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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 12.06.2003
Aktenzeichen: 8 A 4282/02
Rechtsgebiete: VwGO, IFG, IHKG, HKRO, LHO


Vorschriften:

VwGO § 42 Abs. 2
VwGO § 61 Nr. 2
IFG § 2
IFG § 4 Abs. 1
IFG § 4 Abs. 2
IHKG § 4
HKRO § 50
HKRO § 51
HKRO § 52
HKRO § 53
HKRO § 53 Abs. 3
LHO §§ 88 bis 104
Ein Mitglied der Vollversammlung einer Industrie- und Handelskammer hat ein mit den gesetzlichen Kontrollbefugnissen der Vollversammlung korrespondierendes Recht auf Einsichtnahme in den Prüfungsbericht der Rechnungsprüfungsstelle für die Industrie- und Handelskammern.
Tatbestand:

Der Kläger ist ordentliches Mitglied der Vollversammlung einer IHK. Er begehrt von dem Beklagten (Präsident der IHK) die Einsichtnahme in den Bericht der Rechnungsprüfungsstelle für die Industrie- und Handelskammern. Seine Klage hatte in 2. Instanz Erfolg.

Gründe:

1. Die im Rahmen eines Organstreitverfahrens erhobene Klage ist als allgemeine Leistungsklage statthaft und auch im Übrigen zulässig.

a) Der Kläger macht einen ihm als Mitglied der Vollversammlung der IHK möglicherweise zustehenden Anspruch gegenüber einem anderen Organ der IHK geltend. Die angefochtene Entscheidung des Beklagten, dem Kläger die Einsichtnahme in den Rechnungsprüfungsbericht zu versagen, betrifft diesen nicht als außenstehende Person, sondern als gewähltes Mitglied der Vollversammlung. Als solches gehört der Kläger einem Organ der IHK an und hat als Träger dieses Mandats die sich aus der Satzung der IHK ergebenden Rechte und Pflichten. Für Streitigkeiten zwischen Organen einer Kammer um organschaftliche Kompetenzen ist, ebenso wie im Kommunalverfassungsrecht, verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz gegeben.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 18.1.1973 - XIII A 237/70 -, OVGE 28, 209 und vom 1.9.1989 - 15 A 2584/86 -, GewArch 1990, 136; Tettinger, Kammerrecht, B III 4b; Frentzel/Jäkel/ Junge, IHKG, 6. Aufl., § 6 Rdnr. 3.

b) Die Beteiligtenfähigkeit des Klägers ergibt sich aus § 61 Nr. 2 VwGO, da er ihm als Vollversammlungsmitglied zugewiesene Mitgliedschaftsrechte verfolgt.

Vgl. für ein Gemeinderatsmitglied OVG NRW, Urteil vom 10.9.1982 - 15 A 1223/80 -, NVwZ 1983, 485.

c) Die Klage ist gegen das zuständige Organ zu richten, dem die behauptete Verletzung des Mitgliedschaftsrechts anzulasten ist, hier gegen den Beklagten.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 12.9.1962 - III A 537/62 -, OVGE 18, 104.

d) Die vom Kläger erhobene Klage ist als allgemeine Leistungsklage statthaft. Bei der Ablehnung seines Antrags auf Einsichtnahme in den Rechnungsprüfungsbericht handelt es sich um eine auf den organinternen Rechtskreis begrenzte und deshalb gegenüber dem Kläger als Vollversammlungsmitglied nicht auf unmittelbare Außenwirkung gerichtete Maßnahme des Beklagten.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 28.8.1997 - 15 A 3432/94 -, NVwZ 1999, 1252.

e) Der Kläger ist auch klagebefugt. In entsprechender Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO ist die Klage nur zulässig, wenn und soweit sich der Kläger auf eine Rechtsposition berufen kann, die ihm als Organ oder Organteil eingeräumt ist.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.12.1988 - 7 B 208/87 -, NVwZ 1989, 470; OVG NRW, Urteil vom 24.4.2001 - 15 A 3021/97 -, NWVBl 2002, 31.

