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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 23.06.2004
Aktenzeichen: 8 A 3587/02
Rechtsgebiete: GO NRW


Vorschriften:

GO NRW § 100 Abs. 2
BGB § 87 Abs. 1
BGB § 133
1. Die Teilzulassung eines Rechtsmittels scheidet aus, wenn wegen der Gefahr einander widersprechender Entscheidungen ein Bedürfnis nach einheitlicher Entscheidung besteht.

2. Die von der Stadt Aachen verwaltete Stiftung Bischoff unterfällt jedenfalls für den Bereich des Stiftungsrechts dem öffentlichen Recht (wie OVG NRW, Urteil vom 23.3.1984 - 15 A 1620/81 -, DÖV 1985, 983; Abgrenzung zu BFH, Urteil vom 29.1.2003 - I R 106/00 -, DB 2003, 972).

3. Bei einer öffentlich-rechtlichen kommunalen Stiftung verlangt der allgemeine Gleichheitssatz von der Stiftungsverwaltung, innerhalb der Vorgaben des Stifters ein Handlungsprogramm für das Vergabeverfahren zu entwickeln, an dem sie ihre Einzelfallentscheidung ausrichtet.

4. Nach § 100 Abs. 2 GO NRW ist der Stiftungsträger zur Änderung der Stiftungsverfassung berechtigt, wenn hierfür ein besonderer, rechtfertigender Grund besteht - hier: bejaht für eine unerwartete, außerordentliche Steigerung des Ertrags.


Tatbestand:

Die Klägerin ist - wie der Beigeladene - Nachfahrin des Aachener Tuchfabrikanten Bischoff, der testamentarisch eine vom Beklagten treuhänderisch verwaltete Stiftung zur Förderung seiner (vom Beklagten nach Maßgabe des Testaments auszusuchender) Nachkommen durch jeweils drei Stipendien errichtet hatte. Ursprünglich wurden die Stiftungserträge durch Zeitverpachtung eines kleinen Landguts erzielt. Dies führte zu Stipendien von je ca. 50 Reichsmark monatlich zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Nach einer in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts erfolgten Umstellung auf eine Flächennutzung im Wege des Erbbaurechts stieg der Stiftungsertrag auf knapp 628.000,00 DM im Jahre 1987 an. Im Jahre 2000 beliefen sich die Stiftungseinnahmen bereits auf 875.000,00 DM. Der Beklagte gab dem 1987 gestellten Stipendiumsantrag des Beigeladenen statt. Denjenigen der Klägerin lehnte er ab. Hiergegen richtete sich die in beiden Instanzen erfolgreiche Klage, mit der neben der Aufhebung des gegenüber dem Beigeladenen ergangenen Bewilligungsbescheids eine Neubescheidung begehrt wurde.

Gründe:

I. Die Berufung ist uneingeschränkt zugelassen und auch im Übrigen zulässig. Sie ist nicht in dem Sinne beschränkt, dass sie lediglich auf eine Abänderung von Gründen, die nach der Rechtsauffassung des VG bei der Neubescheidung zu beachten sind, gerichtet ist. Der Beklagte hat einen unbeschränkten Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt. Er hat seinen Zulassungsantrag nicht dadurch teilweise zurückgenommen, dass er in der nachfolgenden Antragsbegründung ausgeführt hat, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestünden nicht bezüglich des Entscheidungstenors, sondern hinsichtlich der Gesichtspunkte, die im Rahmen der Neubescheidung zu berücksichtigen sein sollen. Vor diesem Hintergrund liegt keine unzulässiger Weise über einen eingeschränkten Zulassungsantrag hinaus gehende Zulassung der Berufung vor, die eine für einen Teil des Streitstoffes bereits eingetretene Rechtskraft der erstinstanzlichen Entscheidung nicht beseitigen könnte.

Vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 5.6.1998 - 9 B 468/98 -, NVwZ 1999, 642, sowie Urteil vom 23.9.1992 - 6 C 2.91 -, BVerwGE 91, 24 (für eine eingeschränkt beantragte Revisionszulassung); Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, Band IV, Stand: Januar 2003, § 124 a Rdnr. 20 m.w.N.

Die Teilzulassung eines Rechtsmittels setzt voraus, dass sie sich auf einen tatsächlich und rechtlich abtrennbaren Teil des Gesamtstreitstoffs bezieht. Eine teilweise Zulassung kommt daher nicht in Betracht, wenn die Ansprüche oder Teile des Streitstoffs derart miteinander zusammenhängen oder voneinander abhängen, dass die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen, etwa mit Blick auf eine abweichende Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht, besteht. Insoweit geht das Bedürfnis nach einheitlicher Entscheidung vor.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 28.9.1960 - 5 CB 209.59 -, BVerwGE 11, 133, und vom 4.7.1985 - 5 C 7.82 -, BVerwGE 71, 369; BGH, Urteile vom 27.5.1993 - III ZR 59/92 -, NJW 1993, 2173, vom 10.10.1991 - III ZR 93/90 -, NJW 1992, 511, und vom 5.6.1991 - VIII ZR 168/90 -, NJW 1991, 2699 (jeweils zum Teilurteil); Seibert, a.a.O., § 124 a Rdnr. 147 f.

Gemessen an diesen Grundsätzen besteht hier ein Bedürfnis nach einheitlicher Entscheidung. Denn es bestünde die Gefahr einander widersprechender Urteile, wenn man eine auf die Neubescheidung zu Gunsten der Klägerin beschränkte Berufung annehmen wollte. Es wäre beispielsweise nicht ausgeschlossen, dass der erkennende Senat im Rahmen einer nur teilweise zugelassenen Berufung zu einem Ergebnis gelangte, das der Aufhebung des an den Beigeladenen ergangenen Bewilligungsbescheids des Beklagten durch das VG widerspräche. Dies käme etwa in Betracht, wenn nach Auffassung des Senats die ablehnende Entscheidung des Beklagten zum Nachteil der Klägerin nicht rechtswidrig wäre. In diesem Fall würde der Senat, ausgehend von einer beschränkten Berufung, das angefochtene Urteil teilweise ändern und die auf Neubescheidung gerichtete Klage abweisen. Dieses Ergebnis widerspräche der wegen Verletzung der Klägerin in ihrem Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Stipendienvergabe erfolgten erstinstanzlichen Aufhebung des an den Beigeladenen ergangenen Bewilligungsbescheids.

