte hat ihren Ablehnungsbescheid allein auf die Versagung des gemeindlichen Einvernehmens und damit einzig auf den Gesichtspunkt einer Ausschlusswirkung der 38. Änderung des Flächennutzungsplans der Beigeladenen gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB gestützt, ohne in eine vertiefte Prüfung der weiteren Genehmigungsvoraussetzungen, z.B. der vorliegend konkret aufgeworfenen Fragen des Naturschutzes, einzutreten und deren tatsächliche Voraussetzungen vollständig zu ermitteln. Die im Verantwortungsbereich der Beigeladenen vor dem Wechsel der Zuständigkeit auf die Beklagte als Immissionsschutzbehörde vorgenommene Prüfung reicht, wie die Beklagte selbst bezüglich der Frage einer Umweltverträglichkeitsprüfung deutlich gemacht hat, zu einer abschließenden Beurteilung des Vorhabens auf immissionsschutzrechtlicher Grundlage nicht aus.

Darüber hinaus ist die Beschränkung des Antrags auf Neubescheidung vorliegend auch deshalb sachdienlich, weil für das streitige Vorhaben - die Errichtung einer Windkraftanlage als Teil eines aus drei Anlagen mit Gesamthöhen von jeweils mehr als 50 m bestehenden Windparks - nach § 3 c Sätze 1 und 2 UVPG i.V.m. Nr. 1.6.3 Spalte 2 der Anlage 1 zum UVPG eine standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls durchzuführen ist. Im Rahmen dieser Vorprüfung hat die Behörde eine "Einschätzung" (§ 3 c Satz 1 UVPG) vorzunehmen, die ihr einen gerichtlich nur beschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum eröffnet.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 9.8.2006 - 8 A 1359/06 -, NWVBl. 2007, 154 = UPR 2007, 37, m.w.N.

Die Entscheidung der Beklagten darüber, ob eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorgenommen werden soll, steht im Streitfall noch aus. Da sich dem Senat keine Anhaltspunkte dafür bieten, dass der behördliche Beurteilungsspielraum vorliegend dahin eingeschränkt sein könnte, dass für das Vorhaben des Klägers die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt in Betracht kommt, ist er auch aus diesem Grund gehindert, die Sache hinsichtlich der für die Umweltverträglichkeitsprüfung maßgeblichen Belange spruchreif zu machen.

Die Klage ist auch unter den übrigen Gesichtspunkten zulässig. Insbesondere ist die im Verfahren erster Instanz vorgenommene Klageänderung mit dem Ziel der Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gemäß § 67 Abs. 9 Satz 4 BImSchG in der ab dem 1.7.2005 geltenden Gesetzesfassung sachdienlich und deshalb gemäß § 91 Abs. 1 VwGO zulässig.... (wird ausgeführt)

Der Kläger hat einen Anspruch auf Neubescheidung seines Antrags unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Dieser Anspruch setzt bei der hier nach dem oben Gesagten gegebenen Fallgestaltung eines "stecken gebliebenen" Genehmigungsverfahrens voraus, dass der von der Behörde herangezogene Versagungsgrund die Ablehnung des Antrags nicht trägt und die Genehmigung nach dem bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gewonnenen Erkenntnisstand nicht schon aus anderen Gründen offensichtlich zu versagen ist. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Genehmigung der streitigen Windkraftanlage scheitert nicht an der mit einer ihr entgegen stehenden Flächennutzungsplanung verbundenen Ausschlusswirkung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB (dazu 1.). Dem Vorhaben steht auch kein anderes bereits jetzt absehbares Genehmigungshindernis entgegen (dazu 2.).

