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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 02.10.2002
Aktenzeichen: 8 A 5546/00
Rechtsgebiete: DSchG NRW


Vorschriften:

DSchG NRW § 9
Dem Einbau von Kunststofffenstern in ein in die Denkmalliste eingetragenes Baudenkmal können Gründe des Denkmalschutzes entgegenstehen.
Tatbestand:

Die Kläger erstrebten die Zulassung der Berufung gegen ein Urteil, das eine Auflage der Unteren Denkmalbehörde bestätigt, nach der bei dem Umbau eines in die Denkmalliste eingetragenen Gebäudes Sprossenfenster aus Holz verwendet werden müssen. Der Senat lehnte den Antrag ab.

Gründe:

"...

Die angegriffene Auflage zur Erlaubnis nach § 9 DSchG NRW vom 11.3.1980 - "Fensteranlagen sind nur in Holzkonstruktion zulässig. Sie müssen zweiflügelig mit Sprosseneinteilung sein. Für Flügel und Blendrahmen sind Wasserschenkel einzubauen." - findet ihre Rechtsgrundlage in § 36 Abs. 1 (Alt. 2) VwVfG NRW i.V.m. § 9 Abs. 2 Buchst. a DSchG NRW. Sie ist rechtmäßig, da ohne sie eine Genehmigungsfähigkeit der von den Klägern beantragten Umbaumaßnahmen an dem in die Denkmalliste eingetragenen Gebäude nicht gegeben wäre. Der Einbau von kunststoffbeschichteten Aluminiumfenstern in die unter Schutz gestellten Teile dieses Gebäudes ist nicht genehmigungsfähig, da Gründe des Denkmalschutzes entgegenstehen; dies gilt sowohl für Fenster der in dem Bauantrag der Kläger vom näher bezeichneten Art als auch für Fenster, wie sie die Kläger tatsächlich - und abweichend von dem Bauantrag - eingebaut haben (dazu 1.). Die angegriffene Auflage stellt die Genehmigungsfähigkeit der Fenstererneuerung her, ohne die Kläger in ihren Rechten zu verletzen (dazu 2.).

1. Nach § 9 Abs. 2 Buchst. a DSchG NRW ist die Erlaubnis für die Veränderung eines Baudenkmals zu erteilen, wenn Gründe des Denkmalschutzes nicht entgegenstehen. Dabei lassen sich die "Gründe des Denkmalschutzes", die die Erteilung der Erlaubnis verhindern können, nicht in abstrakter, auf alle denkbaren Einzelfälle anwendbarer Form benennen, sondern müssen stets aus den Besonderheiten des zur Entscheidung stehenden konkreten Falles abgeleitet werden. Vorzunehmen ist eine von der Qualität des jeweils zu schützenden Denkmals abhängige Einzelfallprüfung, ob und inwieweit die Schutzzwecke des Denkmalschutzgesetzes durch die in Rede stehende Maßnahme und bezogen auf das konkret betroffene Denkmal gestört oder vereitelt werden könnten.

OVG NRW, Urteil vom 3.9.1996 - 10 A 1453/92 -, Urteilsabschrift S. 12.

Bei dieser Prüfung kommt den Gründen, aus denen ein Objekt unter Schutz gestellt worden ist, besonderes Gewicht zu, da diese Gründe die mit der Unterschutzstellung verbundene Einschränkung der Eigentümerbefugnisse rechtfertigen.

OVG NRW, Urteil vom 27.6.2000 - 8 A 4631/97 -, Urteilsabschrift S. 12.

Allerdings darf eine Erlaubnis nach § 9 Abs. 2 Buchst. a DSchG erst dann verweigert werden, wenn Gründe des Denkmalschutzes der Veränderung des Denkmals "entgegenstehen", also stärkeres Gewicht haben als die für die Veränderung streitenden Interessen. Nicht schon jede geringfügige Beeinträchtigung denkmalrechtlicher Belange kann deshalb zur Verweigerung einer beantragten Erlaubnis oder zur Feststellung der materiellen Illegalität einer formell illegal durchgeführten Maßnahme führen. Anders als bei der Entscheidung über die Unterschutzstellung selbst - die gerade von privaten Interessen unabhängig und allein vom Denkmalwert des betroffenen Objekts abhängig ist - verfolgt § 9 DSchG das Ziel, den Eigentümern trotz der ihnen auferlegten Einschränkungen eine flexible, profitable und zeitgerechte Nutzung des Denkmals im Rahmen des denkmalrechtlich Vertretbaren zu ermöglichen.