Scheidet demgemäß eine Beschränkung der Berufung auch wegen der in tatsächlicher Hinsicht anzunehmenden engen Verknüpfung der Vergabeentscheidungen zur ersten Portion aus der Stiftung Bischoff zum 1.1.1987 aus, so kommt bezogen auf den von der Klägerin erstinstanzlich geltend gemachten Neubescheidungsanspruch ein weiterer Gesichtspunkt hinzu. Dieser Anspruch ist nämlich bezüglich der geltend gemachten Rechtsverletzung durch die rechtswidrige Ablehnungsentscheidung (vgl. § 113 Abs. 5 Sätze 1 und 2 VwGO) nicht teilbar. Eine diesbezügliche Beschränkung der Berufung ist vor diesem Hintergrund ebenfalls ausgeschlossen.

Vgl. in diesem Zusammenhang BVerwG, Urteile vom 13.7.2000 - 2 C 34.99 -, DÖV 2001, 293, und - im Fall der Erteilung einer Wohnberechtigungsbescheinigung eine auf die bei der Neubescheidung zu beachtenden Gründe beschränkte Revision des Vertreters des öffentlichen Interesses annehmend - vom 28.2.1979 - 8 C 39.78 -, Buchholz 454.31 § 5 WoBindG Nr. 3; Seibert, a.a.O., § 124 a Rdnr. 151; zum Streitgegenstand bei der Verpflichtungsklage: BVerwG, Urteil vom 5.11.1985 - 6 C 22.84 -, NVwZ 1986, 293, 294.

II. Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das VG hat im Ergebnis zu Recht die an die Klägerin und den Beigeladenen ergangenen Bescheide des Beklagten vom 2.2.1998 sowie seinen Widerspruchsbescheid vom 6.5.1999 aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Stipendienleistungen aus der Stiftung Bischoff unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Die Klage ist zulässig (1.) und begründet (2.).

1. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, für die die Voraussetzungen der objektiven Klagehäufung nach § 44 VwGO erfüllt sind, zulässig. (wird ausgeführt)

2. Die ... zulässige Klage erweist sich als begründet. Die an die Klägerin und den Beigeladenen ergangenen Bescheide des Beklagten vom 2.2.1998 und sein Widerspruchsbescheid vom 6.5.1999 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (a). Der Beklagte ist verpflichtet, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden (b), vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 2 VwGO.

a) Die streitgegenständlichen Bescheide des Beklagten sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihrem Recht auf eine der Zweckbindung entsprechende ermessensfehlerfreie Entscheidung. Dies ergibt sich nicht aus einer fehlenden Befugnis des Beklagten, öffentlich-rechtlich in Form von Verwaltungsakten über Stipendiumsleistungen zu entscheiden [aa)]. Allerdings sind die streitgegenständlichen Bescheide wegen Ermessensfehlern rechtswidrig [bb)].

aa) Die Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Bescheide lässt sich nicht aus einer fehlenden Befugnis des Beklagten herleiten, gegenüber potentiellen Genussberechtigten der Stiftung in der Form des öffentlichen Rechts zu handeln. Denn die Rechtsbeziehungen zwischen diesen und dem Stiftungsträger richten sich bezüglich der Stiftung Bischoff nach öffentlichem Recht. Der 15. Senat des erkennenden Gerichts hat in seinem Urteil vom 23.3.1984 - 15 A 1620/81 -, DÖV 1985, 983, hierzu ausgeführt: (Es folgt die auszugsweise Wiedergabe dieser Entscheidung).

An dieser Beurteilung ist nach erneuter Überprüfung unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich erfolgten Regelung über örtliche Stiftungen in § 100 GO NRW (in der Fassung der Bekanntmachung vom 14.7.1994, GV NRW S. 666), dessen Abs. 1 bis 3 mit den früher geltenden Bestimmungen des § 87 Abs. 1, 3 und 4 GO NRW a.F. übereinstimmen, jedenfalls für den hier zu beurteilenden Bereich des Stiftungsrechts festzuhalten. Das Urteil des BFH vom 29.1.2003,

- I R 106/00 -, DB 2003, 972,

veranlasst insoweit keine abweichende Bewertung. Es bezieht sich in erster Linie auf die körperschaftsteuerliche Behandlung der Stiftung Bischoff. Nach der hier maßgeblichen Rechtsprechung des BVerfG,

Beschluss vom 6.11.1962 - 2 BvR 151/60 -, BVerfGE 15, 46,

kommt es für die Beurteilung, ob es sich bei einer Stiftung um eine öffentlich-rechtlich gestaltete Institution handelt, nicht allein auf den Inhalt des Statuts an, sondern ebenso auf die praktische Handhabung und die Nähe zur öffentlichen Verwaltung, in der sich das Wirken der betreffenden Institution effektiv vollzieht. Demgemäß ist für den Bereich des Stiftungsrechts nicht nur das Verhältnis von Stifter zum Stiftungsträger zu betrachten. Darüber hinaus ist der Zweck, für den die juristische Person errichtet ist, in den Blick zu nehmen. Insoweit genügt nach der vorerwähnten Rechtsprechung des BVerfG, dass die Aufgaben der Stiftung überhaupt in den Funktionsbereich der öffentlichen Verwaltung fallen.

