Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 11.05.2004
Aktenzeichen: 8 E 379/04
Rechtsgebiete: ParteiG, GVG


Vorschriften:

ParteiG § 5 Abs. 1 Satz 1
GVG § 17 a
Für Rechtsstreitigkeiten zwischen einer politischen Partei (hier: Landesverband NRW der NPD) und einer Sparkasse auf Eröffnung eines Girokontos kann der Verwaltungsrechtsweg gegeben sein.
Tatbestand:

Der Antragsteller, der Landesverband NRW der NPD, begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung der Antragsgegnerin, einer Sparkasse, ihm für seinen Kreisverband P. vorläufig ein Girokonto zu eröffnen. Zur Begründung verweist er u.a. auf § 5 ParteiG. Die Beschwerden der Beteiligten gegen die Verweisung des Rechtsstreits an das LG E. hatten Erfolg.

Gründe:

Auf sich beruhen kann, ob § 17 a Abs. 2 GVG nach § 173 VwGO auch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entsprechend anwendbar ist.

Vgl. in diesem Zusammenhang: OVG NRW, Beschluss vom 30.6.2000 - 21 E 472/00 -, NWVBl. 2001, 19 m.w.N.

Denn die vom VG angenommenen Voraussetzungen für eine Verweisung des Verfahrens an die Zivilgerichtsbarkeit sind nicht erfüllt. Der vorliegende Rechtsstreit ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit (nichtverfassungsrechtlicher Art) i.S.d. § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Ob eine Streitigkeit öffentlich- oder bürgerlich-rechtlich ist, richtet sich, wenn - wie hier - eine ausdrückliche gesetzliche Rechtswegzuweisung fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der geltend gemachte Anspruch hergeleitet wird.

Vgl. Gem. Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 10.4.1986 - GmS-OGB 1.85 -, BVerwGE 74, 369, 370 m.w.N.; OVG NRW, Beschluss vom 30.6.2000, a.a.O.

Öffentlich-rechtlich sind danach Streitigkeiten, wenn sie sich als Folge eines Sachverhalts darstellen, der nach öffentlichem Recht zu beurteilen ist. Der Charakter des zu Grunde liegenden Rechtsverhältnisses bemisst sich nach dem erkennbaren Ziel des Rechtsschutzbegehrens und des zu seiner Begründung vorgetragenen Sachverhalts. Maßgeblich ist allein die tatsächliche Natur des Rechtsverhältnisses, nicht dagegen die rechtliche Einordnung des geltend gemachten Anspruchs durch den Antragsteller selbst. Für die Annahme einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit genügt es, dass für das Rechtsschutzbegehren eine Anspruchsgrundlage in Betracht kommt, die im Verwaltungsrechtsweg zu verfolgen ist. Selbst wenn sich der Betreffende auf eine materielle Anspruchsgrundlage beruft, für die der beschrittene Rechtsweg zulässig wäre, kann eine Verweisung des Rechtsstreits angezeigt sein. Das ist der Fall, wenn diese Anspruchsgrundlage auf Grund des vorgetragenen Sachverhalts so offensichtlich nicht gegeben sein kann, dass kein Bedürfnis dafür besteht, die Klage insoweit mit Rechtskraftwirkung abzuweisen.

Vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 15.12.1992 - 5 B 144.91 -, NVwZ 1993, 359; OVG NRW, Beschluss vom 30.6.2000, a.a.O.

Ausgehend hiervon ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben, weil eine für das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers in Betracht kommende Anspruchsgrundlage dem öffentlichen Recht zuzuordnen (1.) und nach dem vorgetragenen Sachverhalt nicht offensichtlich ist, dass diese Anspruchsgrundlage nicht eingreift (2.).

1. Der Antragsteller stützt den geltend gemachten Anordnungsanspruch u.a. auf § 5 Abs. 1 Satz 1 ParteiG. Danach sollen alle Parteien gleich behandelt werden, wenn ein Träger öffentlicher Gewalt den Parteien Einrichtungen zur Verfügung stellt. Diese Bestimmung begründet eine einseitige Verpflichtung von Trägern staatlicher Gewalt und ist dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Im Hinblick auf die Geltendmachung dieses öffentlich-rechtlichen Anspruchs ist die Streitigkeit als öffentlich-rechtlich einzuordnen.

Vgl. in diesem Zusammenhang OVG NRW, Urteil vom 26.6.1968 - III A 47/68 -, DVBl. 1968, 842 f.

