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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 29.04.2005
Aktenzeichen: 8 B 721/05
Rechtsgebiete: MG NRW, StAG


Vorschriften:

MG NRW § 19
StAG § 25
Zur melderechtlichen Verpflichtung, über den Fortbestand der deutschen Staatsangehörigkeit Auskunft zu erteilen, und zur Möglichkeit, diese Verpflichtung durch Ordnungsverfügung mit Zwangsgeldandrohung durchzusetzen.
Tatbestand:

Der Antragsteller hat die deutsche Staatsangehörigkeit durch Einbürgerung unter Verlust der türkischen erworben. Im Rahmen der Vorbereitung der Landtagswahlen bat der Antragsgegner die bei ihm gemeldeten, ehemaligen türkischen Staatsangehörigen um Auskunft, ob sie nach dem 1.1.2000 die türkische Staatsangehörigkeit wieder erworben - und damit die deutsche verloren - hätten. Nachdem der Antragsteller auf die Nachfrage nicht reagiert hatte, forderte ihn der Antragsgegner mit sofort vollziehbarer Ordnungsverfügung unter Androhung eines Zwangesgeldes zur Auskunftserteilung auf. Der einstweilige Rechtsschutzantrag des Antragstellers blieb in beiden Instanzen erfolglos.

Gründe:

Der Antragsteller ist seiner Pflicht nach § 19 MG NRW, auf Verlangen Auskünfte zu erteilen, die zur ordnungsgemäßen Führung des Melderegisters erforderlich sind, nicht nachgekommen. Zu Recht hat der Antragsgegner angenommen, es sei zur ordnungsgemäßen Führung des Melderegisters erforderlich, von dem Antragsteller Auskunft über den Fortbestand seiner deutschen Staatsangehörigkeit zu verlangen. Denn die Kenntnis darüber, dass zahlreiche ehemalige türkische Staatsangehörige nach ihrer Einbürgerung ihre frühere Staatsangehörigkeit wieder erworben - und damit im Regelfall nach § 25 StAG die deutsche Staatsangehörigkeit verloren - haben, ohne dass dies den Meldebehörden bekannt geworden ist, ließ konkrete Zweifel an der Richtigkeit des Melderegisters hinsichtlich eines erheblichen Anteils der Einwohner aufkommen, die ihre deutsche Staatsbürgerschaft ursprünglich unter Verlust ihrer türkischen erworben haben. Dabei kommt es im Ergebnis nicht darauf an, ob die Annahme, in der gesamten Bundesrepublik sei dies bei ca. 40.000 bis 50.000 Personen der Fall, zutreffend ist. Denn auch das in der Presse veröffentlichte Ergebnis der vom Antragsgegner durchgeführten Anfragen (ca. 5 % der Befragten verfügt wieder über die türkische Staatsangehörigkeit), auf das sich der Antragsteller beruft, bestätigt die Annahme, dass die Angaben im Melderegister in einer beachtlichen Anzahl von Fällen fehlerhaft sind. Einer Auskunftspflicht des Antragstellers nach § 19 MG NRW steht nicht entgegen, dass die vom Antragsgegner in der an den Antragsteller übersandten Formularerklärung gestellte Frage - wie der Antragsteller meint - "über den Wortlaut des Gesetzestextes des § 25 StAG hinausgeht". Denn es bleibt dem Antragsteller - falls bei ihm ein 'atypischer' Staatsangehörigkeitswechsel stattgefunden hat - unbenommen, die Bejahung der Frage mit weiteren Erläuterungen zu versehen oder von dem mit dem Auskunftsersuchen verbundenen Angebot einer Beratung durch die Ausländer- oder Einbürgerungsbehörden Gebrauch zu machen. Zu Recht begründet der Antragsgegner die konkrete Notwendigkeit und Dringlichkeit der Berichtigung der Melderegistereintragungen über die Staatsangehörigkeit mit den bevorstehenden Landtagswahlen und der zu deren Durchführung unter Rückgriff auf die Daten des Melderegisters (vgl. § 3 Abs. 2 Nr. 1 MG NRW) nach § 16 Abs. 1 LWahlG aufzustellenden Wählerverzeichnisse. Hierbei kommt es entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht darauf an, ob tatsächlich zu erwarten ist, dass die Mehrheitsverhältnisse im Landtag durch die Anzahl der mangels deutscher Staatsangehörigkeit zu Unrecht ins Wählerverzeichnis aufgenommenen Personen entscheidend beeinflusst wird. Eine fundierte Prognose wäre insoweit mangels Vorsehbarkeit des Wahlergebnisses gar nicht möglich. Entscheidend ist vielmehr, dass die Teilnahme tatsächlich nicht wahlberechtigter Personen an der Landtagswahl grundsätzlich geeignet ist, das Wahlergebnis zu beeinflussen und damit zu verfälschen.