Ausgehend hiervon erscheint es dem Senat sachgerecht, die auf das Privatrecht gegründete Organisationsform der Stiftung Bischoff lediglich als Ausgangspunkt der Betrachtung zu wählen. Entscheidendes Gewicht erlangt der Zweck der Stiftung unter Berücksichtigung dessen, dass hier eine Gebietskörperschaft im 19. Jahrhundert die Wahrnehmung der Stiftungsaufgaben im Rahmen ihrer Befugnisse zur öffentlichen Aufgabe erhoben hat. Hinsichtlich der Rechtsnatur der Stiftung kommt es demgemäß, wie bereits der 15. Senat des erkennenden Gerichts in seinem Urteil vom 23.3.1984 - 15 A 1620/81 - (a.a.O.) ausgeführt hat, auf die ursprüngliche Rechtsqualität des Stiftungszwecks nicht mehr an. Ist danach die Stiftung als öffentlich-rechtlich einzuordnen, lässt sich für den Bereich des Stiftungsrechts aus der Trägerschaft des Stiftungsvermögens nichts Gegenteiliges ableiten. Denn dass die Stiftung Bischoff innerhalb des Vermögens der Stadt A. verselbständigtes Sondervermögen ist, das von der Stiftungsverwaltung im Rahmen eines besonderen Treuhandverhältnisses im Sinne des Stiftungszwecks lediglich verwaltet wird, ergibt sich zwanglos aus den einschlägigen Regelungen der nordrhein-westfälischen Gemeindeordnung. So bestimmt § 95 Abs. 1 Nr. 2 GO NRW, dass das Vermögen der rechtlich unselbständigen örtlichen Stiftungen Sondervermögen der Gemeinde ist. Derartige Sondervermögen unterliegen gemäß § 95 Abs. 2 Satz 1 GO NRW den Vorschriften über die Haushaltswirtschaft. Sie sind nach Satz 2 dieser Bestimmung im Haushalt der Gemeinde gesondert nachzuweisen. Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 GO NRW sind für derartige Stiftungen besondere Haushaltspläne aufzustellen und Sonderrechnungen zu führen. Schließlich bedürfen gemäß § 100 Abs. 2 GO NRW die Umwandlung des Stiftungszwecks, die Zusammenlegung und die Aufhebung von rechtlich unselbständigen Stiftungen, die der Gemeinde zustehen, der Genehmigung der Aufsichtsbehörde. Dieser gesetzliche Hintergrund, der gleichermaßen für privatrechtliche Stiftungen und solche des öffentlichen Rechts gilt, lässt die vorgenommene Einordnung der Stiftung Bischoff als öffentlich-rechtlich mithin unberührt.

Vgl. zur Einordnung von Stiftungen Bay. VerfGH, Entscheidung vom 5.2.1974 - Vf. 18-VII-71 -, in: Stiftungen in der Rechtsprechung, Band II, S. 105 (108); Seifart/von Campenhausen, Handbuch des Stiftungsrechts, 2. Aufl. 1999, § 16 Rdnr. 4 bis 9; Neuhoff, Zur steuerrechtlichen Umwidmung von Stiftungen des öffentlichen Rechts zu solchen des privaten Rechts, DÖV 2004, 289 ff.

Nach alledem kann dahinstehen, ob eine Stiftung auch deshalb als öffentlich-rechtlich anzusehen sein kann, weil sie seit unvordenklichen Zeiten wie eine solche des öffentlichen Rechts behandelt worden ist.

Vgl. hierzu Palandt, BGB, 63. Aufl. 2004, Vorb. vor § 80 Rdnr. 9; Ebersbach, Handbuch des deutschen Stiftungsrechts, Göttingen 1972, I-2.1 (S. 23), I-13.01 (S. 185) m.w.N.

bb) Die streitgegenständlichen Bescheide des Beklagten sind wegen Ermessensfehlern rechtswidrig (vgl. § 114 Satz 1 VwGO). Zum einen liegt ihnen ein falscher Sachverhalt zugrunde. Zum anderen hat der Beklagte von seinem Ermessen dadurch fehlerhaft Gebrauch gemacht, dass er seine Entscheidung nachträglich auf eine Stichtagsregelung mit Ausschlusswirkung gestützt hat.

Behördliche Ermessensentscheidungen sind rechtlich u.a. daraufhin zu überprüfen, ob sie von einer zutreffenden Tatsachengrundlage ausgehen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 20.2.2003 - 1 C 13.02 -, BVerwGE 117, 380, und vom 14.10.1965 - 2 C 3.63 -, BVerwGE 22, 215.

Die für die vom Beklagten getroffene Vergabeentscheidung wesentliche Annahme, am 1.1.1987 habe lediglich ein Stipendiumsantrag des Beigeladenen vorgelegen, ist unzutreffend. (wird ausgeführt)

Dessen ungeachtet hat der Beklagte seine Vergabeentscheidung aus einem weiteren Grund rechtsfehlerhaft getroffen. Er hat ihr nämlich - im Gegensatz zu der nach Angaben seiner Vertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bis dahin angewendeten Prioritätsregelung (Reihenfolge des Antragseingangs) - erst während des laufenden Vergabeverfahrens eine Stichtagsregelung mit anspruchsausschließender Wirkung zugrunde gelegt. Eine solche ist weder im Stiftertestament enthalten noch ergibt sich hierfür - etwa aus einer für potentielle Stipendiaten zugänglichen Vergabeordnung - sonstwie ein Anhalt. Nach Nr. 4 des Testaments erfolgt die Auswahl der Stipendiaten in der Plenarversammlung der "Armen-Verwaltung" des Beklagten oder derjenigen Behörde, die an deren Stelle getreten ist. Unter den Familienberechtigten gibt die nähere Verwandtschaft, bei gleicher Verwandtschaftsnähe die Bedürftigkeit den Vorzug (Nr. 5 des Testaments). Wie diese Regelungen im Einzelnen zu verstehen sind, kann an dieser Stelle auf sich beruhen. Jedenfalls entspricht ihnen eine erst nachträglich, während eines laufenden Auswahlverfahrens, ins Werk gesetzte Stichtagsregelung nicht. Hinzu kommt - hierauf hat bereits das VG zu Recht hingewiesen -, dass der zwischen der Klägerin und dem Beklagten geführte Rechtsstreit vor dem VG (- 4 K 1394/87 - = OVG NRW - 25 A 1205/89 -) denknotwendig voraussetzt, dass die Klägerin mit ihrem Antrag vom 23.3.1987 nicht generell ausgeschlossen (gewesen) ist. Bei diesem Rechtsstreit ging es im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Stipendiumsantrag um die Frage, ob der Stipendiumsbewerber bzw. seine Eltern bei der Bewerbung Einkommensverhältnisse offen zu legen haben.

