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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 23.06.2009
Aktenzeichen: 9 A 3082/08
Rechtsgebiete: VwKostG, ABMG, LKW-MautV, VwVfG, BGB, GüKG, MautHV


Vorschriften:

VwKostG § 21
VwKostG § 21 Abs. 1
VwKostG § 21 Abs. 1 Satz 1
ABMG § 1 Abs. 1
ABMG § 1 Abs. 3
ABMG § 1 Abs. 4
ABMG § 2 Nr. 1
ABMG § 3 Abs. 1
ABMG § 3 Abs. 2
ABMG § 3 Abs. 3 Satz 2
ABMG § 4 Abs. 1
ABMG § 4 Abs. 1a
ABMG § 4 Abs. 4
ABMG § 4 Abs. 5
LKW-MautV § 10
VwVfG § 35 Satz 1
BGB § 93
GüKG § 1 Abs. 1
MautHV § 1 Abs. 2 Nr. 2
MautHV § 1 Abs. 3 Nr. 1
Die Regelungen über die LKW-Maut sind grundsätzlich wirksam.

Zur Mautpflicht eines zum Blumentransport und -verkauf eingesetzten LKW.

Die Höhe der Maut ergibt sich durch Multiplikation der Kilometer der gebuchten bzw. gefahrenen Gesamtstrecke mit dem jeweiligen Mautsatz. Die derzeit praktizierte Berechnung der Maut nach Streckenabschnitten (Addition der gerundeten Beträge für die einzelnen Abschnitte) kann im Einzelfall zu einem Mehrbetrag führen, für den es keine Rechtsgrundlage gibt. Mehrbeträge können nicht mit sich im Einzelfall ergebenden Minderbeträgen verrechnet werden.


Tatbestand:

Die in den Niederlanden ansässige Klägerin betreibt einen Blumengroßhandel. Ihren deutschen Kundenstamm bedient sie, indem sie Schnittblumen und sonstige Pflanzen in LKW nach Deutschland verbringt, um sie dort zu verkaufen. In Deutschland werden die Kunden nach einer zuvor feststehenden Route aufgesucht und die Blumen zum Verkauf angeboten. Die Kunden entscheiden vor Ort, ob und wenn ja welche Blumen sie erwerben. Sie bezahlen diese an einer im LKW befindlichen transportablen Kasse.

Im Dezember 2005 stellte die Muttergesellschaft der Klägerin einen Antrag an die Beigeladene, die Fahrzeugkombination der Sattelzugmaschine BL... und des Aufliegers OD... (im Folgenden nur als Fahrzeug bezeichnet) als mautbefreit zu registrieren. Diesem Antrag wurde nicht entsprochen. Sodann beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 30.1.2006 bei dem Bundesamt für Güterverkehr (Bundesamt), die für das Fahrzeug zuvor per On-Board Unit (OBU) an die Beigeladene entrichteten Mautbeträge rückwirkend ab dem 1.1.2005 zu erstatten. Das Fahrzeug sei von der zuständigen niederländischen Behörde in den Fahrzeugpapieren als "Winkelwagen", also als Verkaufswagen ausgewiesen. Es sei daher nicht mautpflichtig, weil es nicht ausschließlich für den Güterkraftverkehr bestimmt sei. Mit Bescheid vom 7.6.2006 lehnte das Bundesamt die Erstattung der Autobahnmaut ab. Die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage u.a. auf Erstattung der für das Fahrzeug im Zeitraum 1.1.2005 bis 16.3.2006 gezahlten Mautbeträge, mit dem sie weiterhin geltend machte, bei ihrem Fahrzeug handle es sich nicht um ein mautpflichtiges Fahrzeug, wies das VG ab. Die Berufung der Klägerin hatte insoweit zu einem geringen Teil Erfolg.

Gründe:

Der Klageantrag ist begründet, soweit die Klägerin die Erstattung der Maut in Höhe von 2,52 € geltend macht. Ein weitergehender Erstattungsanspruch steht der Klägerin nicht zu.

