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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 23.11.2006
Aktenzeichen: 9 A 1029/04
Rechtsgebiete: KAG NRW


Vorschriften:

KAG NRW § 6 Abs. 2
Der auf Grund eines Cross Border Leasing-Geschäfts vereinnahmte Netto-Barwertvorteil muss nicht gebührenmindernd bei der Gebührenbedarfsberechnung berücksichtigt werden.
Tatbestand:

Im Rahmen einer Klage gegen die Heranziehung zu Entwässerungsgebühren beanstandeten die Kläger unter anderem, dass bei der Ermittlung des Gebührensatzes die Einnahmen aus einem sogenannten Cross Border Leasing (CBL-Geschäft), welches die Stadt A. über ihr Kanalnetz abgeschlossen hatte, nicht gebührenmindernd in die Kalkulation eingestellt worden waren.

Das CBL-Geschäft hatte dem Vertragspartner der Stadt A., einem US-amerikanischen Investor, einen Steuerstundungsvorteil erbracht, an dem die Stadt in Höhe des sogenannten Netto-Barwertvorteils (hier über 12 Millionen Euro) beteiligt worden war.

Wie zuvor schon das VG bestätigte das OVG im Berufungsverfahren die Auffassung der Stadt, dass der Barwertvorteil im Rahmen der Gebührenbedarfsberechnung nicht gebührenmindernd hatte eingestellt werden müssen.

Gründe:

Der angefochtene Bescheid beruht auf einer wirksamen Rechtsgrundlage. Insbesondere genügen die hier allein streitigen Gebührensätze in der Entwässerungsgebührensatzung den rechtlichen Vorgaben. Sie verstoßen im Ergebnis nicht gegen das Kostenüberschreitungsverbot gemäß § 6 Abs. 1 Satz 3 KAG NRW.

Eine verbotene Kostenüberschreitung ergibt sich zunächst nicht daraus, dass die Einnahmen aus dem CBL-Geschäft bei der Gebührenbedarfsberechnung nicht kostenmindernd angesetzt worden sind. Der Beklagte ist zu einer solchen Berücksichtigung des vereinnahmten sogenannten Netto-Barwertvorteils mit Blick auf die Kalkulation des Gebührensatzes nicht verpflichtet.

Gleicher Ansicht zur Fragestellung auch: VG Hamburg, Urteil vom 27.10.2004 - 7 K 3176/04 -, NvWZ 2005, 115; Kaufmann, in: Henneke/Pünder/Wald-hoff (Hrsg.), Recht der Kommunalfinanzen, 2006, § 15 Rdnr. 59; Schulte/Wiesemann, in: Driehaus (Hrsg.), Kommunalabgabenrecht, Loseblattkommentar, Stand September 2006, § 6 Rdnr. 64; Kuchler, KStZ 2003, 61 (65); Thomas/Wanner, KStZ 2002, 64 (73); Pschera/Hödl-Adick, ZKF 2002, 50 (52); Laudenklos/Pegatzky, NVwZ 2002, 1299 (1305); Biagosch/Kuchler, KStZ 2002, 85 (90).

Im Rahmen der Gebührenbedarfsberechnung sind die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen Kosten im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG NRW anhand des sogenannten wertmäßigen Kostenbegriffes zu ermitteln. Danach sind Kosten der Werteverzehr an Gütern und Dienstleistungen, welcher durch die Leistungserbringung in einer Periode bedingt ist.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5.8.1994 - 9 A 1248/92 -, NvWZ 1995, 1233 = juris Rdnr. 6.

Zur Erbringung der Leistung Abwasserentsorgung unterhält die Stadt unter anderem das Kanalnetz, das die Eigentümer der an die städtische Einrichtung Abwasserentsorgung angeschlossenen Grundstücke nutzen. Durch einen Teil der Gebühren werden die durch Nutzung des Netzes entstehenden Kosten abgegolten. Hierbei ist der gebührenrechtliche Grundsatz der Leistungsproportionalität (Prinzip der speziellen Entgeltlichkeit) zu beachten. Er besagt, dass in die Gebührenbedarfsberechnung nur Kosten eingestellt werden dürfen, die durch die Erbringung der in Anspruch genommenen Leistung entstehen; leistungsfremde Kosten dürfen hingegen nicht eingestellt werden.

