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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 24.06.2008
Aktenzeichen: 9 A 373/06
Rechtsgebiete: KAG NRW, VO PR Nr. 30/53, LSP, KStG, AktG, VwGO


Vorschriften:

KAG NRW § 6 Abs. 1
KAG NRW § 6 Abs. 2
VO PR Nr. 30/53 § 1 Abs. 2
VO PR Nr. 30/53 § 5 Abs. 1
LSP Nr. 47 Abs. 2
LSP Nr. 47 Abs. 3
LSP Nr. 48 Abs. 1
LSP Nr. 51 Buchst. a
KStG § 8 Abs. 3 Satz 2
AktG § 93 Abs. 1
VwGO § 127 Abs. 3
1. Überträgt die Stadt ihr Anlagevermögen auf eine Objektgesellschaft und lässt sie die Entsorgung durch eine Betriebsführungsgesellschaft, an der sie beteiligt ist, durchführen, die ihrerseits zur Erfüllung ihrer Aufgabe von der Objektgesellschaft das Anlagevermögen pachtet, muss der Verkaufserlös für das noch nicht abgeschriebene Anlagevermögen nicht als Einnahme bei der Gebührenkalkulation der Stadt berücksichtigt werden. Das Betriebsführungsentgelt darf in der Kalkulation als Fremdleistungsentgelt angesetzt werden, soweit es betriebsnotwendig ist (Bestätigung der Senatsrechtsprechung).

2. Ist als Betriebsführungsentgelt zulässigerweise ein Selbstkostenpreis vereinbart, darf in ihm allenfalls ein Zuschlag für das allgemeine Unternehmerwagnis enthalten sein, der den im Einzelfall bestehenden gesamtwirtschaftlichen Wagnissen entspricht.

3. Bei der Beurteilung des Wagnisses ist nicht entscheidend, in welchem Umfang die Kommune an dem beauftragten Unternehmen beteiligt ist und welcher Anteil seiner wirtschaftlichen Tätigkeit mittelbar gebührenfinanziert ist. Das allgemeine Unternehmerwagnis für die Betriebsführungsgesellschaft erscheint gering und mit maximal 1 % der Nettoselbstkosten angemessen bewertet, wenn ein Selbstkostenerstattungspreis vereinbart ist und eine verlässliche sowie langfristige Vertragsbindung der auftraggebenden Gemeinde besteht. Bei Vereinbarung eines Selbstkostenfestpreises ist ein Wagniszuschlag in Höhe von 3 % grundsätzlich angemessen.

4. Es bleibt offen, ob ein Anteil an dem angemessenen Wagniszuschlag in Höhe der gemeindlichen Beteiligung an der Betriebsführungsgesellschaft als zu erwartende Einnahme in den Gebührenhaushalt eingestellt werden muss.

5. Kosten für die Reinigung der Sinkkästen sind der Straßenentwässerung zuzurechnen und dürfen nicht in die Gebühren für die Grundstücksentwässerung einfließen.

6. Die Anschlussberufung darf sich zulässigerweise auf einen Streitgegenstand beziehen, der nicht Gegenstand der Berufung ist. Seit der Neufassung des § 127 VwGO besteht ein unbeschränktes Anschließungsrecht, das eine volle Überprüfung des erstinstanzlichen Streitstoffs ermöglicht.


Tatbestand:

Die Klägerin wandte sich gegen die Heranziehung unter anderem zu Entwässerungs- und Abfallentsorgungsgebühren für das Jahr 2004 durch den Beklagten.

In der Stadt E. wird die Abwasserbeseitigung seit dem 1.1.1998 durch die E. AG (SWE) durchgeführt, die seit dem 1.1.2002 zu 51 % mittelbar in städtischem Eigentum steht. Die SWE gründete als alleinige Gesellschafterin die E. GmbH (EEG) als Objektgesellschaft. Letzterer übertrug die Stadt das zur Durchführung der Entwässerung bislang eingesetzte Anlagevermögen, welches im Wesentlichen aus dem Kanalnetz und den Sonderbauwerken bestand. Aufgrund des Entsorgungsvertrages für die öffentliche Abwasserbeseitigung führte die SWE mit den von der EEG gepachteten Anlagen die Abwasserbeseitigung durch. Danach sollte die Stadt der SWE ihre Selbstkosten erstatten. Ab dem Jahr 2001 war ein kalkulatorischer Zuschlag für das allgemeine Unternehmerwagnis in Höhe von 3 % der Nettoselbstkosten vereinbart. Das an die SWE zu zahlende Betriebsführungsentgelt stellte die Stadt als Kosten in ihre Gebührenkalkulation ein.