b) Erweisen sich die streitgegenständlichen Bescheide des Beklagten demgemäß als rechtswidrig und ist die Klägerin durch sie in ihrem Anspruch auf eine der Zweckbindung entsprechende ermessensfehlerfreie Entscheidung verletzt,

vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 23.3.1984 - 15 A 1620/81 -, a.a.O.,

so ist der Beklagte entsprechend dem erstinstanzlichen Klageantrag verpflichtet, die Klägerin neu zu bescheiden. Hierbei sind neben Gesichtspunkten betreffend das Vergabeverfahren [aa)] solche des Testamentsinhalts [bb)] und Fragen der Anpassung des Stiftertestaments [cc)] zu berücksichtigen.

aa) Bezüglich des Vergabeverfahrens ist zunächst darauf hinzuweisen, dass es Aufgabe der Stiftungsverwaltung ist, Vorgaben des Stifters, die ihr einen Handlungsspielraum belassen, zu konkretisieren. Den Entscheidungen ist eine Vergabepraxis zugrunde zu legen, die - nicht zuletzt mit Blick auf Rechtssicherheit und Rechtsklarheit - ein System aufweist. Die Verwaltung hat es insoweit mit einer Reihe von zumindest ähnlichen Fällen zu tun. Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verlangt, dass die Verwaltung diese vergleichbaren Fälle zueinander in Beziehung setzt und bestimmte Regeln für ihre Bearbeitung entwickelt. Innerhalb der normativen Vorgaben - hier: des Stiftertestaments - hat sie gleichmäßig, nach selbst geschaffenen Maßstäben zu entscheiden. Der Gleichheitssatz verlangt dabei ein Handlungsprogramm, an dem die Verwaltung ihre Einzelfallentscheidung ausrichtet. Andernfalls läge willkürliches Handeln vor. Wie im Subventionsrecht gebietet der Gleichheitssatz auch im hier vorliegenden Zusammenhang, ein gleichheitsgerechtes Verteilungsprogramm zu erstellen. Derartiges kann in Form von Richtlinien oder einer Vergabeordnung geschehen.

Vgl. zum Subventionsrecht: BVerwG, Beschluss vom 8.4.1997 - 3 C 6.95 -, NVwZ 1998, 273 (274); ferner Seibert, Die Einwirkung des Gleichheitssatzes auf das Rechtsetzungs- und Rechtsanwendungsermessen der Verwaltung, in: Festgabe 50 Jahre BVerwG, 2003, 535 (539 f.).

Zwar besteht weder eine Pflicht zur Einhaltung der Schriftform noch eine Notwendigkeit zur Veröffentlichung des zu entwickelnden Handlungsprogramms.

Vgl., eine Veröffentlichung von Subventionsrichtlinien als Wirksamkeitsvoraussetzung verneinend, BVerwG, Beschluss vom 8.4.1997 - 3 C 6.95 -, a.a.O.

Dem Senat erscheint es jedoch aus Gründen der größeren Rechtssicherheit und -klarheit sinnvoll und nützlich, die zu entwickelnden Vergaberichtlinien nicht nur schriftlich festzuhalten, sondern sie auch zu veröffentlichen, zumindest aber den Stifternachfahren - etwa in Form der Interneteinstellung - zugänglich zu machen (vgl. in diesem Zusammenhang auch Nr. 12 des Stiftertestaments sowie § 15 Abs. 4 VwZG).

Ein derartiges Handlungsprogramm sollte nach Auffassung des Senats - abgesehen von den im Stiftertestament bereits enthaltenen Bestimmungen - jedenfalls Regelungen darüber beinhalten, welche Anforderungen seitens der Stiftungsverwaltung an einen Antrag auf Stipendienzahlungen gestellt werden (genaue Unterlagen) und ob er gegebenenfalls portionsbezogen ist. Die ausdrückliche Festschreibung des der bisherigen Verwaltungspraxis entsprechenden Antragserfordernisses erscheint bereits mit Blick auf Nr. 4 des Stiftertestaments, wonach eine Auswahl der Stipendiaten erfolgt, aber auch im Hinblick auf den ansonsten durch eine Ermittlung potentieller Destinatäre von Amts wegen eintretenden Aufwand sinnvoll. Des Weiteren sollte (wie dargelegt, vor erstmaliger Anwendung) festgelegt sein, ob der Vergabeentscheidung eine Stichtagsregelung, auch was etwaige ausschlaggebende Vermögensverhältnisse anbelangt, zugrunde gelegt wird.

Mit Blick auf die streitgegenständliche Vergabe der ersten Stiftungsportion erscheint dem Senat wichtig, dass das Handlungsprogramm genauere Bestimmungen zur "Bedürftigkeit" im Sinne von Nr. 5 des Stiftertestaments enthält. Auch insoweit steht der Stiftungsverwaltung, wie bei der in Nr. 15 Satz 2 des Testaments angesprochenen "größere(n) Befähigung und Würdigkeit zu den Studien" bzw. der "größere(n) Bedürftigkeit", ein Spielraum bei der Konkretisierung des Begriffs zu.

