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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 08.05.2007
Aktenzeichen: 8 B 2477/06
Rechtsgebiete: BImSchG, VwGO, TA Luft


Vorschriften:

BImSchG § 5 Abs. 1
BImSchG § 6 Abs. 1
BImSchG § 16 Abs. 1
BImSchG § 17
VwGO § 42
VwGO § 80
VwGO § 80 a
TA Luft
1. Der Nachbar einer nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz genehmigungspflichtigen Anlage ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch dann antragsbefugt, wenn die Behörde die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer Anlagengenehmigung auf die Errichtung des Vorhabens beschränkt und nicht auch auf den Betrieb der Anlage erstreckt hat.

2. Führt eine vom Betreiber beantragte Änderung der Anlage zwar zu einer Reduzierung der Immissionsbelastungen, reicht das Ausmaß dieser Reduzierung aber nicht aus, um die Gesamtbelastung unter den Immissionswert zu senken (sog. Teilsanierung), kann die Anlagenänderung nach § 16 BImSchG genehmigungsfähig sein. Es spricht viel dafür, dass die Voraussetzungen, unter denen eine Teilsanierung genehmigt werden darf, mit den Anforderungen der Nr. 3.5.4 TA Luft korrelieren.

3. Nr. 3.5.4 Buchst. a TA Luft erfordert eine Gesamtbeurteilung der Immissionsbelastung unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls nach einem objektiven Maßstab. Eine mit der Teilsanierung verbundene Erweiterung der Produktionskapazität dürfte der Genehmigungsfähigkeit nicht prinzipiell entgegenstehen. Ein Überwiegen des Verbesserungseffekts wird aber regelmäßig nicht angenommen werden können, wenn der durch eine verbesserte Anlagentechnik eröffnete Rahmen für mögliche Immissionsminderungen zum größeren Teil nicht zur Sanierung, sondern zur Betriebserweiterung genutzt, der Verbesserungseffekt also durch die Kapazitätserweiterung überwiegend aufgezehrt wird.


Tatbestand:

Die Beigeladene betreibt ein Hüttenwerk zur Erzeugung von Roheisen und Stahl. Der Antragsteller ist Eigentümer eines von ihm selbst bewohnten Hauses in unmittelbarer Nachbarschaft des Hüttenwerkes. Unter dem 30.6.2004 beantragte die Beigeladene bei der Bezirksregierung (Antragsgegnerin) eine Genehmigung zur Änderung des Hüttenwerks durch die Errichtung und den Betrieb eines neuen Hochofens mit einer Tageskapazität von 6.000 t Roheisen und Überführung eines kurz vor einer erforderlichen Erneuerung und Instandsetzung stehenden anderen Hochofens mit einer Tageskapazität von 4.000 t Roheisen in die sog. "Kaltreserve". Im Herbst 2004 legte die Antragsgegnerin einen Luftreinhalteplan vor, weil sich in den Jahren 2002 und 2003 an einer in der Nähe des Hüttenwerks gelegenen Messstelle Überschreitungen des Immissionsgrenzwertes der 22. BImSchV für Schwebstaub und Partikel (PM-10) ergeben hatten. Mit Bescheid vom 9.8.2005 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen die beantragte Änderungsgenehmigung für die Errichtung und den Betrieb des neuen Hochofens. Zur Begründung führte sie u.a. aus, die Änderung diene in erster Linie der Verbesserung der Immissionssituation und sei deshalb nach Nr. 3.5.4 TA Luft genehmigungsfähig, obwohl die geänderte Anlage voraussichtlich nicht alle Grenzwerte für Luftschadstoffe einhalten werde. Nach Einlegung eines Widerspruchs durch den Antragsteller ordnete die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung des Genehmigungsbescheides an. Diese Anordnung beschränkte sie antragsgemäß auf die Errichtung des Hochofens. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung blieb wie die anschließende Beschwerde ohne Erfolg.

Gründe:

Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, stellt die Entscheidung des VG nicht durchgreifend in Frage.

Entgegen der Auffassung der Beigeladenen ist der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zulässig. Dem Antragsteller fehlt nicht die entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Antragsbefugnis.

Rechtsgrundlage für die erteilte Genehmigung ist § 6 Abs. 1 BImSchG, der gemäß § 16 Abs. 1 BImSchG auch für wesentliche Änderungen genehmigungsbedürftiger Anlagen gilt und die Prüfung der zugunsten Dritter bestehenden Schutzpflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG anordnet, die durch die Regelungen in Nr. 4 der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft vom 24.7.2002 (GMBl. S. 511) - TA Luft - konkretisiert wird. Die Regelungen der TA Luft bestimmen die Reichweite der Schutzpflicht entgegen der Auffassung der Beigeladenen auch insoweit, als darin Immissionswerte festgesetzt sind, die sich mit den nicht anlagebezogenen und insofern im Genehmigungsverfahren nicht unmittelbar zugunsten Dritter zu prüfenden Anforderungen der 22. BImSchV decken.

Der Antragsbefugnis steht nicht entgegen, dass die sofortige Vollziehung der mit dem Widerspruch angegriffenen Errichtungs- und Betriebsgenehmigung nur für die Errichtung der von dem beantragten Vorhaben betroffenen Anlagenteile angeordnet worden ist. Zwar reicht die Antragsbefugnis in dem Fall, dass die sofortige Vollziehung nur für einen abtrennbaren, also selbständig anfechtbaren Teil des Verwaltungsakts angeordnet ist, nicht über die Widerspruchs- bzw. Klagebefugnis in dem gegen diesen Regelungsteil gerichteten Hauptsacheverfahren hinaus.