Mit der Abfallentsorgung ist die L. GmbH - EBE -, an der die Stadt zu 51 % beteiligt ist, als Dritte beauftragt. Als Gegenleistung war im Entsorgungsvertrag für die Jahre 2001 bis 2004 als Entgelt jährlich zunächst ein nach öffentlichem Preisrecht ermittelter Selbstkostenfestpreis einschließlich eines Gewinnzuschlags von 3 % in Höhe von 57.977.464,- DM zuzüglich Umsatzsteuer vereinbart. Derselbe Betrag umgerechnet in Euro (29.643.406,64 €) war nach einem neuen Vertrag vom 5.1.2005 mit Wirkung ab dem 1.1.2002 als ein "als Marktpreis ermitteltes" festes Entgelt geschuldet, das den Vorschriften des Preisrechts entsprechen sollte. Nach einem weiteren Vertrag war der EBE auch die Sammlung, den Transport und die Beseitigung der verbotswidrig abgelagerten Abfälle auf ausgesuchten der Allgemeinheit zugänglichen Grundstücken sowie die Entsorgung der auf diesen Grundstücken befindlichen Papierkörbe zu Festpreisen übertragen worden, die gleichfalls einen Wagniszuschlag von 3 % enthielten und nach zu reinigender Fläche, Zahl der zu leerenden Papierkörbe sowie nach Stunden bemessen waren. Das an die EBE zu zahlende Entgelt stellte die Stadt als Kosten in ihre Gebührenkalkulation ein.

Das VG hob den angefochtenen Grundbesitzabgabenbescheid hinsichtlich der Entwässerungsgebühren auf und wies die Klage hinsichtlich der Abfallentsorgungsgebühren ab. Auf die nur auf die Entwässerungsgebühren bezogene Berufung des Beklagten wies das OVG auch insoweit ab. Die auf die Abfallgebühren bezogene Anschlussberufung der Klägerin hatte keinen Erfolg.

Gründe:

A. Die Berufung des Beklagten ist begründet. Der angefochtene Bescheid beruht hinsichtlich der Heranziehung zu Entwässerungsgebühren auf einer wirksamen Rechtsgrundlage. Insbesondere genügen die für das Veranlagungsjahr 2004 festgesetzten Abgabensätze der Satzung über die Erhebung von Entwässerungsabgaben (Entwässerungsabgabensatzung) vom 8.12.1997 in der Fassung der Satzungsänderung vom 2.12.2003, nach denen die Gebühren im angefochtenen Bescheid zutreffend ermittelt wurden, den rechtlichen Vorgaben, namentlich der Veranschlagungsmaxime des § 6 Abs. 1 Satz 3 KAG. Danach soll das veranschlagte Gebührenaufkommen die voraussichtlichen Kosten der Einrichtung nicht überschreiten. Hierbei räumt der Senat dem Satzungsgeber in ständiger Rechtsprechung einen Toleranzspielraum von bis zu 3 % ein, sofern Kostenüberschreitungen nicht bewusst fehlerhaft oder willkürlich vorgenommen worden sind.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5.8.1994 - 9 A 1248/92 -, NVwZ 1995, 1233, 1238.

Die Gebührenbedarfsberechnung für das Jahr 2004 enthält zwar einzelne überhöhte Ansätze, ist danach aber im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Der Senat hat bereits in Verfahren betreffend Gebührenheranziehungen durch den Beklagten für die Jahre 1998 bis 2000 zu den meisten im erstinstanzlichen Urteil angesprochenen Gesichtspunkten Stellung genommen.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 1.6.2007 - 9 A 372/06 -, juris, und vom 14.12.2004 - 9 A 4187/01 -, NWVBl. 2005, 219, rechtskräftig seit dem Beschluss des BVerwG vom 12.9.2005 - 10 B 13.05 -.

Hieran hält er auch nach erneuter Überprüfung unter Berücksichtigung der Ausführungen im angefochtenen Urteil fest.

