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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 08.06.2009
Aktenzeichen: 9 A 1865/06
Rechtsgebiete: AbwAG


Vorschriften:

AbwAG § 3 Abs. 1 Satz 2
AbwAG § 4 Abs. 4
AbwAG § 10 Abs. 3
Nicht zum "erhöhten Teil der Abgabe" i. S. d. § 10 Abs. 3 Satz 2 AbwAG ist der sog. Sockelbetrag zu zählen, der sich unter Anlegung des in der Anlage zu § 3 AbwAG genannten und für die Berechnung der Abwasserabgabe maßgeblichen Schwellenwertes ergibt. Das gilt unabhängig davon, ob ein Überwachungswert in Höhe des Schwellenwertes festgesetzt ist oder eine Festsetzung im wasserrechtlichen Bescheid nach § 4 Abs. 1 Satz 3 AbwAG unterblieben ist.
Tatbestand:

Der Kläger leitet aus der von ihm betriebenen Kläranlage behandeltes Schmutzwasser in den C.-Bach ein. Wasserrechtlich ist für den Parameter Nickel ein Überwachungswert in Höhe von 50 µg/l festgesetzt worden. Die Beklagte setzte für das Veranlagungsjahr 2001 die Abwasserabgabe fest. Dabei nahm sie hinsichtlich des Parameters Nickel wegen Überschreitung des Überwachungswertes eine Erhöhung der Zahl der Schadeinheiten vor. Eine Verrechnung von Investitionen bezogen auf die auf den Parameter Nickel entfallende Abwasserabgabe lehnte sie ab. Das VG wies die Klage ab. Die Berufung des Klägers hatte Erfolg.

Gründe:

Die Abgabe ist - wie vom Kläger begehrt - in Höhe von (weiteren) 8.157,84 € mit seinen getätigten Aufwendungen zu verrechnen. Gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 AbwAG können die für die Errichtung oder Erweiterung der Anlage entstandenen Aufwendungen mit der für die in den drei Jahren vor der vorgesehenen Inbetriebnahme der Anlage insgesamt für diese Einleitung geschuldeten Abgabe verrechnet werden, wenn Abwasserbehandlungsanlagen errichtet oder erweitert werden, deren Betrieb eine Minderung der Fracht einer der bewerteten Schadstoffe und Schadstoffgruppen in einem zu behandelnden Abwasserstrom um mindestens 20 v. H. sowie eine Minderung der Gesamtschadstofffracht beim Einleiten in das Gewässer erwarten lässt. Diese Voraussetzungen liegen unstreitig vor; auf die Berechnung in der Anlage 2 des angefochtenen Bescheids wird Bezug genommen.

Die Verrechnung ist gemäß § 10 Abs. 3 Satz 2 AbwAG für den nach § 4 Abs. 4 AbwAG erhöhten Teil der Abgabe ausgeschlossen, da der Kläger hinsichtlich des Parameters Nickel den durch wasserrechtlichen Bescheid festgesetzten Überwachungswert von 50 µg/l unstreitig am 20.3.2001 mit 110 µg/l überschritten hat. Nicht zum "erhöhten Teil der Abgabe" ist jedoch entgegen den Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung und der Annahme der Beklagten derjenige sog. Sockelbetrag zu zählen, der sich unter Anlegung des Überwachungswerts ergibt. In diesem Umfang ist die Abgabe verrechnungsfähig. Dagegen ist nicht einzuwenden, dass der Teil der Abgabe, der sich aus der Veranlagung nach dem Überwachungswert ergibt, deswegen nicht erhöht werden könne, weil er an sich gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 AbwAG i. V. m. Nr. 5.4 der Anlage zu § 3 AbwAG abgabefrei sei. Dieser Verlust der Abgabefreiheit (wegen Überschreitung des Schwellenwerts) hat mit der Erhöhung der Zahl der Schadeinheiten nach § 4 Abs. 4 Satz 2 AbwAG nichts zu tun. Der Schwellenwert hat nur bei seiner Einhaltung für die Grenzziehung zwischen Abgabenpflicht und -befreiung Bedeutung.

