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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 20.04.2004
Aktenzeichen: 9 A 3750/02
Rechtsgebiete: LWG NRW 1989


Vorschriften:

LWG NRW 1989 § 73 Abs. 2
Zu den Anlagen zur Beseitigung des Niederschlagswassers im Sinne des § 73 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 LWG NRW 1989 gehört nicht nur das Kanalisationsnetz einschließlich zugehöriger Nebenbauwerke, sondern die gesamte Anlage zwischen Anfall des Niederschlagswassers und dessen Einleitung in ein Gewässer, d.h. ggfs. unter Einbeziehung einer Kläranlage.
Tatbestand:

Die Klägerin ist Betreiberin einer Kläranlage der Größenklasse 5, der sie u.a. das aus ihrem Netz abfließende Niederschlagswasser in Mischkanalisation zuführt und deren Abwasser sie anschließend in ein Gewässer einleitet.

Mit Bescheid vom 27.11.1998 setzte der Beklagte die Abwasserabgabe für 1995 für die Einleitung von verschmutztem Niederschlagswasser aus dem Einzugsbereich der Kläranlage ohne Berücksichtigung eines von der Klägerin rechtzeitig gestellten Antrages auf Abgabefreiheit auf 265.680,00 DM fest. Der nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobenen Klage auf Aufhebung des Bescheides gab das VG statt.

Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus: Die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 LWG für die Abgabefreiheit seien erfüllt. Insbesondere hätten die Anlagen der Klägerin zur Beseitigung des Niederschlagswassers und deren Betrieb den dafür in Betracht kommenden Regeln der Technik nach § 18 b WHG und § 57 LWG ent-sprochen. Hierzu zähle nämlich nur das Kanalisationsnetz einschließlich zugehöriger Nebenbauwerke wie z.B. Regenüberlaufbecken bis zur Übergabe des Abwassers an die zentrale Abwasserbehandlung; dieses erfülle die Anforderungen.

Die zugelassene Berufung des Beklagten hatte Erfolg.

Gründe:

Die Abgabeerhebung scheidet entgegen der Auffassung des VG auch nicht deshalb aus, weil die Klägerin von der Abgabepflicht befreit wäre.

Nach § 7 Abs. 2 AbwAG 1994 können die Länder bestimmen, unter welchen Voraussetzungen die Einleitung von Niederschlagswasser ganz oder zum Teil abgabefrei bleibt. Hiervon hat NRW durch § 73 Abs. 2 Satz 1 LWG in der Fassung der Bekanntmachung vom 9.6.1989, GV. NRW. S. 384, bezogen auf das Veranlagungsjahr 1995 zuletzt geändert durch Gesetz vom 15.12.1993, GV. NRW. S. 987, (LWG 1989) Gebrauch gemacht. Danach bleibt die Einleitung von Niederschlagswasser auf Antrag abgabefrei, wenn

- die Anlagen zur Beseitigung des Niederschlagswassers und deren Betrieb den dafür in Betracht kommenden Regeln der Technik nach § 18 b Abs. 1 WHG und des § 57 Abs. 1 LWG 1989 und

- die Einleitung des mit Niederschlagswasser vermischten Abwassers hinsichtlich der in § 69 Abs. 3 LWG 1989 genannten Parameter den Mindestanforderungen nach § 7 a Abs. 1 WHG (bzw. schärferen Anforderungen der Genehmigung nach § 58 Abs. 1 LWG 1989 oder der wasserrechtlichen Einleitungserlaubnis - sofern dort vorgesehen -, § 73 Abs. 2 Satz 2 LWG 1989) entsprechen.

Diese Voraussetzungen sind von der Klägerin nicht vollständig erfüllt worden.

Die im Zusammenhang mit der hier streitgegenständlichen Einleitung maßgebliche Anlage der Klägerin zur Beseitigung des Niederschlagswassers und deren Betrieb entsprachen im Veranlagungszeitraum nicht den Anforderungen des § 73 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 LWG 1989, d.h. den im Veranlagungsjahr geltenden Regeln nach § 18 b WHG in der maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 23.9.1986, BGBl. I S. 1529, 1654, für neue Anlagen.

Vgl. für die Maßgeblichkeit dieser Regeln: OVG NRW, Beschluss vom 16.5.2003 - 9 A 626/00 -, NVwZ-RR 2003, 777.

Bezugspunkt für die Erfüllung dieser Voraussetzung ist entgegen der Auffassung des VG nicht nur das Kanalisationsnetz einschließlich zugehöriger Nebenbauwerke; abzustellen ist vielmehr auf die gesamte Anlage zwischen Anfall des Niederschlagswassers und dessen Einleitung in ein Gewässer, d.h. ggfs. unter Einbeziehung einer Kläranlage. Das gesamte Abwasserabgabenrecht bezieht sich auf die finanziellen Folgen der Einleitung von Abwasser in ein Gewässer (vgl. § 1 AbwAG). Auch § 73 Abs. 2 LWG 1989 stellt hierauf ab, indem er unter bestimmten Voraussetzungen die Einleitung von Niederschlagswasser, einer Form des Abwassers (§ 2 Abs. 1 Halbs. 2 AbwAG), abgabefrei lässt. Eine dieser Voraussetzungen verweist auf § 18 b Abs. 1 WHG, der Anforderungen an Abwasseranlagen unter Anknüpfung ebenfalls an das Einleiten von Abwasser stellt, indem er die Berücksichtigung der hierfür geltenden Benutzungsbedingungen und Auflagen vorschreibt. Da Einleiten das unmittelbare Verbringen von Abwasser in ein Gewässer ist (§ 2 Abs. 2 Halbs. 1 AbwAG) und Mischwasser regelmäßig vor seiner Einleitung erst eine Reinigung in einer Kläranlage erfährt, kann § 73 Abs. 2 Satz 1 LWG 1989 nur in dem oben erwähnten umfassenden Sinn verstanden werden. Dem entspricht zugleich das Wortverständnis des Begriffs "Beseitigung". Von einer solchen kann im vorliegenden Zusammenhang erst dann gesprochen werden, wenn das Niederschlagswasser diese seine Eigenschaft verloren hat, also als solches nicht mehr existiert. Das trifft in Konstellationen wie der hiesigen erst im Zeitpunkt der Vermischung mit dem Gewässer zu, dessen Teil es dann wird, also mit der Einleitung.