Vgl. dazu Kaufmann, a.a.O., § 15 Rdnr. 56 bis 58, m.w.N.

Mit Blick darauf ist es systemgerecht, von den ansatzfähigen Kosten im Rahmen der Gebührenbedarfsberechnung etwaige Einnahmen nur dann abzuziehen, wenn sie im Zusammenhang mit der durch die Einrichtung vorgesehenen Leistungserbringung stehen bzw. wenn ihrer Erzielung Kosten der Einrichtung zugrunde lagen.

Vgl. David, KStZ 2000, 3 (4).

Gemessen daran lässt sich bezüglich der Einnahmen aus dem CBL-Geschäft Folgendes feststellen: Dem nach Abschluss des CBL-Geschäfts von der Stadt vereinnahmten Netto-Barwertvorteil liegen keine durch das Kanalnetz als Teil der Entwässerungseinrichtung entstandenen Kosten zugrunde. Die Einnahme steht in keinem Zusammenhang mit der städtischen Leistung, die durch die Entwässerungsgebühren abgegolten wird. Gegenstand des CBL-Geschäftes sind keine Funktionen des Kanalnetzes im Bereich der Abwasserentsorgung. Die Stadt erhält den Netto-Barwertvorteil quasi als Gegenleistung für den Abschluss des Vertrages, mit dem sie einem Investor einen Steuervorteil nach US-amerikanischen Recht verschafft; der Investor lässt die Stadt im Gegenzug an diesem Vorteil teilhaben. Zudem ist die Einnahme ein Entgelt für die Übernahme der mit dem CBL-Geschäft verbundenen Risiken durch die Stadt.

Vgl. Pschera/Hödl-Adick, a.a.O.

Die konkrete Ausgestaltung des CBL-Geschäfts und die mit ihm verbundenen Risiken bieten keinen Anlass für eine abweichende Betrachtung. Das CBL-Geschäft "verursacht" insbesondere nicht etwa deswegen Kosten, weil die Stadt nach dem Vertragsinhalt zur Unterhaltung des Kanalnetzes verpflichtet ist. Diese Unterhaltungskosten beruhen unmittelbar und entscheidend auf der Benutzung des Netzes. Der Senat teilt auch im Übrigen die im angefochtenen Urteil vertretene Auffassung, wonach der Inhalt des CBL-Geschäfts keine relevanten Ursachen für betriebsbedingte Kosten erkennen lässt. Namentlich fällt ins Gewicht, dass nach dem maßgeblichen deutschen Recht die Stadt Eigentümerin und Besitzerin des Kanalnetzes bleibt; dessen Betrieb als Teil der Entwässerungseinrichtung wird im Kern zudem - sowohl aus Sicht der Stadt als auch aus Sicht des Gebührenzahlers - vom Gegenstand der geschlossenen Verträge nicht entscheidend berührt. Die aus dem Geschäft für die Stadt resultierenden (finanziellen) Risiken, vgl. dazu ausführlich Smeets/Schwarz/Sander, NVwZ 2004, 1061; Thormann, BayVBl. 2004, 424; Güpner, Gemhlt 2003, 277, dürfen folgerichtig ebenfalls nicht bei der Gebührenkalkulation berücksichtigt werden. Das heißt, entstehende Kosten - etwa durch eine Versicherung gegen diese Risken oder gar durch einen Eintritt dieser Risiken - sind insoweit vom allgemeinen Haushalt und nicht vom Gebührenzahler zu tragen.

Vgl. Thormann, a.a.O., 427, 428.

Der Senat teilt nicht die vom VG Düsseldorf vertretene Auffassung zu der hier in Rede stehenden Frage, ob der Netto-Barwertvorteil bei der Berechnung des Gebührensatzes zu berücksichtigen ist. Danach soll ein "Nebenertrag" bereits dann gebührenmindernd in die Kalkulation einzustellen sein, wenn er "mit einer gebührenrelevanten Kostenposition kausal derart verknüpft ist, dass er deren Kostenstruktur verbessert". Eine solche Verknüpfung sei zwischen den Einnahmen aus dem CBL-Geschäft und den als Kosten eingestellten kalkulatorischen Zinsen gegeben. Hierfür spreche zudem die Verordnung PR Nr. 30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen vom 21.11.1953 (VO PR Nr. 30/53) mit den in der Anlage aufgeführten Leitsätzen für die Preisermittlung auf Grund von Selbstkosten (LSP), namentlich Nr. 43 Abs. 4 LSP.

Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 8.2.2006 - 5 K 2466/05 -, juris, Rdnr. 97 ff.,

Zwischen der kostenrelevanten Verzinsung des Anlagekapitals und dem aufgrund des CBL-Geschäfts vereinnahmten Netto-Barwertvorteil besteht nach Ansicht des Senats keine hinreichende Verknüpfung, die eine Einbeziehung dieser Einnahmen in die Gebührenkalkulation zwingend erforderlich machen könnte. Entgegen der Ansicht des VG Düsseldorf ist die vom Gebührenzahler zu tragende Verzinsung des Anlagekapitals nicht mit dem Ertrag aus dem CBL-Geschäft vergleichbar bzw. auf einer Ebene zu sehen. Dieser Ertrag wird nicht entscheidend durch die unmittelbare Zurverfügungstellung des im Kanalnetz als Teil der Einrichtung Abwasserentsorgung steckenden Kapitals erzielt. Maßgeblich ist vielmehr, dass die Stadt nach deutschem Recht Eigentümerin des Kanalnetzes bleibt und durch das Geschäft selbst kein Werteverzehr der Anlage eintritt. Ein Entgelt erhält die Stadt schlicht für ihre "Mithilfe" bei der Erwirtschaftung eines Steuervorteils für den US-Investor. Insofern findet allenfalls eine mittelbare "Nutzung" des in der Anlage steckenden Kapitals statt, die nach Ansicht des Senats nicht ausreicht und deshalb keine Berücksichtigung bei der Gebührenkalkulation erfordert.

Eine fehlende Vergleichbarkeit der durch das CBL-Geschäft erzielten Einnahme mit den kalkulatorischen Zinsen ergibt sich auch aus deren formaler Struktur. Kalkulatorische Zinsen kann die Stadt kontinuierlich jährlich anhand fester Bezugsgrößen errechnen. Die Einnahme aus dem CBL-Geschäft hingegen erfolgt einmalig und ist bezüglich ihres dauerhaften Bestandes mit Risiken behaftet. Auch mit Blick auf diese strukturellen Unterschiede kann der Ansicht des VG Düsseldorf nicht gefolgt werden, wonach bei Ausklammerung des Netto-Barwertvorteils der Gebührenzahler über die kalkulatorische Verzinsung Kosten zu tragen habe, die zum Ausgleich der durch die anlagenbezogene Kapitalbindung eintretenden Belastung nicht erforderlich wären. Eine Vergleichbarkeit der einmaligen Einnahme aus dem CBL-Geschäft könnte allenfalls mit einem Zuschuss gemäß § 6 Abs. 2 Satz 4 zweiter Halbsatz KAG NRW in Betracht zu ziehen sein. Auch insoweit wäre es indes nicht geboten, diesen "Zuschuss" gebührenmindernd zu berücksichtigen, weil er nicht - wie erforderlich - im Zusammenhang mit der Unterhaltung bzw. dem Betrieb des Kanalnetztes stünde (Betriebsbezogenheit).

Die vorstehende Bewertung wird auch unter Berücksichtigung von Nr. 43 Abs. 4 LSP nicht erschüttert. Danach sind im Preisrecht bei öffentlichen Aufträgen Nebenerträge dann als Gutschrift zu behandeln, wenn sie aus Teilen des betriebsnotwendigen Kapitals stammen. Die beispielhaft in Nr. 43 Abs. 4 LSP genannten Erträge (Zinsen, Mieten und Pachten) zeigen, dass ihre Erzielung in der Regel die unmittelbare Nutzbarmachung der betriebsnotwendigen Kapitalteile für einen Dritten voraussetzt. Diese erforderliche unmittelbare Verküpfung zwischen dem Vorhalten des betriebsnotwendigen Kapitals und den durch das CBL-Geschäft erzielten Einnahmen hält der Senat nicht für gegeben, denn das Kanalnetz wird für den US-Investor allenfalls "auf dem Papier" nutzbar gemacht; es dient als bloßes Vehikel für diesen, um bei der Heranziehung zu Steuern in den USA einen Vorteil zu erzielen.

