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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 27.06.2007
Aktenzeichen: 8 B 922/07
Rechtsgebiete: UIG


Vorschriften:

UIG § 2 Abs. 3
UIG § 4 Abs. 2
UIG § 8 Abs. 1
UIG § 9 Abs. 1
Zu einem im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes geltend gemachten Anspruch auf Zugang zu Umweltinformationen im Zusammenhang mit dem Transrapid.
Tatbestand:

Die Antragstellerin ist eine Einwendergemeinschaft, die sich im Zusammenhang mit dem geplanten Bau einer Transrapidstrecke in M. gegründet hat. Sie begehrt Akteneinsicht in das Sicherheitskonzept für das auf dieser Strecke zum Einsatz vorgesehene Fahrzeug Transrapid TR 09 sowie in die hierfür erteilte Genehmigung sowie in die über das Fahrzeug vorhandenen Unterlagen, soweit diese Umweltinformationen im Sinne des § 2 Abs. 3 UIG enthalten. Ihr Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung blieb in beiden Instanzen ohne Erfolg.

Gründe:

Die Beschwerde gegen den Beschluss des VG, mit dem der Antrag, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin Akteneinsicht in das seitens der Beigeladenen zur Genehmigung vorgelegte Sicherheitskonzept für das Fahrzeug Transrapid TR 09 sowie in die hierfür seitens der Genehmigungsbehörde erteilte Genehmigung sowie in die über das Fahrzeug vorhandenen Unterlagen zu gewähren, soweit diese Umweltinformationen im Sinne des § 2 Abs. 3 UIG enthalten, abgelehnt worden ist, hat keinen Erfolg.

Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, stellt die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis nicht durchgreifend in Frage.

Entgegen der Auffassung der Beigeladenen ist der Antrag nicht schon deshalb unzulässig, weil es der Antragstellerin am Rechtsschutzinteresse fehlt. Dem Vortrag der Beigeladenen, ein Anspruch der Antragstellerin sei wegen einer gegen Treu und Glauben verstoßenden Verzögerung der Antragstellung verwirkt, mangelt es an einer tatsächlichen Grundlage. Zwar mögen die Informationen zumindest teilweise schon seit über einem Jahr der Genehmigungsbehörde vorgelegen haben. Die Genehmigungsbehörde hat das Sicherheitskonzept der Beigeladenen aber erst am 20.4.2007 genehmigt mit der Folge, dass die S. Zeitung hierüber (erst) am 24.4.2007 berichtet hat. Dieser Zeitungsbericht war nachvollziehbarer Anlass für die Antragstellerin, zeitnah einen Informationszugangsanspruch bei der Genehmigungsbehörde geltend zu machen.

Der Antrag dürfte auch nicht - wie das VG angenommen hat - deshalb unzulässig sein, weil er nicht hinreichend bestimmt ist und deshalb nicht den Anforderungen des § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO genügt. Bei Streitigkeiten wie der vorliegenden, bei der Einsicht in bislang unbekannte Unterlagen begehrt wird, kann, wenn ein gesetzlich vorgesehener Informationszugangsanspruch nicht vollständig leer laufen soll, von dem jeweiligen Antragsteller nicht stets verlangt werden, dass er die Unterlagen, auf die sich sein Informationszugangsbegehren bezieht, im Einzelnen genau bezeichnet. Denn eine solche Bezeichnung ist ihm regelmäßig ohne nähere Kenntnis des Akteninhalts gar nicht möglich. In derartigen Fallgestaltungen dürfte es deshalb - sowohl für die an § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu messende Bestimmtheit eines gerichtlichen Antrags als auch für die sich an § 4 Abs. 2 Satz 1 UIG orientierende Bestimmtheit eines Antrags im Verwaltungsverfahren - regelmäßig ausreichen, wenn der Antragsteller sein Zugangsbegehren im Rahmen des ihm Möglichen umschreibt.