Vgl. Kopp/Schenke, VGsordnung, Kommentar, 14. Aufl. 2005, § 80 Rn. 134.

Vorliegend fehlt es aber nicht an der Möglichkeit, dass der Antragsteller bereits durch die Errichtung des streitigen Vorhabens in eigenen Rechten verletzt wird. Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass erst der Betrieb der genehmigten Hochofenanlage die geltend gemachte Immissionsbelastung verursachen wird. Das Bundes-Immissionsschutzgesetz greift nämlich mit seinen Schutz- und Vorsorgepflichten nicht erst bei diesem letzten Glied der die nachteiligen Auswirkungen verursachenden Kausalkette ein, sondern verlegt die behördliche Prüfung und somit auch den Rechtschutz Einzelner vor, indem es in §§ 4 Abs. 1 Satz 1, 5 Abs. 1 Satz 1 BImSchG ausdrücklich schon die Genehmigung der Errichtung an die Einhaltung der Grundpflichten nach § 5 Abs. 1 BImSchG bindet. Diese normative Regelung hat ihren Sinn darin, dass ein effektiver Rechtsschutz gegen Gefährdungen nur dann zuverlässig sichergestellt ist, wenn die gebotenen Schutzvorkehrungen bereits bei Planung und Errichtung der Anlage berücksichtigt werden.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 19.12.1985 - 7 C 65.82 -, BVerwGE 72, 300, zu der vergleichbaren Regelung nach § 7 Abs. 1 AtomG; so zum BImSchG auch: Hess. VGH, Beschluss vom 31.5.1990 - 8 R 3118/89 -, juris.

Etwas anderes lässt sich auch nicht der von der Beigeladenen zitierten Entscheidung des BVerwG vom 9.8.1994 - 7 C 44.93 -, BVerwGE 96, 258, entnehmen, weil darin - anders als im vorliegenden Streitfall - der Vorgang der Errichtung, also die Gefährlichkeit der Art und Weise, auf die eine bestimmte bauliche Anlage hergestellt werden sollte, nicht aber der Risikozusammenhang zwischen planmäßiger Beschaffenheit der Anlage und den bei ihrem Betrieb verursachten Immissionen zu beurteilen war.

Der Antragsteller muss sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses auf die spätere Inanspruchnahme von Rechtsschutz gegen den Betrieb des Vorhabens verweisen lassen. Das ergibt sich mit dem soeben Gesagten bereits daraus, dass die Vorverlagerung des Rechtsschutzes auf die Ebene der Errichtung vom Bundes-Immissionsschutzgesetz intendiert ist. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass mit der Errichtung der Hochofenanlage vollendete Tatsachen geschaffen würden, die es dem Antragsteller wenn nicht rechtlich, so doch faktisch erschweren würden, sich mit seinem Rechtsschutz gegen die befürchteten Immissionen durchzusetzen.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.4.1991 - 7 C 35.90 -, DVBl. 1991, 877, 879.

Auch darin liegt ein nachvollziehbares und somit berechtigtes Interesse des Antragstellers daran, bereits der Errichtung der Hochofenanlage entgegenzuwirken.

In der Sache stellt das Beschwerdevorbringen die tragenden Annahmen des VG, die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung entspreche den gesetzlichen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO (dazu 1.), die angefochtene Genehmigung greife nicht in offensichtlich rechtswidriger Weise in eigene Rechte des Antragstellers ein (dazu 2.) und das Aufschubinteresse des Antragstellers überwiege auch unter sonstigen Gesichtspunkten nicht die zu berücksichtigenden Vollzugsinteressen (dazu 3.), nicht durchgreifend in Frage.

1. Entgegen der Auffassung des Antragstellers genügt die Vollziehungsanordnung dem formellen Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. (wird angeführt)

2. Die im Hauptsacheverfahren angegriffene Genehmigung greift nicht in offensichtlich rechtswidriger Weise in Rechte des Antragstellers ein. Insbesondere widerspricht sie nicht offensichtlich den die Schutzpflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG näher ausgestaltenden Regelungen der TA Luft.

Dabei ist von Folgendem auszugehen:

Nach der von Nr. 3.5.3 Satz 1 TA Luft für Änderungsgenehmigungen in Bezug genommenen Bestimmung der Nr. 3.1 Satz 3 TA Luft gilt Nr. 4 TA Luft für die Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen hinsichtlich der Anforderungen an den Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen. Für die hier in Rede stehenden, in den Tabellen 1, 2 und 6 TA Luft aufgeführten Schadstoffe ist nach Nrn. 2.2 Satz 4, 4.7 TA Luft die - auf verschiedene Mittelungszeiträume bezogene - Gesamtbelastung maßgeblich, die gemäß Nr. 4.7.1 TA Luft aus den Kenngrößen für die Vorbelastung und die Zusatzbelastung zu ermitteln ist. Während die Kenngröße für die Vorbelastung, die die vorhandene Belastung durch einen Schadstoff kennzeichnet (Nr. 2.2 Satz 2 TA Luft), in der Regel durch Messungen zu bestimmen ist (Nr. 4.6.3 TA Luft), ergibt sich die Kenngröße für die Zusatzbelastung bei geplanten Anlagen aus einer Immissionsprognose, die sich auf den Immissionsbeitrag des beantragten Vorhabens bezieht (Nrn. 2.2 Satz 3, 4.6.4 TA Luft).

"Beantragtes Vorhaben" i.S.v. Nr. 2.2 Satz 3 TA Luft ist bei einer Änderungsgenehmigung die gesamte Anlage, weil die Grundpflichten nach § 5 Abs. 1 BImSchG an den Begriff der "Anlage" anknüpfen.

