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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 05.10.2007
Aktenzeichen: 8 B 1340/07
Rechtsgebiete: BauNVO, BImSchG, UmwRBG


Vorschriften:

BauNVO § 8
BauNVO § 15
BImSchG § 5
BImSchG § 10
BImSchG § 19
UmwRBG § 4
1. Ein Dritter, der rügt, eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung sei zu Unrecht im vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG und nicht in einem förmlichen Verfahren nach § 10 BImSchG unter Beteiligung der Öffentlichkeit erteilt worden, ist nur dann klage- bzw. antragsbefugt, wenn sich aus seinem Vorbringen ergibt, dass sich der gerügte Verfahrensfehler auf seine materiellrechtliche Position ausgewirkt haben könnte (wie BVerwG, Urteil vom 5.10.1990 - 7 C 55.89 -, BVerwGE 85, 368).

Es bleibt offen, ob an dieser Auffassung mit Blick auf § 4 UmwRBG auch für die Fälle festzuhalten ist, in denen das förmliche Genehmigungsverfahren zugleich der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung dient.

2. Eine Kleinanliefererstelle, die der Annahme von Abfällen aus Privathaushalten in haushaltsüblichen Mengen sowie der Annahme von Elektroaltgeräten dient, kann als nicht erheblich belästigender Gewerbebetrieb oder als öffentlicher Betrieb i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO in einem Gewerbegebiet bauplanungsrechtlich zulässig sein.


Tatbestand:

Die Antragstellerinnen wandten sich gegen eine der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Kleinanlieferstelle, die der Annahme von nicht gefährlichen Abfällen (z.B. Sperrmüll, Bauschutt und Grünschnitt) und bestimmten Schadstoffen (z.B. Farbreste, Pestizide und Batterien) in haushaltsüblichen Mengen aus Privathaushalten sowie von Elektro-Altgeräten von Privaten und Gewerbetreibenden dient. Die Annahme von Hausmüll und sonstigen, im gewerblichen Bereich anfallenden Abfällen ist nicht vorgesehen. Das betreffende Grundstück liegt innerhalb eines durch Bebauungsplan festgesetzten Gewerbegebiets am Ende einer Sackgasse.

Die Antragstellerin zu 1. betreibt auf einem im selben Gewerbegebiet gelegenen, der Antragstellerin zu 2. gehörenden Grundstück ein Unternehmen, das medizinische Produkte anbietet. Gegen die der Beigeladenen im vereinfachten Verfahren (§ 19 BImSchG) erteilte Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Anlage zur zeitweiligen Lagerung, zur Behandlung sowie zum Umschlag von Abfällen erhoben die Antragstellerinnen Widerspruch. Ihren nach Anordnung der sofortigen Vollziehung gestellten Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Widersprüche lehnte das VG ab; die Beschwerde hatte keinen Erfolg.

Gründe:

Das VG hat im Rahmen der nach den §§ 80a Abs. 1 Nr. 2, 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung maßgeblich darauf abgestellt, dass der Widerspruch bzw. eine nachfolgende Klage der Antragstellerinnen gegen die der Beigeladenen erteilte Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Anlage zur zeitweiligen Lagerung, zur Behandlung sowie zum Umschlag von Abfällen voraussichtlich keinen Erfolg haben werde. Der angefochtene Genehmigungsbescheid leide nicht an Fehlern, die eine Verletzung von materiellen Rechten der Antragstellerinnen zur Folge hätten. Die hiergegen im Beschwerdeverfahren erhobenen Rügen bleiben ohne Erfolg.