1. Der Flächennutzungsplan der Beigeladenen schließt das Vorhaben des Klägers bauplanungsrechtlich nicht aus.

Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des im Außenbereich geplanten Vorhabens richtet sich nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB. Danach darf ein Vorhaben, das wie die geplante Windkraftanlage der Nutzung der Windenergie dient und deshalb im Außenbereich an sich privilegiert zulässig ist, u.a. dann nicht zugelassen werden, wenn ihm öffentliche Belange entgegenstehen. Für Windkraftanlagen und andere Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 - 6 BauGB bestimmt § 35 Abs. 3 BauGB, dass ihnen in der Regel auch dann öffentliche Belange entgegenstehen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist. Der Ausschluss solcher Anlagen auf Teilen des Plangebiets lässt sich nach der Wertung des Gesetzgebers aber nur rechtfertigen, wenn der Plan sicherstellt, dass sich die betroffenen Vorhaben an anderer Stelle gegenüber konkurrierenden Nutzungen durchsetzen. Dem Plan muss daher ein schlüssiges gesamträumliches Planungskonzept zugrunde liegen, das den allgemeinen Anforderungen des planungsrechtlichen Abwägungsgebots gerecht wird.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 17.12.2002 - 4 C 15.01 -, BVerwGE 117, 287, 294 ff.

Das Abwägungsgebot nach § 1 Abs. 7 BauGB ist verletzt, wenn eine sachgerechte Abwägung überhaupt nicht stattfindet. Im Weiteren ist es verletzt, wenn in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss. Es ist ferner verletzt, wenn die Bedeutung der betroffenen privaten Belange verkannt oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot jedoch nicht verletzt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 12.12.1969 - 4 C 105.66 -, BVerwGE 34, 301, 309.

Ausgehend von diesen allgemeinen Anforderungen des Abwägungsgebots und dem Erfordernis eines schlüssigen gesamträumlichen Planungskonzepts muss die gemeindliche Entscheidung über die Ausweisung von Flächen für die Windkraftnutzung im Flächennutzungsplan nicht nur Auskunft darüber geben, von welchen Erwägungen die positive Standortzuweisung getragen wird. Sie muss auch deutlich machen, welche städtebaulichen Gründe es rechtfertigen, den übrigen Planungsraum von Windkraftanlagen freizuhalten. Die öffentlichen Belange, die für die negative Wirkung der planerischen Darstellung ins Feld geführt werden, sind mit dem Anliegen, der Windkraftnutzung "an geeigneten Standorten eine Chance" zu geben, die ihrer Privilegierung gerecht wird, nach Maßgabe des § 1 Abs. 7 BauGB abzuwägen. Ebenso wie die positive Aussage müssen sie sich aus den konkreten örtlichen Gegebenheiten nachvollziehbar herleiten lassen.

Allerdings ist es einer Gemeinde verwehrt, den Flächennutzungsplan als Mittel zu benutzen, das ihr dazu dient, unter dem Deckmantel der Steuerung Windkraftanlagen in Wahrheit zu verhindern. Bei einer bloßen "Feigenblatt"-Planung, die auf eine verkappte Verhinderungsplanung hinausläuft, darf sie es nicht bewenden lassen. Vielmehr muss sie der Privilegierungsentscheidung des Gesetzgebers Rechnung tragen und für die Windkraftnutzung in substanzieller Weise Raum schaffen. Wo die Grenze zur Verhinderungsplanung verläuft, lässt sich nicht abstrakt bestimmen. Beschränkt sich die Gemeinde darauf, eine einzige Konzentrationszone auszuweisen, so ist dies, für sich genommen, noch kein Indiz für einen fehlerhaften Gebrauch der Planungsermächtigung. Das gilt auch dann, wenn es im Gemeindegebiet weitere Flächen gibt, die sich von ihren Standortbedingungen her im Vergleich mit der ausgewiesenen Konzentrationszone für die Errichtung von Windkraftanlagen ebenso gut oder noch besser eignen. Die Feststellung, dass sich diese oder jene Fläche für Zwecke der Windkraftnutzung eignet, ist nur ein Gesichtspunkt, der bei der planerischen Abwägung gebührend zu berücksichtigen ist, bei der Standortwahl aber nicht zwangsläufig den Ausschlag geben muss. Auch Größenangaben sind, isoliert betrachtet, als Kriterium für eine missbilligenswerte Verhinderungstendenz ungeeignet. Die ausgewiesene Fläche ist nicht nur in Relation zu setzen zur Gemeindegröße, sondern auch zur Größe der Gemeindegebietsteile, die für eine Windkraftnutzung, aus welchen Gründen auch immer, nicht in Betracht kommen. Dazu gehören nicht zuletzt die besiedelten Bereiche, zusammenhängende Waldflächen sowie Flächen, die aufgrund der topographischen Verhältnisse im Windschatten liegen. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, in welchem Umfang Teile des Gemeindegebiets förmlich unter Landschaftsschutz gestellt, damit dem planerischen Zugriff der Gemeinde weitgehend entzogen und einer baulichen Nutzung auch sonst nicht ohne weiteres zugänglich sind. Denn durch derartige Unterschutzstellungen sind den Entfaltungsmöglichkeiten der Windkraftnutzung in den betroffenen Bereichen enge Grenzen gesetzt.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 17.12.2002 - 4 C 15.01 -, a.a.O., 295 ff., vom 13.3.2003 - 4 C 4.02 -, BVerwGE 118, 33, 37, und vom 21.10.2004 - 4 C 2.04 -, BVerwGE 122, 109, 111.

