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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 29.04.2009
Aktenzeichen: 8 E 147/09
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 81 Abs. 1 Satz 1
VwGO § 90
VwGO § 146 Abs. 1
Nutzt der Absender eines Klageschriftsatzes das angerufene Gericht als Bote und bittet um Weiterleitung an das zuständige Gericht, fehlt es an einer wirksamen Klageerhebung. In diesen Fällen wird die Klage weder anhängig noch rechtshängig, so dass sie nicht registriert und damit auch nicht beschieden werden muss.
Tatbestand:

Die Beschwerdeführerin wandte sich mit einer gegen 19 Beklagte gerichteten "Schadenersatz- und Amtshaftungsklage" an das VG mit dem Begehren, diese "Klage" den Beklagten zuzustellen und sodann an das von der Beschwerdeführerin für zuständig gehaltene Landgericht Berlin "abzugeben". Das VG teilte der Beschwerdeführerin formlos mit, dass nichts Weiteres veranlasst werde und die Beschwerdeführerin sich unmittelbar an das zuständige Zivilgericht wenden möge. Die dagegen erhobene Beschwerde blieb ohne Erfolg.

Gründe:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Sie ist unstatthaft, weil es an einer beschwerdefähigen Entscheidung des VG bzw. des Vorsitzenden der Kammer fehlt.

Gemäß § 146 Abs. 1 VwGO steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen gegen die Entscheidungen des VG, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, die Beschwerde an das OVG zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

Die Statthaftigkeit einer Beschwerde setzt das Vorliegen einer förmlichen Entscheidung voraus, wie auch die Abgrenzung zu anderen Verfahrensmaßnahmen in § 146 Abs. 2 VwGO zeigt.

Vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 20.3.2003 - 12 S 228/03 -, NVwZ 2003, 1541 = juris Rn. 6; Guckelberger, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 146 Rn. 9.

An einer solchen Entscheidung fehlt es. Das VG hat der Beschwerdeführerin in seiner Eingangsbestätigung vom 9.12.2008 lediglich formlos mitgeteilt, es werde zunächst nichts weiteres veranlasst, weil die Beschwerdeführerin sich mit ihrem Gesuch unmittelbar an die zuständigen Zivilgerichte wenden könne.

Eine Nichtentscheidung ist vom Wortlaut des § 146 Abs. 1 VwGO nicht erfasst. Eine Untätigkeitsbeschwerde sieht die Verwaltungsgerichtsordnung nicht vor.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.1.2003 - 3 B 8.03 -, juris Rn. 1; OVG NRW, Beschluss vom 2.7.2007 - 7 E 684/07 -, juris Rn. 8; BayVGH, Beschluss vom 11.12.2007 - 14 C 07.2924 -, juris Rn. 8; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 20.3.2003, a.a.O., juris Rn. 6 ff.

Die Zulässigkeit einer Untätigkeitsbeschwerde lässt sich nur für den Fall erwägen, dass die im Unterlassen einer erbetenen Entscheidung liegende Untätigkeit des Gerichts der Sache nach einer Rechtsschutzverweigerung gleichkommt, die mit dem Gebot des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, Rechtsschutz innerhalb angemessener Frist zu gewähren, nicht mehr vereinbar ist.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.1.2003 - 1 BvR 2222/02 -, NVwZ 2003, 858 = juris Rn. 3; OVG NRW, Beschluss vom 2.7.2007, a.a.O., juris Rn. 10; BayVGH, Beschluss vom 11.12.2007, a.a.O., juris Rn. 8; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 20.3.2003, a.a.O., juris Rn. 11; Guckelberger, a.a.O., § 146 Rn. 10 f.; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, § 146 Rn. 22.

Eine solche Situation ist hier jedoch ersichtlich nicht gegeben. Von einer Rechtsschutzverweigerung kann keine Rede sein, weil das VG mangels wirksamer Klageerhebung zu einer Weiterbehandlung der Eingabe der Beschwerdeführerin nicht verpflichtet war.

Gemäß § 90 VwGO wird die Streitsache durch die Erhebung der Klage, also mit der Einreichung eines Klageschriftsatzes bei Gericht (vgl. § 81 Abs. 1 Satz 1 VwGO), rechtshängig. Gemäß § 85 Satz 1 VwGO verfügt der Vorsitzende die Zustellung der Klage an den Beklagten. Ist der Verwaltungsrechtsweg unzulässig, spricht das VG dies gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17 a Abs. 2 Satz 1 GVG aus und verweist den Rechtsstreit an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs.

Die Rechtshängigkeit und ihre Folgen treten aber nur ein, wenn eine wirksame Klageerhebung vorliegt.

Der Kläger bringt sein Begehren vor Gericht und macht es dort anhängig, indem er Klage erhebt. Damit unterrichtet er das Gericht über sein Ansinnen, es möge sich mit seinem Streit befassen; darüber hinaus will er erreichen, dass der Beklagte vor Gericht gerufen wird und sich einer auch für ihn verbindlichen Entscheidung nicht entziehen kann. Lässt sich dem eingehenden Schriftsatz aber ganz offensichtlich kein ernsthaft gemeintes Rechtsschutzbegehren entnehmen oder nutzt der Absender das angerufene Gericht als Bote und bittet um Weiterleitung an das zuständige Gericht, fehlt es an einer wirksamen Klageerhebung. In diesen Fällen wird die Klage weder anhängig noch rechtshängig, so dass sie nicht registriert und damit auch nicht beschieden werden muss.

Vgl. Ortloff/Riese, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, § 81 Rn. 4; BayVGH, Beschluss vom 14.3.1990 - 5 B 89.3542 -, NJW 1990, 2403 = juris Rn. 9.

So liegt der Fall hier. Die Beschwerdeführerin hat ihr Begehren nach eigenem Bekunden von vornherein nur deswegen bei dem VG angebracht, um eine Zustellung der "Klage" mit nachfolgender Verweisung an das von ihr für zuständig gehaltene Landgericht Berlin zu erreichen. Sie verfolgt gar nicht das Ansinnen, das VG möge sich mit ihrem Streit befassen. Das VG soll lediglich gleichsam als Bote fungieren, um das Verfahren an das Landgericht Berlin weiterzuleiten. Bei dieser Sachlage ermangelt es einer wirksamen Klageerhebung, die eine Pflicht des VG zur weiteren Befassung mit der Eingabe der Beschwerdeführerin begründen würde.

Ende der Entscheidung

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