1. Die Ausführungen der Antragstellerinnen dazu, dass die Antragsgegnerin über die streitbefangene Genehmigung zu Unrecht im vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG und nicht in einem förmlichen Verfahren unter Beteiligung der Öffentlichkeit nach § 10 BImSchG entschieden habe, stellen den angefochtenen Beschluss im Ergebnis nicht in Frage. Denn das VG hat die insoweit von den Antragstellerinnen aufgeworfenen Fragen zwar angesprochen, letztlich aber unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerwG mit der Begründung offen gelassen, dass ein etwaiger Verfahrensfehler für sich genommen nicht die Aufhebung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung rechtfertige, solange die Antragstellerinnen nicht in materiellen Rechten verletzt seien. Diesen rechtlichen Ansatz stellt das Beschwerdevorbringen mit dem Hinweis auf die Kommentierung von Dietlein, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 10 BImSchG Rn. 279, wonach Dritte eine Verletzung einer ihnen dienenden Verfahrensnorm rügen können, nicht in Zweifel. Nach der vom VG zitierten Rechtsprechung des BVerwG dient das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren zwar auch dazu, den Schutz der Nachbarschaft zu gewährleisten. Das bedeutet indes nicht, dass die Einhaltung des Verfahrens um seiner selbst willen dem Schutz potentiell betroffener Nachbarn dient, unabhängig davon, ob konkret materielle Anforderungen zum Schutz der Nachbarn verletzt sind oder nicht. Das Verfahren dient dem Schutz Dritter vielmehr nur insofern, als es gewährleisten soll, dass die materiell-rechtlichen Schutzvorschriften eingehalten werden. Selbst in den Fällen, in denen Verfahrensvorschriften - worauf die von den Antragstellerinnen zitierte Kommentierung abhebt - drittschützende Wirkung zukommt, gewährt die verfahrensrechtliche Rechtsposition dem Dritten Schutz nur im Hinblick auf eine bestmögliche Verwirklichung seiner materiellen Rechtsposition. Klage- bzw. antragsbefugt ist er nur, wenn sich aus seinem Vorbringen ergibt, dass sich der gerügte Verfahrensfehler auf seine materiellrechtliche Position ausgewirkt haben könnte.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 5.10.1990 - 7 C 55.89 und 7 C 56.89 -, BVerwGE 85, 368; OVG NRW, Beschluss vom 7.1.2004 - 22 B 1288/03 -, NVwZ-RR 2004, 408; Schack, in: Giesberts/Reinhardt, Umweltrecht, 2007, § 10 BImSchG Rn. 92.

Das ist hier, wie nachfolgend dargelegt wird, nicht der Fall.

Darauf, ob an dieser Auffassung mit Blick auf § 4 des Gesetzes über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG (Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz) vom 7.12.2006 (BGBl. I S. 2816) - UmwRBG - auch für die Fälle festzuhalten ist, in denen das förmliche Genehmigungsverfahren nach § 10 BImSchG einschließlich der Öffentlichkeitsbeteiligung zugleich der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung dient, kommt es im vorliegenden Zusammenhang nicht an. Denn der Auffassung des VG, dass es sich nicht um ein nach § 3 Abs. 1 Satz 1 UVPG in Verbindung mit Anlage 1 UVP-pflichtiges Vorhaben handele, sind die Antragstellerinnen im Beschwerdeverfahren nicht entgegengetreten.

2. Es ist nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand nicht erkennbar, dass die Genehmigung des Vorhabens materielle Rechte der Antragstellerinnen beeinträchtigt.

Ohne Erfolg rügen die Antragstellerinnen, dass die Errichtung der Kleinanliefererstelle als immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlage zur zeitweiligen Lagerung, zur Behandlung sowie zum Umschlag von Abfällen in einem Gewerbegebiet nach § 30 BauGB i.V.m. den §§ 1 Abs. 3 Satz 2, 8 BauNVO bauplanungsrechtlich unzulässig und deshalb gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG nicht genehmigungsfähig sei.

Dabei kann offen bleiben, welche Bedeutung der zumindest in erster Linie das Verhältnis von Fachplanung und Bauleitplanung betreffenden Regelung des § 38 BauGB - vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.6.2007 - 7 B 4.07 -, juris ("Inselabwägung" städtebaulicher Belange) - für die bauplanungsrechtliche Beurteilung des Vorhabens im hier in den Blick zu nehmenden Nachbarrechtsverhältnis zukommt. Auch wenn man § 38 BauGB, wonach die §§ 29 bis 37 BauGB auf die Errichtung und den Betrieb öffentlich zugänglicher Abfallbeseitigungsanlagen nicht anzuwenden sind, wenn die Gemeinde im Genehmigungsverfahren beteiligt wird, außer Betracht lässt, spricht Alles dafür, dass die Genehmigung des Vorhabens der Beigeladenen bauplanungsrechtlich zulässig ist.

a) Das Vorhaben verletzt bei der im vorliegenden Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung nicht den planungsrechtlichen Anspruch der Antragstellerinnen auf Gewährleistung der Gebietsart.