Für die Rechtmäßigkeit der Flächenauswahl sind allein die Erwägungen maßgeblich, die tatsächlich Grundlage der Abwägungsentscheidung des Rats der Gemeinde waren. Entscheidend für die gerichtliche Überprüfung sind damit in erster Linie die Verlautbarungen in dem Erläuterungsbericht, der bei der abschließenden Beschlussfassung über den Flächennutzungsplan bzw. dessen Änderung mitbeschlossen wird, sowie die Erwägungen z.B. in den entsprechenden Verwaltungsvorlagen, denen der Rat der Gemeinde bei seiner abschließenden Beschlussfassung gefolgt ist.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19.5.2004 - 7 A 3368/02 -, NuR 2004, 690.

Mängel, die einzelnen Festsetzungen eines Bebauungsplans anhaften, führen zu dessen Gesamtnichtigkeit, wenn die übrigen Regelungen oder Festsetzungen eine in jeder Hinsicht den gesetzlichen Anforderungen gerecht werdende, sinnvolle städtebauliche Ordnung nicht bewirken können. Die Konzentrationsplanung von Windkraftanlagen in einem Flächennutzungsplan ist deshalb insgesamt nichtig, wenn dem Plan mangels ausreichender ("substantieller") Darstellungen von Positivflächen für die Errichtung von Windkraftanlagen kein schlüssiges gesamträumliches Planungskonzept zugrunde liegt. Der Planbetroffene kann sich daher auf die Unwirksamkeit des Flächennutzungsplans auch mit der Begründung berufen, Alternativstandorte seien nicht richtig abgewogen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 21.10.2004 - 4 C 2/04 -, a.a.O.; OVG Nds., Urteil vom 24.3.2003 - 1 LB 3571/01 -, ZfBR 2003, 792 = BRS 66 Nr. 14.

Mängel im Abwägungsvorgang sind gemäß § 214 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 BauGB allerdings nur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind.

Ausgehend von diesen Grundsätzen steht dem Vorhaben des Klägers die Ausschlusswirkung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB nicht entgegen.

Stellt man zunächst allein auf die 17. Änderung des Flächennutzungsplans ab, mit der vier Konzentrationszonen für die Nutzung von Windkraft ausgewiesen wurden, scheidet eine Ausschlusswirkung unabhängig davon aus, ob diese Änderung wirksam ist. Sollte die 17. Änderung wirksam sein, läge der Standort der Anlage des Klägers innerhalb einer ausgewiesenen Konzentrationszone. Sollte die 17. Änderung hingegen unwirksam sein, fehlte es an einer Ausschlusswirkung, weil der Flächennutzungsplan keine Konzentrationszonen ausweisen würde.

