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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 28.11.2007
Aktenzeichen: 9 A 3798/04
Rechtsgebiete: AbwAG
Vorschriften:
AbwAG § 4 Abs. 1 | |
AbwAG § 4 Abs. 4 | |
AbwAG § 4 Abs. 5 |
Tatbestand:
Der Kläger, der eine Kläranlage betreibt, wandte sich gegen die Höhe der für das Jahr 1998 festgesetzten Abwasserabgabe. Der Überwachungswert für den Parameter CSB betrug im Veranlagungszeitraum 80,0 mg/l. Bei einer Überwachungsmessung am 2.7.1998 wurde für CSB eine Konzentration von 339 mg/l gemessen, die einzige festgestellte Überschreitung in diesem Jahr. Für den Zeitraum vom 1.8.1998 bis zum 31.12.1998 erklärte der Kläger, dass er einen "verminderten Überwachungswert" für die Schadstoffgruppe CSB von 60 mg/l einhalten werde. Für die Berechnung der festgesetzten Abwasserabgabe wurden die ermittelten Schadeinheiten für CSB wegen der festgestellten Überschreitung um 161,87 % als dem hälftigen Prozentsatz der Überschreitung des Überwachungswerts erhöht. Mit seiner Klage machte der Kläger geltend, die Zahl der Schadeinheiten sei nur für den Teilzeitraum zu erhöhen, in dem die Überschreitung aufgetreten sei. Eine Erhöhung für das gesamte Jahr sei unzulässig, weil von August bis Dezember ein heraberklärter Wert von 60 mg/l maßgeblich gewesen sei, der nicht überschritten worden sei. Klage und Berufung blieben ohne Erfolg.
Gründe:
Rechtsgrundlage für die Heranziehung des Klägers zur Abwasserabgabe für das Jahr 1998 sind die §§ 1, 3, 4 und 9 AbwAG i. d. F. der Verordnung vom 21.3.1997, BGBl. I S. 566, bzw. des Gesetzes vom 25.8.1998, BGBl. I S. 2455 (AbwAG). Nach § 3 AbwAG richtet sich die Höhe der Abwasserabgabe nach der Schädlichkeit des Abwassers, die unter Zugrundelegung unter anderem der oxidierbaren Stoffe nach der Anlage zum AbwAG in Schadeinheiten bestimmt wird. Nach Abschnitt A Abs. 1 Nr. 1 der Anlage zu § 3 AbwAG wird die Schadstoffgruppe "Oxidierbare Stoffe in chemischem Sauerstoffbedarf (CSB)" dahin bewertet, dass volle 50 kg Sauerstoff einer Schadeinheit entsprechen. Gemäß § 4 Abs. 1 AbwAG errechnet sich die der Ermittlung der Zahl der Schadeinheiten zugrunde zu legende Schadstofffracht außer bei Niederschlagswasser (§ 7) und bei Kleineinleitungen (§ 8) nach den Festlegungen des die Abwassereinleitung zulassenden Bescheids. Die Zahl der Schadeinheiten wird gemäß § 4 Abs. 4 Sätze 2 bis 4 AbwAG erhöht, wenn die Überwachung ergibt, dass ein der Abgabenberechnung zugrunde zu legender Überwachungswert im Veranlagungszeitraum nicht eingehalten ist und nicht als eingehalten gilt (Satz 2). Die Erhöhung richtet sich nach dem Vomhundertsatz, um den der höchste gemessene Einzelwert den Überwachungswert überschreitet (Satz 3), bei einmaliger Überschreitung nach der Hälfte dieses Vomhundertsatzes (Satz 4). Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 AbwAG ist die Zahl der Schadeinheiten für einen mindestens drei Monate dauernden Zeitraum einer Heraberklärung nach dem erklärten Wert zu ermitteln. Allerdings finden gemäß § 4 Abs. 5 Satz 6 AbwAG die Absätze 1 bis 4 Anwendung, wenn die Einhaltung des erklärten Wertes nicht nachgewiesen wird oder die behördliche Überwachung ergibt, dass ein nach Absatz 1 der Abgabenberechnung zugrunde zu legender Überwachungswert oder eine Festlegung nach Abs. 4 Satz 6 nicht eingehalten ist oder nicht als eingehalten gilt. Nach § 11 Abs. 1 ist Veranlagungszeitraum das Kalenderjahr.