Vg. Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Kommentar, Bd. II, 3.2 TA Luft Nr. 2 Rn. 2 und Nr. 3 Rn. 13 f.

Dementsprechend ist die behördliche Prüfung der Zusatzbelastung grundsätzlich nicht auf den Gegenstand des Genehmigungsantrags beschränkt, sondern muss die etwaigen Auswirkungen der Anlagenänderung auf die Gesamtanlage und auf die Umgebung untersuchen.

Vgl. Sellner, in: Landmann/Rohmer, a.a.O, Bd. I, § 16 BImSchG, Rn. 150; Hansmann, in: Landmann/Rohmer, a.a.O., Bd. II, 3.2. TA Luft Nr. 3 Rn. 18.

Dieses Übergreifen der Prüfung auf die Gesamtanlage reicht aber nur so weit, wie sich die Anlagenänderung auswirken kann. Der Umfang der behördlichen Prüfung im Änderungsgenehmigungsverfahren wird zwar im Gesetz nicht näher bestimmt. Die Beschränkung des Prüfungsumfangs ergibt sich aber aus dem Sinn des für die wesentliche Änderung geltenden Genehmigungsvorbehalts, der es nicht gebietet, ohne sachliches Erfordernis den gesamten bei der erstmaligen Errichtung und Inbetriebnahme einer Anlage anfallenden Prüfungsaufwand erneut auszulösen. Es geht vielmehr darum sicherzustellen, dass die geänderte Anlage bzw. ihr geänderter Betrieb den Genehmigungsvoraussetzungen genügt. Bei einem Änderungsvorhaben bezieht sich die Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen dementsprechend zunächst auf die zu ändernden Anlagenteile oder betrieblichen Verfahrensschritte. Darüber hinaus erstreckt sie sich auch auf diejenigen Anlagenteile und Verfahrensschritte der genehmigten Anlage, auf die sich die Genehmigung auswirkt. Eine Einschränkung des Gegenstands der behördlichen Prüfung kann sich somit im Einzelfall daraus ergeben, dass die Änderung faktisch nicht notwendig die gesamte Anlage und ihren Betrieb beeinflusst.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 21.8.1996 - 11 C 9.95 -, BVerwGE 101, 347, und Beschluss vom 10.6.1998 - 7 B 25.98 -, NVwZ 1998, 1181; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 4.3.1986 - 7 A 17/83 -, NVwZ 1988, 176, 177; Sellner, in: Landmann/Rohmer, a.a.O., Bd. I, § 16 Rn. 152; Jarass, Bundes-Immissionsschutzgesetz, Kommentar, 6. Aufl., 2005, § 16 Rn. 20.

In Übereinstimmung mit diesem Verständnis ordnet Nr. 3.5.3 Satz 2 TA Luft für Änderungsgenehmigungen die Prüfung der "Anlagenteile und Verfahrensschritte, die geändert werden sollen, sowie die Anlagenteile und Verfahrensschritte, auf die sich die Änderung auswirken wird", an. Welche Anlagenteile und Verfahrensschritte im Änderungsverfahren in den Blick zu nehmen sind, lässt sich abstrakt nicht näher umschreiben, sondern richtet sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 21.8.1996 - 11 C 9.95 -, a.a.O.

Der für die Zusatzbelastung nach Nr. 2.2 Satz 3 TA Luft maßgebliche Immissionsbeitrag, der durch das so verstandene "beantragte Vorhaben" hervorgerufen wird, ist entgegen der Auffassung der Beigeladenen nicht die Differenz zwischen den bisher und künftig von dieser Anlage verursachten Immissionen. Zusatzbelastung ist vielmehr der stets positive Anteil an der zu erwartenden Gesamtbelastung, der - bezogen auf den jeweiligen Luftschadstoff - von der Anlage im dargelegten Sinne erzeugt wird. Dieses Verständnis des Begriffs der Zusatzbelastung entspricht der Systematik des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und liegt ersichtlich auch der TA Luft zugrunde, die in ihren sog. Irrelevanzklauseln (Nrn. 4.2.2 Buchst. a, 4.4.3 Buchst. a und 4.5.2 Buchst. a aa TA Luft) für die Bestimmung der Zusatzbelastung ausdrücklich an die "Emissionen der Anlage" anknüpft.

Vgl. Hansmann, in: Landmann/Rohmer, a.a.O., Bd. II, 3.2 TA Luft Nr. 2 Rn. 2.

Darüber hinaus verbliebe nach der von der Beigeladenen vertretenen Konzeption der "negativen Zusatzbelastung", der im Übrigen auch der Antragsgegner ausdrücklich entgegentritt, für die Regelung der Nr. 3.5.4 TA Luft kein Raum.

In Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich vorliegend für die Luftschadstoffe, auf die der Antragsteller in seinem Vorbringen abstellt, Folgendes:

Soweit der Antragsteller sich auf Beeinträchtigungen durch den Luftschadstoff Stickstoffdioxid (Nr. 4.2.1, Tabelle 1 TA Luft) beruft, stellt sein Beschwerdevorbringen die tragende Erwägung des VG zu einer Genehmigungsfähigkeit nach Nr. 4.2.2 Satz 1 Buchst. a TA Luft nicht durchgreifend in Frage (dazu a). Hinsichtlich der Luftschadstoffe Schwebstaub - PM-10 - (Nr. 4.2.1, Tabelle 1 TA Luft), Staubniederschlag (Nr. 4.3.1, Tabelle 2 TA Luft) und Schadstoffdepositionen (Nr. 4.5.1, Tabelle 6 TA Luft) kann das Vorhaben voraussichtlich zwar nicht schon nach den Vorschriften der Nr. 4 TA Luft genehmigt werden (dazu b). Möglicherweise ist das Vorhaben aber als Verbesserungsmaßnahme nach der in Nr. 3.5.4 TA Luft zum Ausdruck kommenden Wertung zulässig (dazu c).