OVG NRW, Urteile vom 3.9.1996 - 10 A 1453/92 -, UA S. 12ff. m.w.N., vom 2.11.1988 - 7 A 2826/86 -, BRS 48 Nr. 117 (LS 2), vom 23.4.1992 - 7 A 936/90 -, NVwZ-RR 1993, 230 und vom 22.1.1998 - 11 A 688/97 -.

Die Anwendung dieser Maßstäbe auf den vorliegenden Fall ergibt, dass weder die von den Klägern tatsächlich vorgenommene noch die ursprünglich beantragte Veränderung der Fenster genehmigungsfähig ist.

Nach dem - im vorliegenden Verfahren nicht im Streit stehenden - Bescheid über die Eintragung des Gebäudes in die Denkmalliste vom 27.11.1990 zählt die straßenseitige Fassade des Gebäudes mit der Holzeingangstür in der Mittelachse und den gleichmäßig angeordneten Sprossenfenstern mit geteiltem Oberlicht zu den Charakteristika des Objekts, die bei der Unterschutzstellung eine hervorgehobene Rolle gespielt haben. Der Austausch dieser Fenster durch einflügelige kunststoffbeschichtete Aluminiumfenster ohne Sprosseneinteilung mit ungeteiltem Oberlicht verändert - wie sich aus dem in den Akten befindlichen Fotomaterial sowie aus der Stellungnahme des Amtes für Denkmalpflege vom 28.7.1999 mit Eindeutigkeit ergibt - die Wirkung dieser Fassade ganz erheblich. Die gliedernde Funktion der durch Sprosseneinteilung in sich ebenfalls gegliederten Fenster und ihre Wirkung als Blickfang werden geschwächt und die Einheitlichkeit in der Materialgebung von Haustür und Fensterrahmen sowie die Aussagekraft des verwendeten Werkstoffs beseitigt.

Zu vergleichbaren Fällen: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 23.7.1990 - 1 S 2998/89 -, BRS 50 Nr. 135; VG Karlsruhe, Urteil vom 26.10.1995 - 8 K 3002/94 -; Bay. VGH, Beschluss vom 9.8.1996 - 2 B 94.3022 -, BRS 58 Nr. 230; VG Meiningen, Urteil vom 24.10.1994 - 5 K 154/94.Me -; Nds. OVG, Beschluss vom 26.11.1992 - 6 L 24/90 -, BRS 54 Nr. 119; Hess. VGH, Urteil vom 27.9.1996 - 4 UE 1284/96 -, BRS 58 Nr. 231.

Der Umstand, dass in dem Gebäude der Kläger schon zum Zeitpunkt der Eintragung in die Denkmalliste fünf verschiedene Fensterformen vorhanden waren, ändert an dieser Einschätzung nichts, weil es nach dem Eintragungsbescheid in besonderer Weise auf die zur Straße gelegene Schaufront ankommt.

Auch die nach dem Bauantrag vom 4.5.1998 geplanten Fenster waren nicht genehmigungsfähig. Die Kläger beabsichtigten nach den vorgelegten Bauantragsunterlagen - Baubeschreibung und Ansichtszeichnung - den Einbau von kunststoffbeschichteten Aluminiumfenstern mit Sprosseneinteilung und geteiltem Oberlicht; den Zeichnungen lässt sich nicht entnehmen, ob die Fenster zweiflügelig ausgestaltet und mit Wasserschenkeln versehen sein sollten. Im Hinblick auf die für die Unterschutzstellung des Gebäudes maßgebliche Wirkung der straßenseitigen Fassade waren auch derartige Fenster wegen entgegenstehender Gründe des Denkmalschutzes nicht genehmigungsfähig. Zwar muss die Verwendung denkmalfremder Materialien bei der Renovierung denkmalwerter Gebäude nicht in jedem Fall ausgeschlossen sein. Die nach dem Denkmalschutzgesetz geforderte Möglichkeit der sinnvollen Nutzung von Denkmälern kann vielmehr im Einzelfall auch die Verwendung von denkmalfremden Materialien gestatten, wenn diese für den Denkmalwert keine besondere Bedeutung haben und die konkrete Ausführung auf das Erscheinungsbild des Denkmals angemessen Rücksicht nimmt.