I. Rechtsgrundlage für den Anspruch ist § 21 Abs. 1 Satz 1 VwKostG. Diese Vorschrift ist gemäß § 4 Abs. 1a ABMG mangels entgegenstehender Regelungen im Autobahnmautgesetz und den aufgrund dessen erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend anwendbar. Es liegt insbesondere kein Fall vor, in dem die Klägerin nur unter den Voraussetzungen des § 4 Abs. 4 ABMG i. V. m. § 10 LKW-MautV die Erstattung der Maut verlangen kann. Der dort geregelte Anspruch betrifft ausschließlich die - hier nicht gegebene - Konstellation, in der bei manueller Einbuchung die Rückzahlung entrichteter Maut wegen (teilweiser) Nichtdurchführung der Fahrt erstrebt wird. Für Erstattungsbegehren, die sich nicht auf einen solchen Sachverhalt stützen, sind dagegen (nur) die Voraussetzungen des § 21 VwKostG maßgeblich. Dieses Verständnis belegt auch die Gesetzeshistorie, da der Gesetzgeber den Verweis auf § 21 VwKostG nachträglich und in Ansehung des bereits in § 4 Abs. 4 ABMG geregelten besonderen Falls der Erstattung der Maut in das Autobahnmautgesetz eingefügt hat.

Vgl. hierzu BT-Drs. 15/3678, S. 7.

Zu Unrecht meint die Beklagte, § 21 VwKostG sei nicht anwendbar, weil die (Über-)Zahlung nicht auf einer Kostenentscheidung beruhe. Zutreffend ist allerdings, dass es aufgrund der Einbindung der Beigeladenen in die Mauterhebung an einer Kostenentscheidung in Gestalt eines Verwaltungsakts fehlt. Insbesondere stellen die von der Beigeladenen übersandten Mautaufstellungen keine Kostenentscheidungen dar. Es fehlt schon an einer für einen solchen Verwaltungsakt nach § 35 Satz 1 VwVfG erforderlichen hoheitlichen Maßnahme einer Behörde. Die Beigeladene wird in diesem Zusammenhang nicht im Rahmen einer dem Bundesamt zurechenbaren hoheitlichen Maßnahme tätig. Das Autobahnmautgesetz sieht eine solche Maßnahme nicht vor. Die Beigeladene handelt vielmehr aufgrund eines mit der Klägerin als Mautschuldnerin geschlossenen privatrechtlichen Vertrages. Die Mautaufstellung ist eine aufgrund dieses Vertrages ergehende Abrechung.

Vgl. hierzu auch die Bekanntmachung der Beauftragung und der Beleihung der Toll Collect GmbH im Rahmen der Erhebung von LKW-Maut nach dem Autobahnmautgesetz (Bekanntmachung) vom 23.12.2004, Bundesanzeiger vom 31.12.2004, S. 24744, und Nr. 2.1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Toll Collect GmbH für Unternehmer für die Nutzung des Systems zur Erhebung von streckenbezogenen Gebühren für die Benutzung mautpflichtiger Straßen mit schweren Nutzfahrzeugen sowie die Klarstellung des Gesetzgebers in der Gesetzesbegründung zu § 4 Abs. 5 ABMG - BT-Drs. 15/3678, S. 8 -, wonach der Mautschuldner "mit dem privaten Betreiber einen privatrechtlichen Vertrag über die Berechnung und Abführung des geschuldeten Betrages an das Bundesamt für Güterverkehr" schließt, und das Anliegen des Gesetzgebers, "dass der Mautschuldner - gerade auch wenn er seinen Sitz im Ausland hat - an den Betreiber ohne Erlass eines Verwaltungsaktes ein Entgelt in Höhe der zu zahlenden Maut zahlen kann" (vgl. BT-Drs. 15/3678, S. 7).

Dementsprechend sind die der Klägerin übersandten Mautaufstellungen weder als Bescheid des Bundesamts bezeichnet noch sonst als Bescheid gestaltet, so enthält er z.B. keine Rechtsmittelbelehrung.