Ein Verstoß gegen das Kostenüberschreitungsverbot wird nicht dadurch begründet, dass der für die Veräußerung des Anlagevermögens erzielte Erlös, soweit er über dem Anschaffungsrestwert liegt, nicht als Einnahme in die Kalkulation eingeflossen ist (dazu I.). Die in die Gebührenbedarfsberechnung eingestellten Fremdkosten sind - abgesehen von dem Wagniszuschlag, der in dem an die SWE zu zahlenden Betriebsführungsentgelt enthalten ist - nicht zu beanstanden (dazu II.). Demgegenüber durfte der im Fremdleistungsentgelt enthaltene Wagniszuschlag nicht in voller Höhe in den Gebührensatz eingerechnet werden (dazu III.). Auch die Kosten für die Reinigung der Sinkkästen durften nicht auf alle Gebührenzahler umgelegt werden (dazu IV.). Diese unzulässigen Kostenansätze führen jedoch im Ergebnis nicht zur Unwirksamkeit des satzungsgemäßen Gebührensatzes (dazu V.).

I. Die dem streitigen Gebührenbescheid zugrundeliegenden Satzungsbestimmungen über die Gebührensätze sind nicht deshalb wegen eines Verstoßes gegen das Kostenüberschreitungsverbot rechtswidrig, weil die Stadt es unterlassen hat, den Veräußerungserlös, den sie beim Verkauf des Anlagevermögens erzielt hat, ganz oder zumindest teilweise als Einnahme in die Gebührenkalkulation einzustellen.

Nach der Rechtsprechung des Senats, an der er nach erneuter Überprüfung festhält, ist eine Veräußerung des Anlagevermögens zum Wiederbeschaffungszeitwert ohne gleichzeitige (teilweise) Einstellung des Erlöses in die Gebührenbedarfsberechnung gebührenrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden. Ein in die Gebührenkalkulation als Einnahme einzubeziehender Erlös ist danach allerdings dann anzunehmen, wenn Anlagevermögen, das bereits vollständig abgeschrieben ist, aber noch einen Nutzungswert besitzt, der veräußernden Kommune Gewinne erbringt. Denn diese Gewinne stellen den Gegenwert für die entgangene (kostenlose) Nutzungsmöglichkeit der Anlagegüter für den Gebührenzahler dar.

Vgl. OVG NRW, Teilurteil vom 15.12.1994 - 9 A 2251/93 -, NVwZ 1995, 1238, 1241.

Die genannten Besonderheiten sind im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben. (wird ausgeführt)

II. Das in die Gebührenbedarfsberechnung eingestellte Betriebsführungsentgelt, welches die Stadt an die SWE zu zahlen hatte, unterliegt - abgesehen von der Höhe des angesetzten Wagniszuschlags - keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Zu den gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG NRW nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen und durch Gebühren zu deckenden Kosten gehören kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung auch "Entgelte für in Anspruch genommene Fremdleistungen" (§ 6 Abs. 2 Satz 4 KAG NRW). Berücksichtigungsfähig sind danach Fremdleistungsentgelte, die auf vertraglichen Zahlungsverpflichtungen der Kommune gegenüber solchen juristischen Personen bestehen, an denen sie beteiligt ist, selbst wenn es sich um eine Mehrheitsbeteiligung handelt. Da die an das Unternehmen zu zahlenden Fremdleistungsentgelte tatsächliche Kosten darstellen, kommt es bei deren Einstellung in die Gebührenkalkulation in der Regel weder zu Kostenüberdeckungen noch gar zur Erschließung illegaler Finanzquellen. Eine Einschränkung gilt nur mit Blick darauf, dass es sich um vertragsgemäße, betriebsnotwendige Kosten handelt, deren Bemessung letztlich nicht zu einem Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip führt.

Vgl. OVG NRW, Teilurteil vom 15.12.1994 - 9 A 2251/93 -, a. a. O., 1240.

Gemessen daran durfte das von der Stadt an die SWE zu zahlende Betriebsführungsentgelt für die Entwässerungsleistungen grundsätzlich in die Gebührenbedarfsberechnung einbezogen werden.