Auf die Bewahrung der festgesetzten Gebietsart hat jeder Nachbar auch dann einen Anspruch, wenn das baugebietswidrige Vorhaben im Einzelfall noch nicht zu einer tatsächlich spürbaren und nachweisbaren Beeinträchtigung führt. Im Rahmen des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses soll jeder Planbetroffene das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die schleichende Umwandlung des Baugebiets verhindern können.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 16.9.1993 - 4 C 28.91 -, BVerwGE 94, 151, und Beschluss vom 2.2.2000 - 4 B 87.99 -, NVwZ 2000, 679.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Das Vorhaben der Beigeladenen ist nicht baugebietswidrig.

Der Standort der geplanten Anlage liegt ebenso wie das Betriebsgrundstück der Antragstellerinnen in dem durch Bebauungsplan festgesetzten Gewerbegebiet. Eine weitergehende Eingrenzung der zulässigen Betriebsarten enthält der Bebauungsplan, soweit dies den Akten zu entnehmen ist, nicht.

Gemäß § 8 Abs. 1 BauNVO dienen Gewerbegebiete vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben. Zulässig sind nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO insbesondere Gewerbebetriebe aller Art, Lagerhäuser, Lagerplätze und öffentliche Betriebe. Unter den Begriff der öffentlichen Betriebe fallen beispielsweise Elektrizitäts-, Gas-, Wasser-, Fernheiz- und Umspannwerke, Depots für die Fahrzeugparks von Polizei, Müllabfuhr, Tiefbauverwaltung oder Verkehrsbetrieben, Schlachthöfe in öffentlicher Trägerschaft sowie Klär- und Abfallbeseitigungsanlagen.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.12.2005 - 4 B 71.05 -, NVwZ 2006, 457 = BayVBl. 2006, 285; Fickert/Fieseler, Baunutzungsverordnung, 10. Aufl., 2002, § 8 Rn. 10.1.

Auch eine Müllsammelstelle, in der Abfallbesitzer Abfall nach Stoffen getrennt in bereitgestellte Container und sonstige Behältnisse verbringen, gehört zu den öffentlichen Betrieben i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO.

Vgl. Fickert/Fieseler, a.a.O., § 8 Rn. 10.1.

Ohne dass es im Ergebnis entscheidend darauf ankäme, spricht danach Erhebliches dafür, dass es sich bei der geplanten Kleinanliefererstelle um einen öffentlichen Betrieb in Form einer Abfallbeseitigungsanlage handelt. Die privatrechtliche Rechtsform der Beigeladenen dürfte dieser Einordnung nicht entgegenstehen. Trägerschaft und Rechtsform sind nicht entscheidend; maßgeblich ist vielmehr, dass eine öffentliche Aufgabe der Daseinsvorsorge wahrgenommen wird.

Vgl. Fickert/Fieseler, a.a.O., § 8 Rn. 10.

Jedenfalls sind die Beeinträchtigungen, die von dem Betrieb der Beigeladenen ausgehen, nicht erheblich im Sinne von § 8 Abs. 1 BauNVO.