Eine Ausschlusswirkung im Sinne des § 35 BauGB ergibt sich auch nicht auf der Grundlage der 38. Änderung des Flächennutzungsplans. Diese Änderung, die die Aufhebung von zwei der ursprünglich vier ausgewiesenen Konzentrationszonen vorsieht (einschließlich derjenigen, in der der geplante Standort der Anlage des Klägers liegt), ist unwirksam. Sie wahrt nicht die Erfordernisse des Abwägungsgebotes nach § 1 Abs. 7 BauGB (dazu a). Die dieser Planung anhaftenden Mängel sind auch nicht gemäß § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB unerheblich (dazu b).

a) Ob die nach der Konzeption der 38. Änderung des Flächennutzungsplans verbleibenden Konzentrationszonen 6 a und 35 a mit zusammen ca. 42 ha (entspricht ca. 0,26 % des Stadtgebiets) nach Struktur und Gesamtgröße des Stadtgebiets der Beigeladenen in jedem Fall unzureichend wären, um der Windkraftnutzung die nach den oben dargelegten Maßstäben erforderliche substantielle Chance einzuräumen, bedarf keiner Entscheidung. Die 38. Änderung des Flächennutzungsplans verstößt jedenfalls deshalb gegen das Abwägungsgebot aus § 1 Abs. 7 BauGB, weil es zum einen an dem erforderlichen schlüssigen gesamträumlichen Planungskonzept fehlt (dazu aa) und weil zum anderen einzelne in die Planung eingestellte Belange fehlerhaft gewichtet worden sind (dazu bb).

aa) Die 38. Änderung des Flächennutzungsplans wird den oben dargelegten Anforderungen an die planerische Abwägung bereits deshalb nicht gerecht, weil sich die ihr zugrunde liegenden Erwägungen ausweislich der dafür maßgeblichen Verlautbarungen, insbesondere des Erläuterungsberichts, auf die gegen die Beibehaltung der beiden aufgehobenen Konzentrationszonen sprechenden Aspekte beschränkt haben. Auf diese Weise ist die Beigeladene ihrem Auftrag, die für und gegen die Ausweisung von Standorten für Windkraftanlagen sprechenden Gesichtspunkte durch ein ihr gesamtes Stadtgebiet erfassendes, in sich stimmiges Planungskonzept sachgerecht abzuwägen, nicht gerecht geworden. Die positive Ausweisung eines Standorts für Windkraftanlagen wird nach dem Zweck der Schaffung von Konzentrationszonen mit einer Ausschlusswirkung für den übrigen Planungsraum verbunden. Damit bedingen sich die negativen und positiven Komponenten der Planung in der Weise, dass die planerische Entscheidung, den Planungsraum außerhalb der Konzentrationszonen von Windkraftanlagen freizuhalten, ihre Rechtfertigung u.a. aus den positiven Standortzuweisungen erfährt. Bei einem Eingriff in einen einmal hergestellten Ausgleich zwischen Positiv- und Negativausweisungen verschiebt sich demgemäß das Gesamtgefüge des Planungskonzepts. Im Hinblick auf diese Wirkungen muss die Gemeinde erneut in die Abwägung der für und gegen die wegfallenden und beizubehaltenden Standorte sprechenden Belange eintreten, wenn sich die Teilfortschreibung ihres Flächennutzungsplans im Ergebnis auf den Wegfall von Zonen für die Nutzung der Windkraft beschränkt.

Vgl. Nds. OVG, Urteil vom 24.3.2003 - 1 LB 3571/01 -, a.a.O.; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 2.2.2005 - 8 A 11771/04 -, NVwZ- RR 2005, 647.