Auch die Höhe des in die Kalkulation eingestellten Betriebsführungsentgeltes ist - abgesehen von dem in ihm enthaltenen Wagniszuschlag - nicht zu beanstanden. Dieser überwiegende Anteil des Entgelts entspricht dem Grundsatz der Betriebsnotwendigkeit und seine Umlage führt nicht zu dem Äquivalenzprinzip widerstreitenden Folgen für den Gebührenzahler.

Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 des Entsorgungsvertrages erstattet die Stadt der SWE die zur Erfüllung ihrer durch den Vertrag übernommenen Verpflichtungen anfallenden Selbstkosten im Sinne der jeweils geltenden Vorschriften. Bei diesen Vorschriften handelte es sich im Zeitpunkt der Kalkulation um die Verordnung PR Nr. 30/53 in der Fassung von Art. 340 der Verordnung vom 29.10.2001, BGBl. I, 2785, 2857, i. V. m. den als Anlagen hierzu aufgestellten Leitsätzen für die Preisermittlung auf Grund von Selbstkosten (LSP). Da es sich bei den von der SWE erbrachten Leistungen im Rahmen der öffentlichen Abwasserbeseitigung nicht um marktgängige Leistungen handelt, durfte die SWE von der Stadt gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. §§ 3 und 4 der Verordnung PR Nr. 30/53 ein Betriebsführungsentgelt in der Höhe von Selbstkostenerstattungspreisen - wie vertraglich festgelegt - fordern.

Soweit in die im Betriebsführungsentgelt der SWE enthaltenen Selbstkosten das von dieser an die EEG zu zahlende Pachtentgelt eingegangen ist, unterliegt dies weder dem Grunde noch der Höhe nach durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

(wird ausgeführt)

III. Nicht in voller Höhe ansatzfähig ist der so genannte kalkulatorische Gewinn für das allgemeine Unternehmerwagnis, der mit 3 % der Nettoselbstkosten in das Betriebsführungsentgelt eingerechnet worden ist. Zwar gehört dieser Zuschlag als Teil des Fremdleistungsentgelts grundsätzlich zu den betriebsnotwendigen Kosten. Er ist jedoch nicht betriebsnotwendig, soweit er 1 % der Nettoselbstkosten überschreitet, weil er sich insoweit nicht mehr im Rahmen des preisrechtlich Zulässigen hält.

1. Das allgemeine Unternehmerwagnis, das nach den Nrn. 48 Abs. 1, 51 Buchstabe a) LSP im kalkulatorischen Gewinn mit abgegolten wird, deckt die Wagnisse ab, die das Unternehmen als Ganzes gefährden, die in seiner Eigenart, in den besonderen Bedingungen des Wirtschaftszweiges oder in wirtschaftlicher Tätigkeit schlechthin begründet sind (vgl. Nr. 47 Abs. 2 LSP). Der Ansatz für diese Position soll auf lange Sicht die Existenz des Unternehmens gegen die Gefahren und Risiken sichern, die mit der unternehmerischen Tätigkeit verbunden sind. Zum allgemeinen Unternehmerwagnis gehören z.B. Wagnisse, die aus der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung entstehen, etwa Konjunkturrückgänge, plötzliche Nachfrageverschiebungen, Geldentwertungen, technische Fortschritte. Aus dem allgemeinen Unternehmerwagnis müssen im Übrigen die Aufwendungen gedeckt werden, die nach den LSP nicht zu den Kosten gehören.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4.10.2001 - 9 A 2737/00 -, NVwZ-RR 2002, 684, 685; Ebisch/Gott-schalk, Preise und Preisprüfungen, 7. Aufl. 2001, Nr. 51 LSP, Rn. 6.

Nicht hierzu gehört das Risiko von vorzeitigen Ausfällen im Kanalnetz. Dieses zählt nicht zum allgemeinen Unternehmerwagnis, sondern stellt sich als Einzelwagnis im Sinne von Nr. 47 Abs. 3 LSP dar. Denn hierin liegt eine mit der Leistungserstellung in einem einzelnen Tätigkeitsgebiet des Betriebs verbundene Verlustgefahr einzelner Anlagegüter. Sie kann deshalb nicht im Rahmen des Zuschlags für das allgemeine Unternehmerwagnis berücksichtigt werden.