Die Feststellung der bei gleicher Verwandtschaftsnähe der potentiellen Destinatäre zunächst maßgeblichen Bedürftigkeit ist im Stiftertestament nicht näher definiert. Demgemäß sollte vor allem festgelegt werden, unter welchen Voraussetzungen das Kriterium "Bedürftigkeit" erfüllt wird. Ein Konkretisierungsbedürfnis besteht dabei auch dann, wenn man von einer relativen Bedürftigkeit ausgeht. Bei der wirtschaftlichen Bewertung der Bewerber unter Berücksichtigung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse ihrer ihnen gegenüber unterhaltspflichtigen Eltern ("Bedürftigkeitsgemeinschaft"),

vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16.5.1994 - 25 A 1205/89 -, NWVBl. 1994, 388,

kann die Stiftungsverwaltung etwa festlegen, ob bedürftig nur derjenige ist, der einen bestimmten Sockelbetrag - welcher Höhe er auch sei - nicht überschreitet. Demgegenüber käme auch in Betracht, denjenigen als bedürftig anzusehen, dessen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gegenüber anderen verwandtschaftlich gleichrangigen Familienmitgliedern geringer ist.

Vgl. in diese Richtung OVG NRW, Beschluss vom 16.5.1994 - 25 A 1205/89 -, a.a.O.; vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 11.3.1996 - 25 A 1508/90 -, OVGE 45, 267.

Die Stiftungsverwaltung sollte in diesem Zusammenhang auch festlegen, welche Einkommens- und Vermögensarten in welcher Weise bei der Ermittlung der Bedürftigkeit zugrunde gelegt werden sollen. Darüber hinaus bietet es sich an festzulegen, anhand welcher Unterlagen die Bedürftigkeit bestimmt werden soll. Neben Einkommensteuerbescheiden kommen Bescheinigungen des Arbeitgebers sowie gegebenenfalls weitere Unterlagen betreffend das Vermögen in Betracht. Schließlich erscheint die nähere Bestimmung des weiteren Hilfskriteriums, "Reihenfolge des Genusses unter den verschiedenen Stämmen", sinnvoll.

Des Weiteren wird die Stiftungsverwaltung zu überlegen haben, ob und bejahendenfalls wie sie die Stiftung betreffende weitere wesentliche Umstände den Stifternachkommen bekannt geben wird. Hierzu könnten beispielsweise das Freiwerden eines Stipendiums oder eine eventuelle Antragsfrist gehören. In diesem Zusammenhang wäre dann neben der weltweiten Zerstreuung der Stifternachfahren auch der Aufwand zur Beschaffung der als erforderlich angesehenen Antragsunterlagen zu berücksichtigen.

bb) Bezüglich des Testamentsinhalts, soweit er hier maßgeblich ist, ist von Folgendem auszugehen: Entgegen der Auffassung des VG sind sowohl die Anzahl als auch die Bezugsdauer der Stipendien dem Stiftertestament zu entnehmen. Die Anordnungen des Stifters lassen ihrem eindeutigen Wortlaut nach keinen Raum für die vom VG vorgenommene Auslegung.

Nr. 3 des Stiftertestaments bestimmt, dass der Jahresertrag - nach Abzug der Verwaltungskosten - in drei gleiche Teile aufzuteilen und in halbjährlichen Raten zu einem Erziehungsstipendium zu zahlen ist. Die Bezugsdauer ist in Nr. 6 des Stiftertestaments festgelegt. Der regelmäßige Stipendiumsbezug dauert vom 10. bis zum vollendeten 25. Lebensjahr, in Ausnahmefällen vom vollendeten 7. bis zum 20. Lebensjahr. Entgegen der bisherigen Verwaltungspraxis des Beklagten ist davon auszugehen, dass die vorzeitige Beendigung des Stipendiums in Fällen der Sicherung des "notdürftigen Fortkommens" lediglich dann zum Tragen kommt, wenn der Stipendienbezug bereits mit dem 7. Lebensjahr begonnen hat. Dies ergibt sich zum einen aus dem Wortlaut von Satz 2, Nr. 6 des Stiftertestaments. Die die Beendigung des Stipendiats betreffende Wendung ("auf der anderen Seite") schließt sich an die zuvor erwähnte Ermächtigung zu Gunsten eines früheren Stipendiumsbeginns unmittelbar an. Im Übrigen spricht die Systematik von Nr. 6. des Stiftertestaments für dieses Verständnis. Denn im Normalfall beträgt die Stipendiumsdauer 15 Jahre (vgl. Nr. 6 Satz 1 des Stiftertestaments). Ausgehend hiervon ist kein Grund ersichtlich, in Fällen "besonders empfohlener Dringlichkeit" den Bezugszeitraum über die testamentarisch festgelegte Dauer von dreizehn Jahren noch weiter zu verkürzen.

Die vom VG mit Blick auf Nummern 3 und 6 des Stiftertestaments angestellten Überlegungen lassen sich nicht durch eine ergänzende Auslegung erreichen. Soweit man im Rahmen des hier maßgeblichen § 133 BGB die Möglichkeit der ergänzenden Auslegung einer Stiftungsverfassung bejaht, kommt sie nur in Betracht, wenn die Stiftung aufgrund eingetretener Veränderungen ohne die ergänzende Auslegung einem dem erklärten Willen des Stifters konformen Zweck nicht mehr dienen kann oder die Verwirklichung des erklärten Stifterwillens mit der geltenden Rechtsordnung nicht mehr zu vereinbaren ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 4.3.1960 - 7 C 99.57 -, in: Stiftungen in der Rechtsprechung, Band II, S. 152 (154); ferner OVG NRW, Urteil vom 23.3.1984 - 15 A 1620/81 -, a.a.O.