Die Begründung des VG für seine einschränkende Auslegung vermag nicht zu überzeugen. Eine Beschränkung auf das Kanalisationsnetz lässt sich zunächst nicht dem herangezogenen § 58 Abs. 1 Satz 1 LWG 1989 entnehmen. Zwar trifft es zu, dass danach Kanalisationsnetze der öffentlichen Abwasserbeseitigung dienen und somit zu den Abwasserbeseitigungsanlagen gehören; die Vorschrift trifft jedoch keine Aussage dazu, dass ausschließlich diese die Abwasserbeseitigungsanlagen bilden. Sie gibt keine Definition des Begriffs Abwasserbeseitigungsanlage, beschränkt sich vielmehr auf die Anordnung, dass Pläne zur Erstellung oder wesentlichen Veränderung sowie der Betrieb von Kanalisationsnetzen der Genehmigung bedürfen. Die Verbindung von "Kanalisationsnetzen" mit dem Zusatz "für die öffentliche Abwasserbeseitigung" bestätigt vielmehr die hier vorgenommene Auslegung. § 58 Abs. 1 Satz 1 LWG 1989 differenziert bei der öffentlichen Abwasserbeseitigung nicht zwischen Schmutz- und Niederschlagswasser. Träfe die Auslegung des VG zu, müsste nach § 58 Abs. 1 Satz 1 LWG 1989 auch bei Schmutzwasser die Abwasserbeseitigungsanlage am Ende des Kanalisationsnetzes enden. Eine nachgeschaltete Kläranlage gehörte dann nicht mehr zur Abwasserbeseitigungsanlage. In Bezug auf Schmutzwasser zweifelt jedoch niemand daran, dass zu den Abwasserbeseitigungsanlagen alle Anlagen bis zur Einleitung in ein Gewässer gehören, also auch eine dem Kanalisationsnetz nachgeschaltete Kläranlage. Daraus wird deutlich, dass die Aussagekraft der Vorschrift nicht über die Frage der Genehmigungsbedürftigkeit von Kanalisationsnetzen hinausgeht.

Dem weiter vom VG als maßgeblich angesehenen Runderlass des Ministeriums für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft vom 3.1.1995 über Anforderungen an die öffentliche Niederschlagsentwässerung im Mischverfahren, MBl. NRW. S. 254, kommt schon deshalb keine Relevanz zu, weil er als untergesetzliche Norm an den Inhalt des gesetzlichen Tatbestandes gebunden ist. Im Übrigen kann auch dem Erlass nichts im Sinne der Auslegung des VG entnommen werden. Nrn. 1.1 und 1.3 des Erlasses, auf die das VG verweist, beinhalten Begriffsbestimmungen der öffentlichen Kanalisation bzw. des Kanalisationsnetzes, nicht aber - was vorliegend allein von Bedeutung sein könnte - von Abwasserbeseitigungsanlagen.

Der Auslegung des VG steht auch Sinn und Zweck des § 73 Abs. 2 Satz 1 LWG 1989 entgegen. Die landesrechtliche Anknüpfung der Abgabefreiheit für Niederschlagswasser dient dem vom Abwasserabgabengesetz allgemein verfolgten Ziel einer optimalen Gewässerreinhaltung in Form der Vermeidung oder Verminderung von Schadstoffeinleitungen durch Schaffung finanzieller Anreize.

Vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 16.5.2003 - 9 A 626/03 -, a.a.O.

In den Genuss der Befreiung von der Abwasserabgabe für die Einleitung von Niederschlagswasser soll nur derjenige gelangen können, der einen den jeweils aktuellen Anforderungen entsprechenden Beitrag zur Gewässerreinhaltung leistet. Dieses Ziel der größtmöglichen mit zumutbarem Aufwand zu erreichenden Vermeidung oder Verminderung von Schadstoffeinleitungen kann aber mit der erforderlichen Sicherheit nur erreicht werden, wenn die Befreiungsregelung dahin verstanden wird, dass "Anlagen zur Beseitigung des Niederschlagswassers" sämtliche Anlagen sind, die bis zur Einleitung des - mit anderem Abwasser vermischten - Niederschlagswassers in ein Gewässer zwischengeschaltet sind, insbesondere also auch Kläranlagen.

Die hier somit maßgebliche Niederschlagswasserbeseitigungsanlage der Klägerin, insbesondere die Kläranlage und deren Betrieb entsprachen nicht den dafür in Betracht kommenden Regeln der Technik nach § 18 b Abs. 1 WHG. (wird ausgeführt)

Ende der Entscheidung

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