a) Für Stickstoffdioxid (Nr. 4.2.1, Tabelle 1 TA Luft) ist bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein vorzunehmenden summarischen Prüfung von einer Genehmigungsfähigkeit nach Nr. 4 TA Luft auszugehen. (wird ausgeführt)

b) Für Schwebstaub PM-10, Staubniederschlag und Schadstoffdepositionen ist nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand die Einhaltung der Immissionswerte nicht sichergestellt; insoweit ergeben sich auch keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Genehmigungsfähigkeit trotz Überschreitung dieser Werte nach den Ausnahmetatbeständen der Nr. 4 TA Luft. (wird ausgeführt)

c) Der angefochtene Genehmigungsbescheid erweist sich trotz der oben unter b) dargelegten Erwägungen nicht als offensichtlich rechtswidrig, weil das beantragte Änderungsvorhaben möglicherweise als Verbesserungsmaßnahme nach der in Nr. 3.5.4 TA Luft zum Ausdruck kommenden Wertung zulässig sein kann. Auf der Grundlage einer im Eilverfahren allein möglichen vorläufigen Bewertung der Rechtslage ist davon auszugehen, dass eine Änderung, die wesentlich zur Verbesserung der Immissionssituation beiträgt, unter bestimmten - gesetzlich nicht ausdrücklich geregelten - Voraussetzungen auch dann genehmigungsfähig sein kann, wenn es trotz der Verbesserung immer noch zu einer Überschreitung eines Immissionsgrenzwerts kommt (dazu aa). Ob die an eine solche Änderungsgenehmigung im Einzelnen zu stellenden Anforderungen im Streitfall erfüllt sind, lässt sich ohne weitere Aufklärung des Sachverhalts, die dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben muss, nicht abschließend beurteilen (dazu bb), so dass sich die Erfolgsaussichten in der Hauptsache als offen darstellen.

aa) Nach den §§ 16 Abs. 1 Satz 1, 6 Abs. 1 BImSchG ist eine Änderungsgenehmigung grundsätzlich zu versagen, wenn die Gesamtbelastung einen der Immissionswerte der TA Luft überschreitet. Davon dürfte unter bestimmten Voraussetzungen für sog. Teilsanierungen eine Ausnahme zu machen sein, wenn also eine vom Betreiber beantragte Änderung der Anlage zwar zu einer Reduzierung der Immissionsbelastung führt, das Ausmaß dieser Reduzierung aber nicht ausreicht, um die Gesamtbelastung unter den Immissionsgrenzwert zu senken.

Auch derartige Vorhaben bedürfen einer Genehmigung. Ein immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren ist nicht etwa deshalb entbehrlich, weil durch das Änderungsvorhaben keine "nachteiligen Auswirkungen hervorgerufen werden können" (§ 16 Abs. 1 Satz 1 BImSchG). Der Begriff der Auswirkungen wird zu eng verstanden, wenn man ihn als Differenz zwischen dem vorhandenen und dem künftigen Zustand, also der gegenwärtigen und der künftigen Belastung auffasst.

So aber Czajka, in: Feldhaus, Bundes-Immissionsschutzrecht, Kommentar, Band 1, Teil I, § 16 Rn. 16 f.; Denkhaus, NuR 2000, 9,15.

Ein dahingehendes Gesetzesverständnis steht mit den Regelungen der TA Luft nicht in Einklang und lässt unberücksichtigt, dass Teilsanierungen im oben bezeichneten Sinn wegen der damit verbundenen neuen Investitionen eine Verfestigung der Belastung auf möglicherweise niedrigerem, aber immer noch den Grenzwert überschreitendem Niveau bewirken. Vgl. Jarass, a.a.O., § 16 Rn. 19; derselbe, UPR 2006, 45, 46 f.; Führ, in: Koch/Scheuing, Gemeinschaftskommentar zum Bundes-Immissionsschutzgesetz, § 16 Rn. 121 ff.

Das Bundes-Immissionsschutzgesetz dürfte eine hinreichende Grundlage dafür enthalten, derartige Teilsanierungen unter bestimmten Voraussetzungen zu genehmigen.

Vgl. Jarass, a.a.O., § 16 Rn. 25; derselbe, UPR 2006, 45, 48 f.; Hansmann, in: Landmann/Rohmer, a.a.O., Bd. II, 3.2 TA Luft Nr. 3 Rn. 14; Czajka, in: Feldhaus, a.a.O., Band 1, Teil I, § 16 Rn. 85; Dolde, NVwZ 1986, 873, 883 ff.; a.A. Führ, in: Koch/Scheuing, a.a.O., § 16 Rn. 233.