Beide Merkmale liegen hier nicht vor. Zweck der Stiftung ist die Förderung eines "ehrenhaften Fortkommens", in erster Linie von lediglich drei Nachfahren des Stifters, die einer christlichen Konfession angehören (vgl. Nr. 10 Satz 1 und Nr. 3 des Stiftertestaments). Dass die Verwirklichung dieses Stifterwillens mit der geltenden Rechtsordnung nicht mehr zu vereinbaren ist, scheidet ersichtlich aus. Dass die Stiftung wegen der zwischenzeitlich eingetretenen erheblichen Einnahmesteigerungen ohne ergänzende Auslegung einem dem erklärten Willen des Stifters konformen Zweck nicht mehr dienen kann, ist ebenfalls nicht anzunehmen. Das gilt unabhängig davon, ob dem einzelnen Stipendiaten wegen der nach der Rechtsprechung des BFH anzunehmenden Körperschaftsteuerpflicht der Stiftung und mit Blick auf etwaige Einkommenssteuerpflichten des Destinatärs ein nicht unerheblich geschmälerter Betrag zufließt. Der Stipendiumsgenuss darf nur bei Vorlage "über moralischen Wandel sprechender befriedigender Zeugnisse" gewährt werden (vgl. Nr. 10 Satz 3 des Stiftertestaments). Hinzu kommt, dass die Stipendiaten während des Besuchs von Gymnasium bzw. Universität unter der Voraussetzung bezugsberechtigt bleiben, dass nicht zu mangelhafte Fortschritte oder schlechtes Betragen eine Beendigung des Stipendiums erfordern (Nr. 15 Satz 3 des Stiftertestaments). Diese Regelungssystematik verdeutlicht, dass Stipendiaten selbst bei hohen Ausschüttungen leistungsbereit bleiben müssen und sich nicht allein dem Leben außerhalb von Bildungsanstalten widmen können. Demgemäß ist anzunehmen, dass der auf ehrenhaftes Fortkommen gerichtete Zweck der Stiftung auch bei Verteilung vergleichsweise hoher Erträge auf (lediglich) drei Stifternachfahren erreichbar bleibt. Schließlich darf in diesem Zusammenhang nicht übersehen werden, dass Ausbildungen heutzutage - etwa bei Auslandsstudien - auch vergleichsweise hohe Aufwendungen verursachen können. Angesichts der zuvor beschriebenen Sachlage erscheint es zumindest nicht ausgeschlossen, dass die Stiftung ohne ergänzende Auslegung des Stiftertestaments ihrem erwähnten Zweck auch weiterhin noch dienen kann.

cc) Die vom VG in den Blick genommene Änderung von Anzahl bzw. Bezugsdauer der Stipendien, die letztlich auf eine Neuausrichtung der Stiftung wegen einer als wesentlich erachteten Veränderung der Verhältnisse seit ihrer Errichtung hinausläuft, lässt sich (nur) über eine Änderung der Stiftungsverfassung erreichen. Hierzu ist der Beklagte berechtigt, aber mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 87 Abs. 1 BGB - wie noch darzulegen sein wird - nicht verpflichtet. Ermächtigungsgrundlage für eine derartige Änderung ist § 100 Abs. 2 GO NRW, der gemäß § 35 StiftG NRW anwendbar ist. Nach dieser Bestimmung steht der Gemeinde u.a. die Umwandlung des Stiftungszwecks zu. Hierunter kann auch die Neubestimmung des begünstigten Personenkreises fallen.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 29.11.1990 - 7 B 155.90 -, NJW 1991, 713; Seifart/von Campenhausen, a.a.O., § 8 Rdnr. 104.

Die Umwandlung bedarf der Genehmigung der Aufsichtsbehörde (§ 100 Abs. 2, 2. Halbsatz GO NRW). Die Zuständigkeit für solche Entscheidungen liegt nach § 41 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe n) GO NRW beim Rat.

Insoweit ist hinsichtlich der Stiftung Bischoff zunächst klarstellend darauf hinzuweisen, dass Stifternachfahren weder nach den maßgeblichen Bestimmungen der Gemeindeordnung noch nach der Stiftungsverfassung ein subjektiv-öffentliches Recht besitzen, eine derartige, dem Beklagten mögliche Änderung gerichtlich durchzusetzen. § 100 Abs. 2 GO NRW sieht lediglich die Berechtigung der Gemeinde zu bestimmten Maßnahmen vor. Dass diesem Recht ein dahin gehender Anspruch von Destinatären gegenübersteht, ist schon angesichts des Wortlauts der Vorschrift nicht anzunehmen. Es kommt hinzu, dass die Regelung Gebietskörperschaften gewisse Reaktionsmöglichkeiten im Hinblick auf rechtlich unselbstständige, örtliche Stiftungen einräumen will. Mit der Autonomie der Stiftungsverwaltung wäre es nur schwerlich zu vereinbaren, Destinatären einen Anspruch auf Tätigwerden zuzubilligen. In diesem Zusammenhang ist schließlich zu berücksichtigen, dass die Gemeinden Stiftungen der in Rede stehenden Art nach den Bestimmungen der Gemeindeordnung zu verwalten haben, soweit nicht durch Gesetz oder Stifter Anderes bestimmt ist (§ 100 Abs. 1 Satz 2 GO NRW). Auch diese, nicht von vornherein auf einen abgrenzbaren Personenkreis zielende Systematik spricht - vorbehaltlich anderer Regelungen durch den Stifter - gegen die Annahme eines subjektiv-öffentlichen Rechts des Destinatärs.

In Fällen, in denen - wie hier - die stiftungsrechtlichen Vorschriften kein Klagerecht zu Gunsten der Destinatäre beinhalten, bestimmt sich nach der Stiftungsverfassung, ob ein derartiges Recht besteht. Dabei ist zum einen zu berücksichtigen, dass die Stiftung im Gegensatz zu vereinsrechtlich strukturierten juristischen Personen eine reine Verwaltungsorganisation ist, mit deren Hilfe der vom Stifter gewollte Zweck verwirklicht wird. Zum anderen ist in den Blick zu nehmen, dass Destinatäre lediglich Nutznießer des Stiftungsvermögens sind. Sie haben insbesondere nicht die Stellung von Mitgliedern. Die der Stiftung bzw. ihrem Träger eingeräumte Autonomie sowie ihre Ausrichtung allein auf den Stifterwillen schließen die Berücksichtigung von Sonderinteressen und die Einflussnahme durch Dritte grundsätzlich aus.