Nach der Rechtsprechung des BVerwG ist es - unabhängig von der nach § 15 Abs. 1 BauNVO vorzunehmenden "Feinabstimmung" - geboten, die Vorschriften des immissionsschutzrechtlichen Verfahrensrechts zu einer sachgerechten Konkretisierung des Begriffs "nicht erheblich belästigender Gewerbebetrieb" heranzuziehen. Das Gleiche gilt für die Beurteilung der Gewerbegebietsverträglichkeit eines öffentlichen Betriebes. Da die immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbedürftigkeit ein anlagentypisches Gefährdungspotential kennzeichnet, darf und muss bauplanungsrechtlich in aller Regel ein konkretes, die Gebietsprägung beeinträchtigendes Störpotential unterstellt werden. Etwas anderes gilt etwa dann, wenn das immissionsschutzrechtliche Genehmigungserfordernis für den Anlagentyp nicht oder jedenfalls nicht in erster Linie wegen der Gefahr schädlicher Umwelteinwirkungen für die Umgebung besteht oder aber wenn der jeweilige Betrieb in einer Weise atypisch ist, dass er nach seiner Art und Betriebsweise von vornherein keine Störungen befürchten lässt und damit seine Gebietsverträglichkeit dauerhaft und zuverlässig sichergestellt ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 24.9.1992 - 7 C 7.92 -, NVwZ 1993, 987, und Beschluss vom 2.2.2000 - 4 B 87.99 -, NVwZ 2000, 679 .

Ausgehend von diesen - gegenüber den Anforderungen des Rücksichtnahmegebots (vgl. § 15 Abs. 1 BauNVO) strengeren - Maßstäben bestehen gegen die Gebietsverträglichkeit der geplanten Anlage keine durchgreifenden Bedenken.

Nach Maßgabe der angefochtenen Genehmigung und der von dieser in Bezug genommenen Antragsunterlagen einschließlich der Betriebsbeschreibung ist die Einschätzung der Antragstellerinnen, dass die geplante Abfallbeseitigungsanlage erhebliche, über das Maß des in Gewerbegebieten Zumutbaren hinausgehende Beeinträchtigungen verursacht, unbegründet. Die von dem Vorhaben zu erwartenden Beeinträchtigungen sind aufgrund des konkreten Betriebsgegenstands für die Nachbarschaft im Vergleich zu typischen, dem Regime des Immissionsschutzrechts unterstellten Anlagen deutlich weniger belastend und daher gewerbegebietsverträglich.

Dabei ist es unerheblich, ob die Stadt für das hier betroffene Gewerbegebiet - wie die Antragstellerinnen geltend machen - einen gegenüber anderen Gewerbegebieten gehobenen Standard anstrebt oder jedenfalls angestrebt hat. Zwar können die Bezeichnung des Gebiets als "Businesspark" sowie die Gestaltung mit großzügigen Grün- und Wasserflächen zusammen mit der von der Stadt herausgegebenen Broschüre den Eindruck hervorrufen, dass es sich um ein atypisches Gewerbegebiet handelt, in dem ausschließlich nicht immissionsträchtige Gewerbebetriebe sowie Geschäfts-, Büro- und Verwaltungsgebäude (vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 2 BauNVO) entstehen sollen. Darauf kommt es für die Beurteilung der Gebietsverträglichkeit aber nicht an. Maßgeblich ist die - nicht gemäß § 1 Abs. 4 BauNVO weiter konkretisierte oder eingeschränkte - bauplanungsrechtliche Festsetzung als Gewerbegebiet. Entsprechend dem danach zugrunde zu legenden Begriffsverständnis der Baunutzungsverordnung sind im Gewerbegebiet neben Betrieben, die - wie vorliegend - im Zusammenhang mit der öffentlichen Daseinsvorsorge stehen, auch Gewerbebetriebe zulässig, in denen wahrnehmbar gearbeitet wird und von denen typischerweise ein gewisses Maß an Umweltbeeinträchtigungen insbesondere in Form von Maschinen- und Fahrzeuggeräuschen ausgeht.

Bei der Bestimmung der Grenze der in einem Gewerbegebiet zumutbaren Beeinträchtigungen ist - soweit es um schädliche Umwelteinwirkungen geht - auf die Vorgaben des Immissionsschutzrechts zurückzugreifen. Aufgrund der zwischen Immissionsschutzrecht und Bebauungsrecht bestehenden Wechselwirkung konkretisiert einerseits das Bundes-Immissionsschutzgesetz die gebotene Rücksichtnahme auf die Nachbarschaft allgemein und folglich auch mit Wirkung für das Bebauungsrecht. Andererseits bemisst sich die Schutzwürdigkeit eines Gebiets nach dem, was dort planungsrechtlich zulässig ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 24.9.1992 - 7 C 7.92 -, NVwZ 1993, 987, und Beschluss vom 2.2.2000 - 4 B 87.99 -, NVwZ 2000, 679 .