Dass es an einer Kostenentscheidung fehlt, steht der Anwendbarkeit des § 21 VwKostG nicht entgegen. Die Vorschrift regelt als spezialgesetzliche Regelung des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs umfassend die Rückgewähr von rechtsgrundlos gezahlten Kosten. Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 21 Abs. 1 VwKostG, der zwischen überzahlten und zu Unrecht erhobenen Kosten differenziert. Nur die letztgenannte Alternative setzt eine Kostenentscheidung voraus. Von der ersten Alternative sind dagegen alle Konstellationen erfasst, in denen der Schuldner mehr gezahlt hat, als er aufgrund einer Kostenentscheidung oder unmittelbar aus gesetzlicher bzw. verordnungsrechtlicher Regelung verpflichtet ist.

II. Gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 VwKostG sind überzahlte oder zu Unrecht erhobene Kosten unverzüglich zu erstatten. Auf der Grundlage dieser Vorschrift kann die Klägerin unmittelbar von der Beklagten die Erstattung rechtsgrundlos an die Beigeladene für die Autobahnbenutzung entrichteter Beträge verlangen; sie ist nicht gehalten, einen solchen Anspruch (zivilrechtlich) gegen die Beigeladene geltend zu machen (1.). Da die Klägerin bei Benutzung einer mautpflichtigen Bundesautobahn mit ihrem Fahrzeug zur Entrichtung der Maut verpflichtet war, erfolgten die Mautzahlungen dem Grunde nach nicht ohne Rechtsgrund (2.). In Höhe von 2,52 € steht der Klägerin gleichwohl ein Erstattungsanspruch zu, weil ihr insoweit zuviel Maut abverlangt wurde (3.).

1. § 21 Abs. 1 Satz 1 VwKostG setzt voraus, dass eine Vermögensverschiebung von dem Anspruchsteller zu dem Anspruchsgegner stattgefunden hat. Eine solche Vermögensverschiebung liegt hier aufgrund der Zahlung des "der Maut entsprechenden Betrages" durch die Klägerin an die Beigeladene vor. (wird ausgeführt; vgl. OVG NRW, Urteil vom 23.6.2009 - 9 A 2054/07 -, ebenfalls zur Veröffentlichung bestimmt).

2. Die Mautpflicht der Klägerin für die Benutzung der Bundesautobahnen mit ihrem Fahrzeug in dem streitgegenständlichen Zeitraum folgt aus den §§ 1 Abs. 1, 2 Nr. 1, 3 Abs. 1 und 2, 4 Abs. 1 ABMG in der Fassung vom 2.12.2004 (BGBl. I S. 3122). Das Fahrzeug der Klägerin ist gemäß § 1 Abs. 1 ABMG ein mautpflichtiges Fahrzeug, weil es sich um ein Fahrzeug im Sinne des Art. 2 Buchst. d) RL 1999/62/EG handelt. Es ist insbesondere ausschließlich für den Güterkraftverkehr bestimmt.

Nach der Rechtsprechung des EuGH und des Senats zur Richtlinie 93/89/EWG des Rates vom 25.10.1993, vgl. EuGH, Urteil vom 28.10.1999 - C-193/98 - sowie OVG NRW, Beschluss vom 30.1.2002 - 9 A 5298/00 -, DAR 2002, 235, die wegen des identischen Wortlauts für die Definition des Begriffs "Kraftfahrzeug" bzw. "Fahrzeug" auf die nach der RL 1999/62/EG geltende Rechtslage übertragbar ist, ist maßgeblich, ob das Fahrzeug der Klägerin generell nach seinen objektiven, mit einer entsprechenden Bestimmung einhergehenden Merkmalen ausschließlich dazu dienen sollen, Güter auf Straßen zu transportieren.

Vgl. auch bereits OVG NRW, Beschluss vom 24.5.2005 - 9 B 771/05 -.