Dass für die Eröffnung eines Girokontos keine ausdrückliche öffentlich-rechtliche Handlung der Antragsgegnerin erforderlich ist, steht nach den zuvor beschriebenen Grundsätzen der Einordnung der Streitigkeit als öffentlich-rechtlich nicht entgegen. Der Umstand, dass die Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten nach einer Kontoeröffnung (einschließlich deren etwaiger Beendigung) einheitlich dem Privatrecht zuzuordnen sind, rechtfertigt keine abweichende Bewertung. Für die hier zu beurteilende Frage, auf welche Anspruchsgrundlage der Antragsteller sein Begehren stützt, ist die Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen im Anschluss an den begehrten Zugang unerheblich. Der privatrechtliche Charakter des Vertragsabschlusses lässt ebenfalls keinen Rückschluss auf die Rechtsnatur der Vorschriften zu, die hierzu verpflichten.

Vgl. Hamb. OVG, Beschluss vom 18.4.2002 - 1 So 35/02 -, Seite 3 des Beschlussabdrucks; VG Berlin, Beschluss vom 5.2.2004 - VG 25 A 207.03 -, Seite 5 des Beschlussabdrucks; BVerwG, Beschluss vom 21.7.1989 - 7 B 184.88 -, NJW 1990, 134 f.; Nds. OVG, Beschluss vom 7.6.1985 - 2 B 36/85 -, NJW 1985, 2347.

Die Überlegung des VG, die im Verwaltungsrechtsweg erstrittene Kontoeröffnung könnte nach einer durch das Zivilgericht bestätigten Kündigung des Girokontos verloren gehen, steht dem zuvor gefundenen Ergebnis nicht entgegen. Die Annahme des Zivilrechtswegs sowohl für die Eröffnung als auch für die Führung und etwaige Kündigung eines Girokontos führt in Fällen der zu beurteilenden Art zwar zu praktikablen Ergebnissen. Denn dann wird über in der sachlichen Struktur gleichartige Rechts- und Interessenlagen nach einheitlichen Maßstäben und innerhalb desselben Rechtswegs entschieden.

Vgl. zu diesem Gesichtspunkt BVerwG, Beschluss vom 7.6.1994 - 7 B 48.94 -, NJW 1994, 2500; OVG NRW, Beschluss vom 4.1.1995 - 25 E 1298/94 -, S. 3 des Beschlussabdrucks.

Dies stellt aber nicht in Frage, dass Ansprüche, die auf § 5 Abs. 1 Satz 1 ParteiG gestützt werden, - wie dargelegt - auch dann im Verwaltungsrechtsweg zu verfolgen sind, wenn das spätere Leistungsverhältnis privatrechtlich ausgestaltet ist. Es kommt hinzu, dass eine zivilgerichtlich erstrittene Kontoeröffnung ebenfalls nach einer zivilgerichtlich bestätigten Kündigung des Girokontos wieder verloren gehen könnte. Maßgeblich ist insoweit, wie weit die Rechtskraft der jeweiligen Gerichtsentscheidung, die zur Kontoeröffnung verpflichtet, reicht, nicht jedoch, auf welchem Rechtsweg die Kontoeröffnung erstritten wurde.

Dass für das Begehren des Antragstellers gegebenenfalls auch ein zivilrechtlicher, so genannter "mittelbarer" Kontrahierungszwang gemäß § 826 BGB, vgl. hierzu VG Hannover, Beschluss vom 29.5.2001 - 1 A 1782/01 u.a. -, NJW 2001, 3354, 3355 m.w.N., in Betracht kommen mag, ändert an der Einordnung der Streitigkeit als öffentlich-rechtlich nichts. Denn das Gericht des zulässigen Rechtswegs entscheidet den Rechtsstreit gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG grundsätzlich unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten.

2. § 5 Abs. 1 Satz 1 ParteiG ist als Anspruchsgrundlage mit Blick auf den vorgetragenen Sachverhalt nicht offensichtlich ausgeschlossen. Dass die Antragsgegnerin als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts (vgl. § 2 SpkG), die einen öffentlichen Auftrag wahrnimmt (vgl. § 3 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 SpkG), ein Träger öffentlicher Gewalt ist, ist nicht ernstlich zweifelhaft.

Vgl. zu diesem Gesichtspunkt auch: NRWVerfGH, Urteil vom 15.9.1986 - VerfGH 17/85 -, NVwZ 1987, 211, 213.

Es ist des Weiteren nicht offensichtlich ausgeschlossen, dass die Antragsgegnerin den Parteien im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 ParteiG Einrichtungen zur Verfügung stellt. Zum einen fällt hierunter möglicherweise auch die Eröffnung von Girokonten.

Vgl. Hamb. OVG, Beschluss vom 16.9.2002 - 1 Bs 243/02 -, S. 10 des Beschlussabdrucks.

Zum anderen kommt nach dem Vorbringen des Antragstellers, der Kreisverband P. der X.-Partei besitze ein Konto bei der Antragsgegnerin, in Betracht, dass das Tatbestandsmerkmal des Zurverfügungstellens erfüllt ist.

Ende der Entscheidung

Zurück