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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 19.07.2002
Aktenzeichen: 9 A 1346/02.A
Rechtsgebiete: GG, AuslG
Vorschriften:
GG Art. 16 a Abs. 1 | |
AuslG § 51 | |
AuslG § 53 |
Tatbestand:
Die Klägerin, eine irakische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit aus dem Zentralirak, reiste im Sommer 2000 in die Bundesrepublik Deutschland zu ihrem dort bereits länger lebenden Ehemann ein, zu dessen Gunsten das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG festgestellt hatte. Das Bundesamt lehnte den Asylantrag der Klägerin ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG sowie Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorlägen; ferner forderte es die Klägerin zur Ausreise auf. Auf die hiergegen gerichtete Klage verpflichtete das VG die Beklagte zur Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und hob die Abschiebungsandrohung auf. Auf die zugelassene Berufung des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten wurde das Urteil des VG geändert und die Klage abgewiesen.
Gründe:
Die Klägerin hat im Falle ihrer Rückkehr in den Zentralirak nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit abschiebungsschutzrelevante Maßnahmen zu befürchten. Davon kann zunächst hinsichtlich der Möglichkeit zentralirakischer Verfolgungsmaßnahmen gegenüber der Klägerin wegen illegaler Ausreise, der Asylantragstellung im westlichen Ausland und einem längeren Aufenthalt dort - jeweils für sich allein oder in Verbindung miteinander - nicht ausgegangen werden (wird ausgeführt; vgl. hierzu die diesbezüglichen Darlegungen des Senats in seinem Urteil vom heutigen Tage in dem Verfahren 9 A 4596/01.A - zur Veröffentlichung bestimmt).
Hinsichtlich solcher Personen, die - wie die Klägerin - dem zuvor ausgereisten Ehemann in das Ausland gefolgt sind, kommt hinzu, dass aus Sicht der irakischen Sicherheits- und Justizorgane alles dafür spricht, dass die Ausreise und die nachfolgende Asylantragstellung im (ggf. westlichen) Ausland vorrangig von dem Motiv bestimmt war, mit dem Angehörigen zusammen zu leben, so dass die Ausreise, die Asylantragstellung und der Auslandsaufenthalt schwerlich als grobe Akte der Illoyalität gegenüber dem irakischen Staat oder als Ausdruck einer regimefeindlichen, oppositionellen Haltung angesehen würden. Auch das DOI hat bereits im Jahr 2000 ausgeführt, dass niemand im Irak politisch unauffällig gewesenen Frauen und minderjährigen Kindern (jedenfalls bis zu einem Alter von fünfzehn oder sechszehn Jahren) einen "ernst gemeinten" Asylantrag unterstellen werde. Nach dortigem Verständnis sei einfach klar, dass Ehefrauen sich dem Manne unterordneten und dementsprechend auch in dessen Asylverfahren einbezogen seien, so dass in der Stellung des Asylantrages i.d.R. keine eigene persönliche, politisch-oppositionelle Initiative gesehen werde (Vgl. DOI, Auskünfte vom 5.9.2000 an das VG Sigmaringen und vom 24.7.2000 an das VG Arnsberg).
Auch eine Gefährdung bei einer Rückkehr in den Zentralirak durch Maßnahmen der irakischen Sicherheitskräfte im Wege der sog. Sippenhaft ist nicht mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit festzustellen.
Zwar ist davon auszugehen, dass im Irak Verfolgungsmaßnahmen unter dem Gesichtspunkt der Sippenhaft generell möglich ist. So soll es im Irak zu Festnahmen und Benachteiligungen bzw. Repressionen (z.B. in Form des Entzuges von Lebensmittelmarken oder der Entlassung aus dem Arbeitsverhältnis) von Familienangehörigen von Oppositionellen und Flüchtlingen, die ihr Heimatland illegal verlassen haben, gekommen sein, um so letztlich diese zu treffen. Dass derartige Behelligungen allerdings in einem solchen Ausmaß vorkommen, dass schon von einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden Gefährdung der Klägerin bei einer Rückkehr die Rede sein könnte, lässt sich den vorliegenden Erkenntnissen nicht entnehmen. Im Gegenteil spricht angesichts der gewandelten Auffassung des zentralirakischen Regimes zur Bedeutung der illegalen Ausreise wie der Asylantragstellung im westlichen Ausland und des längeren Aufenthalts dort alles dafür, dass eine politische Verfolgung von Ehefrauen (und auch Kindern oder sonstiger Angehöriger) Ausgereister im Regelfall nicht ernsthaft in Betracht zu ziehen ist. Anderes dürfte allenfalls angenommen werden, wenn der Angehörige, an den die Sippenhaftverfolgung anknüpft, über die Faktoren der illegalen Ausreise, der Asylantragstellung und des längeren Auslandsaufenthalts hinaus durch eine hervorgehobene (exil)oppositionelle oder anderweitig hervorgehobene und dem irakischen Regime missliebige Betätigung in dessen Blickfeld geraten ist. Zu diesem Personenkreis gehört der Ehemann der Klägerin nicht. (wird ausgeführt)
Drohen der Klägerin mithin bei einer Rückkehr in den Zentralirak nicht mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit Verfolgungsmaßnahmen, kann ihr Abschiebungsschutzbegehren keinen Erfolg haben.
Unabhängig davon hat die Klägerin auch deshalb keinen Anspruch auf die Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG, weil sie jedenfalls auf die autonomen Kurdengebiete in den Provinzen Dohuk, Arbil und Sulaymaniya als inländische Fluchtalternative verwiesen werden kann. (wird ausgeführt; vgl. hierzu wiederum die diesbezüglichen Darlegungen des Senats in seinem Urteil vom heutigen Tage in dem Verfahren 9 A 4596/01.A)
Die Lagerunterbringung und die dort erfolgende Versorgung genügen den Anforderungen, die an ein menschenwürdiges wirtschaftliches Existenzminimum zu stellen sind. (Wird ausgeführt) Es mag zwar davon auszugehen sein, dass alleinstehende Frauen - wie die Klägerin für den Fall ihrer Rückkehr ohne ihren Ehemann - in den Lagern eher selten sind und ihnen dort keine separaten Bereiche zur Verfügung stehen. Dafür aber, dass ihnen aufgrund dessen - und wegen der traditionellen Rolle der Frau in der irakischen (auch kurdischen) Gesellschaft - mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Übergriffe oder Benachteiligungen erheblicher Art drohen, fehlt es an Anhaltspunkten.
Ende der Entscheidung
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