Die "objektiven Merkmale" müssen dem Fahrzeug selbst anhaften; ein neben den des Gütertransports tretender Zweck muss sich mithin in der Konstruktion bzw. in der technischen oder sonstigen Ausstattung des Fahrzeugs objektiv manifestieren. Dabei ist es zwar nicht erforderlich, dass die besonderen Ausstattungsmerkmale wesentliche Bestandteile des Fahrzeugs im Sinne des § 93 BGB sind. Es reicht aus, ist aber auch erforderlich, dass eine ggf. auch trennbare körperliche Verbindung zu dem Fahrzeug besteht, durch die das Ausstattungsmerkmal seine Eigenständigkeit verloren und dem Fahrzeug untergeordnet hat.

"Ausschließlich" für den Güterkraftverkehr bestimmt sind Fahrzeuge nur dann, wenn sie nach ihren objektiven Merkmalen nicht auch noch zu anderen als bloßen Transportzwecken bestimmt sind.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30.1.2002 - 9 A 5298/00 -, a. a. O.

Nicht maßgeblich ist es dagegen, ob das Fahrzeug objektiv geeignet ist, ausschließlich dem Güterverkehr zu dienen. Ginge man (lediglich) von dieser Maßgabe aus, wäre ein Fahrzeug (selbst dann noch) ausschließlich für den Güterverkehr bestimmt, wenn es jedenfalls auch - d.h. neben beliebig vielen anderen Zweckbestimmungen - aufgrund seiner objektiven Beschaffenheit ausschließlich dem Güterverkehr dienen könnte. Damit bliebe jede weitere objektive Zweckbestimmung, die - etwa aufgrund von Zusatzeinbauten - neben den Zweck des Gütertransportes tritt, unberücksichtigt und das Fahrzeug mautpflichtig. Ein derartiges Verständnis lässt sich insbesondere nicht der RL 1999/62/EG entnehmen. Für die hier vertretene Interpretation spricht vielmehr auch die aufgrund der Richtlinie 2006/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.5.2006 in Art. 2 Buchst. d) eingefügte Alternative, wonach auch Kraftfahrzeuge und Fahrzeugkombinationen, die ausschließlich für den Güterverkehr eingesetzt werden, Fahrzeuge im Sinne der Richtlinie sind. Denn diese Änderung war nur erforderlich, wenn nach der alten Fassung bereits eine hinzutretende andere Zweckbestimmung eines Fahrzeugs die Anwendung der Richtlinie ausschloss.

Aus dem Urteil des EuGH vom 28.10.1999 ergibt sich keine abweichende Interpretation. Die darin enthaltene Aussage, Fahrzeuge, die aufgrund ihrer Merkmale dazu bestimmt seien, regelmäßig und auf Dauer und nicht nur gelegentlich am Wettbewerb im Güterverkehr teilzunehmen, fielen in den Anwendungsbereich der Richtlinie, bedeutet nicht, dass schon die entsprechende objektive Eignung ausreicht, um den Tatbestand des Art. 2 Buchst. d) RL 1999/62/EG zu erfüllen. Die zitierte Urteilspassage verhält sich darüber hinaus nicht zu der hier interessierenden Frage, ob eine "ausschließliche" Bestimmung für den Güterverkehr bei Hinzutreten eines weiteren Verwendungszwecks nicht mehr vorliegt. Der EuGH hatte lediglich darüber zu entscheiden, ob sich die ausschließliche Bestimmung eines Fahrzeugs für den Güterverkehr aufgrund seiner generellen Zweckbestimmung unabhängig vom Verwendungszweck im Einzelfall ergibt. In Beantwortung dieser Frage hat der EuGH hervorgehoben, welche Zielrichtung die Richtlinie 1999/62/EG auf der ersten Stufe der Harmonisierung der Abgabensysteme hat und welche Fahrzeuge von ihr überhaupt erfasst werden sollen.

Nach diesen Maßgaben ist das Fahrzeug der Klägerin für den Güterverkehr bestimmt, weil es für die geschäftsmäßige Beförderung von Gütern im Sinne des § 1 Abs. 1 Güterkraftverkehrsgesetz ausgestattet ist.