Ausgehend davon spricht vieles dafür, dass der Antrag der Antragstellerin dem Bestimmtheitserfordernis genügt. Die Verwaltungsvorgänge, in die die Antragstellerin Einsicht begehrt, sind eindeutig bezeichnet. Nichts anderes dürfte für die Einschränkung ihres Zugangsbegehrens auf den Bereich der Umweltinformationen gelten. Der Begriff der Umweltinformationen ist in § 2 Abs. 3 UIG abschließend gesetzlich definiert. An dieser Definition hat sich die Auslegung des Begehrens der Antragstellerin zu orientieren. Da der Antragstellerin nicht bekannt ist, welche Umweltinformationen in den Verwaltungsvorgängen enthalten sind, kann von ihr nicht verlangt werden, im Einzelnen anzugeben, um welche Umweltinformationen es ihr geht. Vielmehr ist ihr Begehren eindeutig darauf gerichtet, Zugang zu allen Umweltinformationen in den von ihr näher bezeichneten Vorgängen zu erhalten.

Die Frage der Bestimmtheit des Antrags bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung, da der Antrag jedenfalls in der Sache keinen Erfolg hat.

Der Erlass einer - wie hier - die Hauptsache vorwegnehmenden einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO setzt zum einen voraus, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Anordnungsanspruch besteht, und erfordert zum anderen, dass die gerichtliche Regelung zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, weil dem Antragsteller sonst schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 21.3.1997 - 11 VR 3.97 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 22.6.2006 - 8 B 561/06 -.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.

Nach der derzeitigen Erkenntnislage kann nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass der Antragstellerin ein Anordnungsanspruch zusteht.

Im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens ist weder eine abschließende Klärung möglich, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang in den Unterlagen, für die die Antragstellerin Akteneinsicht begehrt, Umweltinformationen vorhanden sind, noch kann abschließend entschieden werden, ob und inwieweit die genannten oder auch weitere Ausschlusstatbestände der Gewährung des Informationszugangs entgegenstehen. Denn für die Beantwortung dieser Fragen bedarf es insbesondere noch einer Klärung der tatsächlichen Fragen, was in der Kürze der für die gerichtliche Prüfung verfügbaren Zeitspanne nicht geleistet werden kann.

Allerdings ist davon auszugehen, dass gewisse Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass in den Unterlagen, in die die Antragstellerin Akteneinsicht begehrt, jedenfalls teilweise Umweltinformationen im Sinne der Legaldefinition des § 2 Abs. 3 UIG enthalten sind. In diese Richtung deutet das Vorbringen der Antragsgegnerin, die an keiner Stelle ihrer Beschwerdeerwiderung das Fehlen jeglicher Umweltinformationen behauptet, sondern vielmehr lediglich beanstandet, die Antragstellerin habe die gewünschten Informationen nicht näher konkretisiert. Im Übrigen spricht zumindest vom Ansatz her eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Unterlagen über das Fahrzeug Transrapid TR 09 auch Angaben im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 2 UIG beinhalten. Ähnliches gilt für das Sicherheitskonzept und dessen Genehmigung. Wenn in der Risikoanalyse des Sicherheitskonzepts ca. 120 Gefährdungen auf ihre Auftretenswahrscheinlichkeit und ihr Schadensausmaß untersucht worden sind und ein Katalog von Gegenmaßnahmen baulicher, technischer, organisatorischer und betrieblicher Art aufgestellt worden ist (so die Aussagen der Genehmigungsbehörde in einem Schreiben an das zuständige Bundesministerium), deutet dies darauf hin, dass die in Rede stehenden Verwaltungsvorgänge zumindest auch Aussagen über die Freisetzung von Stoffen in die Umwelt im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 2 UIG (wie etwa im Falle eines Brandes) sowie über Maßnahmen oder Tätigkeiten zum Schutz von Umweltbestandteilen im Sinne § 2 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b UIG enthalten.

Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass gewichtige Anhaltspunkte für das Eingreifen von gesetzlichen Ausschlusstatbeständen bestehen. So spricht einiges dafür, dass die Unterlagen über das Fahrzeug Transrapid TR 09 nicht zu offenbaren sein könnten, weil und soweit es sich um Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse der Fahrzeugkonstrukteure/-hersteller im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG handelt. Hinsichtlich des Sicherheitskonzepts und dessen Genehmigung deutet einiges darauf hin, dass in Anbetracht des Gefährdungspotentials, das die Genehmigungsbehörde insbesondere in einem Schreiben an das zuständige Bundesministerium im Einzelnen aufgezeigt hat, der Ausschlusstatbestand des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 3 UIG eingreifen könnte, weil das Bekanntwerden nachteilige Auswirkungen auf bedeutsame Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit haben könnte.