OVG NRW, Urteil vom 27.6.2000 - 8 A 4631/97 - (Sonnenschutzjalousien aus Metall und Kunststoff); VG Meiningen, Urteil vom 24.10.1994 - 5 K 154/94.Me -; strenger Nds. OVG, Beschluss vom 26.11.1992 - 6 L 24/90 -, a.a.O.; Bay. VGH, Beschluss vom 9. Au-gust 1996 - 2 B 94.3022 -, BRS 58 Nr. 230; inwieweit an OVG NRW, Urteil vom 23.4.1992 - 7 A 936/90 -, BRS 54 Nr. 118 (Kunststofffenster) festzuhalten ist, kann offen bleiben.

Im vorliegenden Fall ist jedoch die Einheitlichkeit der Materialgebung bei Haustür und Fensteranlagen in der Schaufront des Gebäudes einer der Aspekte, die den Denkmalwert des Objekts begründen, weil sie maßgeblich zu der Gesamtwirkung der Fassade beiträgt; hierfür spricht neben den bereits genannten Aspekten der Umstand, dass die Gesamtfläche der vorhandenen Fenster im Verhältnis zu der straßenseitigen Fassade des Gebäudes sehr groß ist und deshalb besonders ins Auge fällt.

Zu diesem letztgenannten Aspekt ebenso Hess. VGH, Urteil vom 27.9.1996 - 4 UE 1284/96 -, a.a.O.

Die Zerstörung dieser Wirkung durch kunststoffbeschichtete Aluminiumfenster rechtfertigt die Einschätzung des Beklagten, dass auch einem Einbau von sprossenunterteilten Fenstern in modernen Materialien Gründe des Denkmalschutzes entgegenstehen.

2. Die angegriffene Auflage stellt die Genehmigungsfähigkeit des Umbauantrags her, ohne in Rechte der Kläger in unverhältnismäßiger Weise einzugreifen. Nach dem bisher Ausgeführten sind sowohl die Anordnung, die Fenster in Holz auszuführen, als auch die Anordnungen zur Gestaltung - Sprossenteilung, Zweiflügeligkeit, Wasserschenkel - erforderlich, um die für die Denkmaleigenschaften des Objekts maßgeblichen Charakteristika des Gebäudes zu wahren, ohne dass eine weniger belastende Auflage ersichtlich wäre.

Die Auflage ist auch insoweit nicht zu beanstanden, als sie sich auf die Fenster im Erdgeschoss des Gebäudes bezieht, die zum Zeitpunkt der Eintragung in die Denkmalliste nicht mehr aus Holz, sondern bereits als (sprossenunterteilte) Kunststofffenster ausgeführt waren. Denn die Auflage erlegt den Klägern nicht eine Rekonstruktion des originalen Bauzustands über die in § 7 DSchG NRW verankerten Eigentümerpflichten hinaus auf. Sie verlangt nicht die Beseitigung der ursprünglich vorhandenen nicht denkmalgerechten Fenster und ihre Ersetzung durch denkmalgerechte Holzfenster unabhängig vom Willen der Kläger, sondern knüpft an deren Absicht an, eine Erneuerung auch dieser Fenster vorzunehmen. Hätten die Kläger von dieser Absicht Abstand genommen, hätten sie die vorhandenen Kunststofffenster beibehalten können, da die Auflage in diesem Fall ins Leere gegangen wäre. Der Beklagte war jedoch nicht gehindert, für den Fall der Auswechslung auch der Fenster im Erdgeschoss eine Erneuerung auf denkmalgerechte Art und Weise zu fordern.

ebenso Nds, OVG, Urteil vom 14.9.1994 - 1 L 5631/92 -, BRS 56 Nr. 221; Bay. VGH, Beschluss vom 9.8.1996 - 2 B 94.3022 -, a.a.O. (S. 593 zum Erlöschen des Bestandsschutzes).

Nach ihrem Regelungziel bezieht sich die Auflage nicht auf die Erneuerung von Fenstern in der nicht unter Schutz gestellten Rückfassade des Gebäudes sowie in dem an den rechten Giebel sich anschließenden ein- bis zweigeschossigen Anbau, der ebenfalls nicht von der Unterschutzstellung erfasst ist; sie erfasst jedoch auch die Fenster in den Giebelseiten des ursprünglichen Gebäudes. Auch dies ist nicht zu beanstanden, da die Giebelseiten an der nach dem Bescheid über die Eintragung in die Denkmalliste bedeutsamen straßenraumprägenden Funktion des Gebäudes teilhaben.

..."

Ende der Entscheidung

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