Es reicht aus, wenn die Möglichkeit der behaupteten Rechtsverletzung besteht. Ein berechtigtes Interesse fehlt nur dann, wenn der geltend gemachte Anspruch aus dem Mitgliedschaftsrecht dem Kläger offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise zustehen kann.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18.1.1973, a.a.O.

Das ist aus den nachstehenden Gründen nicht der Fall.

2. Die Leistungsklage ist auch begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Einsichtnahme in den Bericht der Rechnungsprüfungsstelle von Oktober 2001.

a) Eine gesetzlich normierte Rechtsgrundlage für den Anspruch eines Mitglieds der Vollversammlung auf Akteneinsicht ist nicht ersichtlich.

(1) Insbesondere ergibt sich ein solcher Anspruch des Klägers in seiner Eigenschaft als Teil eines Organs der IHK nicht aus dem Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Nordrhein-Westfalen (IFG NRW).

Es kann offen bleiben, ob für Industrie- und Handelskammern besondere Rechtsvorschriften im Sinne des § 4 Abs. 2 IFG vorliegen, die dem allgemeinen Anspruch auf Informationszugang nach § 4 Abs. 1 IFG vorgehen. In seiner Eigenschaft als Mitglied der Vollversammlung kann der Kläger den im Gesetz vorgesehenen freien Zugang zu amtlichen Informationen jedenfalls nicht beanspruchen. § 4 Abs. 1 IFG NRW gewährt jeder natürlichen Person nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den in § 2 IFG NRW genannten Stellen Zugang zu den bei der Stelle vorhandenen amtlichen Informationen. Der Kläger geht nicht als natürliche Person gegen den Beklagten vor, sondern macht von seiner Person unabhängige Rechte aus seiner organschaftlichen Rechtsstellung geltend. Anders als in dem von der Zielrichtung her vergleichbaren Umweltinformationsgesetz, nach dem "jeder" - auch juristische Personen und nicht rechtsfähige Personenvereinigungen, sofern sie organisatorisch hinreichend verfestigt sind, vgl. BVerwG, Urteil vom 25.3.1999 - 7 C 21/98 -, NVwZ 1999, 1220,

Anspruch auf freien Zugang zu Informationen über die Umwelt hat (§ 4 Abs. 1 UIG), ist der Kreis der Informationsberechtigten im Informationsfreiheitsgesetz NRW ausdrücklich auf natürliche Personen begrenzt.

Dass das organschaftliche Innenverhältnis vom Informationsfreiheitsgesetz NRW nicht erfasst wird, entspricht Sinn und Zweck des Gesetzes. Nach der Begründung des Gesetzesentwurfs (LT-Drucks. 13/1311) regelt das Informationsfreiheitsgesetz einen umfassenden Anspruch auf Informationszugang für die Bürgerinnen und Bürger des Landes Nordrhein-Westfalen. Er richtet sich an alle dem Landesrecht unterliegenden Verwaltungen und gewährt Zugang zu den bei den öffentlichen Stellen vorhandenen amtlichen Informationen. Ziel ist zum einen eine erhöhte Transparenz und damit Akzeptanz behördlicher Entscheidungen, zum anderen eine verbesserte Mitsprache der Bürgerinnen und Bürger in Bezug auf das Handeln der staatlichen Organe. Das Gesetz betrifft demnach nur das Außenrechtsverhältnis der Behörden zum Bürger, nicht jedoch das Innenverhältnis zwischen Organen derselben Körperschaft.