Die Umwelteinwirkungen, die bei dem Betrieb des Abfall-Centers in den durch die erteilte Genehmigung gezogenen Grenzen zu erwarten sind, halten sich nach ihrer Art und Schwere nicht nur bezogen auf das Grundstück der Antragstellerinnen, sondern schon bezogen auf die unmittelbar angrenzenden Nachbargrundstücke innerhalb der Grenzen des in Gewerbegebieten Zumutbaren.

aa) Das gilt insbesondere für die Geräuschbelastung. Ein Betrieb der Anlage zur Nachtzeit ist weder beabsichtigt noch von der Genehmigung umfasst (vgl. Kapitel 9.4 der Antragsunterlagen). Bezogen auf den Tagbetrieb hat das Ingenieurbüro U. für den Fall, dass alle lärmrelevanten Anlagenteile gleichzeitig maximal genutzt werden, für den Immissionsort IO 2, d.h. die den Antragstellerinnen zugewandte nordöstliche Grenze des Vorhabengeländes, einen Lärmpegel von 59 dB(A) ermittelt. Damit wird der nach Nr. 6.1 Buchst. b TA Lärm für Gewerbegebiete tagsüber maßgebliche Immissionsrichtwert von 65 dB(A) um 6 dB(A) unterschritten, so dass der Immissionsbeitrag der Anlage nach Nr. 3.2.1 Abs. 2 TA Lärm als irrelevant anzusehen ist und es einer Einbeziehung der Vorbelastung nicht bedarf. Anhaltspunkte, die ein Abweichen von dieser Regel nahe legen, sind nicht ersichtlich.

Die Genehmigung stellt auch hinreichend sicher, dass schädliche Lärmbelastungen dauerhaft ausbleiben. Sie legt fest, dass an der nordöstlichen, innerhalb des Gewerbegebiets liegenden Grundstücksgrenze ein Immissionswert von 59 dB(A) nicht überschritten werden darf. Zwar schreibt die Genehmigung keinen Emissionspegel vor. Dadurch werden Nachbarrechte aber nicht beeinträchtigt. Ausgehend von dem Umfang der Genehmigung und den Antragsunterlagen einschließlich der Betriebsbeschreibung ermöglicht die Genehmigung keinen Anlagenbetrieb, bei dem mit einer Überschreitung des maßgeblichen Richtwerts zu rechnen wäre. Die Immissionsprognose untersucht die Lärmbelastung, die bei einem Betrieb im maximalen Umfang entstehen kann, d.h. im Rahmen der durch die Genehmigung vorgegebenen Kapazitätsgrenzen, deren Einhaltung anhand des gemäß Auflage 4.29 zu führenden Betriebstagebuchs ohne Weiteres überwacht werden kann, und bei dem zu Spitzenzeiten zu erwartenden Verkehrsaufkommen. Sollten größere als die zugelassenen Abfallmengen angenommen werden, wäre der Betrieb jedenfalls formell illegal. Darauf, dass die Kapazität der Anlage theoretisch ausreicht, größere Abfallmengen aufzunehmen, kommt es hier nicht an. Ausgehend von den im Genehmigungsantrag angegebenen und in die Genehmigung übernommenen Kapazitätsmengen ist die Lärmprognose hinsichtlich des zu erwartenden Fahrzeugverkehrs auch plausibel. (wird ausgeführt)

Etwas anderes folgt nicht aus den Überlegungen der Antragstellerinnen zu dem An- und Abfahrtverkehr, der zwangsläufig durch das Gewerbegebiet führt und dabei insbesondere das Grundstück der Antragstellerinnen passiert. Selbst wenn in diesem Bereich mit einer hohen Verkehrslärmbelastung zu rechnen sein sollte, könnten die Nachbarn daraus keine Rechte herleiten. Denn in die Immissionsprognose ist zu Recht nur der auf dem Betriebsgelände der Beigeladenen entstehende Fahrzeugverkehr einbezogen worden. Der Fahrzeugverkehr auf öffentlichen Straßen ist nämlich in Industrie- und Gewerbegebieten außer Betracht zu lassen (vgl. Nr. 7.4 Abs. 2 TA Lärm).