Zwar sieht das Bundes-Immissionsschutzrecht für Teilsanierungen keine ausdrückliche Regelung vor. Für ihre Genehmigungsfähigkeit ergeben sich aber aus § 17 Abs. 4 BImSchG gewichtige Anhaltspunkte. Nach dieser Bestimmung ersetzt eine nachträgliche Anordnung unter bestimmten Voraussetzungen die ansonsten erforderliche Änderungsgenehmigung. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BImSchG kann die zuständige Behörde nachträgliche Anordnungen nach pflichtgemäßem Ermessen auf Teilverbesserungen beschränken, also das Fortbestehen von Immissionswertüberschreitungen um eines Teilschritts zur Sanierung Willen grundsätzlich tolerieren. Sofern eine Stilllegung der Anlage ausscheidet, wird dies in vielen Fällen die einzige Möglichkeit sein, um überhaupt einen Teilschritt in Richtung einer endgültigen Einhaltung der Immissionswerte zu bewirken, sich also dem gesetzlich geforderten Zustand in einem überschaubaren Zeitraum zu nähern. Soweit aber die Behörde teilweise Verbesserungen trotz fortbestehender Überschreitung von Immissionswerten mit einer die Genehmigung ersetzenden Wirkung anordnen kann, muss auch eine von der Initiative des Betreibers ausgehende Teilsanierung zulässig sein, die auf dasselbe Ziel gerichtet ist. Es wäre ein Wertungswiderspruch, wenn der Betreiber nicht freiwillig das tun dürfte, was ihm mit Mitteln des Ordnungsrechts zwangsweise aufgeben werden könnte. Dieses Ergebnis entspricht zudem dem Ziel des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, Menschen und Sachgüter vor schädlichen Umwelteinwirkungen zu schützen und dem Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen vorzubeugen (§ 1 Abs 1 BImSchG), sowie dem in diesem Gesetz verankerten Kooperationsprinzip.

Vgl. BVerfG, Urteile vom 7.5.1998 - 2 BvR 1876/91 u.a. -, BVerfGE 98, 83, und - 2 BvR 1991/95 u.a. -, BVerfGE 98, 106.

Aus dem Vorstehenden dürfte folgen, dass Teilsanierungen unter denselben Voraussetzungen zuzulassen sind, unter denen die Behörde die Befugnis zu nachträglichen Anordnungen nach § 17 BImSchG hat. Es spricht einiges dafür, dass diese Voraussetzungen mit den Anforderungen der Nr. 3.5.4 TA Luft korrelieren. Danach darf eine beantragte Änderungsgenehmigung nicht versagt werden, wenn zwar nach ihrer Durchführung nicht alle Immissionswerte eingehalten werden, wenn aber die Änderung ausschließlich oder überwiegend der Verminderung der Immissionen dient, eine spätere Einhaltung der Immissionswerte nicht verhindert wird und die konkreten Umstände einen Widerruf der Genehmigung nicht erfordern.

Diese Regelung führt bei einem insbesondere an § 17 BImSchG und den Zielen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes orientierten Verständnis zu hinreichend bestimmten Kriterien, auch wenn diese Wertungen enthalten mögen.

a.A. Führ, in: Koch/Scheuing, a.a.O., § 6 Rn. 232.

Im Einzelnen ist dazu auf der Grundlage einer vorläufigen Bewertung der Rechtslage Folgendes festzustellen:

(1) Nach Nr. 3.5.4 Buchst. a TA Luft muss die Änderung ausschließlich oder weit überwiegend der Verminderung der Immissionen dienen. Diese Bestimmung soll sicherstellen, dass der Änderungsantrag eine echte Verbesserung zum Gegenstand hat und nicht bloß Immissionsminderungen, die sich aus Anlass einer Betriebserweiterung ergeben. Deshalb muss der Zweck der Verbesserung eindeutig im Vordergrund stehen.

Vgl. Hansmann, in: Landmann/Rohmer, a.a.O., Bd. II, 3.2 TA Luft Nr. 3 Rn. 16.

Da die Voraussetzungen der Nr. 3.5.4 TA Luft aus ihrem oben dargelegten Zusammenhang mit den Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen behördlicher Teilsanierungsanordnungen nach § 17 BImSchG auszulegen sind, kommt es dafür nicht auf die Absichten des Anlagenbetreibers an. Vielmehr ist eine objektive Beurteilung der Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei sind die einzelnen Schadstoffe nicht nur für sich genommen zu betrachten. Nr. 3.5.4 Buchst. a TA Luft dürfte vielmehr eine Gesamtschau der Immissionsbelastung unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalles erfordern.

Diese Gesamtbewertung hat sich zunächst an dem Ausmaß der Verbesserungen einerseits und dem Ausmaß der verbleibenden Immissionswertüberschreitungen andererseits zu orientieren. Je größer die Verbesserung ausfällt und je geringer die verbleibende Überschreitung ist, desto eher kann man von einer weit überwiegenden oder gar reinen Verbesserung ausgehen.

Vgl. Jarass, UPR 2006, 45, 50.

Im Weiteren kann auch die unterschiedliche Wertigkeit der durch die jeweiligen Grenzwerte gesicherten Rechtsgüter für die Beurteilung von Bedeutung sein.

Im Rahmen der Gesamtschau ist auch zu berücksichtigen, ob mit der Teilsanierung eine Ausweitung der Kapazität verbunden ist. Es spricht einiges dafür, dass auch eine Änderungsmaßnahme, die eine Verbesserung der Immissionssituation mit einer Ausweitung der Kapazität verbindet, wie dies vorliegend der Fall ist, in den Anwendungsbereich der Regelung fallen kann. Es widerspräche der Zielsetzung des § 1 Abs. 1 BImSchG, eine Kapazitätserweiterung als prinzipielles Genehmigungshindernis anzusehen, obwohl sie zu einer Teilsanierung in vielen Fällen wirtschaftlich erst motiviert und sich deshalb oft als einzige Möglichkeit zur zügigen Erreichung einer Verbesserung erweist. Eine Kapazitätserweiterung mindert - abhängig von ihrem Umfang - regelmäßig den erreichbaren Verbesserungseffekt. Für eine Kapazitätserweiterung ist demgemäß desto weniger Raum, je höher das Ausmaß der verbleibenden Grenzwertüberschreitung ist. Von einem Überwiegen des Verbesserungscharakters wird man regelmäßig auch nicht ausgehen können, wenn der durch eine verbesserte Anlagentechnik eröffnete Rahmen für mögliche Immissionsminderungen zum größeren Teil nicht zur Sanierung, sondern zur Betriebserweiterung genutzt, der Verbesserungseffekt also durch die Kapazitätserweiterung überwiegend aufgezehrt wird. Entscheidend ist letztlich aber auch insoweit, ob die Behörde eine entsprechende nachträgliche Anordnung nach § 17 BImSchG mit Zustimmung des Anlagenbetreibers treffen könnte.

