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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 16.01.2007
Aktenzeichen: 8 B 2253/06
Rechtsgebiete: BImSchG, 22. BImSchV


Vorschriften:

BImSchG § 47 Abs. 2 Satz 1
22. BImSchV § 4
Es bestehen Bedenken, ob eine Gefahr im Sinne von § 47 Abs. 2 Satz 1 BImSchG und damit eine Pflicht zur Aufstellung eines Aktionsplans erst dann zu bejahen ist, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass es zu einer Überschreitung der nach § 4 Abs. 2 und 4 der 22. BImSchV maßgeblichen Immissionsgrenzwerte kommen wird.
Gründe:

Die Beschwerde gegen den Beschluss des VG, mit dem die Anträge, "durch Erlass einer einstweiligen Anordnung der Antragsgegnerin aufzugeben, für das Gebiet der Stadt C. (Gefahrengebiet) und insbesondere für die E. Straße einen Aktionsplan aufzustellen, der festlegt, welche geeigneten Maßnahmen zum Schutz der menschlichen Gesundheit im Gefahrengebiet kurzfristig zu ergreifen sind, um die Gefahr der Überschreitung des im § 4 Abs. 2 Satz 1 der 22. BImSchV festgelegten Tagesmittelwerts für Partikel PM 10 von 50 µg/m³ - bei zugelassenen 35 Überschreitungen je Kalenderjahr - zu verringern oder den Zeitraum, während dessen der erwähnte Wert überschritten wird, zu verkürzen, hilfsweise, durch Erlass einer einstweiligen Anordnung der Antragsgegnerin aufzugeben, Aktionspläne nach § 47 Abs. 2 BImSchG für das Stadtgebiet C. bzw. deren Gefahrenstellen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts aufzustellen," abgelehnt worden sind, hat keinen Erfolg.

Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, stellt die erstinstanzliche Entscheidung nicht in Frage, die darauf gestützt ist, dass die Antragstellerin den erforderlichen Anordnungsanspruch im Sinne des § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO nicht glaubhaft gemacht hat. Die dagegen erhobenen Einwände der Antragstellerin greifen nicht durch.

Das VG hat die Frage, ob der Antragstellerin eigene subjektive Rechte auf Aufstellung eines Aktionsplans zustehen können, ausdrücklich offen gelassen und die fehlende Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs mit Blick darauf angenommen, dass nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen Prüfung keine Pflicht zur Aufstellung eines Aktionsplans nach § 47 Abs. 2 BImSchG i.V.m. § 11 Abs. 4 der 22. BImSchV bestehe. Zur Begründung dieser Auffassung hat das VG dargelegt, es spreche derzeit keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die an den aktuell eingerichteten Messstationen im Bereich der T.-Straße oder im Bereich I.-Straße gemessenen Partikelkonzentrationen die nach § 4 Abs. 2 und 4 der 22. BImSchV maßgeblichen Immissionsgrenzwerte überschreiten würden. Diese Einschätzung hat die Antragstellerin mit dem Beschwerdevorbringen nicht in Frage gestellt.

Dabei kann dahinstehen, ob - wovon das VG ausgegangen ist - eine Pflicht zur Aufstellung eines Aktionsplans erst dann besteht, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass es zu einer Überschreitung der maßgeblichen Immissionsgrenzwerte kommen wird. Dieser auch in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung - vgl. Bay. VGH, Urteil vom 18.5.2006 - 22 BV 05.2462 -, BayVBl. 2006, 566; Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 47 BImSchG Rn. 13; Jarass, BImSchG, 6. Aufl. 2005, § 47 Rn. 19 - begegnen Bedenken. Ziel der die Vorgaben insbesondere der Richtlinie 96/62/EG umsetzenden 22. BImSchV ist es, dafür Sorge zu tragen, dass die festgelegten Immissionsgrenzwerte durchgängig eingehalten werden. Ein Instrument zur Erreichung dieses Ziels ist die in § 47 Abs. 2 BImSchG i.V.m. § 11 Abs. 4 der 22. BImSchV geregelte Aufstellung eines Aktionsplans. Bestünde eine Pflicht, einen solchen Aktionsplan aufzustellen, erst dann, wenn es überwiegend wahrscheinlich ist, dass die maßgeblichen Immissionsgrenzwerte überschritten werden, hätte dies zur Folge, dass die Aufstellung eines Aktionsplans selbst dann nicht erforderlich wäre, wenn mit einer 50 %-igen Wahrscheinlichkeit mit einer Überschreitung der Grenzwerte zu rechnen wäre. Nach statistischen Grundsätzen würde dies jedoch bedeuten, dass es durchschnittlich in jedem zweiten Jahr zu einer Grenzwertüberschreitung kommen könnte. Dies ohne eine Pflicht zur Aufstellung eines Aktionsplans hinzunehmen, widerspräche aber dem Grundgedanken der 22. BImSchV und der dieser zugrunde liegenden EG-Richtlinien.

Diese Bedenken bedürfen vorliegend aber keiner Vertiefung, weil für das Beschwerdeverfahren auf den vom VG seiner Entscheidung zugrunde gelegten Maßstab einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit abzustellen ist. Die Antragstellerin hat die Richtigkeit dieses Maßstabs im Rahmen des Beschwerdeverfahrens an keiner Stelle in Frage gestellt. Vielmehr ist sie in ihrer Beschwerdebegründungsschrift selbst von diesem Maßstab ausgegangen und hat ihn zur Grundlage ihres Beschwerdevorbringens gemacht. Daran ist der Senat für das Beschwerdeverfahren gebunden, weil er nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die Prüfung des Beschwerdevorbringens beschränkt ist.

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