(2) Eine Anspruchsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Einsichtnahme ergibt sich ferner nicht aus dem Gesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern vom 18.12.1956 (BGBl. I 920), zuletzt geändert durch Art. 6 des Neunten Euro-Einführungsgesetzes vom 10.11.2001 (BGBl. I 2992) - IHKG -. § 4 IHKG regelt die rechtliche Bedeutung der Vollversammlung und bestimmt die ihr vorbehaltenen Zuständigkeiten. Ebenso wenig enthalten die §§ 2, 3 und 4 der Satzung der IHK, die die Vollversammlung, ihre Aufgaben und die Sitzungen betreffen, eine ausdrückliche Regelung über Informationsrechte eines einzelnen Vollversammlungsmitglieds.

b) Der Anspruch des Klägers auf Akteneinsicht folgt aus seiner Stellung als Mitglied der Vollversammlung.

Die Vollversammlung ist das demokratisch legitimierte Hauptorgan der Kammer. Die wesentlichen Entscheidungen über die Arbeit der Kammer sind der Vollversammlung vorbehalten (§ 4 IHKG).

Vgl. Tettinger, a.a.O., B III 1c, bb; Frentzel/Jäkel/ Junge, a.a.O., § 4 Rdnr. 1.

Sie hat insbesondere die Satzungskompetenz (§ 4 Satz 2 Nr. 1 IHKG) und das Recht zur Feststellung des Haushaltsplans (§ 4 Satz 2 Nr. 3 IKHG). Ferner obliegt ihr die Wahl der Exekutivorgane (§§ 6, 7 IHKG). Diese sind der Vollversammlung gegenüber verantwortlich. Die Prüfung des Finanzgebarens von Präsidium und Hauptgeschäftsführer und deren Entlastung (§§ 4 Satz 2 Nr. 5 IHKG, 3 Abs. 2 lit. g, 8 Abs. 3 der Satzung) unterliegen der ausschließlichen Beschlussfassung durch die Vollversammlung.

Vgl. Tettinger, a.a.O., B III 1c, bb.

Die Mitglieder der Vollversammlung werden von den Kammerzugehörigen gewählt (§ 5 Abs. 1 IHKG). Sie sind gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 der Satzung Vertreter der Gesamtheit der Kammerzugehörigen und an Aufträge sowie Weisungen nicht gebunden.

Grundlage aller Rechte eines Mandatsträgers ist die durch das Mandat bewirkte Mitgliedschaft im Kollegialorgan. Dem einzelnen Mandatsträger erwachsen aus der Mitgliedschaft alle Rechte, auf deren Wahrnehmung er zur Erfüllung seiner Funktion angewiesen ist.

Vgl. zur Rechtsstellung von Gemeinderatsmitgliedern: Waechter, Kommunalrecht, 2. Aufl. 1995, Rdnr. 337.

Die Mitglieder der Vollversammlung einer Industrie- und Handelskammer haben als Mandatsträger umfassende Mitwirkungsrechte bei der Beratung und der Entscheidung in allen in der Zuständigkeit der Vollversammlung liegenden Kammerangelegenheiten.

Vgl. Tettinger, a.a.O., B III 1c, bb.

Das schließt neben dem Teilnahme-, Rede-, Antrags- und Abstimmungsrecht das Recht auf Information und Akteneinsicht ein.

Vgl. zum Informationsanspruch eines Abgeordneten: BVerfG, Urteil vom 14.1.1986 - 2 BvE 14/83 und 4/84 -, BVerfGE 70, 324 (335); zur Rechtsstellung von Gemeinderatsmitgliedern: Stober, Kommunalrecht in der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl. 1992, § 5 Nr. 3b; Erichsen, Kommunalrecht des Landes Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl. 1997, § 7 A 1 b bb; Waechter, a.a.O., Rdnr. 337 ff.

Die Mitwirkungsrechte der Mitglieder der Vollversammlung der Beklagten sind in den Grundzügen in der Satzung der IHK geregelt, wie etwa das Recht zur Teilnahme an den Sitzungen der Vollversammlung sowie das Antrags- und Abstimmungsrecht (§ 4 Abs. 4 und Abs. 6 der Satzung). Den Beschlussfassungen der Vollversammlung gehen entsprechende Beratungen der Vollversammlungsmitglieder mit dem Ziel einer Meinungsbildung voraus (vgl. § 4 Abs. 1, 6 und 7 der Satzung). Die Beratung dient dem Verhandeln von Argument und Gegenargument. Eine Beratung verfehlt ihren Zweck, wenn über den Beratungsgegenstand keine oder nur unzureichende Informationen zur Verfügung stehen. Vgl. BVerfG, Urteil vom 14.1.1986 - 2 BvE 14/83 und 4/84 -, a.a.O.