Zur Beurteilung, in welcher Höhe ein kalkulatorischer Zuschlag für das allgemeine Unternehmerwagnis angemessen ist, hat der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung berücksichtigt, in welchem Umfang die Kommune an dem tätig werdenden Unternehmen beteiligt und welcher Anteil seiner wirtschaftlichen Tätigkeit vom Gebührenbereich abgedeckt ist.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4.10.2001 - 9 A 2737/00 -, a. a. O., 686, und Teilurteil vom 15.12.1994 - 9 A 2251/93 -, a. a. O., 1240.

Nach erneuter Überprüfung hält der Senat diese Gesichtspunkte für die Frage der Bemessung eines angemessenen Wagniszuschlags nicht mehr für entscheidungserheblich. Auch wenn der Zuschlag auf lange Sicht vor Gefahren schützen soll, die das Unternehmen als Ganzes gefährden, so ist er doch nur in einem Umfang gerechtfertigt, in dem ein gesamtwirtschaftliches Risiko besteht. Soweit langfristige Vertragsverhältnisse für das Unternehmen - unabhängig vom Umfang der Beteiligung des öffentlichen Trägers - nahezu ohne Risiko ausgestaltet sind, wird das Unternehmen auch nicht als Ganzes gefährdet; der dadurch insgesamt geringeren Gefährdung für das Gesamtunternehmen, die sich aus der verbleibenden allgemeinen unternehmerischen Tätigkeit mit den normalen Marktrisiken ergibt, ist dadurch zu begegnen, dass in den übrigen Geschäftsbereichen Wagniszuschläge in üblicher Höhe in den Preis eingerechnet werden. Bereits durch einen derart differenzierten Ansatz von Wagniszuschlägen wird die Existenz des Unternehmens auf Dauer gesichert. Dabei ist es unerheblich, welcher Anteil der Tätigkeit des Unternehmens praktisch ohne gesamtwirtschaftliches Risiko ausgestaltet ist: Bei einem geringen Anteil solcher Tätigkeit kann sich das Unternehmen in erheblichem Umfang durch Wagniszuschläge schützen; bei einem höheren Anteil steht den geringeren Einnahmen aus Wagniszuschlägen ein entsprechend geringeres Risiko gegenüber.

Ausgehend hiervon erscheinen die Gefahren und Risiken gering, die sich aus dem Entsorgungsvertrag zwischen der Stadt und der SWE für deren Unternehmen als Ganzes ergeben. Entscheidend für diese Beurteilung ist zum einen, dass zwischen der SWE und der Stadt die Erstattung der zur Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen anfallenden Selbstkosten, also ein Selbstkostenerstattungspreis, vereinbart ist. Zum anderen besteht kaum ein Risiko, dass die Stadt dieser Verpflichtung nicht nachkommen, insbesondere der SWE tatsächlich nicht die Mittel zur Verfügung stellen wird, die sie zur ordnungsgemäßen Durchführung der Abwasserbeseitigung benötigt. Denn sie kann sich ihrer gesetzlichen Pflichtaufgabe der öffentlichen Abwasserbeseitigung, für deren Durchführung sie sich der SWE nur im Innenverhältnis bedient, nicht entziehen. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte erscheint das verbleibende allgemeine unternehmerische Restrisiko mit 1 % der Nettoselbstkosten im vorliegenden Einzelfall angemessen bewertet.

2. Auch steuerrechtliche Erfordernisse lassen eine andere Beurteilung nicht zu. Der Ansatz eines Wagniszuschlags von nur 1 % der Selbstkosten führt nicht zu einer verdeckten Gewinnausschüttung nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist. Eine Veranlassung einer Vermögensminderung durch das Gesellschaftsverhältnis hat der BFH in ständiger Rechtsprechung angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte.

Vgl. BFH, Urteile vom 28.1.2004 - I R 87/02 -, BFHE 205, 181, 183, und vom 10.7.1996 - I R 108-109/95 -, BFHE 181, 277, 278 f.

Diese Voraussetzungen liegen bei der Bemessung des Wagniszuschlags entsprechend dem jeweiligen Risiko schon deshalb nicht vor, weil nach dem einschlägigen Preisrecht ein höherer Wagniszuschlag auch gegenüber einem nicht an der Gesellschaft beteiligten öffentlichen Auftraggeber nicht berechnet werden dürfte.

Genauso wenig verstößt die Geschäftsführung mit der Vereinbarung eines dem Preisrecht entsprechenden Wagniszuschlags gegen ihre aktienrechtliche Pflicht zur Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters (§ 93 Abs. 1 AktG).