Davon ausgehend wäre die Beigeladene gehalten gewesen, sämtliche nicht von vornherein offensichtlich für die Nutzung der Windkraft ungeeigneten Flächen ihres Stadtgebiets - etwa anhand der bei dem ersten Planungsschritt der "Weißflächenkartierung" bei der Aufstellung der 17. Änderung ihres Flächennutzungsplans gewonnenen Ergebnisse - erneut in den Blick zu nehmen und die für und gegen die prinzipiell geeigneten Standorte sprechenden Gründe in Bezug auf die für die Aufhebung vorgesehenen beiden Konzentrationszonen neu zu gewichten. Nur eine alle für die Nutzung der Windkraft grundsätzlich geeigneten Flächen erfassende Abwägung stellt sicher, dass die Planung der Privilegierung der Windkraft ausreichend Rechnung trägt und ihrer Nutzung eine substantielle Chance eröffnet.

Dem Erfordernis, das gesamte Stadtgebiet erneut in die Abwägung einzubeziehen, lässt sich nicht entgegenhalten, dass nach den Unterlagen zu der 17. Änderung des Flächennutzungsplans offenkundig kein anderes Planungsergebnis in Betracht gekommen wäre. Bei der "Weißflächenkartierung" hat sich für das Stadtgebiet der Beigeladenen eine große Anzahl einzelner Flächen ergeben, von denen immerhin 35 in das Verfahren der Bürger- und Behördenbeteiligung übernommen worden sind. Ob die Gründe, die zunächst gegen 31 dieser Flächen gesprochen haben, von größerem Gewicht sind als die gegen die mit der 38. Änderung aufgehobenen Konzentrationszonen sprechenden Gesichtspunkte, ist - wie oben dargelegt - eine Frage der der Gemeinde selbst obliegenden Abwägungsentscheidung und lässt sich insgesamt nicht ohne eingehende Prüfung beantworten. Dies gilt hier umso mehr, als mit einer Streichung von ca. 40 % der bisherigen Flächen für die Nutzung der Windkraft grundlegend in das ursprüngliche Planungskonzept eingegriffen und dadurch die Frage nach der Gewichtung der zu berücksichtigenden Belange umfassend neu aufgeworfen worden ist.

Auch in Anbetracht der zur Begründung der 38. Änderung des Flächennutzungsplans herangezogenen avifaunistischen Belange war eine erneute umfassende Beurteilung des gesamten Stadtgebiets nicht entbehrlich. Dies ist schon deshalb nicht der Fall, weil den beiden aufgehobenen Konzentrationszonen nicht so gewichtige Belange des Vogelschutzes entgegenstehen, dass dort die Nutzung der Windkraft auf jeden Fall ausscheiden müsste; dies ergibt sich aus dem von der Beigeladenen im Verfahren zur 38. Änderung ihres Flächennutzungsplans herangezogenen avifaunistischen Gutachten des Büros G.

Was den Schutz von Rast- und Zugvögeln betrifft, ist die zu erwartende Störung durch die hier in Rede stehenden Anlagen nach den Aussagen dieses Gutachtens nicht so gewichtig, dass sie sich in jedem Fall gegen die Nutzung der Windkraft durchsetzen würde.... (wird ausgeführt)

Auch die anzunehmende Störung von Brutvögeln durch die in Rede stehenden Windkraftanlagen erreicht nicht eine solche Intensität, dass der öffentliche Belang des Artenschutzes der Errichtung der im Außenbereich privilegierten Windkraftanlagen in jedem Fall entgegensteht.... (wird ausgeführt)

bb) Die 38. Änderung der Flächennutzungsplanung der Beigeladenen ist unabhängig von dem Vorstehenden auch in Bezug auf die Gewichtung einzelner in die Planung eingestellter Belange fehlerhaft.

Die Erwägungen der Beigeladenen zum Schutz des Orts- und Landschaftsbildes stellen keinen sachgerechten Ausgleich zwischen diesen Belangen und dem durch die Privilegierung in § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB gesetzlich hervorgehobenen Interesse an der Nutzung der Windkraft her.