Die Mitglieder der Vollversammlung haben daher einen umfassenden Informationsanspruch, um ihren Aufgaben genügen zu können. Für das Haushaltswesen bestimmt § 8 Abs. 3 der Satzung deshalb, dass Präsident und Hauptgeschäftsführer der Vollversammlung vor der Beschlussfassung über die Entlastung Rechnung zu legen haben und die Rechnungsprüfer der Vollversammlung über das Ergebnis ihrer Prüfung berichten.

Die allgemeine Entscheidungskompetenz der Vollversammlung wird ergänzt durch die Aufgabe, die ordnungsgemäße Ausführung der Beschlüsse der Vollversammlung, insbesondere die Durchführung des Haushaltsplanes, durch Präsidium und Hauptgeschäftsführer zu überwachen (vgl. § 4 Satz 2 Nr. 5 IHKG). Mit den gesetzlichen Kontrollbefugnissen der Vollversammlung korrespondiert ein Recht des Vollversammlungsmitglieds auf Akteneinsicht.

Vgl. zum Kommunalrecht: Waechter, a.a.O., Rdnr. 291, 291a; Heidrun Schnell, Freie Meinungsäußerung und Rederecht, § 5 Nr. 1.2.4.

Eine verantwortliche Wahrnehmung der Kontrolle durch die Mitglieder der Vollversammlung erfordert es, sich im Bedarfsfall ein eigenes Bild von den für die Überwachung relevanten Vorgängen machen zu können.

(1) Das Akteneinsichtsrecht der Mitglieder der Vollversammlung erstreckt sich auch auf den Bericht der Rechnungsprüfungsstelle für die Industrie- und Handelskammern. Um eine wirksame Kontrolle des Finanzgebarens von Präsidium und Hauptgeschäftsführer, insbesondere für die Entscheidung über deren Entlastung (§§ 4 Satz 2 Nr. 5 IHKG, 3 Abs. 2 lit. g der Satzung), zu gewährleisten, ist den Vollversammlungsmitgliedern bei Bedarf die Einsichtnahme in den Prüfungsbericht der Rechnungsprüfungsstelle zu ermöglichen. Der Bericht erstreckt sich nach § 51 HKRO auf die Prüfung, ob die für die Haushalts- und Wirtschaftsführung geltenden Vorschriften und Grundsätze eingehalten sind, und unterstützt damit die Vollversammlung bei der Erfüllung ihrer Kontrollaufgabe. Darüber hinaus ist der Prüfungsbericht neben der Jahresrechnung und der ehrenamtlichen Rechnungsprüfung Grundlage für die Beschlussfassung der Vollversammlung über die Entlastung (§ 8 Abs. 3 der Satzung, § 54 HKRO).

(a) Die Regelung in § 53 Abs. 3 HKRO stellt entgegen der Auffassung des Beklagten keine den Einsichtnahmeanspruch der Vollversammlungsmitglieder ausschließende Vertraulichkeitsvorschrift dar, ungeachtet der Frage, ob der aus dem Mitgliedschaftsrecht und damit dem Gesetz abzuleitende Anspruch des einzelnen Vollversammlungsmitglieds auf Akteneinsicht überhaupt durch Satzungsrecht beschränkt werden darf.

