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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 04.01.2008
Aktenzeichen: 8 E 1152/07
Rechtsgebiete: VwGO
Vorschriften:
VwGO § 162 |
2. Die Mitwirkung eines privaten Sachverständigen ist nicht i.S.d. § 162 Abs. 1 VwGO zur Rechtsverteidigung notwendig, wenn sie nicht über eine Ergänzung und Erläuterung etwaiger Unklarheiten eines bereits im (immissionsschutzrechtlichen) Genehmigungsverfahren vorgelegten Gutachtens hinausgeht.
3. Die Höhe der nach § 162 Abs. 1 VwGO notwendigen Aufwendungen ist bei der Einschaltung eines privaten Gutachters nicht auf die Kosten eines vom Gericht beauftragten Gutachters beschränkt. Der vertraglich vereinbarte Stundensatz ist grundsätzlich erst dann nicht erstattungsfähig, wenn das Honorar offensichtlich unangemessen ist.
Tatbestand:
In einem immissionsschutzrechtlichen Nachbarstreit zog die beigeladene Genehmigungsinhaberin einen Sachverständigen hinzu, der ihre Prozessbevollmächtigten bei der Abfassung von Schriftsätzen unterstützte und an der mündlichen Verhandlung vor dem VG als Sachbeistand teilnahm. Das Gericht wies die Nachbarklage ab, legte dem Kläger die Kosten auf und erklärte die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle entsprach dem Kostenfestsetzungsantrag der Beigeladenen in voller Höhe der ihr von dem Sachverständigen in Rechnung gestellten Honorarforderung. Die dagegen nach erfolglosem Erinnerungsverfahren erhobene Beschwerde des Klägers hatte vor dem OVG teilweise Erfolg.
Gründe:
Zu den erstattungsfähigen Kosten des Verfahrens zählen gemäß § 162 Abs. 1 VwGO neben den hier nicht streitbefangenen Gerichtskosten auch die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten. Die mit der Beschwerde allein angegriffene Erstattungsfähigkeit der Kosten für die Einschaltung des Sachverständigen Dipl.-Ing. B. , der die Klägerin und ihre Prozessbevollmächtigten bei der Abfassung von Schriftsätzen beraten und darüber hinaus an der mündlichen Verhandlung als Sachbeistand teilgenommen hat, ist entgegen der Auffassung des VG nur teilweise gegeben.
Die durch die Einholung eines Privatgutachtens in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren entstandenen Kosten sind von vornherein nur erstattungsfähig, wenn das Gutachten in dem Verfahren vorgelegt worden ist. Das trifft auf die von dem Sachbeistand gegenüber der Beigeladenen und ihren Prozessbevollmächtigten abgegebenen schriftlichen und mündlichen Stellungnahmen nicht zu. Die Berücksichtigung einer - internen - Stellungnahme in einem anwaltlichen Schriftsatz reicht nicht aus, um die Erstattungsfähigkeit zu begründen.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23.2.2007 - 10 E 182/07 -; Bay.VGH, Beschluss vom 29.10.2002 - 20 C 01.2951 -, NVwZ-RR 2003, 603; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 8.5.2001 - 5 S 3245/98 -, NVwZ-RR 2002, 315; Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., 2006, § 162 Rn. 33.
Es bedarf hier auch keiner Entscheidung, ob die Aufwendungen für einen Privatgutachter erstattungsfähig sind, wenn dessen Ausführungen, ohne dass ein schriftliches Gutachten vorgelegt worden ist, gleichwohl für das Gericht und die übrigen Prozessbeteiligten erkennbar als von ihm verantwortete Stellungnahme in das Verfahren eingeführt worden sind.
Vgl. diese Frage offen lassend: VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 8.5.2001 - 5 S 3245/98 -, a.a.O.
Denn auch daran fehlt es. Die schriftlichen Stellungnahmen des Sachbeistands sind weder dem schriftsätzlichen Klägervortrag beigefügt worden, noch ist den Schriftsätzen des Prozessbevollmächtigten ein Hinweis darauf zu entnehmen, dass beziehungsweise welche Passagen einer Stellungnahme des Sachverständigen entnommen sind.
Danach kommt eine Erstattungspflicht des Klägers lediglich in Bezug auf die Kosten in Betracht, die im Zusammenhang mit der Teilnahme des Sachverständigen an der mündlichen Verhandlung entstanden sind.
