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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 30.07.2003
Aktenzeichen: 8 A 3607/02
Rechtsgebiete: AbgrG


Vorschriften:

AbgrG § 10
Eine abgrabungsrechtliche Sicherheitsleistung ist freizugeben, wenn die Rekultivierungspflicht der Abgrabungsgenehmigung gemäß erfüllt ist und eine Ersatzvornahme deshalb nicht mehr in Betracht kommt.
Tatbestand:

Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin einer Gesellschaft, die eine Trockenabgrabung zur Gewinnung von Sand und Kies betrieb. Mit der Genehmigung zur Abgrabung, Wiederverfüllung und Herrichtung wurde zur Sicherung der Herrichtung (Rekultivierung) eine Sicherheitsleistung festgesetzt. Nach Beendigung der Rekultivierung beantragte die Klägerin die Herausgabe der Sicherheitsleistung. Die Beklagte verweigerte dies mit der Begründung, das Abgrabungsgelände sei nicht vollständig und ordnungsgemäß hergerichtet worden. Das VG wies die Klage ab. Nachdem die Beklagte im Anschluss an ein von ihr während des Berufungsverfahrens eingeholtes Bodengutachten die Sicherheitsleistung freigegeben hatte, erklärten die Beteiligten das Verfahren in der Hauptsache für erledigt. Mit ihrem mit der Berufung weiterverfolgten Antrag festzustellen, dass die Weigerung der Beklagten, die Sicherheitsleistung herauszugeben (Klageantrag zu 1.) bzw. hilfsweise festzustellen, dass die Ablehnung der Endabnahme durch die Beklagte rechtswidrig war, hatte die Klägerin keinen Erfolg.

Gründe:

1. Es kann offen bleiben, ob die Feststellungsklage hinsichtlich des Klageantrags zu 1. zulässig ist oder ob das auf die Vorbereitung eines späteren Schadensersatz- oder Entschädigungsprozesses gestützte berechtigte Interesse der Klägerin an der Feststellung fehlt, weil die Klägerin sogleich das zuständige Zivilgericht hätte anrufen können. Die Klage ist insoweit jedenfalls unbegründet. Die Weigerung der Beklagten, die hinterlegte Sicherheitsleistung nach Abschluss der Herrichtung des Abgrabungsgeländes im Juni 1997 freizugeben, war rechtmäßig. Die Beklagte war zur Abnahme der Rekultivierungsarbeiten nicht verpflichtet. Sie durfte die Sicherheitsleistung zurückhalten, weil das Risiko kostenintensiver Rekultivierungsmaßnahmen im Wege der Ersatzvornahme gegeben war. Es lagen konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin ihre Rekultivierungspflicht nicht erfüllt hat.

Rechtsgrundlage für die Forderung einer Sicherheitsleistung ist § 10 Satz 1 AbgrG i.d.F. der Bekanntmachung vom 23.11.1979. Danach ist die Abgrabungsgenehmigung von der Leistung einer Sicherheit abhängig zu machen. Gemäß § 10 Satz 2 AbgrG kann die Sicherheitsleistung in Anspruch genommen werden, um Schäden, die durch Abweichung von der Genehmigung und den Auflagen entstehen, auszugleichen oder beseitigen zu lassen. Über die Freigabe einer geleisteten Sicherheit entscheidet nach § 10 Satz 3 AbgrG die Genehmigungsbehörde. Die Voraussetzungen für das Zurückhalten der Sicherheitsleistung bzw. deren Freigabe sind gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. Sie ergeben sich aber aus dem Sinn und Zweck der Sicherheitsleistung. Diese zielt auf die Pflicht des Abgrabungsunternehmers, die durch Abgrabungen verursachten Landschaftsschäden durch eine sinnvolle Herrichtung des ausgebeuteten Geländes zu beseitigen und das Abbau- und Betriebsgelände nach Abschluss der Abgrabungen wieder nutzbar zu machen.

Vgl. Begründung zu § 2 des Gesetzesentwurfs der Landesregierung, LT-Drucks. 7/1780.