3. Der Senat muss nicht entscheiden, ob darüber hinaus entgegen seiner bisherigen Rechtsprechung, vgl. OVG NRW, Teilurteil vom 15.12.1994 - 9 A 2251/93 -, a. a. O., und Urteil vom 4.10.2001 - 9 A 2737/00 -, a. a. O., ein Anteil an dem angemessenen Wagniszuschlag von 1 % in Höhe der (mittelbaren) gemeindlichen Beteiligung an der SWE zumindest als zu erwartende Einnahme in den Gebührenhaushalt hätte eingestellt werden müssen, weil in dieser Höhe Gewinnausschüttungen oder Wertsteigerungen der Gesellschafteranteile erwartet werden konnten. Insbesondere bedarf es keiner Klärung, ob ein solches Erfordernis aus dem landesrechtlichen Kostenüberschreitungsverbot, vgl. hierzu etwa OVG M.-V., Urteile vom 25.2.1998 - 4 K 8/97 -, KStZ 2000, 12, 17 f., und vom 7.11.1996 - 4 K 11/96 -, juris, Rn. 48 ff., oder gar einem allgemeinen bundesfinanzverfassungsrechtlichen Prinzip der Steuer- bzw. Abgabestaatlichkeit, so im Zusammenhang mit der Erhebung eines Straßenbaubeitrags OVG NRW, Beschluss vom 22.11.2005 - 15 A 873/04 -, OVGE 50, 164, 168 f.; offen gelassen: BVerwG, Beschluss vom 14.9.2006 - 9 B 2.06 -, NVwZ 2006, 1404, 1407, bzw. wenigstens einem für Abgaben mit Zwangscharakter geltenden finanzverfassungsrechtlichen Verbot gewinnerzielender Vorzugslasten abzuleiten sein könnte. Vgl. Franz, Gewinnerzielung durch kommunale Daseinsvorsorge, 2005, S. 387 ff., bes. 410.

Selbst wenn man annähme, die Gemeinde müsste die auf sie entfallenden Gewinne, die ein beauftragter Fremdleister, an dem sie finanziell beteiligt ist, im Gebührenbereich verdient, dem Gebührenhaushalt wieder gutbringen, führte dies im Ergebnis nicht zur Nichtigkeit des Gebührensatzes, weil sich die danach allenfalls ergebende Überdeckung noch im Rahmen der zulässigen Toleranzmarge von 3 % der ansatzfähigen Gesamtkosten hält (vgl. dazu unten V.).

IV. Die Kosten für die Reinigung der Sinkkästen sind zu Unrecht in den Gebührensatz eingerechnet worden. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass es sich hierbei ausschließlich um Kosten der Abwasserbeseitigung handelt, die durch die Beseitigung des Niederschlagswassers von öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen bedingt sind. Die Sinkkästen haben nämlich die Aufgabe, Straßenschmutz aufzufangen, wenn das Wasser von der Straßenoberfläche durch die Einläufe in die Kanalisation abläuft. Nur die Straßenentwässerung erfordert Sinkkästen und ihre Reinigung, während die private Grundstücksentwässerung für sich genommen grundsätzlich keine Sinkkästen benötigt. Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass es vereinzelt Grundstücke geben mag, von denen das Niederschlagswasser tatsächlich über die zur Straßenentwässerung vorgehaltenen und mit Sinkkästen versehenen Straßeneinläufe der Kanalisation zufließt. Es ist nämlich nicht ersichtlich, dass die Entwässerung solcher Grundstücke für sich genommen - anders als die über Abwasserleitungen erfolgende Entwässerung der weitaus meisten privaten Grundstücke - Sinkkästen benötigen oder zumindest Anlass für ihren Einsatz gegeben haben könnte.

V. Die überhöht angesetzten Kosten führen jedoch nicht zur Unwirksamkeit des satzungsgemäßen Gebührensatzes. Sie beruhen nicht auf willkürlichen oder bewusst fehlerhaften Kostenansätzen (1.) und halten sich im Rahmen des vom Senat in ständiger Rechtsprechung für unschädlich angesehenen Toleranzbereichs von 3 % der ansatzfähigen Kosten (2.).