Ob die Kosten für private, d.h. nicht vom Gericht bestellte Sachverständige "notwendig" im Sinne des § 162 Abs. 1 VwGO sind, beurteilt sich nicht nach der subjektiven Auffassung des Auftraggebers, sondern danach, wie eine verständige Partei, die bemüht ist, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten, in gleicher Lage ihre Interessen wahrgenommen hätte. Dabei ist grundsätzlich ein strenger Maßstab anzulegen, weil andernfalls ein Verfahrensbeteiligter das Kostenrisiko zu Lasten anderer Beteiligter unkalkulierbar erhöhen könnte.
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 16.8.1977 - 11 B 610/76 -, OVGE 33, 90 (93), und vom 3.9.2001 - 10a D 191/96.NE -, NVwZ-RR 2002, 902.
Davon ausgehend ist die Einholung eines Privatgutachtens im Verwaltungsprozess nur dann - ausnahmsweise - als notwendig anzuerkennen, wenn die Prozesslage es herausgefordert hat, der Beteiligte sich mithin in einer "prozessualen Notlage" befand, in der es ihm bei verständigem Prozessverhalten unausweichlich erscheinen musste, zur sachgerechten Wahrnehmung seiner Interessen unaufgefordert kostenintensive Maßnahmen zu ergreifen.
Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 16.11.2006 - 4 KSt 1003.06 -, NJW 2007, 453, und vom 11.4.2001 - 9 KSt 2.01, 11 A 13.97 - , NVwZ 2001, 919; OVG NRW, Beschluss vom 25.6.2001 - 7 E 747/99 -, juris; Bay. VGH, Beschluss vom 5.11.2007 - 23 C 07.2664 -, juris; Neumann, a.a.O., § 162 Rn. 35.
Diese Voraussetzungen sind hier, wie das VG zutreffend ausgeführt hat, erfüllt. Maßgebend dafür ist, dass auch der Kläger sich des Sachverstands eines Dritten bedient hat und dass es um komplexe technische, chemische und biologische Zusammenhänge ging, zu denen sich die Beigeladene durch ihre gesetzlichen Vertreter auch unter Berücksichtigung der bei diesen zu unterstellenden Sachkunde nicht hinreichend und erschöpfend äußern konnte, weil ihre gesetzlichen Vertreter nicht über eine dem Sachverständigen gleichwertige technische Qualifikation verfügen. Der Einwand des Klägers, die Beigeladene müsse aufgrund ihrer Betreiberstellung selbst über die notwendigen Kenntnisse verfügen, ist jedenfalls in Bezug auf das hier den Kern der Auseinandersetzung bildende Sicherheitskonzept unbegründet. Denn der Betreiber einer genehmigungsbedürftigen Anlage muss ein solches Sicherheitskonzept nicht notwendig selbst entwickeln bzw. entwickeln können. Es reicht aus, ein genehmigungsfähiges und genehmigtes Sicherheitskonzept so weit nachzuvollziehen, dass seine Umsetzung zuverlässig gewährleistet werden kann.
Die Erstattungsfähigkeit der durch die Teilnahme des Sachbeistands an der mündlichen Verhandlung entstandenen Kosten ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil dieser den im vorangegangenen Verwaltungsverfahren von der Beigeladenen vorgelegten Sicherheitsbericht erstellt hatte. Zwar wäre eine Mitwirkung des Sachverständigen, die nicht über eine bloße Ergänzung und Erläuterung etwaiger Unklarheiten des im Verwaltungsverfahren vorgelegten Gutachtens hinausgeht, nicht zur Rechtsverteidigung notwendig; denn sie wäre noch der Erfüllung der im Genehmigungsverfahren dem Betreiber - hier: der Beigeladenen - nach der Neunten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes obliegenden Pflicht zur Beibringung der erforderlichen Genehmigungsunterlagen zuzurechnen.
Vgl. OVG Rh.-Pf., Beschluss vom 23.11.2005 - 8 C 11145/04 -, NJW 2006, 1689.
