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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 28.11.2005
Aktenzeichen: 8 B 1744/05
Rechtsgebiete: FahrlG, GG


Vorschriften:

FahrlG § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
FahrlG § 8 Abs. 2
GG Art. 12
Straftaten, die ein Fahrlehrer wiederholt auch gegenüber Fahrschülern begeht, können eine Unzuverlässigkeit für den Fahrlehrerberuf begründen.
Tatbestand:

Der Antragsteller, ein Fahrlehrer, wandte sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen den Widerruf seiner Fahrlehrerlaubnis. Anlass für den Widerruf war eine strafrechtliche Verurteilung wegen zahlreicher Beleidigungen und einiger Bedrohungen, die aus Sicht der Behörde die Unzuverlässigkeit des Antragstellers als Fahrlehrer begründeten. Sein Antrag, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs wiederherzustellen, blieb in beiden Instanzen erfolglos.

Gründe:

Das VG hat den Antrag des Antragstellers mit der Begründung abgelehnt, das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Widerrufs der Fahrlehrerlaubnis überwiege das private Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs, weil Überwiegendes dafür spreche, dass die angefochtene Verfügung rechtmäßig sei und im Übrigen die Interessenabwägung zu Ungunsten des Antragstellers ausfalle.

Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, stellt diese Auffassung des VG nicht in Frage. Insbesondere ist die Einschätzung nicht zu beanstanden, der Antragsteller sei als Fahrlehrer unzuverlässig, weshalb die Fahrlehrerlaubnis gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Gesetzes über das Fahrlehrerwesen vom 25.8.1969 (BGBl. I S. 1336), zuletzt geändert durch Art. 44 des Gesetzes vom 21.6.2005 (BGBl. I S. 1818) - FahrlG - zwingend zu widerrufen sei.

Es liegen Tatsachen vor, die den Antragsteller im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FahrlG für den Fahrlehrerberuf als unzuverlässig erscheinen lassen. Dies folgt allerdings nicht bereits daraus, dass der Antragsteller die in § 8 Abs. 2 Satz 2 FahrlG beispielhaft für eine Unzuverlässigkeit im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FahrlG genannten Voraussetzungen erfüllen würde; denn es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass er wiederholt die Pflichten gröblich verletzt hat, die ihm nach dem Fahrlehrergesetz oder den auf ihm beruhenden Rechtsverordnungen obliegen.

Die Unzuverlässigkeit des Antragstellers gerade auch im Zusammenhang mit der Ausbildung von Fahrschülern ergibt sich jedoch aus dem seiner strafrechtlichen Verurteilung zugrunde liegenden Sachverhalt. Danach ist zu befürchten, dass der Antragsteller bei künftiger Tätigkeit als Fahrlehrer auch weiterhin die Bekanntschaft mit Fahrschülerinnen zum Anlass nehmen würde, diese in strafbarer Weise mit aggressiven, obszönen und herabwürdigenden Äußerungen zu beleidigen und zu bedrohen.

Unstreitig hat der Antragsteller wenigstens an neun Frauen teilweise über zwei Jahre hinweg anonym bzw. unter falschem Namen über ein nicht registriertes Mobiltelefon zahlreiche "SMS"-Nachrichten pornographischen und beleidigenden, teilweise auch bedrohenden Inhalts geschickt und sie mit entsprechenden Anrufen geradezu verfolgt. Die Taten wiegen besonders schwer, weil er sich darüber hinaus detaillierte Informationen über das Privatleben einzelner Frauen verschafft hat, die er dabei gezielt eingesetzt hat, um die Betroffenen sexuell zu beleidigen und in große Ängste zu versetzen. Jedenfalls gegenüber vier Frauen hat der Antragsteller diese Taten unter Ausnutzung seiner Position als Fahrlehrer begangen, indem er sie unter den Fahrschülerinnen der Fahrschulen ausgewählt hat, bei denen er beschäftigt gewesen ist. Dadurch hat der Antragsteller auch das ihm als Fahrlehrer entgegen gebrachte Vertrauen grob und nachhaltig verletzt, er werde mit den persönlichen Daten der Fahrschüler(innen) vertraulich umgehen und diese insbesondere nicht für anonyme strafbewehrte und kriminelle Nachstellungen missbrauchen.

Der Antragsteller wendet ohne Erfolg ein, sein strafbares Verhalten stehe überwiegend nicht in einem ersichtlichen Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit als Fahrlehrer. Lediglich einen geringeren Teil der Beleidigungen habe er gegenüber Fahrschülerinnen und zwar nicht während seiner Tätigkeit als Fahrlehrer begangen. Die Geschädigten seien ihm "nur zufällig aufgrund seiner Fahrlehrertätigkeit bekannt" gewesen.

Unabhängig davon, dass dem Antragsteller einige Mobilfunknummern auch anderweitig bekannt geworden sein mögen, ist er gerade deshalb als Fahrlehrer unzuverlässig, weil er durch seine Taten hat erkennen lassen, dass insbesondere Fahrschülerinnen durch seine Angriffe in besonderer Weise gefährdet sind, weil er diese aufgrund seiner Fahrlehrertätigkeit kennen lernt und deren zum Teil vertrauliche Angaben (z.B. der Mobilfunknummern) ausnutzt. Indem der Antragsteller es noch in der Beschwerdebegründung als Zufall darstellt, ob seine Opfer Fahrschülerinnen oder andere Frauen waren, räumt er der Sache nach ein, dass Fahrschülerinnen allein deshalb potentielle Opfer waren, weil sie ihm bekannt geworden sind. Sein zumindest überwiegend unauffälliges Verhalten bei der Fahrlehrertätigkeit kann den Antragsteller nicht entlasten, weil es geradezu Bestandteil seiner vorwerfbaren Vorgehensweise war: Nur durch das gezielte Beschaffen von Mobiltelefonen, über die er nicht identifiziert werden konnte, und durch sein ansonsten weitgehend unauffälliges Auftreten in der Öffentlichkeit konnte er so lange unerkannt aus der Anonymität heraus handeln.