(...)

Die Beeinträchtigungen durch den entstehenden Fahrzeugverkehr und Maschinenbetrieb sind auch ungeachtet der berechneten Immissionswerte nach Art und Häufigkeit nicht gebietsunverträglich, sondern für ein Gewerbegebiet typisch, weil sich dort nach § 8 BauNVO sowohl Betriebe ansiedeln dürfen, die mit PKW-Verkehr verbundene Kundenkontakte erfordern, als auch Betriebe, die - wie Lagerhäuser - Lkw-Verkehr hervorrufen. Aus der bereits erwähnten Regelung in Nr. 7.4 TA Lärm folgt, dass der auf öffentlichen Straßen verursachte Verkehrslärm in einem Gewerbegebiet grundsätzlich nicht als erhebliche betriebsbedingte Belästigung zu werten ist. Davon ausgehend ist auch die mit dem Verkehr von LKW häufig einhergehende Beeinträchtigung durch Staub und Geruch grundsätzlich hinzunehmen.

bb) Eine gewerbegebietsunverträgliche Geruchsbelästigung, wie sie bei Abfallbeseitigungsanlagen typischerweise in Betracht zu ziehen sein mag, ist bei der hier geplanten Anlage wegen der Art, Herkunft und Menge der anzunehmenden Abfälle ebenfalls nicht zu erwarten. Aller Voraussicht nach werden von der Anlage keine deutlich wahrnehmbaren Gerüche ausgehen.

In der Anlage sollen weder Haus- noch Biomüll angenommen werden, sondern überwiegend solche Abfälle, die - wie Sperrmüll und Elektro-Altgeräte - entweder grundsätzlich keine Gerüche verursachen, oder - wie Farben, Lacke und andere Schadstoffe - in geschlossenen Behältern angeliefert werden.

Eine Geruchsbelästigung ist auch von dem angenommenen Grünschnitt (biologisch abbaubare Abfälle, Abfallschlüsselnummer 20 02 01) nicht zu erwarten. Die Einschätzung des VG, dass in privaten Haushalten anfallender Grünschnitt bei seiner Anlieferung grundsätzlich keine störenden Gerüche verursacht, ist nicht zu beanstanden. Gerüche dürften zwar im Falle einer längeren Lagerung insbesondere von Rasenschnitt wegen des dann einsetzenden Zersetzungsprozesses zu befürchten sein. Eine längere Lagerungszeit wäre aber von der erteilten Genehmigung nicht gedeckt. Zwar ist die Formulierung der Auflage 2.4, wonach biologisch abbaubare Abfälle "schnellstmöglich abzutransportieren" sind, im Hinblick auf die nötige Bestimmtheit nicht gänzlich unbedenklich. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der von der Beigeladenen vorgelegten Betriebsbeschreibung, nach der die angenommenen Abfälle täglich - auch samstags - mit Lastkraftwagen abgefahren werden, wird "schnellstmöglich" bei sachgerechter Auslegung allerdings dahin zu verstehen sein, dass gefüllte Container spätestens am nächsten Werktag abzufahren sind.

(...)

cc) Das VG hat im Anschluss an die Einschätzung der Antragsgegnerin und die von der Beigeladenen im Genehmigungsverfahren vorgelegte Immissionsprognose ferner angenommen, dass eine relevante Staubentwicklung zwar bei der Annahme und Zwischenlagerung von Abfällen mit den Abfallschlüsselnummern 17 01 07 (Gemische aus Beton, Fliesen, Ziegeln und Keramik) und 17 09 04 (gemischte Bau- und Abbruchabfälle) zu erwarten sei, aber durch die als Auflage in der Genehmigung festgeschriebenen Schutzvorkehrungen - Lagerung in Containern (Auflage 2.1) , Abdeckung gefüllter Container mit Planen (Auflage 2.2) und Befeuchtung des Inhalts noch zu befüllender Container (Auflage 2.3) - ausreichend verhindert würden. Dem tritt die Beschwerde nicht substantiiert entgegen. (...)