Der Antragsgegner hat auch zu Recht den Antragsteller zur Beseitigung der Unklarheiten über die Richtigkeit des Melderegisters herangezogen. Denn die Pflicht nach § 19 MG NRW, auf Verlangen die zur ordnungsgemäßen Führung des Melderegisters erforderlichen Auskünfte zu erteilen, trifft den Antragsteller als Meldepflichtigen. Kommt der Antragsteller dieser Auskunftspflicht nicht nach, kann der Antragsgegner ihn als Störer im Sinne des § 17 Abs. 1 OBG unter Androhung von Zwangsmitteln dazu verpflichten. Dass dem Antragsgegner andere, ebenso effektive und weniger belastende Mittel zur Verfügung stehen, die Richtigkeit des Melderegisters kurzfristig sicherzustellen, ist nicht ersichtlich. Soweit der Antragsteller auf das Übereinkommen über den Austausch von Einbürgerungsmitteilungen vom 10.9.1964 - Übereinkommen CIEC Nr. 8 - hinweist, geht sein Vortrag ins Leere, da die Bundesrepublik Deutschland diesem Abkommen bisher nicht beigetreten ist. Ob es - wie der Antragsteller vorträgt - möglich wäre, Kenntnis von Wiedereinbürgerungen deutscher Staatsangehöriger in die Türkei durch Auswertung öffentlich zugänglicher türkischer Gesetz- und Verordnungsblätter zu erlangen, kann dahinstehen, da nicht erkennbar ist, dass entsprechende Ermittlungen noch rechtzeitig vor der Landtagswahl erschöpfende und insbesondere den Wohnsitzgemeinden der Betroffenen zuzuordnende Erkenntnisse liefern könnten.

Die Geeignetheit der Befragung ehemaliger türkischer Staatsangehöriger über den Fortbestand ihrer deutschen Staatsangehörigkeit etwa zwei Monate vor der Landtagswahl wird nicht durch den Hinweis in Frage gestellt, dass dadurch solche Fehler des Melderegisters und nachfolgend des Wählerverzeichnisses nicht vermieden werden könnten, die durch den Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit erst im April 2005 entstünden. Zwar ist dieser Hinweis zutreffend, kann aber nicht rechtfertigen, auf die Beseitigung von Unrichtigkeiten des Melderegisters, die über einen Zeitraum von mehr als vier Jahren, nämlich seit der Änderung des § 25 StAG zum 1.1.2000 entstanden sind, zu verzichten.

Die Verpflichtung des Antragstellers zur Auskunftserteilung durch die angegriffene Ordnungsverfügung erweist sich auch nicht als unverhältnismäßig. Die Belastung des Antragstellers durch die Beantwortung der Frage nach einer möglichen Annahme der türkischen Staatsangehörigkeit ist erkennbar gering. Sie stellt auch anknüpfend an konkrete Anhaltspunkte für mögliche Unrichtigkeiten des Melderegisters und die daraus resultierende, gesetzlich normierte Auskunftspflicht des Antragstellers keine Diskriminierung des Antragstellers dar.

Angesichts der äußerst geringfügigen Belastung des Antragstellers durch die angegriffene Verfügung und des gewichtigen öffentlichen Interesses an der Richtigkeit des Melderegisters sind auch keine sonstigen Gesichtspunkte ersichtlich, die ein überwiegendes Aufschubinteresse des Antragstellers begründen könnten. Das würde selbst dann gelten, wenn man die Erfolgsaussichten des Widerspruchs gegen die Ordnungsverfügung als offen ansehen wollte.

Ende der Entscheidung

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