1. Der überhöhte Ansatz des Wagniszuschlags ist nicht deshalb bewusst fehlerhaft erfolgt, weil zur Zeit der Kalkulation das Urteil des Senats vom 4.10.2001 - 9 A 2737/00 -, a. a. O., bereits bekannt war. In dieser Entscheidung hatte der Senat das geringe Risiko unter anderem auch damit begründet, dass die Kommune Hauptgesellschafterin des tätig gewordenen Unternehmens war und dessen wirtschaftliche Tätigkeit zu fast 80 % vom Gebührenbereich abgedeckt war. Insoweit liegt hier eine andere Konstellation vor. Abgesehen davon war es im Kalkulationszeitpunkt nicht willkürlich, einen Wagniszuschlag in einer Höhe anzusetzen, wie sie grundsätzlich in der steuerrechtlichen Praxis nach dem Maßstab eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters als angemessen angesehen wurde. Darüber hinaus bestand und besteht bis heute keine gefestigte Rechtsprechung, aus der sich die Verpflichtung ergeben hätte, angemessene Wagniszuschläge in Höhe der gemeindlichen Beteiligung am beauftragten Fremdleister als zu erwartende Einnahmen in den Gebührenhaushalt einzustellen.

Auch der Ansatz der Kosten für die Sinkkastenreinigung ist nicht bewusst fehlerhaft vorgenommen worden. Soweit ersichtlich hatte sich zur Zeit der Kalkulation noch keine gefestigte Rechtsprechung zu einem derartigen Kostenansatz herausgebildet.

2. In dem veranschlagten Betriebsführungsentgelt in Höhe von 65.715.194,80 € ist ein Betrag von etwa 1.914.000 € (1.650.000 € + 16 % USt.) als Wagniszuschlag enthalten. 2/3 von diesem Betrag, also 1.276.000 €, sind zu Unrecht angesetzt worden, weil ein Wagniszuschlag nur in Höhe von 1 % sachlich gerechtfertigt war. Selbst wenn man zudem 51 % des zu Recht angesetzten Teils des Wagniszuschlags (325.380 €) als Einnahme rechnen würde, stellte dies die Rechtmäßigkeit des Gebührensatzes im Ergebnis nicht in Frage. Das gilt auch unter Berücksichtigung der zu Unrecht in die Kalkulation eingestellten Kosten der Sinkkastenreinigung in Höhe von 867.680 €.

Ansatzfähig wären danach für das Jahr 2004 nämlich mindestens 101.543.927,68 € (104.012.987,68 € - 1.276.000 € - 325.380 € - 867.680 €). Das veranschlagte Gebührenaufkommen von 104.012.987,68 € übersteigt damit die ansatzfähige Kostenmasse höchstens um 2.469.060 €. Das sind im ungünstigsten Fall gut 2,4 % der ansatzfähigen Kosten und bewegt sich jedenfalls innerhalb des Toleranzbereichs von 3 %.

B. Die Anschlussberufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Die Anschlussberufung ist zwar zulässig (I.), aber unbegründet (II.).

I.1. Der Zulässigkeit der Anschlussberufung der Klägerin steht nicht § 127 Abs. 3 Satz 1 VwGO entgegen, wonach die Anschlussberufung in der Anschlussschrift begründet werden muss. Dieser Vorschrift ist nicht das Erfordernis zu entnehmen, dass die Anschlussberufung und ihre Begründung in einem einheitlichen Schriftsatz enthalten sein müssen. Vielmehr kann die Anschlussberufung nach dem gemäß § 127 Abs. 3 Satz 2 VwGO entsprechend anwendbaren § 124 a Abs. 3 Satz 2 VwGO ebenso wie die Berufung - jedoch bereits innerhalb der Rechtsmittelfrist - in einem gesonderten Schriftsatz begründet werden. Vor diesem Hintergrund lässt sich § 127 Abs. 3 Satz 1 VwGO entgegen dem missverständlichen Wortlaut lediglich entnehmen, dass für die Begründung der Anschlussberufung keine besondere Frist eingeräumt werden sollte.

Vgl. BT-Drs. 14/6393, S. 13 f.