Gemäß § 53 Abs. 3 HKRO ist der Prüfungsbericht dem Präsidenten und dem Hauptgeschäftsführer der Kammer in je einer Ausfertigung zuzuleiten. Außerdem ist der Kammer eine weitere Ausfertigung zur Weiterleitung an das zuständige Landesministerium zu übersenden. Eine weitere Ausfertigung verbleibt bei den Akten der Rechnungsprüfungsstelle. Eine Regelung über die Zugänglichkeit des Prüfungsberichts für Dritte nach der Übermittlung an die Kammer enthält die Vorschrift des § 53 HKRO nicht. Einschränkungen, etwa dass der Bericht "nur" dem in § 53 Abs. 3 HKRO genannten Personenkreis zuzuleiten ist, fehlen ebenso wie ein ausdrücklicher Hinweis auf die Vertraulichkeit des Berichts. Diesem Verständnis entspricht, dass den ehrenamtlichen Prüfern, die Mitglieder der Vollversammlung sind (vgl. § 3 Abs. 2 lit. n der Satzung), der Bericht der Rechnungsprüfungsstelle vorliegt (§ 54 Satz 2 HKRO), obwohl sie in § 53 Abs. 3 HKRO nicht genannt sind.

Auch dem Normzusammenhang ist kein Hinweis auf eine Vertraulichkeitsregelung zu entnehmen. In den §§ 50 bis 53 HKRO ist das der Entlastung vorausgehende Rechnungsprüfungsverfahren geregelt. Die Rechnungsprüfung erfolgt durch die unabhängige, vom Deutschen Industrie- und Handelstag errichtete Rechnungsprüfungsstelle für die Industrie- und Handelskammern sowie durch die ehrenamtlichen Rechnungsprüfer (§ 50 HKRO) und schließt mit dem Prüfungsbericht der Rechnungsprüfungsstelle bzw. der Stellungnahme der Rechnungsprüfer ab. § 51 HKRO bestimmt den Gegenstand der Rechnungsprüfung. Hierzu haben die Prüfer gemäß § 52 HKRO einen Anspruch auf umfassende Information. § 53 HKRO legt den notwendigen bzw. zulässigen Inhalt des Prüfungsberichts (§ 53 Abs. 1 und 2 HKRO) sowie den Kreis der Adressaten fest, dem der Bericht zugeleitet werden muss.

Gegen eine Auslegung des § 53 HKRO als Vertraulichkeitsregelung sprechen insbesondere Sinn und Zweck der Rechnungsprüfung durch die Rechnungsprüfungsstelle. Ihr Prüfungsbericht dient in erster Linie der Information und Unterstützung der Vollversammlung. Inhalt der Prüfung ist u.a., ob der Haushaltsplan eingehalten worden ist, ob wirtschaftlich und sparsam verfahren und ob die Finanzverwaltung ordentlich und zweckentsprechend geleitet und geführt wird (§ 51 Abs. 2 HKRO). Die Kontrolle der übrigen Kammerorgane und insbesondere die Beurteilung, ob Präsidium und Hauptgeschäftsführer die Entlastung erteilt werden kann, setzt die Kenntnis aller notwendigen Einzelheiten des Haushalts- und Wirtschaftsgebarens der Kammer voraus. Dazu gehört neben der Stellungnahme der ehrenamtlichen Rechnungsprüfer auch der Inhalt des Prüfungsberichts. Dabei ist das Recht auf vollständige Information nicht auf die Erteilung mündlicher Auskünfte beschränkt, sondern umfasst auch die Einsichtnahme in die vorliegenden schriftlichen Unterlagen einschließlich des Rechnungsprüfungsberichts.

(b) Ein anderes Normverständnis legen auch nicht allgemeine haushaltsrechtliche Grundsätze nahe. Zwar kommt aufgrund des den Rechnungshöfen angeglichenen Status der Rechnungsprüfungsstelle in Betracht, zur Frage der Zugänglichkeit des Rechnungsprüfungsberichts auf die Vorschriften der Rechnungsprüfung durch den Landesrechnungshof gemäß §§ 88 bis 104 LHO zurückzugreifen. Diese sprechen jedoch eher gegen als für die Vertraulichkeit des Prüfungsberichts.