Die Beigeladene hat die mit den Ausweisungen der Konzentrationszonen 21 a und 13 einhergehenden Beeinträchtigungen der Ortsbilder der nächst gelegenen geschlossenen Siedlungsbereiche nicht in einer den Ausschluss der Windkraftnutzung rechtfertigenden Weise schlüssig aus den örtlichen Gegebenheiten hergeleitet. Zwar darf die Gemeinde nach dem oben Gesagten bei Kollision zwischen widerstreitenden Belangen grundsätzlich selbst in der Weise gewichten, dass sie einen Belang bevorzugt und dadurch einen anderen notwendig zurückstellt. In diesem Rahmen ist es auch nicht zu beanstanden, wenn sie dem Schutz des Ortsbildes bei einer Betrachtung ihres gesamten Gemeindegebiets im Ansatz durch pauschale Abstandsflächen zu geschlossenen Ortslagen Rechnung trägt. Eine rein pauschale Betrachtung wird dem Abwägungsgebot aber umso weniger gerecht, je größer einerseits der gewählte Abstandsradius ausfällt und je weniger Raum andererseits für Windkraftanlagen im Gemeindegebiet insgesamt zur Verfügung steht.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 30.11.2001 - 7 A 4857/00 -, ZNER 2002, 127, 131; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 8.12.2005 - 1 C 10065/05.OVG -, juris.

Die Gemeinde muss dann unter Umständen, um der Privilegierung der Windkraft Rechnung zu tragen, die möglichen Beeinträchtigungen des Ortsbildes für den einzelnen Standort untersuchen und bewerten. Dies gilt bei einer auf die Verminderung der Fläche für die Windkraft gerichteten Planung insbesondere dann, wenn sich der Gemeinde Anhaltspunkte dafür aufdrängen müssen, dass die im Wege pauschaler Abstandsradien ausgeschlossenen Flächen im Hinblick auf andere Belange ein geringeres Konfliktpotential aufweisen als die nach der Planung beibehaltenen Konzentrationszonen.

Die Aufhebung der Konzentrationszonen 21 a und 13 erweist sich davon ausgehend als städtebaulich nicht ausreichend gerechtfertigt. Die von der Beigeladenen angeführten Gründe stehen vielmehr zu der privilegierten Nutzung der Windkraft außer Verhältnis. Die 38. Änderung des Flächennutzungsplans führt zu einer erheblichen Verminderung der für die Windkraft zur Verfügung stehenden Flächen im Stadtgebiet der Beigeladenen. Im Verhältnis zu den mit der 17. Änderung des Flächennutzungsplans ausgewiesenen Konzentrationsflächen bedeutet dies einen Wegfall von ca. 40 % der Fläche für die Windkraftnutzung. Gleichzeitig stehen nur noch etwa 0,26 % des gesamten Gemeindegebietes für die Windkraft zur Verfügung. Dem steht der pauschale Hinweis der Beigeladenen auf eine "bedrängende Wirkung" von Windkraftanlagen mit einer Gesamthöhe von über 100 m gegenüber. Eine Untersuchung der besonderen Gegebenheiten der beiden aufgegebenen Konzentrationszonen 21 a und 13 hat die Beigeladene nicht zur Grundlage ihrer Entscheidung gemacht. Dazu hätte aber schon deshalb Anlass bestanden, weil diese beiden Flächen von ihr selbst ursprünglich, nämlich bei der Aufstellung der 17. Änderung des Flächennutzungsplans, als besonders konfliktarm angesehen worden sind. Angesichts der relativ kleinen verbleibenden Fläche für die Windkraft hätte die Beigeladene jedenfalls Vorbelastungen der betroffenen Ortslagen durch z.B. Windkraftanlagen und Hochspannungsleitungen in den Blick nehmen und unter Berücksichtigung der topographischen Verhältnisse und der konkreten Abstände der in den beiden Konzentrationszonen noch realisierbaren Windkraftanlagen zu den Ortslagen deren konkreten Auswirkungen erwägen müssen. Die Beigeladene hat diese individuellen Faktoren vollständig außer Acht gelassen und nicht einmal erwogen, bis zu welchem Abstand von den Ortslagen sich die von ihr gesehenen bedrückenden Effekte - gegebenenfalls in Abhängigkeit von bestimmten Anlagenhöhen - überhaupt einstellen würden. Dies hätte zu der ergänzenden Überlegung führen müssen, ob dem Schutz der Ortsbilder durch eine entsprechende Verkleinerung der Konzentrationszonen hätte Rechnung getragen werden können. Einen bestimmten Radius, der als Schutzabstand in den Blick genommen worden ist, hat die Beigeladene nicht dargelegt. Ebenso wenig hat sie sich damit auseinandergesetzt, warum dem Schutz der Ortsbilder nicht durch Höhenbegrenzungen hätte Rechnung getragen werden können.