2. Die Anschlussberufung bezieht sich hinsichtlich der Abfallgebühr zulässigerweise auf einen Streitgegenstand, der nicht Gegenstand der auf Entwässerungsgebühren beschränkten Berufung ist. Denn seit der Neufassung des § 127 VwGO besteht ein unbeschränktes Anschließungsrecht, das eine volle Überprüfung des erstinstanzlichen Streitstoffs ermöglicht. Eine Einschränkung auf den prozessualen Anspruch, der Gegenstand der Berufung ist, lässt sich dem Begriff der Anschließung nicht entnehmen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 21.1.2003 - 1 C 5.02 -, BVerwGE 117, 332, 343 ff.; BGH, Beschluss vom 23.2.2005 - II ZR 147/03 -, MDR 2005, 823; Meyer-Ladewig/Rudisile, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietz-ner, VwGO, Stand: September 2007, § 127 Rn. 6 a f.; offen lassend noch zur alten Rechtslage BVerwG, Urteil vom 11.4.2002 - 4 C 4.01 -, BVerwGE 116, 169, 174 f., unter Bezugnahme unter anderem auf BGH, Urteil vom 21.6.2001 - IX ZR 73/00 -, BGHZ 148, 156, 159; a. A. Happ in: Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, § 127 Rn. 8; Blanke, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 127 Rn. 6, jedoch jeweils mit auf die alte Rechtslage bezogenen Nachweisen.

Die Klägerin war insbesondere nicht dazu verpflichtet, ihr Begehren auf Überprüfung der Abfallgebühr mit einer eigenen Berufung zu verfolgen. Sie hatte nach Zulassung der Berufung durch das VG und deren Einlegung durch den Beklagten unter Wahrung der dafür vorgeschriebenen Formen und Fristen die freie Wahl, ob sie Rechtsschutz im Wege der selbständigen Berufung oder im Wege der Anschlussberufung anstrebt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 11.7.2007 - 9 C 1.07 -, RdL 2008, 139, 140.

II. Die Anschlussberufung der Klägerin hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Rechtsgrundlage der Erhebung der Abfallentsorgungsgebühren ist die einschlägige Gebührensatzung vom 19.12.2001 in der Fassung der Änderungssatzung vom 7.12.2002. Hiernach sind die Gebühren rechnerisch zutreffend ermittelt worden. Das Satzungsrecht ist formell gültig und unterliegt auch in materiell-rechtlicher Hinsicht keinen Bedenken.

Die Einstellung des an die EBE zu leistenden vertragsgemäßen Festpreises in die Gebührenkalkulation ist rechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere verstößt sie nicht gegen die Veranschlagungsmaxime des § 6 Abs. 1 Satz 3 KAG. Es handelt sich bei dem Festpreis um ein grundsätzlich ansatzfähiges Fremdleistungsentgelt, das vertragsgemäß ist und damit zu den betriebsnotwendigen Kosten gehört. Der vereinbarte Preis verstößt nicht deshalb gegen preisrechtliche Vorgaben, weil ein Festpreis bei entsprechend wirtschaftlicher Betriebsführung unter günstigen Umständen höhere Gewinne ermöglicht, wenn sich Marktrisiken nicht realisieren. Denn gemäß § 1 Abs. 2 der Verordnung PR Nr. 30/53 sollen möglichst feste Preise vereinbart werden. Ebenfalls unbedenklich ist der in den Preis eingerechnete Gewinnzuschlag von 3 %. Dabei ist es unerheblich, ob es sich bei dem Preis entsprechend der zunächst erfolgten Vereinbarung im Entsorgungsvertrag um einen Selbstkostenfestpreis oder entsprechend dem erst rückwirkend in Kraft getretenen neuen Vertrag um einen Marktpreis handelt. Denn wegen des der Höhe nach unveränderten Betrages liegt es auf der Hand, dass der Preis als Selbstkostenfestpreis einschließlich eines Gewinnzuschlags von 3 % ermittelt worden ist. Dies ist wegen des im Vergleich zu einem Erstattungspreis höheren Wagnisses für einen Selbstkostenfestpreis rechtlich unbedenklich. Anhaltspunkte dafür, dass der vereinbarte Preis als Marktpreis im Sinne von § 4 Abs. 1 der Verordnung PR Nr. 30/53 die im Verkehr üblichen Preise überschreitet, sind im Hinblick auf die Preisermittlung auf Selbstkostenbasis selbst unter Berücksichtigung des einbezogenen Gewinnzuschlags nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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