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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 23.05.2005
Aktenzeichen: 9 A 1422/05
Rechtsgebiete: GebG NRW, AVwGebO NRW, AGT Tarifstelle
Vorschriften:
GebG NRW § 1 | |
GebG NRW § 3 | |
AVwGebO NRW § 1 | |
AGT Tarifstelle 2.1.3 Abs. 2 |
2. Weist die den Gegenstand der baurechtlichen Prüfung bildende bauliche Anlage eine technische Ausstattung auf, die ihrerseits keiner baurechtlichen Prüfung unterliegt, ist dies mit Blick auf die Herstellungssumme nach TS 2.1.3 Abs. 2 Satz 2 AGT zur AVwGebO nur dann von Belang, wenn jene Ausstattung die Herstellungskosten maßgeblich bestimmt; in einem solchen Fall ist die Herstellungssumme für die Gebührenbemessung um die Hälfte zu reduzieren.
Tatbestand:
Die Klägerin erhielt eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für eine Gas- und Dampfkesselturbinenanlage (GuD-Anlage), die die erforderliche Baugenehmigung mit umfasste. Die gesamten Herstellungskosten von knapp über 45 Mio. Euro rührten zu einem Großteil aus der technischen Ausstattung der Anlage her. Der Beklagte zog die Klägerin für zwei Bauüberwachungstermine und die baurechtliche Schlussabnahme zu Gebühren in Höhe von knapp über 138.000,-- Euro heran. Dabei legte er eine fiktive Baugenehmigungsgebühr zugrunde, die er nach der Hälfte der gesamten Herstellungskosten berechnete.
Die Klägerin erhob dagegen nach erfolglosem Vorverfahren Klage. Das VG wies die Klage ab. Der nachfolgende, auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung blieb erfolglos.
Gründe:
Die Klägerin rügt allein, das VG habe die Tarifstelle (TS) 2.1.3 Abs. 2 des Allgemeinen Gebührentarifs (AGT) zur Allgemeinen Verwaltungsgebührenordnung (AVwGebO NRW) in ihren hier maßgeblichen Fassungen fehlerhaft ausgelegt und angewandt. Nach Satz 1 der besagten Vorschrift hätten bei der Berechnung der fiktiven Genehmigungsgebühr, die ihrerseits die Grundlage für die Bemessung der angefochtenen Überwachungs- und Schlussabnahmegebühren bilde, die Herstellungskosten für die technische Ausstattung der GuD-Anlage nicht - auch nicht teilweise entsprechend Satz 2 der Bestimmung - berücksichtigt werden dürfen. Folglich seien lediglich relevante Herstellungskosten von ca. 3,89 Mio. € und nicht die vom VG akzeptierten ca. 22,62 Mio. € anzuerkennen, was zu deutlich niedrigeren als den festgesetzten Gebühren führe.
Die dafür gegebenen Begründungen dringen indes im Ergebnis nicht durch. Dabei mag dahinstehen, ob Satz 2 der TS 2.1.3 Abs. 2 AGT - wie vom VG formuliert und von der Klägerin gerügt - als gegenüber Satz 1 der Bestimmung speziellere Regelung bezeichnet werden kann. Jedenfalls gibt das Zulassungsvorbringen nichts für das Ansinnen der Klägerin her, nach der genannten Tarifstelle dürften der Gebührenbemessung vorliegend nicht die Hälfte der prognostizierten Gesamtherstellungkosten der GuD-Anlage zugrunde gelegt werden.
Insbesondere Wortlaut und Systematik der Vorschrift stützen die Auffassung der Klägerin nicht, sondern stehen ihr vielmehr entgegen. In Satz 1 der TS 2.3.1 Abs. 2 AGT ist nicht - wie das Zulassungsvorbringen geltend macht - "ausdrücklich" bestimmt worden, dass Herstellungskosten von baulichen Anlagen, "die nicht Teil dieser Anlagen sind", bei der Berechnung der fiktiven Herstellungskosten nicht in Ansatz zu bringen sind. Vielmehr heißt es darin, dass "Herstellungskosten von Teilen baulicher Anlagen, die nicht Gegenstand baurechtlicher Prüfungen sind, unberücksichtigt bleiben." Mit den angesprochenen Teilen einer baulichen Anlage sind entsprechend dem Wortsinn solche räumlichen Teilbereiche der jeweiligen bauliche Anlage gemeint, die mangels einer (auch) auf sie bezogenen Relevanz des beabsichtigten Baugeschehens schon gar nicht Objekt baurechtlicher Prüfung werden. Satz 1 bringt somit allein zum Ausdruck, dass auf die Herstellungskosten der gesamten baulichen Anlage nur dann abgestellt werden darf, wenn die baurechtliche Genehmigungs- bzw. sonstige Prüfungsfrage für die Anlage in ihrem gesamten räumlichen Umfang aufgeworfen wird.