Dem Verursacherprinzip folgend obliegt die Verpflichtung zur Oberflächengestaltung und Wiedernutzbarmachung des in Anspruch genommenen Geländes während und nach Abschluss der Abgrabung dem Unternehmer, der durch die Abgrabung Schädigungen des Naturhaushaltes und eine Verunstaltung des Landschaftsbildes verursacht (§§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 2 Abs. 1 AbgrG). Die Herrichtung ist für den Abgrabungsunternehmer allerdings regelmäßig von geringerem Interesse, weil sie ihm keine wirtschaftlichen Vorteile bringt. Die mit den Rekultivierungsmaßnahmen verbundenen Aufwendungen sind oft erheblich und über einen langen Zeitraum notwendig. Daher besteht die Gefahr, dass der Abgrabungsunternehmer die Rekultivierungsarbeiten nach beendeter Abgrabung nicht oder nicht vollständig durchführt und das abgebaute Gelände nicht wieder einer sinnvollen Nutzung zugeführt wird. Dadurch können dauerhafte Störungen des Naturhaushalts und des Landschaftsbildes eintreten. Zudem kann das Risiko, dass ein privates Unternehmen nach Beendigung der Abgrabung und damit nach dem Wegfall der aus dem Betrieb erzielten Einkünfte zahlungsunfähig wird oder sonst nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden kann, beträchtlich sein. In beiden Fällen wäre eine Herrichtung nur noch im Wege der Ersatzvornahme auf Kosten der Allgemeinheit erreichbar. Zur Abdeckung des wirtschaftlichen Risikos sieht die Vorschrift des § 10 Satz 1 AbgrG deshalb vor, dass die Genehmigung von der Leistung einer Sicherheit abhängig gemacht wird. Zweck der Sicherheitsleistung ist es sicherzustellen, dass der Abgrabungsunternehmer die erforderlichen Rekultivierungsmaßnahmen auch wirklich auf seine Kosten durchführt und das Risiko einer etwaigen Zahlungsunfähigkeit im Hinblick auf nach Beendigung der Abgrabung erforderliche, oft erheblich kostenaufwändige Maßnahmen zur Beseitigung der Landschaftsschäden auf jeden Fall den unmittelbaren Verursacher trifft, der zugleich wirtschaftlicher Nutznießer der Abgrabung ist, und nicht zu Lasten der Allgemeinheit geht.

Zu einer abfallrechtlichen Sicherheitsleistung: BVerwG, Urteil vom 29. 11. 1991 - 7 C 6/91 -, BVerwGE 89, 215; OVG NRW, Urteil vom 30. 8. 1999 - 21 A 2945/96 -; zu einer naturschutzrechtlichen Sicherheitsleistung: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 28. 7. 1983 - 2 S 299/81 -, NuR 1984, 102.

Die Genehmigungsbehörde kann die Sicherheitsleistung festhalten, soweit und solange sie zur Sicherstellung der Rekultivierung erforderlich ist, d.h. ein Sicherungsbedürfnis besteht. Die Sicherheitsleistung ist an die zu sichernden Verpflichtungen gebunden. Zulässiger Umfang und zulässige Dauer der Sicherheitsleistung bestimmen sich nach Umfang und Dauer einer ordnungsgemäßen Rekultivierung. Der Höhe nach richtet sich die festzusetzende Sicherheitsleistung nach dem wirtschaftlichen Risiko der nicht ordnungsgemäßen Umsetzung der Rekultivierungspflicht.

Vgl. Linke, Abgrabungsgesetz NRW, § 10 Anm. III.

In zeitlicher Hinsicht deckt die Sicherheitsleistung den Zeitraum bis zur vollständigen Erfüllung der Rekultivierungsmaßnahmen ab, wie sie in den Nebenbestimmungen zur Abgrabungsgenehmigung konkretisiert sind. Eine Sicherung ist danach so lange und soweit erforderlich, als bei der Rekultivierung Abweichungen von der Abgrabungsgenehmigung nicht ausgeschlossen werden können; denn dann besteht das Risiko kostenaufwändiger Ersatzmaßnahmen zur Schadensbeseitigung fort. Ein Anspruch auf Freigabe der geleisteten Sicherheit besteht demnach erst, wenn der Sicherungszweck entfallen ist.