Schließlich hält der Senat die dargestellte enge, unmittelbare Verknüpfung zwischen gebührenrelevanten Kosten und Einnahmen mit Blick auf eine etwaige Realisierung der bei Abschluss des CBL-Geschäfts vorhandenen Risiken für geboten. Berücksichtigte man die Einnahmen aus dem CBL-Geschäft bei der Kalkulation gebührenmindernd, weil hinreichend mit betriebsnotwendigen Kosten (hier Zinsen) verknüpft, müssten etwaige Kosten bei einem späteren Scheitern des Geschäfts konsequenterweise auch auf den Gebührenzahler abgewälzt werden dürfen. Dies erscheint nicht sachgerecht.

Die Einnahmen aus dem CBL-Geschäft sind auch nicht etwa deswegen gebührenmindernd zu brücksichtigen, weil eine Abschreibung der Anlage faktisch sowohl nach deutschem Recht wie auch nach US-amerikanischem Recht stattfindet.

Vgl. dazu Schacht, KStZ 2001, 229 (331).

Der Senat teilt insoweit die im angefochtenen Urteil vertretene Ansicht, dass es aus gebührenrechtlicher Sicht allein maßgeblich auf das deutsche Recht ankommt. Anknüpfend an § 6 Abs. 2 KAG NRW ist entscheidend, dass nach deutschem Recht die Anlage im Eigentum der Stadt steht, deshalb abgeschrieben werden darf und Abschreibungen als Kosten zu bewerten sind.

Das in der Literatur gegen die hier vertretene Ansicht vorgebrachte Argument, die Einnahmen aus dem CBL-Geschäft seien bei der Gebührenbedarfsberechnung kostenmindernd zu berücksichtigen, weil die Einrichtung selbst durch Gebühren und Beiträge finanziert werde, vgl. Quaas, NVwZ 2002, 144 (146), überzeugt ebenfalls nicht. Diese Auffassung geht im Ansatz fehlerhaft davon aus, der Gebührenpflichtige erwerbe durch die Zahlung von Gebühren einen Anteil am Anlagevermögen. Dies trifft nicht zu. Bei dem Anlagevermögen handelt es sich nicht um "Kapital" des Gebührenzahlers, das diesem "zusteht". Mit den in der Vergangenheit erbrachten Leistungen für Abschreibungen und kalkulatorische Zinsen hat der Gebührenzahler nur die Folgen des Umstandes ausgeglichen, dass das von der Stadt zuvor bzw. ursprünglich aus Mitteln des allgemeinen Haushalts bereitgestellte Anlagevermögen durch die Nutzung einem Werteverzehr unterlag. Er hat damit nicht gleichsam regelmäßig auch einen Anteil am Anlagevermögen erworben.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.12.2004 - 9 A 4187/01 -, NWVBl 2005, 219.

Schließlich stehen auch die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Kostenrechnung der vorstehenden Bewertung nicht entgegen. Die diesbezüglich erhobene Rüge, im Rahmen einer kaufmännischen Buchführung seien selbstverständlich bei der Darstellung von Bestands- und Erfolgskonten die "außerordentlichen" Erträge zu berücksichtigen, führt nicht weiter. Die betriebswirtschaftlichen Grundsätze des externen Rechnungswesens gehören nicht zu den in § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG NRW gemeinten betriebswirtschaftlichen Grundsätzen.

Vgl. Schulte/Wiesemann, a.a.O. § 6 Rdnr. 32, m.w.N.

Die Gebührenkalkulation ist selbst eine Kostenrechnung, die allein den speziellen gebührenrechtlichen Anforderungen unterliegt und mit einer kameralistischen Einnahmen-/Ausgabenrechnung oder einer kaufmännischen Gewinn- und Verlustrechnung nicht identisch ist.

Vgl. Queitsch, in: Lenz u.a., KAG NRW, Loseblattkommentar, Stand November 2005, § 6 Rdnr. 178.

Ende der Entscheidung

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