§ 96 LHO bestimmt, dass der Landesrechnungshof das Prüfungsergebnis unverzüglich den zuständigen Stellen zur Äußerung mitteilt. § 96 LHO hat nur das vorläufige Prüfungsergebnis zum Gegenstand. Erst aufgrund der Stellungnahme der zuständigen Dienststelle - dies ist in der Regel die Stelle, deren Haushalts- und Wirtschaftsführung geprüft wird - wird ein Prüfungsergebnis abschließend festgestellt.

Vgl. zur entsprechenden Vorschrift in der Bundeshaushaltsordnung: Heuer, Kommentar zum Haushaltsrecht, § 96 Rdnr. 2, 4; Kyrill-A. Schwarz, in: v.Mangoldt/Klein/Starck, GG III, Art. 114 Rdnr. 93.

Die Prüfungsmitteilung im Sinne des § 96 LHO ist allerdings mit dem abschließenden Prüfungsbericht der Rechnungsprüfungsstelle, der Entscheidungsgrundlage für die Beschlussfassung der Vollversammlung ist, nicht vergleichbar. Der Rechnungsprüfungsbericht hat vielmehr eine dem Jahresbericht des Landesrechnungshofes ähnliche Funktion, weil das Ergebnis der Rechnungsprüfung im Sinne des § 97 LHO - zusammen mit der Haushaltsrechnung - die Basis für die Entlastung der Landesregierung durch den Landtag darstellt. Adressat des Jahresberichts ist gerade der Landtag (vgl. Art. 86 Abs. 2 Satz 2 LV, § 97 Abs. 1 LHO), vgl. Giesen-Fricke, Das Haushaltsrecht des Landes Nordrhein-Westfalen, Kommentar, § 97 Rdnr. 2.

Auch der Bundesrechnungshof hat seit der Neufassung des Art. 114 GG im Zuge der Reform der Haushaltsverfassung gemäß Art. 114 Abs. 2 Satz 2 GG nicht mehr allein der Bundesregierung, sondern unmittelbar dem Bundestag und dem Bundesrat zu berichten. Dadurch wird hervorgehoben, dass der Rechnungshof "Hilfsorgan der Exekutive und der Legislative" ist, dass er seine Prüfungsaufgabe also sowohl für Zwecke der Regierung als auch für Zwecke des Parlaments wahrnimmt.

Vgl. Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 9. Aufl., Art. 114, Rdnr. 5.

Soweit diese Grundsätze auf die Rechnungsprüfung in einer öffentlich-rechtlich konstituierten Kammer übertragbar sind, stützen sie die Annahme, dass die Mitglieder des maßgeblichen Kontrollorgans Einsicht in den Prüfungsbericht nehmen dürfen.

(c) Der Anspruch auf Akteneinsicht ist auch nicht aus anderen Gründen eingeschränkt. Spezielle Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitsvorschriften liegen nicht vor. Anhaltspunkte dafür, dass in dem Bericht Informationen enthalten sind, deren Weitergabe wegen ihres streng persönlichen Charakters für die Betroffenen unzumutbar sind, Vgl. dazu BVerfG, Urteil vom 17.7.1987, 2 BvE 11/83, 2 BvE 15/83, BVerfGE 67, 100, sind nicht ersichtlich. Im Übrigen haben die Mitglieder der Vollversammlung gemäß § 2 Abs. 3 Satz 2 der Satzung über alle Mitteilungen, Tatsachen und Verhandlungen, die ihrer Natur nach vertraulich sind oder als vertraulich bezeichnet werden, Stillschweigen zu bewahren. Damit ist gewährleistet, dass der Bericht der Rechnungsprüfungsstelle nicht außenstehenden Dritten bekannt gegeben oder zugänglich gemacht wird.