Vgl. zur Sicherheitsleistung für Deponien: Kunig/Paetow/Versteyl, Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz, Kommentar, § 32 Rz. 82; Nr. 3.2.3b der TA Abfall. Das ist dann der Fall, wenn die Rekultivierungspflicht der Abgrabungsgenehmigung gemäß erfüllt ist und eine Ersatzvornahme mithin nicht mehr in Betracht kommt.

Die Prüfung, ob diese Voraussetzungen gegeben sind, ist Gegenstand der von der Beklagten nach der Abgrabungsgenehmigung vom 25.2.1988 durchzuführenden Abnahme. Die Abnahme der Rekultivierungsmaßnahmen beinhaltet, ähnlich wie die bauordnungsrechtliche Abnahme von baulichen Anlagen, die Feststellung, dass die Klägerin ihre Pflicht zur Herrichtung des Abgrabungsgeländes erfüllt und die mit der Genehmigung verbundenen Nebenbestimmungen eingehalten hat. Anschließend ist die Sicherheitsleistung - gegebenenfalls teilweise - freizugeben (vgl. Nr. 2.01 der Bedingungen der Abgrabungsgenehmigung, S. 5).

Ausgehend von diesen Maßstäben war die Weigerung der Beklagten, die Rekultivierungsmaßnahmen im Anschluss an die Nachbesserungsmaßnahmen der Klägerin im Juni 1997 abzunehmen und die Sicherheit freizugeben, berechtigt. Auf der Grundlage der der Beklagten zur Verfügung stehenden Erkenntnisse war nicht auszuschließen, dass die Rechtsvorgängerin das Abgrabungsgelände abweichend von den Anforderungen der Genehmigung hergerichtet hat und daher weitere Rekultivierungsmaßnahmen notwendig werden könnten.

Nach dem Inhalt der Abgrabungsgenehmigung vom 25.2.1988 durfte zur Rekultivierung der Abgrabung ausschließlich Abraum aus dem Abgrabungsbereich und reiner Bodenaushub verwendet werden. Eine Verfüllung mit Bauschutt war ausdrücklich ausgeschlossen (S. 2 der Genehmigung). Ferner war die Rechtsvorgängerin der Klägerin verpflichtet, für die oberste, 1 m mächtige Schicht den zwischengelagerten ursprünglichen Boden zu verwenden. Gemäß den Auflagen Nrn. 3.11, 3.12, 3.53 und 3.54 zur Abgrabungsgenehmigung durfte zur Wiederverfüllung des Abgrabungsgeländes auf das Ursprungsniveau (nur) der ursprüngliche Mutterboden sowie die darunter liegende Schicht aus lehmigem Schluff aufgebracht werden. Auflage Nr. 3.11 verpflichtete die Rechtsvorgängerin der Klägerin, den Mutterboden in voller Mächtigkeit von 30 cm sorgfältig und getrennt von der ebenfalls vor der Abgrabung zu entfernenden Schicht aus 70 cm mächtigem lehmigen Schluff (insgesamt also ca. 100 cm) auf der gesamten Abgrabungsfläche abzutragen, zur späteren Wiederverwendung getrennt von anderem Abraum sachgemäß in Mieten zu lagern und mit geeigneten Mitteln lebend zu erhalten. Der Verkauf und die sonstige Verwendung des Abraums war gemäß Nr. 3.12 ausdrücklich untersagt. Nach Fortschreiten der Verfüllung waren die in Anspruch genommenen Flächen mit dem gelagerten Mutterboden "in mindestens 30 cm Stärke abzudecken" (Auflage Nr. 3.53). Vor Aufbringen des Mutterbodens war zunächst eine 70 cm starke Deckschicht aus bindigem Material aufzutragen. Das Aufbringen von zugefahrenem Mutterboden war danach nicht zugelassen und hätte einer ausdrücklichen nachträglichen Genehmigung bedurft.