Dem gegenüber stellen nicht baurechtlich zu prüfende technische Ausstattungselemente, auch wenn erst sie der konkreten baulichen Anlage ihre besondere Zweckbestimmung vermitteln, keine Anlagenteile i.S.d. des Satzes 1 dar, deren Herstellungskosten grundsätzlich unberücksichtigt bleiben müssten. Denn insofern hat der Vorschriftengeber in Satz 2 der Bestimmung eine spezifische Regelung getroffen, die zudem widersprüchlich und unverständlich wäre, wenn Herstellungkosten für technische Ausstattungen bereits nach Satz 1 regelmäßig außer Betracht zu bleiben hätten. Nach Satz 2 der Regelung ist der Gebührenberechnung "nur" die Hälfte der gesamten Herstellungssumme der baulichen Anlage zugrunde zu legen, wenn die Herstellungskosten maßgeblich durch eine nicht baurechtlich zu prüfende technische Ausstattung bestimmt werden. Die Formulierung "nur" macht deutlich, dass durch Satz 2 eine Begünstigung in Form des Abstellens auf eine geringere als die zu erwartende Gesamtherstellungssumme bewirkt werden soll. Eine derartige Begünstigung wäre indes nicht gegeben, wenn die Kosten für eine baurechtlich nicht zu prüfende technische Ausstattung der Anlage nach Satz 1 grundsätzlich nicht zu berücksichtigen wären; Satz 2 würde dann für die von ihr erfassten Fallgestaltungen keine Begünstigung, sondern eine Verschärfung auslösen.
Folglich betreffen die Sätze 1 und 2 der TS 2.1.3 Abs. 2 AGT unterschiedliche Aspekte: Während Satz 1 das (räumliche) Bezugsobjekt für die relevante Herstellungssumme eingrenzend in den Blick nimmt, regelt - darauf aufbauend - Satz 2 die nur hälftige Berücksichtigung jener Herstellungssumme in den Fällen, in denen diese im Wesentlichen durch baurechtlich nicht zu prüfende technische Ausstattungen bestimmt wird. Angesichts dessen sind die Annahmen der Klägerin unzutreffend, Satz 1 und Satz 2 stünden in einem vom VG verkannten Regel-/Ausnahmeverhältnis dergestalt, dass Satz 1 die regelmäßige Nicht-Berücksichtigung von Kosten für technische Ausstattungen vorschreibe und Satz 2 dazu eine Ausnahme bei - hier aber nicht gegebener - mangelnder Differenzierbarkeit zwischen den Kosten für die Technik und für das eigentliche Bauwerk vorsehe. Vielmehr durfte das VG auf Satz 2 der TS 2.1.3 Abs. 2 AGT zurückgreifen und danach auf die Hälfte der gesamten Herstellungssumme abstellen.