(d) Dem Informationsanspruch der Mitglieder der Vollversammlung ist nicht bereits mit der Stellungnahme der ehrenamtlichen Rechnungsprüfer, die den Rechnungsprüfungsbericht zu berücksichtigen haben, Genüge getan. Der Prüfung durch die Rechnungsprüfungsstelle kommt neben der "Eigenprüfung" durch die aus der Mitte der Vollversammlung gewählten Rechnungsprüfer eine eigenständige Bedeutung zu. Der Entlastung geht eine doppelte Prüfung der Jahresrechnung vor. Dabei liegt der Prüfungsbericht der Rechnungsprüfungsstelle den ehrenamtlichen Prüfern zugrunde, so dass diese das Schwergewicht ihrer Prüfung mehr auf Zweckmäßigkeitsfragen richten können.

Vgl. Frentzel/Jäkel/Junge, a.a.O., § 4 Rdnr. 46.

Im Bericht der beiden Rechnungsprüfer vom 5.11.2001 heißt es dem gemäß, die Prüfung habe sich wegen der umfassenden Prüfung des gesamten Buchführungs- und Belegwesens durch die Rechnungsprüfungsstelle darauf beschränken können, stichprobenweise Belege aus verschiedenen Titeln anzusehen und sie nach sachlichen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu überprüfen.

Darüber hinaus ist die Rechnungsprüfungsstelle, anders als die ehrenamtlichen Rechnungsprüfer, eine sachlich und persönlich unabhängige Stelle, die keinerlei Weisungen des Deutschen Industrie- und Handelstages und der Kammer unterworfen ist. Ihre Rechtsstellung ist der eines Rechnungshofes angeglichen.

Vgl. Frentzel/Jäkel/Junge, a.a.O., § 12 Rdnr. 28.

Für eine wirksame Kontrolle der zuständigen Organe ist die Unterrichtung der Vollversammlung von unabhängiger Seite naturgemäß besonders aufschlussreich.

Auch die Rechtsaufsicht des Landes (§ 11 IHKG) ist nach Art und Zielrichtung mit der Kontrollbefugnis der Vollversammlung nicht vergleichbar. Die Aufsichtsbehörde kann nur eingreifen, soweit sie aufgrund der von der Rechnungsprüfungsstelle ermittelten Tatsachen einen Rechtsverstoß oder einen Ermessensmissbrauch der Kammer bei der Haushaltsführung feststellt. Der Gestaltungsspielraum der Vollversammlung bleibt davon unberührt.

Vgl. Frentzel/Jäkel/Junge, a.a.O., § 12 Rdnr. 30.

(2) Dem Einsichtnahmeanspruch des Klägers steht nicht entgegen, dass er zum Zeitpunkt der Entlastungsentscheidung für das Haushaltsjahr 2000, der der Rechnungsprüfungsbericht von Oktober 2001 zugrunde lag, noch nicht Mitglied der Vollversammlung war. Der Entlastung kommt die Abnahme der kammerpolitischen Verantwortung für das Haushaltsgebaren während des betreffenden Rechnungsjahres zu, zeichnet die beteiligten Amtswalter aber nicht von ihrer zivil-, straf- oder öffentlich-rechtlichen Verantwortlichkeit frei.

Vgl. zur Entlastung des Präsidiums der Bundesrechtsanwaltskammer: BGH, Beschluss vom 12.12.1988 - AnwZ (B) 29/88 -, NJW 1989, 1151; Tettinger, a.a.O., S. 114; Frentzel/ Jäkel/Junge, a.a.O., § 4 Rdnr. 47; Siekmann, in: Sachs, Grundgesetz, 3. Aufl. 2002, Art. 114 Rdnr. 23.

Der Rechnungsprüfungsbericht bereitet nicht nur das Entlastungsverfahren vor, sondern dient daneben der Unterstützung der Vollversammlung bei der Kontrolle von Präsidium und Hauptgeschäftsführer. Er kann daher über das Rechnungsjahr hinaus Bedeutung für spätere Rechnungsjahre - auch in nachfolgenden Wahlperioden - haben, etwa dann, wenn die Frage langfristiger Fehlentwicklungen oder fortwirkender Konsequenzen aus haushaltspolitischen Entscheidungen früherer Jahre aufgeworfen ist.

Ende der Entscheidung

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