Vgl. BGH, Urteil vom 22.1.1987 - III ZR 26/85 -, BGHZ 99, 344 m.w.N.

Ausgehend hiervon lässt sich ein Recht der Klägerin als Stifternachfahrin, eine etwaige Änderung der Stiftungsverfassung gerichtlich zu erstreiten, nicht annehmen. Denn das Stiftertestament sieht keine Einwirkungsmöglichkeit von Stifternachfahren auf die Stiftungsverfassung vor.

Wenngleich die Klägerin demgemäß keinen Anspruch auf Änderung von Nr. 3 des Stiftertestaments besitzt, sieht sich der Senat im Interesse der Beteiligten zu folgenden Hinweisen veranlasst: § 100 Abs. 2 GO NRW lässt entgegen der ersten Betrachtung seines Wortlauts Änderungen des Stiftungszwecks nicht voraussetzungslos zu. Derartiges lässt sich insbesondere nicht aus der Abschaffung von § 67 Abs. 2 Satz 2 GO NRW a.F. durch die Novelle vom 11.7.1972 (GV NRW S. 218) schließen. Nach dieser Bestimmung waren die Vorschriften des Preußischen Gesetzes über Änderungen von Stiftungen vom 10.7.1924 (PrGS. S. 575) anzuwenden, wenn sich die Verhältnisse in anderer Weise als durch Unmöglichkeit der Erfüllung des Stiftungszwecks oder Gemeinwohlgefährdung durch die Stiftung wesentlich geändert haben. Eine voraussetzungslose Änderung des Stiftungszwecks würde den auch in diesem Zusammenhang maßgeblichen Vorrang des Stifterwillens missachten.

Vgl. Twehues, Rechtsfragen kommunaler Stiftungen, Köln 1996, S. 235 f. m.w.N.

Vor diesem Hintergrund kommt eine Änderung jedenfalls in den Fällen in Betracht, in denen die Voraussetzungen des § 87 Abs. 1 BGB (vgl. für selbstständige Stiftungen des Privatrechts auch § 13 StiftG NRW) erfüllt sind.

Vgl. Rehn/Cronauge, Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, Band II, Stand: Januar 2004, § 100 Anm. III 1.; Seifart/von Campenhausen, a.a.O., § 18 Rdnr. 8 m.w.N.; vgl. hierzu auch Westebbe, Die Stiftungstreuhand, Baden-Baden 1993, S. 177 ff.

§ 87 Abs. 1 BGB greift hier jedoch nicht ein. Nach dieser Bestimmung kann die zuständige Behörde der Stiftung eine andere Zweckbestimmung geben oder sie aufheben, wenn die Erfüllung des Stiftungszwecks unmöglich geworden ist oder sie das Gemeinwohl gefährdet. Letzteres liegt ersichtlich nicht vor. Die Erfüllung des Stiftungszwecks ist auch nicht unmöglich geworden. Dies ist beispielsweise anzunehmen, wenn das Stiftungsvermögen untergeht bzw. so unzulänglich geworden ist, dass es seinen Zwecken nicht mehr ausreichend dienen kann, oder wenn der Stiftungszweck aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht nur vorübergehend undurchführbar ist.

Vgl. Rehn/Cronauge, a.a.O., § 100 Anm. III 1.

In diesem Sinne ist die Erfüllung des Stiftungszwecks nicht unmöglich geworden. Der in Nr. 10 des Stiftertestaments niedergelegte Zweck, Stifternachfahren ein ehrenhaftes Fortkommen zu ermöglichen, lässt sich - wie dargelegt - auch dann noch erreichen, wenn die Erträge des Stiftungsvermögens überaus hoch sind.

Die Änderungsbefugnis nach § 100 Abs. 2 GO NRW ist jedoch nicht auf die von § 87 Abs. 1 BGB erfassten Fallkonstellationen beschränkt. Unabhängig davon, dass die vorstehend beschriebene Änderungsmöglichkeit Abgrenzungsschwierigkeiten zu der weiter oben beschriebenen ergänzenden Auslegung der Stiftungsverfassung und - zumindest bei selbstständigen Stiftungen - zu behördlichen Zwangsmaßnahmen mit sich bringt, erfasst sie wegen ihrer engen Voraussetzungen nicht alle Fälle, in denen wegen einer erheblichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eine Änderung der Stiftungsordnung (unter Berücksichtigung des Stifterwillens) angezeigt ist. Daher erscheint es dem Senat angemessen, in Fällen der öffentlich-rechtlichen unselbstständigen kommunalen Stiftung eine außerordentliche Berechtigung des Stiftungsträgers zur Änderung der Stiftungsverfassung anzunehmen, wenn hierfür ein besonderer, rechtfertigender Grund besteht. Dies ist unter folgenden, engen Voraussetzungen anzunehmen: In den tatsächlichen Verhältnissen muss, bezogen auf den in der Stiftungsverfassung zum Ausdruck gekommenen Willen des Stifters, eine wesentliche Veränderung eingetreten sein [(1.)]. Darüber hinaus muss sich die unveränderte Verfolgung des bisherigen Stifterwillens als nicht mehr sachgerecht erweisen [(2.)]. Sind beide Voraussetzungen erfüllt, so ist der Stiftungsträger zu einer Änderung der Stiftungsordnung berechtigt. Auf diese Weise besteht (nicht zuletzt wegen der erforderlichen Einschaltung der Stiftungsaufsicht) eine große Gewähr für eine sorgfältige Prüfung der Gestaltungsmöglichkeiten und für eine sachgerechte Verwendung der Stiftungsmittel. Der Stiftungsträger besitzt bei Bejahung vorerwähnter Voraussetzungen einen - durch den mutmaßlichen Stifterwillen begrenzten - Spielraum, innerhalb dessen er den ursprünglichen Willen des Stifters den veränderten Verhältnissen gemäß modifizieren darf [(3.)].