Auch die Erwägungen der Beigeladenen zum Schutz des Landschaftsbildes durch eine Abmilderung des auf das gesamte Stadtgebiet bezogenen "Verspargelungseffekts" sind nicht von einer sachgerechten städtebaulichen Gesamtkonzeption getragen. Es ist zwar ein legitimes Planungsziel, die Zahl der sehr weit sichtbaren größeren Windkraftanlagen insgesamt zu beschränken, um das Landschaftsbild zu schonen. Darin liegt gerade der Sinn der Regelung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB. Dieses Ziel macht aber eine umfassende Abwägung der widerstreitenden Belange und damit eine nachvollziehbare Herleitung des Ausschlusses bestimmter Flächen von der Windkraftnutzung aus den konkreten örtlichen Gegebenheiten nicht überflüssig. Dies war vorliegend auch nicht etwa deshalb entbehrlich, weil die beiden beibehaltenen Konzentrationszonen bereits durch errichtete Windkraftanlagen weitgehend ausgeschöpft waren. Auf die Anzahl der bereits genehmigten oder errichteten Windkraftanlagen in der Planungsregion kommt es bei der Gegenüberstellung von Positivausweisungen und Ausschlussflächen nicht an.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 13.3.2003 - 4 C 4.02 -, a.a.O.

b) Die darlegten Abwägungsfehler stellen offensichtliche Mängel im Abwägungsvorgang dar, die auf das Abwägungsergebnis von Einfluss und mithin im Sinne des § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB erheblich sind.

Die Offensichtlichkeit im Sinne dieser Norm ist gegeben, wenn der Abwägungsfehler aus den objektiv erfassbaren äußeren Umständen des Falls erkennbar ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 21.8.1981 - 4 C 57.80 -, DVBl. 1982, 354.

Das ist hier hinsichtlich der oben dargelegten Abwägungsmängel der Fall, die sich aus den Verlautbarungen des Erläuterungsberichts zur 38. Änderung des Flächennutzungsplans der Beigeladenen ergeben.

Die dargelegten Mängel sind auch auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen. Diese Voraussetzung des § 214 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 BauGB ist erfüllt, wenn nach den Umständen des jeweiligen Falles die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den Mangel die Planung anders ausgefallen wäre. Diese Möglichkeit muss sich anhand der Planunterlagen oder erkennbarer oder naheliegender Umstände abgezeichnet haben.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 9.10.2003 - 4 BN 47.03 -, BauR 2004, 1130.

Während die Erwägungen zu den kulturhistorischen Belangen der Landschaft nach dem Erläuterungsbericht zur 38. Änderung des Flächennutzungsplans nur zur ergänzenden Begründung des Planungskonzepts herangezogen worden sind, lässt sich die konkrete Möglichkeit eines anderen Abwägungsergebnisses bei einer die oben aufgezeigten Defizite vermeidenden vollständigen und fehlerfreien Abwägung der planungsrechtlich bedeutsamen Belange nicht verneinen.

2. Das Vorhaben des Klägers erweist sich nach den im bisherigen Verfahren gewonnenen Erkenntnissen auch nicht aus anderen Gründen als offensichtlich nicht genehmigungsfähig.... (wird ausgeführt)

Ende der Entscheidung

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