Vgl. ebenso OVG Berlin-Bbg., Urteil vom 26.3.2009 - 1 B 16/08 -, juris.

Auch das Merkmal der Ausschließlichkeit ist zu bejahen. Das Fahrzeug verfügt bei der gebotenen objektiven Betrachtung nicht über hinreichende Merkmale, die auf eine weitere Zweckbestimmung als Verkaufsstätte schließen lassen.

Es bestehen bereits Zweifel, ob dem Fahrzeug der Klägerin angesichts deren Geschäftsgestaltung - Lieferung von Waren an einen zuvor festgelegten Kundenstamm, selbst wenn die Ware erst vor Ort durch den Kunden ausgewählt und an diesen verkauft wird - überhaupt eine Zweckbestimmung als Verkaufsstätte zukommen kann, die neben den Zweck des Gütertransportes tritt. Es spricht einiges dafür, diesen Verkauf, der im Rahmen einer laufenden Geschäftsbeziehung erfolgt, als einen Teilakt des Vorgangs "Lieferung der Ware" und damit einen dem Gütertransport untergeordneten Zweck anzusehen.

So wohl OVG Berlin-Bbg., Urteil vom 26.3.2009 - 1 B 16.08 -, a. a. O.

Selbst wenn aber davon ausgegangen wird, dass in der Ermöglichung eines solchen Verkaufs im Rahmen laufender Geschäftsbeziehungen dem Grunde nach eine selbständige Zweckbestimmung des Fahrzeugs gesehen werden kann, ist eine solche durch die hier vorliegenden objektiven Merkmale des Fahrzeugs nicht belegt. Die Ausstattung des Fahrzeugs bietet keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass es gerade (auch) als Verkaufsstätte dient.

Von vornherein keine objektiven Merkmale des Fahrzeugs sind die Kasse und die Rollcontainer, weil ihre Verbindung zum Fahrzeug nur vorübergehend ist und sie ihre Selbständigkeit nicht verlieren. Die Kasse ist ausweislich der von der Klägerin in Ablichtung vorgelegten Fotografien transportabel und damit beliebig einsetzbar; sie befindet sich in einem Koffer und wird bei Bedarf aufgestellt. Die Rollcontainer werden ebenfalls nur vorübergehend im Fahrzeug fest verankert. Sie werden weder durch die zwischenzeitliche Befestigung noch dadurch, dass es sich um Spezialanfertigungen handelt, zu Merkmalen des Fahrzeugs. Es ist nicht ersichtlich, dass die Container nicht ebenso in anderen Fahrzeugen als in den Blumentransportern der Klägerin oder an sonstigen Orten zum Zwecke der Aufbewahrung oder Präsentation einsetzbar wären.

Objektive Merkmale des Fahrzeugs sind dagegen die seitlich eingebaute Tür mit der Treppe, die im Mittelgang installierte Beleuchtung, die speziellen Befestigungseinrichtungen an den Seitenwänden für die Rollcontainer sowie die vorhandenen Zusatzanschlüsse für die Kasse. Allein aus diesen Merkmalen ergibt sich indessen aus der Sicht eines objektiven Betrachters nicht, dass das Fahrzeug der Klägerin (auch) als Verkaufsstätte genutzt wird. Die Beklagte hat zu Recht darauf hingewiesen, dass das Fahrzeug aufgrund dieser Einrichtungsmerkmale nicht als eine der Öffentlichkeit zugängliche Verkaufseinrichtung anzusehen ist. Es fehlen Merkmale, die darauf schließen lassen, dass das Fahrzeug der Präsentation der Ware gegenüber einem unbestimmten, öffentlichen Interessentenkreis dient. Die "einfache" Ausstattung des Fahrzeuginnenraums des Aufliegers lässt vielmehr (allenfalls) den Schluss zu, dass die seitliche Zugangsmöglichkeit, die Beleuchtung und die (mögliche) Installation einer Kasse der effektiven Abwicklung des Pflanzenverkaufs gegenüber zuvor ausgewählten Abnehmern dienen, die den Verkaufsraum betreten und dort die Ware ggf. auch bezahlen. Der Umstand, dass Abnehmer das Fahrzeug betreten und die Ware begutachten können, lässt aber noch nicht darauf schließen, dass in dem Fahrzeug Ware präsentiert, begutachtet, ausgewählt und verkauft wird. Dass sich in dem Fahrzeug Kassenanschlüsse befinden, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn die Möglichkeit, eine Kasse zu installieren, deutet lediglich darauf hin, dass die Abnehmer bei Bedarf die Ware vor Ort bezahlen können. Den Vorrichtungen zur Befestigung der Container kommt in diesem Zusammenhang ebenfalls kein Aussagegehalt zu.