Darauf beschränkte sich die Mitwirkung des Sachverständigen im gerichtlichen Verfahren jedoch nicht. Zwar musste er einen - im Ergebnis nicht erheblichen - Rechenfehler einräumen und seine schriftlichen Ausführungen insoweit nachbessern. Die in der mündlichen Verhandlung erörterten Rügen des Klägers gegen das Sicherheitskonzept gingen aber darüber hinaus. Die Zuziehung des Sachbeistands war auch "durch die Prozesssituation herausgefordert". Zwar hatte das beklagte Amt bereits eingehend zu der Klagebegründung Stellung genommen. Dessen Ausführungen, die sich insbesondere mit dem von der Beigeladenen vorgelegten Sicherheitsbericht des Sachverständigen befassten, ist der Kläger indessen mit Schriftsätzen vom 16. und 24.10.2006 entgegengetreten, in denen er nicht nur zu technischen Detailfragen Stellung genommen, sondern auch die Ladung zweier namentlich bezeichneter Sachverständiger beantragt hat. Hierzu nahm das beklagte Amt vor dem Termin nicht mehr Stellung. Bei dieser Sachlage musste die Beigeladene damit rechnen, dass die Klägerseite im Termin ihrerseits sachverständig beraten sein würde. Sie konnte sich auch nicht darauf verlassen, dass das beklagte Amt, das das Sicherheitskonzept nicht selbst erstellt, sondern lediglich das von der Beigeladenen im Genehmigungsverfahren vorlegte Gutachten geprüft hatte, ohne sachverständige Unterstützung in der Lage sein würde, alle Rügen der Klägerseite hinreichend fachkundig auszuräumen.
Notwendig war danach der Zeitaufwand für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung zuzüglich der Zeit für die An- und Abreise. Der insoweit vom Gutachter angesetzte Zeitaufwand von 7,5 Stunden ist plausibel und nicht zu beanstanden. Zur sachgerechten Mitwirkung an der mündlichen Verhandlung erforderlich war darüber hinaus eine angemessene Vorbereitung, die in der Rechnung vor dem Hintergrund der vorangegangenen, aber intern gebliebenen Mitwirkung an der Rechtsverteidigung als solche nicht gesondert ausgewiesen ist und die der Senat deshalb in Anwendung von § 287 ZPO auf 2,5 Stunden schätzt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass - wie ausgeführt - der Zeitaufwand für die Überprüfung des gerügten Rechenfehlers nicht erstattungsfähig ist.
Der danach als erforderlich anzusehende Zeitaufwand von 10 Stunden ist mit dem vom Sachverständigen aufgrund der mit der Beigeladenen geschlossenen vertraglichen Vereinbarung in Rechnung gestellten Stundensatz von 109,- € (zzgl. Umsatzsteuer) zu vergüten. Dem steht nicht entgegen, dass für ein vom Gericht zu Fragen des Brandschutzes eingeholtes Sachverständigengutachten ein Stundensatz von nur 70,- € (vgl. Honorargruppe 5 gemäß § 9 JVEG mit Anlage 1) erstattungsfähig wäre. Denn die Höhe der nach § 162 Abs. 1 VwGO notwendigen Aufwendungen ist bei der Einschaltung eines privaten Gutachters nicht auf die Kosten eines vom Gericht beauftragten Gutachters beschränkt. Für eine derartige Beschränkung der als notwendig anzusehenden Aufwendungen bietet der Wortlaut des § 162 Abs. 1 VwGO keine hinreichende Grundlage. Aus dem gesetzlich vorgegebenen Maßstab der Notwendigkeit folgt vielmehr lediglich das Erfordernis, dass der vertraglich vereinbarte Stundensatz aus Sicht einer verständigen Partei als notwendig angesehen werden durfte, um einen adäquat qualifizierten Sachverständigen für die Übernahme des Auftrags zu gewinnen. Das ist, sofern es für die konkrete Tätigkeit keine einschlägigen Vorgaben durch staatliche Gebühren- oder Honorarordnungen gibt, vgl. zu § 80 VwVfG: BVerwG, Urteil vom 25.10.2000 - 6 C 11.99 -, NVwZ-RR 2001, 386, grundsätzlich erst dann zu verneinen, wenn das Honorar offensichtlich unangemessen ist.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25.6.2001 - 7 E 747/99 -, a.a.O.; Bay.VGH, Beschluss vom 26.7.2000 - 22 C 00.1767 -, NVwZ-RR 2001, 69, m.w.N.; Neumann, a.a.O., § 162 Rn. 41; Olbertz, in: Schoch/ Schmidt-Aßmann, VwGO, Stand: September 2007, § 162 Rn. 29; a.A. OVG Rh.-Pf., Beschluss vom 23.11.2005 - 8 C 11145/04 -, a.a.O.
Dabei deutet der Umstand, dass die Partei den Sachverständigen zu einem Zeitpunkt, als das Entstehen eines Erstattungsanspruchs noch nicht sicher war, mithin auf eigenes Kostenrisiko, beauftragt hat, regelmäßig eher darauf hin, dass die Aufwendungen erforderlich waren. Dies zugrunde gelegt ist der vereinbarte Stundensatz von 109,- € für einen im Bereich der Umweltschutztechnik und Anlagensicherheit erfahrenen und sachverständigen Diplom-Ingenieur nicht zu beanstanden.
Ende der Entscheidung
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