Der Beklagten lagen nach Abschluss der Nachbesserungsarbeiten im Juni 1997 konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin gegen diese Bestimmungen der Abgrabungsgenehmigung verstoßen hat. (wird ausgeführt)

Dass zusätzlich angefahrenes Material in die Abdeckschicht eingebracht worden war, hat die Klägerin ausdrücklich zugestanden. (wird ausgeführt)

Damit bestand das konkrete Risiko kostenintensiver Nachbesserungsmaßnahmen mit dem Ziel, Bauschuttreste zu beseitigen bzw. den angefahrenen Boden auszutauschen. Angesichts der Größe des in Rede stehenden Abgrabungsgeländes war nicht auszuschließen, dass die für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten die Höhe der Sicherheitsleistung überstiegen. Das berechtigte die Beklagte dazu, die Abnahme der Rekultivierung und die Freigabe der Sicherheitsleistung nach Abschluss der Nachbesserungsarbeiten im Juni 1997 zu verweigern.

Die Beklagte war auch nicht in dem nachfolgenden Zeitraum bis zur Erledigung des mit dem ursprünglichen (erstinstanzlichen) Klageantrag zu 1. verfolgten Begehrens verpflichtet, die Sicherheitsleistung herauszugeben. Neue Erkenntnisse, die die dargelegten konkreten Anhaltspunkte für eine nicht ordnungsgemäße Rekultivierung entscheidend entkräftet hätten, lagen nicht vor. Vielmehr hat auch das von der Beklagten eingeholte Bodengutachten des Ingenieurbüros vom 15.7.2003 bestätigt, dass zur Verfüllung des Abgrabungsgeländes Böden mit vereinzelten Bauschuttbeimengungen verwendet wurden und damit ein Verstoß gegen die Bestimmungen der Abgrabungsgenehmigung gegeben ist. Zweifel an der Unparteilichkeit des Gutachters und an seiner Sachkunde bestehen nicht. Dem Gutachten liegt eine systematische und detaillierte Untersuchung der gesamten streitigen Abgrabungsfläche zugrunde. (wird ausgeführt)

Aufgrund der im hier maßgeblichen Zeitraum nicht ausgeräumten hinreichenden Anhaltspunkte für erhebliche Verstöße gegen die Abgrabungsgenehmigung vom 25.2.1988 bestand das Risiko fort, dass für eine notwendige Schadensbeseitigung Kosten bis in Höhe der Sicherheitsleistung entstehen konnten. Dies rechtfertigte die Zurückhaltung der Sicherheitsleistung.

Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt es für die hier zu beantwortende Frage, ob die Beklagte berechtigt war, die Sicherheitsleistung zurückzuhalten, nicht darauf an, ob sie es möglicherweise pflichtwidrig unterlassen hat, mögliche Schäden wegen nicht ordnungsgemäßer Rekultivierung frühzeitig abzuklären und gegebenenfalls eine Ordnungsverfügung zu erlassen. Ein etwaiger Verstoß der Beklagten gegen ihre Sachaufklärungspflicht mit der Folge, dass sich die Freigabe der geleisteten Sicherheit verzögert hätte, würde zwar einen Schadensersatzanspruch begründen können; als Schaden kämen etwa höhere Zinsen für die längere Bereitstellung der Sicherheit in Betracht. Ein derartiger Pflichtenverstoß würde jedoch grundsätzlich nicht dazu führen, dass die Beklagte vor der endgültigen Klärung, ob beseitigungspflichtige Schäden bestehen, zur Rückgabe der Sicherheitsleistung verpflichtet wäre. Allein eine etwaige pflichtwidrige Verzögerung bei der Aufklärung möglicher Schäden begründet noch keine Pflicht zur Rückgabe der Sicherheit, solange weiterhin das durch Tatsachen belegte Risiko einer kostenaufwändigen Ersatzvornahme zur Beseitigung von Schäden besteht.

Es bedarf daher auch keiner Ausführungen dazu, ob die Beklagte überhaupt verpflichtet war, ein weiteres Gutachten einzuholen, oder ob die Klägerin als Störerin die ordnungsrechtliche Pflicht traf, den Umfang der - teilweise bereits feststehenden - Verstöße gegen die Abgrabungsgenehmigung aufzuklären.

2. Die Hilfsanträge sind - ungeachtet ihrer Zulässigkeit - ebenfalls unbegründet. Nach den obigen Ausführungen war die Ablehnung der Endabnahme durch die Beklagte rechtmäßig.

Ende der Entscheidung

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