Vgl. Köhler/Meyer, AbwAG, 2. Aufl. 2006, § 10 Rn. 115.

Das hier vertretene Verständnis ergibt sich eindeutig aus der Zusammenschau von § 10 Abs. 3 Satz 2 AbwAG mit den Regelungen in §§ 3 Abs. 1 und 4 Abs. 1 und 4 AbwAG. § 3 Abs. 1 Satz 1 AbwAG bestimmt als Grundsatz die Schädlichkeit des Abwassers als Bewertungsgrundlage der Abwasserabgabe, während die Ermittlung der Schädlichkeit in § 4 AbwAG geregelt ist. Die an sich erforderliche Bewertung der Schädlichkeit entfällt nach § 3 Abs. 1 Satz 2 AbwAG u. a. bei Einhaltung des in der Anlage angegebenen Schwellenwertes mit der Folge der Abgabefreiheit. Greift diese Sonderregelung wegen Überschreitung des Schwellenwertes nicht ein, bleibt es bei der Ermittlung der Schadeinheiten gemäß § 4 AbwAG. Gibt es - wie hier - einen Bescheidwert im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 AbwAG, erfolgt die Ermittlung der für die Berechnung der Abwasserabgabe zugrunde zu legendenden Schadeinheiten zwanglos nach Maßgabe des § 4 AbwAG. Der Bescheidwert ist Ausgangspunkt der Ermittlung (Abs. 1). Ist dieser überschritten, wird die Zahl der Schadeinheiten erhöht (Abs. 4 Sätze 2 bis 4). Dabei ist unerheblich, ob der Bescheidwert dem Schwellenwert entspricht oder höher ist als dieser. Dies wird deutlich durch die Regelung in § 4 Abs. 4 Satz 5 AbwAG, der den Sonderfall des § 4 Abs. 1 Satz 4 AbwAG betrifft, in dem es an einem Bescheidwert fehlt (und fehlen durfte), weil eine Überschreitung des Schwellenwertes nicht zu erwarten war. Ist in einem solchen Fall der Schwellenwert überschritten, so dass keine Abgabefreiheit nach § 3 Abs. 1 Satz 2 AbwAG eintritt, fingiert § 4 Abs. 4 Satz 5 AbwAG diesen Schwellenwert quasi als Bescheidwert, indem er fordert, dass die sich danach ergebenden Schadeinheiten zu errechnen und anschließend mit Blick auf die Überschreitung in Anwendung von § 4 Abs. 4 Sätze 3 und 4 AbwAG zu erhöhen sind. In beiden Fällen gibt es somit einen Ausgangswert und einen erhöhten Teil. Nur Letzterer ist nach § 10 Abs. 3 Satz 2 AbwAG von der Verrechnungsmöglichkeit ausgenommen.

Dem steht nicht entgegen, dass § 10 Abs. 3 Satz 2 AbwAG pauschal auf den "erhöhten Teil der Abgabe" abstellt; durch die dortige ausdrückliche Bezugnahme auf § 4 Abs. 4 AbwAG wird klargestellt, dass an die Erhöhung der Zahl der Schadeinheiten angeknüpft wird. Die Schwellenwertüberschreitung allein hat jedoch keine solche Erhöhung zur Folge.

Nur mit diesem Verständnis des § 10 Abs. 3 Satz 2 AbwAG wird auch sichergestellt, dass derjenige Einleiter, der den im wasserrechtlichen Bescheid festgesetzten Schwellenwert einhalten muss, mit demjenigen, der bescheidmäßig eine Schadstofffracht über dem Schwellenwert einleiten darf, im Fall der Überschreitung des Schwellenwerts gleichbehandelt wird. Kann letzterer ohnehin immer - also auch im Falle der Überschreitung des Schwellenwerts - in Höhe des auf den Schwellenwert (und darüber hinaus sogar den gesamten Bescheidwert) entfallenden (Sockel)Betrags verrechnen, muss dasselbe demjenigen zustehen, der nur ausnahmsweise - wegen Überschreitung des Schwellenwerts - abgabepflichtig ist.

Ende der Entscheidung

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