dd) Schließlich fügt sich nach Maßgabe der vorliegenden Pläne auch die optische Gestaltung des Abfall-Centers in das Gebiet ein. Das gilt sowohl für die gewerbegebietstypische Fassadengestaltung als auch für die bauplanungsrechtlich vorgegebene Bepflanzung, die insbesondere dem zur Straße hin gelegenen Anlagenbereich vorgelagert sein wird.

ee) Aus alldem folgt, dass das Vorhaben, obwohl es einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedarf, lediglich Belästigungen verursacht, die nach Art und Intensität dem entsprechen, womit ein im Gewerbetrieb ansässiger Nachbar rechnen muss. Es ist daher im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung des BVerwG atypisch.

Daraus, dass das Vorhaben möglicherweise dem seitens der Stadt und der Planbetroffenen angestrebten gehobenen "Image" des Gebiets nicht gerecht wird, können die Antragstellerinnen keine Rechte herleiten. Denn einen "Milieuschutz" gewährleistet das Bauplanungsrecht nicht.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 23.8.1996 - 4 C 13.94 -, BVerwGE 101, 364; Nds. OVG, Beschluss vom 4.1.2005 - 7 ME 249/04 -, NVwZ-RR 2006, 25.

Die Antragstellerin zu 1. hat somit keinen bauplanungsrechtlichen Anspruch auf ein Umfeld, in dem die für ihren Betrieb geltenden Hygiene-Anforderungen ohne weiteres sichergestellt werden. Vielmehr muss sie selbst nötigenfalls weitere Schutzmaßnahmen ergreifen.

b) Aus den vorstehenden Ausführungen zur Gebietsverträglichkeit des Vorhabens folgt zugleich, dass sich die Antragstellerinnen im Hinblick auf die von ihnen befürchteten schädlichen Umwelteinwirkungen nicht mit Erfolg auf das in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO konkretisierte baurechtliche Rücksichtnahmegebot berufen können. Denn die Kleinanliefererstelle fügt sich insoweit in bauplanungsrechtlich verträglicher Weise in das Gewerbegebiet ein. Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerinnen mit schädlichen Umwelteinwirkungen i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG rechnen müssten, sind nicht ersichtlich. Auf eine erhöhte Schutzwürdigkeit der Antragstellerinnen, die sich aus dem konkreten Unternehmensgegenstand ergibt, kommt es aufgrund der vorliegenden planungsrechtlichen Situation nicht an.

c) Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme ergibt sich auch nicht aus einer zu erwartenden Überlastung der B.-Straße durch den zusätzlichen Verkehr zum und vom Betriebsgelände der Beigeladenen. Allerdings kann ein Vorhaben, dass die verkehrstechnisch vorgegebenen Aufnahmekapazitäten einer Erschließungsstraße überfordert, im bauplanungsrechtlichen Sinne rücksichtslos sein, wenn ein Grundstück über Stunden nicht verlässlich erreichbar ist.

Vgl. zu fehlenden Stellplatzkapazitäten: OVG NRW, Beschluss vom 15.11.2005 - 7 B 1823/05 -, NWVBl. 2006, 229.

Eine Überlastung der Aufnahmekapazitäten der B.-Straße mit derart gravierenden Auswirkungen ist aber nicht ernstlich zu erwarten. (wird ausgeführt)

3. Die Interessenabwägung fällt nach alldem zu Lasten der Antragstellerinnen aus. Bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen ist zu berücksichtigen, dass die Antragstellerinnen - wie dargelegt - bei summarischer Prüfung aller Voraussicht nach nicht in materiellen Rechten verletzt sind. Demgegenüber liegt das wirtschaftliche Interesse der Beigeladenen auf der Hand. Hinzu kommt das öffentliche Interesse an der Sicherstellung der Abfallentsorgung als Aufgabe der Daseinsvorsorge. (wird ausgeführt)

Ende der Entscheidung

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