Vgl. Hansmann, in: Landmann/Rohmer, a.a.O., Bd. II, 3.2 TA Luft Nr. 3 Rn. 16.

Dies kann nur im jeweiligen Einzelfall entschieden werden.

(2) Nr. 3.5.4 Buchst. b TA Luft setzt voraus, dass eine spätere Einhaltung der Immissionswerte nicht verhindert wird. Diese Regelung trägt dem oben bereits erwähnten Umstand Rechnung, dass die mit dem Änderungsvorhaben verbundene Neuinvestition aus wirtschaftlichen und technischen Gründen typischerweise dazu führt, dass die Anlage länger betrieben wird, was dazu führt, dass sich die Überschreitung der Immissionswerte verfestigt, wenn auch auf niedrigerem Niveau. Nr. 3.5.4 Buchst. b TA Luft soll in diesem Sinne sicherstellen, dass die vorgesehenen Maßnahmen die Einhaltung der Grenzwerte nicht langfristig unmöglich machen. Das wäre ein Zustand, der mit dem Zweck des § 1 Abs. 1 BImSchG nicht zu vereinbaren wäre und auch nicht das zulässige Ergebnis einer nachträglichen Anordnung nach § 17 BImSchG sein könnte. Dementsprechend sind die Voraussetzungen dieser Regelung vor allem dann nicht gegeben, wenn die Überschreitung im Wesentlichen durch die Anlage verursacht ist und folglich nur durch deren Stilllegung oder Verlagerung die Einhaltung des Grenzwerts erreicht werden kann.

Vgl. Jarass, UPR 2006, 45, 50; Hansmann, in: Landmann/Rohmer, a.a.O., Bd. II, Nr. 3.2 TA Luft Nr. 3 Rn. 16.

Der für die Auslegung von Nr. 3.5.4 TA Luft maßgebliche Zusammenhang mit § 17 BImSchG erfordert eine Einschränkung von Verbesserungsmaßnahmen dabei nur insoweit, als konkrete Gesichtspunkte eine langfristige Einhaltung der Grenzwerte ausschließen. Es ist also nicht Voraussetzung nach Nr. 3.5.4 Buchst. b TA Luft, dass die Einhaltung der Grenzwerte in absehbarer Zeit sichergestellt ist.

Vgl. Jarass, UPR 2006, 45, 50.

(3) Die in Nr. 3.5.4 Buchst. c TA Luft normierte weitere Voraussetzung, dass die konkreten Umstände einen Widerruf der Genehmigung nicht erfordern, stellt sicher, dass eine erforderliche Stilllegung der Anlage durch eine Teilsanierung nicht unterlaufen wird. Damit würde nämlich der Zweck des § 1 Abs. 1 BImSchG verfehlt. Die Erforderlichkeit des Widerrufs beurteilt sich nach § 21 BImSchG.

Vgl. Jarass, UPR 2006, 45, 50; Hansmann, in: Landmann/Rohmer, a.a.O., Bd. II, 3.2 TA Luft Nr. 3 Rn. 17.

bb) Nach diesen rechtlichen Maßstäben lässt sich vorliegend bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen Prüfung eine Genehmigungsfähigkeit weder verneinen noch bejahen mit der Folge, dass sich die Erfolgsaussichten in der Hauptsache als offen darstellen.

(1) Auf der Grundlage der im bisherigen Genehmigungsverfahren gewonnenen Erkenntnisse lässt sich nicht abschließend beurteilen, ob das beantragte Vorhaben die oben dargelegten Voraussetzungen des Buchst. a der Nr. 3.5.4 TA Luft erfüllt.

(a) Zu möglichen Verbesserungseffekten ist Folgendes festzustellen: (wird ausgeführt).

(b) Die mit dem beantragten Vorhaben verbundene Erweiterung der Produktionskapazität steht nach den oben dargelegten rechtlichen Maßstäben der Erfüllung der Anforderungen des Buchst. a der Nr. 3.5.4 TA Luft nicht von vornherein entgegen. Es ist sachgerecht, dem Kapazitätsvergleich die im Einwirkungsbereich der Änderung gelegenen Anlagen, also die Hochöfen A und C einerseits und B und C andererseits, zugrunde zu legen. Daraus ergibt sich für den ständigen Betrieb eine Erhöhung der Kapazität um ca. 16 %. Auch wenn man die zusätzliche Reservehaltung des Hochofens A berücksichtigt, bewegt sich die Erweiterung der Anlage bei summarischer Würdigung noch in einer mit den Anforderungen der Nr. 3.5.4 Buchst. a TA Luft nicht grundsätzlich unvereinbaren Größenordnung.

(c) Dass es im Hinblick auf die nach Nr. 3.5.4. Buchst. a TA Luft vorzunehmende Abwägung erforderlich sein könnte, über die im Genehmigungsbescheid als einheitliche Anlage angesehenen Hochöfen A, B und C mit ihren Nebeneinrichtungen hinausgehend weitere Anlagenteile in dem Hüttenwerk der Beigeladenen in die Prüfung einzubeziehen, wird vom Beschwerdevorbringen nicht konkret aufgezeigt. Was die beiden vom Antragsteller erwähnten Schachtofenanlagen angeht, bietet sich dem Senat weder aus den Akten des Genehmigungsverfahrens noch nach dem Vortrag des Antragstellers Anlass zu näherer Prüfung. Es ist auch nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass diese Anlagen überhaupt schon genehmigt wären.