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 29.11.1990 - 7 B 155.90 -, a.a.O.; BGH, Urteil vom 26.4.1976 - III ZR 21/74 -, MDR 1976, 1001; OVG Bremen, Urteil vom 28.8.1990 - OVG 1 BA 9/90 -, in: Stiftungen in der Rechtsprechung, Band IV, S. 127 ff.; Seifart/von Campenhausen, a.a.O., § 8 Rdnr. 108/111; Andrick/Suerbaum, Stiftung und Aufsicht, München 2001 und 2003, § 7 Rdnr. 42 (S. 156) m.w.N.; Ebersbach, a.a.O., I-6.3 (S. 89 ff.); vgl. auch BVerwG, Urteil vom 4.3.1960 - 7 C 99.57 -, a.a.O., und BGH, Urteil vom 3.3.1977 - III ZR 10/74 -, BGHZ 68, 142 (zu § 5 StiftG Berlin); a.A.: OVG NRW, Urteil vom 23.3.1984 - 15 A 1620/81 -, a.a.O., allerdings vor dem Hintergrund des § 67 GO NRW a.F.; Twehues, a.a.O., S. 236.

Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist der Beklagte hier zu einer begrenzten Abänderung der im Stiftertestament festgelegten Stiftungsverfassung berechtigt.

(1.) In den tatsächlichen Verhältnissen ist, bezogen auf den in der Stiftungsverfassung zum Ausdruck gekommenen Willen des Stifters, eine wesentliche Veränderung eingetreten. Gemäß Nr. 10 Satz 1 und Nr. 3 des Stiftertestaments wollte der Stifter einer begrenzten Anzahl christlicher Nachfahren ein ehrenhaftes Fortkommen ermöglichen. Aus der Gesamtschau der weiteren Bestimmungen des Stiftertestaments ergibt sich, dass dem Stifter das Ansteigen des auf eine Stifterportion entfallenden Jahresbetrags auf vergleichsweise hohe Summen nicht vor Augen stand. Auszugehen ist von Nr. 2 in der die Nutzbarmachung des Guts D. durch Zeitverpachtung angesprochen ist. Sodann ist Nr. 6 Satz 2 mit der Sicherung des "notdürftigen Fortkommens" in den Blick zu nehmen. In Nr. 7 ist ein Beitrag zum Lebensunterhalt beabsichtigt. Danach kann die Verwaltung einem Destinatär eine Stipendiumshälfte über das 25. Lebensjahr hinaus in Fällen außergewöhnlich großer Gebrechen belassen, in denen der Betreffende außerstande ist, sein Fortkommen aus eigenen Mitteln sicherzustellen. Entscheidendes Gewicht erhält Nr. 9 Satz 2, wo von der "Deckung der Erziehungs- und Verpflegungskosten" die Rede ist. Nr. 10 Satz 1 spricht, ebenso wie Nr. 15 Satz 4, von einer "Wohltat". In Nr. 12 ist die Verteilung der Erträge auf vier Portionen für den Fall vorgesehen, dass die näher bestimmte Deszendenz ausstirbt. In Nr. 14 Satz 1 spricht der Stifter von einer "kleinen Zutat" zu einem "wohltätigen Werke".

Durch die zwischenzeitliche Ertragsgewinnung in Form des Erbbauzinses (im Gegensatz zur früheren Zeitverpachtung) sind die Erträge derart stark angestiegen, dass ungeachtet eines ins Einzelne gehenden Vergleichs mittlerweile von einer wesentlichen Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse auszugehen ist. Im Jahre 1987 war ein Stiftungsertrag von knapp 628.000,00 DM zu verzeichnen. In den Jahren 1997 bzw. 2000 beliefen sich die Stiftungseinnahmen auf Beträge zwischen 850.000,00 und 875.000,00 DM. Selbst bei Abzug des Verwaltungskostenbeitrags, etwaiger Körperschaftsteuer (für die Zeit ab 1991) und Rücklagenbildung für Erbersatzsteuer sowie unter Berücksichtigung einer etwaigen Einkommensteuerpflicht des Destinatärs haben die auf eine Portion entfallenden Beträge eine Höhe erreicht, die jenseits der Vorstellung des Stifters gelegen hat.

(2.) Vor dem soeben dargestellten Hintergrund erweist sich die unveränderte Verfolgung des bisherigen Stifterwillens als nicht mehr sachgerecht. Denn der einzelne Destinatär erhielte eine Zuwendung, die in der Regel ein Vielfaches der Erziehungs- und Verpflegungskosten deckt: Bei unveränderter Verteilung der Stiftungserträge auf drei Portionen flössen den Begünstigten binnen eines vergleichsweise kurzen Zeitraums jeweils mehrere Hunderttausend Euro zu.

(3.) Ist der Stiftungsträger demgemäß zu einer Änderung der Stiftungsordnung berechtigt, so obliegt es in erster Linie ihm, innerhalb des zur Verfügung stehenden Spielraums den ursprünglichen Willen des Stifters entsprechend den veränderten Verhältnissen zu modifizieren. Neben einer Erhöhung der Stifterportionen (vgl. Nr. 3 des Stiftertestaments) kommt eine Verringerung der Bezugsdauer (vgl. Nr. 6 Sätze 1 und 2 des Stiftertestaments) in Betracht. Denkbar ist aber auch, beide Maßnahmen miteinander zu kombinieren.

Der Senat weist abschließend und außerhalb der Verpflichtung des Beklagten zur Neubescheidung der Klägerin darauf hin, dass er es für sinnvoll hält, wenn der Beklagte von seiner vorstehend dargelegten Berechtigung zur Änderung der Stiftungsverfassung bereits für die streitgegenständliche Stipendienvergabe ab dem 1.1.1987 Gebrauch macht. Auf diese Weise trüge er der seinerzeit bereits eingetretenen nachhaltigen Veränderung u.a. der Stiftungserträge Rechnung.



Ende der Entscheidung

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