Das vorstehende Verständnis der einschlägigen Tarifstelle wird entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht durch das Kostendeckungsprinzip und/oder das Äquivalenzprinzip ausgeschlossen. Das erstgenannte Prinzip ist hier schon nicht einschlägig. Einem strengen Gebot zur Erhebung nur der konkret angefallenen Kosten, wie in § 6 Abs. 1 Satz 3 KAG NRW für kommunale Benutzungsgebühren normiert, unterliegen die streitigen, letztlich auf der Grundlage des Gebührengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen - GebG NRW - festgesetzten Verwaltungsgebühren nicht. Ein entsprechendes Gebot ergibt sich entgegen dem Zulassungsvorbringen insbesondere nicht aus der in § 1 Abs. 1 Nr. 1 und § 3 GebG NRW erfolgten Bestimmung des Zwecks von Verwaltungsgebühren. Der Umstand, dass die besagten Gebühren danach als Gegenleistung für eine besondere öffentlich - rechtliche Verwaltungstätigkeit erhoben werden und der Abgeltung des Verwaltungsaufwandes sowie des mit der Amtshandlung ggfs. verbundenen privaten Nutzens bzw. Vorteils dienen,
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20.7.2004 - 9 A 201/02 -,
schließt eine Beschränkung auf die Umlegung nur der konkret entstandenen Kosten aus. Das folgt auch daraus, dass der Verwaltungsaufwand gemäß § 3 GebG NRW lediglich berücksichtigt werden muss, er mithin keine Obergrenze für die Gebührenhöhe vorgibt. Zudem gilt dies auch deshalb, weil bei der Gebührenbemessung außerdem einem vorhandenen Wert der Amtshandlung für den Gebührenschuldner, der u.U. deutlich höher als der Verwaltungsaufwand sein kann, Rechnung zu tragen ist. Die Anordnung zur Berücksichtigung des Verwaltungsaufwandes stellt letztlich allein einen Ausfluss des Äquivalenzprinzips dar und wirkt sich ebenso wie dieses nur insofern begrenzend aus, als sich die Gebührenhöhe nicht vollständig von den Verwaltungskosten lösen darf.
Vgl. dazu für den Fall werthaltiger Amtshandlungen - wie hier -: BVerwG, Urteil vom 30.4.2003 - 6 C 5.02 -, sowie zuletzt OVG NRW, Beschluss vom 10.5.2005 - 9 B 643/05 -, m.w.N.
Dass der oben ausgeführte Bedeutungsgehalt von TS 2.1.3 Abs. 2 AGT regelmäßig oder zumindest im vorliegenden Fall zu einer solchen unzulässigen Loslösung der Gebührenhöhe vom Verwaltungsaufwand führte, lässt sich dem Zulassungsvorbringen nicht entnehmen.
Ebenso wenig zeigt die Klägerin einen sonstigen Verstoß der angefochtenen Gebührenerhebung gegen das Äquivalenzprinzip auf. Soweit sie dazu allein noch rügt, hinsichtlich der technischen Komponenten der GuD-Anlage sei ihr kein wirtschaftlicher Vorteil aus den abgerechneten baurechtlichen Amtshandlungen entstanden, gibt dies für einen entsprechenden Verstoß nichts her. Abgesehen davon, dass der Einwand für sich genommen ohnehin kein gröbliches Missverhältnis zwischen der Gebührenhöhe und dem Wert der erbrachten behördlichen Leistungen darlegt, geht er auch in der Sache fehl. Der Wert der behördlichen Bauüberwachung und Schlussabnahme, der darin besteht, Fehlinvestitionen sowie Verzögerungen des Nutzungsbeginns zu vermeiden und eine dauerhafte beanstandungsfreie Nutzungsaufnahme zu fördern,
vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 9.6.2004 - 9 A 161/02 -,
erstreckt sich auf die gesamte bauliche Anlage und wird mithin in seinem Umfang vom vollständigen (Herstellungs-) Wert dieser Anlage mit bestimmt. Daraus folgt, dass für die relevante Wertbemessung durchaus auch die Kosten der jeweiligen technischen Ausstattung der Anlage heranzuziehen sind; dies gilt um so mehr, wenn jene Ausstattung - wie hier - zur Umsetzung des jeweiligen Nutzungszwecks zwingend erforderlich ist und insofern den zu realisierenden Nutzwert der Anlage wesentlich beeinflusst. Dass gleichwohl nach Satz 2 der TS 2.1.3 Abs.2 AGT bei einer die Herstellungskosten maßgeblich bestimmenden, aber baurechtlich nicht zu prüfenden technischen Auysstattung nur die Hälfte der Gesamtherstellungssumme zugrunde zu legen ist, ist dem Umstand eines in jenen Fällen nicht proportional mit den Gesamtkosten steigenden Verwaltungsaufwandes geschuldet. Mithin bewirkt die streitige Tarifstelle keinen Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip, sondern setzt dieses folgerichtig um.
Ende der Entscheidung
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