Nach diesen Bestimmungen ist bei einer festgestellten Überschreitung eines Bescheidwertes für eine Schadstoffgruppe die für den ganzen Veranlagungszeitraum von einem Kalenderjahr ermittelte Zahl der Schadeinheiten zu erhöhen und zwar auch bezogen auf solche Schadeinheiten, die auf den Gültigkeitszeitraum eines eingehaltenen heraberklärten Wertes entfallen. Denn durch die Verweisung in § 4 Abs. 5 Satz 6 AbwAG auf die Absätze 1 bis 4 ist klar bestimmt, dass die Zahl der Schadeinheiten unabhängig vom Bestehen einer Heraberklärung bei Überschreitung eines Bescheidwertes stets gemäß § 4 Abs. 4 Sätze 2 und 3 AbwAG auf der Basis des Überwachungswertes zu erhöhen ist. Nach der Legaldefinition in § 4 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AbwAG sind Überwachungswerte nur Bescheidwerte, nicht auch heraberklärte Werte (vgl. Köhler/Meyer, AbwAG, 2. Aufl. 2006, § 4 Rn. 303).
Dass das Ausmaß einer Erhöhung von Heraberklärungen unabhängig sein sollte, war im Gesetzgebungsverfahren auch beabsichtigt. Die hier maßgebliche Fassung des § 4 Abs. 5 Satz 6 AbwAG, die die Vorschrift durch das 4. Änderungsgesetz zum Abwasserabgabengesetz vom 5.7.1994, BGBl. I S. 1453, erhalten hat, sollte entsprechend dem bis dahin schon geltenden Recht bewirken, dass eine Veranlagung nach den niedrigeren erklärten Werten dann nicht mehr erfolgen kann, wenn der Bescheidwert nicht eingehalten ist und auch nicht als eingehalten gilt (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit [im Folgenden: Ausschuss], BT-Drs. 12/6281, S. 4 und 8, sowie Anlage der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses, BT-Drs. 12/7325).
Schon zur Vorgängerfassung hatte der Ausschuss im Anschluss an die Stellungnahme des Bundesrats ausgeführt, dass auch Überschreitungen der im Bescheid festgesetzten Kurzzeit-Überwachungswerte, der festgesetzten Schadstofffracht oder des festgesetzten Volumenstroms die (Herab-)Erklärung zu Fall bringen müssten (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses, BT-Drs. 10/6656, S. 8 und 19, sowie Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 10/5533, S. 18, 19 f.).
Bleibt die Tatsache einer Heraberklärung für Teilzeiträume im Veranlagungsjahr nach dem Gesetzeswortlaut und dem im Gesetzgebungsverfahren deutlich gewordenen Sinn der Regelung ohne Einfluss auf die Erhöhung der Zahl der Schadeinheiten bei Überschreiten eines Bescheidwertes, so ist die Erhöhung genauso zu berechnen, als wäre eine Heraberklärung nicht vorgenommen worden. Diese Erhöhung bezieht sich grundsätzlich auf die der Abgabenberechnung zugrunde zu legende Zahl der Schadeinheiten, die nach den §§ 3 Abs. 1 und 4 Abs. 1 AbwAG i.V.m. Abschnitt A Abs. 1 Nr. 1 der Anlage zu § 3 AbwAG für den Veranlagungszeitraum des Kalenderjahres gemäß § 11 Abs. 1 AbwAG zu ermitteln ist.
Zwar mag es hiervon Ausnahmefälle geben, in denen eine Erhöhung gemäß § 4 Abs. 4 Satz 2 AbwAG für bestimmte Teilzeiträume ausscheidet und deshalb abweichend vom grundsätzlich geltenden Jährlichkeitsprinzip nur die Zahl der auf die übrigen Teilzeiträume entfallenden Schadeinheiten zu erhöhen ist (vgl. etwa Köhler/Meyer, AbwAG, 2. Aufl. 2006, § 4 Rn. 301).
Ein solcher Ausnahmefall liegt entgegen der von Köhler/Meyer vertretenen Auffassung jedenfalls nicht bei abgegebenen Heraberklärungen vor. Dem steht bereits die eindeutige Regelung in § 4 Abs. 5 Satz 6 AbwAG entgegen, wonach eine Überschreitung eines Überwachungswertes zur Anwendbarkeit (nur) der Abs. 1 bis 4 und damit zur Unanwendbarkeit des Abs. 5 Satz 1 AbwAG führt. Deshalb ist die Abwasserabgabe in Fällen dieser Art gerade nicht gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 AbwAG für einen Teilzeitraum getrennt zu berechnen, sondern für das ganze Kalenderjahr einheitlich nach den Abs. 1 bis 4.