(2) Nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand ist auch offen, ob sich ausschließen lässt, dass die beantragte Änderung die spätere Einhaltung der Immissionswerte verhindern wird (Nr. 3.5.4 Buchst. b TA Luft). Nach den oben dargelegten Maßstäben ist dafür vor allem von Bedeutung, welchen Anteil die durch das Änderungsvorhaben bedingte Zusatzbelastung an der Gesamtbelastung mit dem jeweiligen Schadstoff haben wird. (wird ausgeführt)

(3) Mit der Auffassung des VG, dass kein Anhalt für das Erfordernis eines Widerrufs der für die zu ändernde Anlage erteilten Genehmigung bzw. Genehmigungen (Nr. 3.5.4 Buchst. c TA Luft i.V.m. § 21 BImSchG) besteht, setzt sich die Beschwerde nicht in substantiierter Form auseinander.

3. Da nach alledem die Erfolgsaussichten des gegen die Errichtungs- und Betriebsgenehmigung gerichteten Widerspruchs offen sind, hat der Senat das ihm in §§ 80 a Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO eröffnete Ermessen an einer Abwägung der Vor- und Nachteile auszurichten, die sich für den Antragsteller auf der einen und die Beigeladene sowie die Allgemeinheit auf der anderen Seite daraus ergeben, dass die Beigeladene von der vorläufigen Befugnis zur Errichtung der Anlage Gebrauch macht. Diese Abwägung ergibt ein Überwiegen der auf einen sofortigen Vollzug gerichteten Interessen.

Die Interessenlage des Antragstellers stellt sich wie folgt dar:

Die Errichtung des beantragten Vorhabens, auf die sich die Anordnung der sofortigen Vollziehung beschränkt, schafft nach dem oben zum Rechtsschutzbedürfnis Gesagten zwar vollendete Tatsachen. Dies verleiht dem Aufschubinteresse des Antragstellers aber kein entscheidendes Gewicht. Die Befürchtung, die Höhe der Investition werde einen psychologischen Realisierungsdruck im weiteren Rechtsbehelfsverfahren erzeugen und die innere Entscheidungsfreiheit der mit der Prüfung der Genehmigung in einem zu erwartenden Hauptsacheverfahren befassten Richter beeinträchtigen, ist zwar nicht gänzlich von der Hand zu weisen, letztlich aber im Hinblick auf die unabhängige Stellung der Gerichte rein spekulativ.

Vgl. BVerfG, Urteil vom 31.1.1984 - 2 BvR 507/81 -, NVwZ 1984, 429; Hess. VGH, Beschluss vom 31.5.1990 - 8 R 3118/89 -, juris.

Ob der Antragsteller ein Aufschubinteresse aus dem von der Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht erfassten vorläufigen Betrieb der Anlage herleiten kann, bedarf keiner Entscheidung. Gegen die dies verneinende Auffassung des Hess. VGH,

Beschluss vom 31.5.1990 - 8 R 3118/89 -, a.a.O., spricht der oben zur Antragsbefugnis dargelegte Gesichtspunkt, dass die §§ 5, 6 BImSchG gerade aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes eine Vorverlegung der Prüfung anordnen, also schon bei der Genehmigung der Errichtung der Anlage zu prüfen ist, welche schädlichen Umwelteinwirkungen ihr späterer Betrieb verursachen wird. Dementsprechend dürften der vorläufigen Vollziehung einer auf die Errichtung beschränkten immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen die Nachteile eines vorläufigen Betriebs der Anlage entgegengehalten werden können. Anderenfalls wäre der einstweilige Rechtsschutz wirkungslos. Diese Frage bedarf aber keiner abschließenden Klärung, weil auch bei einer Berücksichtigung der Auswirkungen eines vorläufigen Betriebs kein beachtlicher Grund für einen Aufschub der Baumaßnahmen ersichtlich ist.

Die Nachteile, die dem Antragsteller im Fall eines Betriebs der geänderten Hochofenanlage in dem Zeitraum zwischen ihrer voraussichtlichen Inbetriebnahme (2008) und einer endgültigen Entscheidung über den Rechtsbehelf in der Hauptsache entstehen würden, fallen nicht erheblich ins Gewicht. Dass es hinsichtlich des Luftschadstoffs Schwebstaub (PM-10) im maßgeblichen Beurteilungsgebiet durch das Änderungsvorhaben aller Wahrscheinlichkeit nach zu einer nicht unerheblichen Entlastung kommen wird, ist oben dargelegt worden. Schwebstaub (PM-10) dringt in die Atemwege ein und wirkt sich dadurch unmittelbar gesundheitsschädigend aus. Das hat z.B. das Landesumweltamt NRW in seinem Schreiben vom 21.2.2005 unter Bezugnahme auf eine umweltmedizinische Wirkungsuntersuchung an industriellen Belastungsschwerpunkten (sog. "Hot Spots") aus dem Jahr 2004 näher dargelegt. Dieser durch das Vorhaben zu erreichende Verbesserungseffekt kommt dem Antragsteller ebenso zu Gute wie den übrigen Bewohnern des Beurteilungsgebiets.