Die Eintragung in der Zulassungsbescheinigung als "Winkelwagen" ändert nichts an dieser Einschätzung. Der Eintragung kommt bei der hier zu beantwortenden Frage allenfalls dahingehend Bedeutung zu, als es sich um ein Indiz handelt, das (nur dann) einen Anhaltspunkt für eine weitere Zweckbestimmung als die des Gütertransports bieten kann, wenn es die objektiven Gegebenheiten des Fahrzeugs bestätigt. Aus der von der Klägerin genannten RL 1999/37/EG ergibt sich nicht, dass die Bezeichnung als Verkaufsfahrzeug in der Zulassungsbescheinigung auch die deutschen Behörden für die Frage der Mautpflicht dahin bindet, das Fahrzeug als Verkaufsfahrzeug und damit nicht ausschließlich für den Güterverkehr bestimmtes Fahrzeug anzuerkennen. Art. 4 RL 1999/37/EG besagt lediglich, dass für die Zwecke der Richtlinie - vgl. hierzu die Erwägungsgründe 3 und 6 - die von einem Mitgliedstaat ausgestellten Zulassungsbescheinigungen im Hinblick auf die Identifizierung des Fahrzeugs im grenzüberschreitenden Straßenverkehr oder dessen erneute Zulassung in einem anderen Mitgliedstaat gegenseitig anerkannt werden.

Auch unter Berücksichtigung der Eintragung in der Zulassungsbescheinigung fehlt es an hinreichenden objektiven Anhaltspunkten, dass das Fahrzeug der Klägerin einem weiteren Zweck als dem des Gütertransports dient. Zum einen wird in der Zulassungsbescheinigung lediglich die Einrichtung des Fahrzeugs ("Inrichting: Winkelwagen") dokumentiert. Diese Einrichtung allein rechtfertigt aber, wie zuvor dargelegt, gerade nicht die Annahme einer selbständigen Zweckbestimmung als Verkaufsstätte. Zum anderen lässt die sehr allgemeine Umschreibung als "Winkelwagen", also Verkaufswagen, die offenbar auch in den Niederlanden nicht einheitlich verstanden wird, vgl. hierzu die Broschüre des Belastingdienst "Vrachtauto`s", S. 4 einerseits und die Auskunft des RWD vom 4.12.2007 andererseits, keine genauen Rückschlüsse auf die konkrete Zweckbestimmung des jeweiligen Fahrzeugs zu. Diese Bezeichnung könnte namentlich auch bedeuten, dass das Fahrzeug dafür eingerichtet ist, die Abnahme und Bezahlung der Produkte im oben beschriebenen Sinne in seinem Innenraum zu ermöglichen. Dass anhand der Eintragung in der Zulassungsbescheinigung keine präzisen Schlussfolgerungen hinsichtlich der Zweckbestimmung des Fahrzeugs möglich sind, zeigt sich schließlich daran, dass vergleichbare Fahrzeuge - wie von der Beklagten unwidersprochen vorgetragen - zugleich bzw. nur als "geconditioneerd voertuig" zugelassen werden.