Es besteht die naheliegende Gefahr, dass sich derartige Übergriffe in der Zukunft wiederholen. Denn die Angriffe des Antragstellers haben in nachhaltig beleidigender und einschüchternder Form über lange Zeiträume angedauert und belegen, dass er eine starke Neigung dazu hat, Frauen gezielt zu verunsichern, indem er ihren persönlichen Intimbereich verletzt. Diese Einschätzung wird dadurch bestärkt, dass gegen den Antragsteller in der Vergangenheit bereits mehrfach wegen Herstellens und Verbreitens pornographischer Schriften ermittelt und zuletzt bei der Durchsuchung seiner Wohnung am 16. Juni 2004 umfangreiches kinderpornographisches und die abnormen sexuellen Phantasien des Antragstellers eindrucksvoll belegendes Bildmaterial gefunden worden ist.

Demgegenüber kann der Antragsteller nicht damit durchdringen, er habe die Vorwürfe im Strafverfahren umfassend eingestanden und es lägen keine konkreten Anzeichen für eine Wiederholungsgefahr vor. Dadurch werden keine hinreichenden Gesichtspunkte dafür aufgezeigt, dass er trotz seiner deutlich gewordenen unkontrollierten Neigungen künftig Fahrschülerinnen nicht erneut in ähnlicher Weise beleidigen oder gar bedrohen werde.

Insbesondere lässt das Urteil des Amtsgerichts A. entsprechende Rückschlüsse nicht zu. Ungeachtet dessen, dass im Zusammenhang mit der verhängten Geldstrafe vom Amtsgericht gerade keine Prognose über eine Wiederholungsgefahr anzustellen war, standen im Strafverfahren ohnehin allgemeine kriminalpolitische Erwägungen im Vordergrund, während die Zuverlässigkeit eines Fahrlehrers gerade mit Blick auf die Erfordernisse des Berufsstands zu beurteilen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.2.1963 - 1 C 98.62 -, BVerwGE 15, 282). Von einem Fahrlehrer wird ein besonderes, anderen als Vorbild dienendes Verantwortungsbewusstsein erwartet (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8.11.2005 - 8 B 1666/05 -).

Selbst wenn der Antragsteller seit seiner Verurteilung keine weiteren vergleichbaren Straftaten begangen haben sollte, könnte im Übrigen nicht unberücksichtigt bleiben, dass er dieses Wohlverhalten erst unter dem Druck des Strafverfahrens und des gegen ihn eingeleiteten Widerrufsverfahrens gezeigt hat. Seine ganz allgemeine und nicht weiter belegte Behauptung, die Beleidigungen einer Vielzahl fremder Frauen hätten im Zusammenhang mit einer gravierenden Lebenskrise aufgrund einer Trennung von seiner Lebensgefährtin gestanden, die inzwischen überwunden sei, ist nicht ansatzweise nachvollziehbar. Der Antragsteller hat noch immer nicht dargelegt, dass er Anstrengungen unternommen hat oder unternimmt, um sein Sexualverhalten kontrollieren zu lernen. Insofern ist insbesondere das Angebot, ein positives Eignungsgutachten vorlegen zu wollen, für sich genommen unergiebig.

Auch die Berücksichtigung der in Art. 12 Abs. 1 GG grundrechtlich gewährleisteten Berufsfreiheit verhilft dem Antrag nicht zum Erfolg. Anforderungen an die Zuverlässigkeit von Fahrlehrern sind ebenso unerlässlich wie verfassungsrechtlich unbedenklich. Die hiermit verbundenen Einschränkungen der Berufsfreiheit sind mit Blick auf das gewichtige öffentliche Interesse an einer ordnungsgemäßen Fahrschulausbildung und die privaten Interessen der Fahrschüler(innen) verhältnismäßig. Das gilt auch unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Nachteile, die der Antragsteller zu tragen hat (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 28.10.1996 - 1 B 211.96 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 8.11.2005 - 8 B 1666/05 -).

Aus Art. 12 GG lässt sich auch kein allgemeiner Rechtsgedanke ableiten, eine Unzuverlässigkeit aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung setze wegen der einschneidenden Wirkung für den Betroffenen eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr voraus. Die Argumentation des Antragstellers, auch ein Beamtenverhältnis ende automatisch erst mit einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr, lässt unabhängig von der bereits grundsätzlich fehlenden Vergleichbarkeit die Möglichkeit der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nach § 10 BDG außer acht.

Überwiegende oder gleich gewichtige Interessen des Antragstellers stehen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Widerrufs der Fahrlehrerlaubnis nicht gegenüber. Namentlich wirtschaftliche Interessen des Antragstellers rechtfertigen nicht die Aussetzung der Vollziehung. Selbst wenn der Widerruf seine wirtschaftliche Existenzgrundlage bedrohen würde, hätte das wirtschaftliche Interesse des Antragstellers gegenüber dem öffentlichen Vollziehungsinteresse zurückzustehen. Das öffentliche Interesse an einem effektiven Schutz der Allgemeinheit davor, dass der Antragsteller zukünftig weiterhin in strafbarer Weise Fahrschülerinnen nachstellt, überwiegt seine privaten Interessen. Der Antragsteller hat die für ihn wirtschaftlich nachteiligen Folgen des Widerrufs durch eigenes persönliches Fehlverhalten verursacht.

Ende der Entscheidung

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