Dem steht nicht entgegen, dass nach der Rechtsprechung des Senats in Fällen, in denen nur für einen Teilzeitraum Bescheidwerte vorliegen, in den übrigen Zeiträumen jedoch nach § 6 Abs. 1 Satz 2 AbwAG das höchste Messergebnis der behördlichen Überwachung zugrunde zu legen ist, abweichend vom Jährlichkeitsprinzip eine Erhöhung nur für den Teilzeitraum vorzunehmen ist, für den Bescheidwerte festgelegt sind (vgl. OVG NRW, Urteil vom 22.5.2007 - 9 A 1517/04 -, juris).
Diese besondere Fallkonstellation ist gerade durch das Fehlen eines für das ganze Jahr geltenden Bescheidwertes gekennzeichnet mit der Folge, dass sich eine vom Bescheidwert ausgehende Erhöhung systemimmanent nur auf den Gültigkeitszeitraum des Bescheidwertes bezieht. Damit weicht sie entscheidungserheblich von dem hier vorliegenden Fall ab, in dem für das ganze Jahr ein einheitlicher Bescheidwert existiert und ein heraberklärter Wert wegen einer Überschreitung des Überwachungswertes der Veranlagung nicht zugrunde zu legen ist.
Der Einwand des Klägers, es bestehe nach festgestellten Überschreitungen der Bescheidwerte kein Anreiz mehr für eine Heraberklärung mit dem Ziel der Verbesserung der Abwassergüte, rechtfertigt keine andere Betrachtungsweise. Denn den mit einer Heraberklärung nach § 4 Abs. 5 AbwAG verbundenen Anreiz zur Verringerung der Gewässerbelastung hat der Gesetzgeber durch die Regelung in Satz 6 nur dann eröffnet, wenn die maßgeblichen Überwachungswerte eingehalten werden. Bei ihrer Überschreitung soll es bei der üblichen Erhöhungssanktion nach § 4 Abs. 4 Sätze 2 bis 4 AbwAG verbleiben. Im Übrigen entfällt nicht jeder Anreiz, trotz bereits festgestellter Überschreitung eines Überwachungswertes eine Heraberklärung vorzunehmen. Kommt es zu einer Anpassung des Bescheides im Anschluss an den Heraberklärungszeitraum, greift § 9 Abs. 6 AbwAG mit der Folge ein, dass bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen für diesen Zeitraum eine Abgabeermäßigung erlangt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.3.2005 - 9 C 7.04 -, NVwZ 2005, 1067).
Dementsprechend ist hier wegen der einmaligen Überschreitung des Überwachungswertes im Veranlagungszeitraum zutreffend die Zahl aller Schadeinheiten für das Jahr 1998 um die Hälfte des Vomhundertsatzes, um den der höchste gemessene Einzelwert den Überwachungswert überschritten hat, also um 161,87 %, erhöht worden.
Der Abgabenberechnung ist auch zutreffend für den gesamten Veranlagungszeitraum gemäß § 9 Abs. 4 Satz 2 AbwAG ein Abgabesatz von 70,- DM pro Schadeinheit zugrunde gelegt worden. Eine Abgabesatzermäßigung nach § 9 Abs. 5 AbwAG kommt nur in Betracht, wenn dessen Voraussetzungen im gesamten Jahr vorliegen, also insbesondere die Anforderungen nach § 7 a WHG tatsächlich eingehalten werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.10.1998 - 8 C 17.97 -, NVwZ 1999, 1119; OVG NRW, Beschluss vom 25.7.2005 - 9 A 712/03 -, NVwZ-RR 2006, 354). Die hiernach erforderliche Mindestanforderung bezogen auf CSB von 90 mg/l nach Abschnitt C Abs. 1 des Anhangs 1 zur Abwasserverordnung vom 21.3.1997, BGBl. I S. 566, war wegen des Überwachungsergebnisses von 339,0 mg/l nicht im ganzen Jahr eingehalten.
Ende der Entscheidung
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