Keiner Entscheidung bedarf es, ob eine Mautpflicht aufgrund richtlinienkonformer Auslegung des Autobahnmautgesetzes für die Fälle auszuschließen ist, in denen ein Fahrzeug aufgrund objektiver Ausstattungsmerkmale bei wirtschaftlicher Betrachtung faktisch nicht mehr am allgemeinen Wettbewerb des Güterverkehrs teilnimmt, weil es nur vergleichsweise geringfügige Mengen an Gütern transportieren kann. Denn jedenfalls rechtfertigen die genannten Merkmale des Fahrzeugs der Klägerin eine solche Einschätzung nicht. Es ist noch nicht einmal ersichtlich, dass bei dem Fahrzeug der Klägerin nicht jedenfalls annähernd die gleiche Ladekapazität erreicht werden kann, wie bei einem vergleichbar großen LKW, der nicht über die genannten Ausstattungsmerkmale verfügt. Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass im Mittelgang an der Decke aufgrund der angebrachten Beleuchtung keine Metallschienen zur Verankerung der Container angebracht werden können. Die Beklagte hat nachvollziehbar dargelegt, dass es weitere Möglichkeiten zur sicheren Befestigung der Ladung gibt. Dem hat die Klägerin nichts Substanzielles entgegengesetzt. Dass das Fahrzeug der Klägerin, um dieselbe Menge an Blumen wie ein vergleichbar großes Fahrzeug transportieren zu können, ein größeres Chassis, einen größeren Karosserieaufbau sowie einen stärkeren Motor benötigen würde, ergibt sich entgegen der Annahme der Klägerin aus der Stellungnahme der Karosseriefabrik M. vom 4.10.2007 nicht. Diese Aussage trifft der Verfasser der Stellungnahme nur unter Berücksichtigung der Maßgabe, dass die freie Fläche im Mittelgang und vor dem seitlichen Zugang beibehalten wird. In der Stellungnahme wird dementsprechend nur die Frage beantwortet, welcher zusätzlichen Ausstattung ein als Verkaufswagen konzipiertes Fahrzeug bedürfte, um bei Beibehaltung der freien Flächen dieselbe Menge an Blumen transportieren zu können.

3. In Höhe von 2,52 € liegt gleichwohl eine Überzahlung der Maut im Sinne des § 21 Abs. 1 VwKostG vor. Die Klägerin hat die Maut in dieser Höhe ohne rechtlichen Grund gezahlt.

Die Höhe der von der Klägerin zu entrichtenden Maut für die im streitgegenständlichen Zeitraum mit ihrem LKW der Achsklasse 2 und der Schadstoffklasse Euro 3 zurückgelegten Strecken ergibt sich aus § 1 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 1 MautHV vom 24.6.2003 (BGBl. I S. 1001) in der bis zum 31.8.2007 gültigen Fassung. Danach sind pro Kilometer 0,12 € zu veranschlagen.

Die Klägerin hat in dem Zeitraum vom 1.1.2005 bis 16.3.2006 die in den für diese Monate vorgelegten Mautaufstellungen verzeichneten Strecken zurückgelegt. Die Maut ist für jede einzelne dieser Strecken zu ermitteln, indem die zurückgelegten Kilometer mit dem Mautsatz von 0,12 € multipliziert werden. Dem entsprechen allerdings die Berechnungen der Beklagten teilweise nicht. Vielmehr lässt sich ersehen, dass das Bundesamt für die einzelne Strecken jeweils zuviel Maut erhoben hat. (es folgt eine Aufstellung der Strecken)

Dass das Bundesamt für andere Strecken zuwenig Maut erhoben haben mag, lässt den hier streitigen Anspruch unberührt, insbesondere verbietet sich eine "Gegenrechnung". Bei den einzelnen Mauterhebungen handelt es sich um voneinander getrennt zu behandelnde Gebührenerhebungen. Für jede einzelne Gebührenerhebung ist zu verlangen, dass sie von den gesetzlichen bzw. verordnungsrechtlichen Grundlagen gedeckt ist.