Neben dem Fehlen einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit für das Bestehen eines Anordnungsanspruchs steht dem begehrten Erlass der einstweiligen Anordnung auch entgegen, dass auf der Grundlage der im vorliegenden Verfahren allein möglichen summarischen Prüfung nicht hinreichend erkennbar ist, dass der Antragstellerin schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile drohen, wenn ihr der Informationszugang nicht gewährt wird.

Der Antragstellerin ist zwar zuzugestehen, dass sie bei einer Ablehnung ihres Eilantrags nicht mehr in der Lage sein wird, etwaige Informationen, die sie aufgrund der begehrten Akteneinsicht zu erlangen erhofft, zum Gegenstand des Erörterungstermins im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens für den Bau der Magnetschnellbahnstrecke in M. zu machen, da dieser Erörterungstermin bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache abgeschlossen sein wird. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass Fragen zum Sicherheitskonzept und zum Fahrzeug Transrapid TR 09 bereits Gegenstand der Erörterungen am 12. und 13.6.2007 gewesen und von Sachverständigen umfassend erläutert worden sind, so dass davon auszugehen ist, dass für die Antragstellerin durchaus Gelegenheit bestand und möglicherweise auch im Rahmen des weiteren Erörterungsverfahrens noch Gelegenheit bestehen wird, ihre Bedenken gegen die Sicherheit des Magnetschwebebahnbetriebs in das Planfeststellungsverfahren einzubringen. Darüber hinaus richtet sich das Zugangsbegehren der Antragstellerin nicht auf das Sicherheitskonzept, dessen Genehmigung und die Fahrzeugunterlagen als solche, sondern lediglich auf die darin enthaltenen Informationen über die Umwelt; auch zu den Umweltauswirkungen liegen nach den Angaben der Antragsgegnerin bereits umfangreiche Unterlagen im Planfeststellungsverfahren vor. Im Übrigen verbleibt den einzelnen Gesellschaftern der Antragstellerin noch die Möglichkeit, bei einer persönlichen Rechtsbetroffenheit etwaige Sicherheitsbedenken in einem gerichtlichen Verfahren gegen den Planfeststellungsbeschluss geltend zu machen. Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass die einzelnen Gesellschafter der Antragstellerin in einem späteren Klageverfahren gegen den Planfeststellungsbeschluss nicht mit auf das Sicherheitskonzept, dessen Genehmigung und die Unterlagen über das Fahrzeug Transrapid TR 09 gestützten Einwendungen ausgeschlossen sind, wenn die im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens ausgelegten Unterlagen keinen Anlass zu diesen Einwendungen gegeben haben.

Auch eine wegen der eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten im vorliegenden Verfahren und der Offenheit der Erfolgsaussichten eines Hauptsacheverfahrens in Betracht zu ziehende Interessenabwägung, in die ausschlaggebend die Folgen einer Stattgabe oder Ablehnung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung einzubeziehen wären, fiele zu Ungunsten der Antragstellerin aus.

Bei einer solchen Interessenabwägung ist das Gewicht der Folgen von entscheidender Bedeutung, die mit einer Gewährung des Informationszugangs aufgrund einer Stattgabe des Eilantrags verbunden sein könnten. Diese könnte - für den Fall des Eingreifens der genannten Ausschlusstatbestände - zur Konsequenz haben, dass durch das Offenbaren der Unterlagen - soweit es sich um die Unterlagen über das Fahrzeug Transrapid TR 09 handelt - Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse der Fahrzeugkonstrukteure/-hersteller der Antragstellerin zugänglich gemacht würden und - soweit es um das Sicherheitskonzept und dessen Genehmigung geht - nachteilige Auswirkungen auf bedeutsame Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit entstünden. Diese Folgewirkungen würden auch endgültig eintreten, da ein einmal gewährter Informationszugang nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.

Demgegenüber sind die Folgen einer Nichtgewährung des Informationszugangs für die Antragstellerin wegen der dargestellten verbleibenden Möglichkeiten einer Verfahrensbeteiligung im Erörterungstermin und in etwaigen gerichtlichen Verfahren weniger gewichtig.

Ausgehend von diesen Erwägungen muss wegen des erheblichen Gewichts, das hinter den möglicherweise einschlägigen Ausschlusstatbeständen steht, das Interesse der Antragstellerin an der Gewährung des Informationszugangs hinter dem Interesse des Antragsgegners und der Beigeladenen an der Geheimhaltung der Unterlagen zurückstehen.

Ende der Entscheidung

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