Den beschriebenen Vorteilen im Hinblick auf Schwebstaub (PM-10) stehen keine ins Gewicht fallenden Nachteile bei den Immissionsbelastungen mit anderen gesundheitsrelevanten Schadstoffen gegenüber. Was die Depositionen der in Tabelle 6 TA Luft bezeichneten Schadstoffe angeht, ist nach dem oben Gesagten nach der gegenwärtigen Erkenntnislage trotz verbleibender Unsicherheiten hinsichtlich des Umfangs der Entlastung ebenfalls mit einer Verbesserung der Immissionssituation zu rechnen. Für nachteilige Auswirkungen des Änderungsvorhabens in Bezug auf andere gesundheitsrelevante Luftschadstoffe ist nichts vorgetragen oder sonst ersichtlich.

Das Aufschubinteresse des Antragstellers wird auch nicht wegen einer möglichen Minderung des Wertes seines Grundeigentums durch Schadstoffdepositionen verstärkt, weil sich insoweit relevante Nachteile erst infolge einer Anreicherung im Boden bei einem längerfristigen Betrieb ergeben können.

Das Interesse des Antragstellers, dem Vorhaben entgegenzuwirken, weil es die Immissionsbelastung trotz seines Verbesserungscharakters langfristig stabilisiert, wird durch einen vorläufigen Betrieb der Anlage bis zur endgültigen Entscheidung über seinen Rechtsbehelf nicht berührt. Insoweit kann der Antragsteller ohne relevante Nachteile das Hauptsacheverfahren abwarten.

Dem dargelegten Aufschubinteresse des Antragstellers stehen dieses überwiegende Interessen der Beigeladenen und der Allgemeinheit an einer sofortigen Verwirklichung der Errichtungsgenehmigung gegenüber.

Das Interesse der Beigeladenen an dem sofortigen Vollzug besteht zum einen darin, die wirtschaftlichen Vorteile ihrer Investitionsentscheidung, die erhebliches finanzielles Gewicht hat, möglichst frühzeitig zu erlangen. Daneben folgt es bei der gegenwärtigen Sachlage aus den Nachteilen, die eine Stilllegung des bereits begonnenen Baus im Hinblick auf Finanzierungs- und Vertragskosten sowie die Aufwendungen für eine vorläufige Sicherung der Baustelle mit sich bringen würden. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass sich der Hochofen A dem Ende seiner Ofenreise nähert und daher die Aufrechterhaltung der vollen Roheisenproduktion unter Vermeidung hoher Investitionen in den Hochofen A nur durch eine baldige Inbetriebnahme des Hochofens B erreichbar ist. Bei der Gewichtung der zuletzt genannten Interessengesichtspunkte ist allerdings zu berücksichtigen, dass derjenige, der einen Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 a Abs. 1 Nr. 1 VwGO stellt, das Risiko einer späteren Aufhebung des ihn begünstigenden Verwaltungsakts kennt. Dies gilt vorliegend umso mehr, als die Beigeladene es trotz wiederholter Aufforderungen durch die Antragsgegnerin versäumt hat, im Genehmigungsverfahren Mängel an der von ihr vorgelegten Immissionsprognose zu beheben. Auf die Möglichkeit einer späteren Aufhebung der ihr erteilten Genehmigung musste die Beigeladene ihre wirtschaftlichen Dispositionen daher von Anfang an einstellen und genießt insoweit kein schutzwürdiges Vertrauen. Auch der Umstand, dass die Beigeladene ihren Antrag nach § 80 a Abs. 1 Nr. 1 VwGO auf die Errichtung des Vorhabens beschränkt hat, vermindert das Gewicht des ihr zuzubilligenden Interesses an dessen baldiger Verwirklichung, weil sie damit selbst das Risiko von Verzögerungen durch weitere gerichtliche Verfahren geschaffen hat.

Das öffentliche Interesse an dem sofortigen Vollzug der Errichtungsgenehmigung liegt in erster Linie darin, die nach dem oben Gesagten zu erwartende Verringerung der Immissionsbelastung mit dem Luftschadstoff Schwebstaub (PM-10) in ... möglichst frühzeitig umzusetzen. Die besondere Bedeutung, die der Schwebstaub (PM-10)-Belastung für den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung im Duisburger Norden zukommt, wird auch daran deutlich, dass Überschreitungen der Grenzwerte für diesen Luftschadstoff die Aufstellung eines Lufreinhalteplans erforderlich machten. Die in diesem Plan vorgesehenen Maßnahmen sprechen wiederum für die Bedeutung, die das vorliegend zu beurteilende Änderungsvorhaben bei der Senkung des industriellen Beitrags zur Schwebstaub (PM-10)-Belastung hat. Darin ist nämlich der Ersatz des Hochofens A durch den geplanten Hochofen B als wichtigste Maßnahme neben 18 verschiedenen weiteren Sanierungsprojekten hervorgehoben.

Für die Gewichtung des öffentlichen Interesses an der Verminderung gesundheitsschädlicher Luftschadstoffe ist der Umstand, dass der Hochofen A nicht vollständig abgeschaltet, sondern in Reserve genommen wird, im gegenwärtigen Stadium des Genehmigungsverfahrens nicht ausschlaggebend. Es ist Sache der Antragsgegnerin, im Fall eines Antrags der Beigeladenen auf Anordnung der sofortigen Vollziehung der Betriebsgenehmigung darüber zu entscheiden, ob überhaupt und ggf. in welchem Umfang der 3-Ofen-Betrieb schon vor einer umfassenden Prüfung des Vorhabens im Hauptsacheverfahren zugelassen werden kann.

Neben dem Schutz der menschlichen Gesundheit durch die Verminderung von Schwebstaub (PM-10)-Immissionen besteht ein öffentliches Interesse daran, die Effekte der Entwicklung des Industriestandorts und der damit verbundenen Entlastungen des Arbeitsmarkts zu beschleunigen.

Ende der Entscheidung

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