Der erhobene Betrag rechtfertigt sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht mit Blick auf Besonderheiten bei der praktischen Umsetzung im Zusammenhang mit der Berechnung der Maut. Die Erhebung einer Gebühr bedarf nach rechtsstaatlichen Grundsätzen (Art. 20 Abs. 3 GG) aufgrund des Vorbehalts des Gesetzes in ihrer vollen Höhe einer rechtlichen Grundlage. Diese rechtliche Grundlage (§§ 3 Abs. 1 und 2 ABMG, 1 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 1 MautHV) gibt hier vor, dass die Maut pro Kilometer berechnet wird; danach ergibt sich die Höhe der für die zurückgelegte Strecke zu leistenden Maut aus der Gesamtzahl der gefahrenen Kilometer, die mit dem Gebührensatz multipliziert wird. Weder in den einschlägigen gesetzlichen noch in den verordnungsrechtlichen Vorschriften findet sich ein Hinweis darauf, dass die gefahrenen Kilometer streckenabschnittsweise zu ermitteln sowie die sich ergebenden Beträge - nach entsprechender Rundung - zu addieren sind und sich deshalb abweichende Beträge ergeben können. Insbesondere bietet § 3 Abs. 3 Satz 2 ABMG hierfür keinen Anhalt. Dabei handelt es sich lediglich um die Ermächtigung des Verordnungsgebers, die Höhe der Maut nach bestimmten Abschnitten von Bundesautobahnen und nach der Benutzungszeit (vgl. 7 Abs. 10 Buchst. b) RL 1999/62/EG) zu differenzieren.

Vgl. hierzu BT-Drs. 14/7013, S. 20 (Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzentwurf der Bundesregierung) sowie BT-Drs. 14/8631, S. 2 (entsprechende Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses).

Ebenso wenig bietet § 1 Abs. 3 und 4 ABMG Anhaltspunkte für die Annahme der Beklagten, die von ihr praktizierte Berechnungsweise sei von dem Willen des Gesetzgebers umfasst. In § 1 Abs. 3 ABMG werden bestimmte Autobahnabschnitte von der Mautpflicht ausgenommen. Die dort verwandte Bezeichnung "Bundesautobahnabschnitte" steht aber nicht im Zusammenhang mit der Gliederung der Bundesautobahnen in die in der Mauttabelle aufgeführten Streckenabschnitte. Das gilt erst recht für die in § 1 Abs. 4 ABMG genannten Abschnitte von Bundesstraßen. Die von der Beklagten außerdem angeführten Art. 7 Abs. 2 Buchst. b) i) und Abs. 3 sowie der 13. Erwägungsgrund der RL 1999/62/EG geben für die Sichtweise der Beklagten ebenfalls nichts her. Der Begriff "Abschnitt" wird dort in einem anderen Zusammenhang verwendet.

Das Vorbringen der Beklagten, nur die von ihr praktizierte Berechnungsweise garantiere eine streckenbezogene Gleichbehandlung der Autobahnbenutzer, ändert nichts an der rechtlichen Einschätzung, dass es sich bei dem Betrag von 2,52 € um eine rechtsgrundlose Zuvielberechnung handelt. Das Autobahnmautgesetz stellt kein Gebot einer streckenabschnittsbezogenen Gleichbehandlung der Mautschuldner auf. Ebenso wenig lässt sich ein solches Gebot aus übergeordneten Rechtsgrundsätzen herleiten. Aus der Systematik der gesetzlichen Regelungen des Autobahnmautgesetzes ergibt sich vielmehr das Gebot, für die gleiche Anzahl gefahrener Kilometer eine gleich hohe Maut zu erheben. Dass deshalb für gleiche Streckenabschnitte im Einzelfall im geringen Maße unterschiedliche Beträge erhoben werden, ist als Konsequenz dieser Vorgabe hinzunehmen.

Für die Rechtmäßigkeit der Gebührenerhebung ohne Belang ist es, ob sich die Differenzen im Einzelfall ausgleichen oder sie sogar zu der Erhebung eines zu geringen Mautbetrages führen können. Derartige allgemeine Überlegungen ändern nichts daran, dass der Klägerin im Einzelfall rechtsgrundlos 2,52 € zuviel abverlangt wurden.

Ende der Entscheidung

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