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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 01.07.2002
Aktenzeichen: 9 A 4142/01.A
Rechtsgebiete: GG, AsylVfG, Dubliner Übereinkommen


Vorschriften:

GG Art. 16 a Abs. 2
AsylVfG § 26 a Abs. 1 Satz 1
AsylVfG § 26 a Abs. 1 Satz 2
AsylVfG § 26 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2
AsylVfG § 78 Abs. 3
Dubliner Übereinkommen Art. 4
1. Die Regelung des § 26 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylVfG setzt die tatsächliche Einreise aus einem (bestimmten bzw. bestimmbaren) sicheren Drittstaat voraus; beruft sich der Asylbewerber insoweit auf Art. 4 des Dubliner Übereinkommens, muss es sich um einen solchen sicheren Drittstaat handeln, der zugleich Vertragspartei des Dubliner Übereinkommens ist.

2. Die Beweislast für eine derartige Einreise obliegt dem Asylbewerber.


Tatbestand:

Der Kläger reiste als Minderjähriger in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte Familienasyl. Er behauptete eine Einreise auf dem Luftweg. Seine Eltern waren bereits 1991 als Asylberechtigte anerkannt worden. Das Bundesamt und das VG lehnten die Gewährung von Familienasyl ab. Zur Begründung führte das VG aus, die behauptete Einreise auf dem Luftweg sei in der vortragenen Art und Weise unglaubhaft; letztlich sei der Einreiseweg nicht aufklärbar. Die Beweislast für eine Einreise ohne Berührung eines sicheren Drittstaates trage der Kläger. Er könne sich auch nicht auf § 26 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylVfG i.V.m. Art. 4 des Dubliner Übereinkommens berufen, da hierfür die Feststellung einer tatsächlichen Einreise über einen der Unterzeichnerstaaten des Dubliner Übereinkommens erforderlich sei. Daran fehle es wegen der Unaufklärbarkeit des Einreiseweges.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung blieb ohne Erfolg.

Gründe:

Dem Zulassungsantrag lässt sich die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund nach § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) nicht entnehmen. Die hierzu vom Kläger einzig aufgeworfene Rechtsfrage, ob bereits bei Vorliegen der Voraussetzungen eines die Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland begründenden Kriteriums des Dubliner Übereinkommens (DÜ), insbesondere der vorrangigen Zuständigkeit für Familienangehörige nach Art. 4 DÜ, § 26 a Abs. 1 Sätze 1, 2 AsylVfG nicht gilt oder ob die Familien-Zuständigkeitsregelung des DÜ nur eine Rolle spielt, wenn der Asylantragsteller tatsächlich auch "aus einem Mitgliedstaat eingereist" ist, zeigt einen grundsätzlich bedeutsamen Klärungsbedarf, der die Durchführung eines Berufungsverfahrens gebieten könnte, nicht auf. Soweit die vorgenannte Frage einer allgemeinen Klärung zugänglich ist, ergibt sich aus den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen ohne Weiteres, dass sie in dem von ihr selbst formulierten letztgenannten Sinne zu beantworten ist.

Die Regelungen über den Ausschluss des Asylanspruchs gemäß § 26 a Abs. 1 Sätze 1, 2 AsylVfG sehen als Tatbestandsvoraussetzung für diesen Ausschluss die tatsächliche Einreise in die Bundesrepublik Deutschland aus einem sicheren Drittstaat vor. Insofern bestehen lediglich die Besonderheiten, dass im Falle der Einreise auf dem Landweg kein Nachweis erforderlich ist, aus welchem der angrenzenden sicheren Drittstaaten die Einreise erfolgt ist, Vgl. BVerwG, Urteil vom 7.11.1995 - 9 C 73.95 -, NVwZ 1996, 197, und dass verfahrensrechtlich bei Unaufklärbarkeit des Einreiseweges die Beweislast für die Einreise ohne Berührung eines sicheren Drittstaates dem Asylbewerber obliegt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 29.6.1999 - 9 C 36.98 -, DVBl. 2000, 414 ff.

An die für den Ausschluss des Asylanspruchs im Sinne einer Tatbestandsvoraussetzung maßgebliche tatsächliche Einreise aus einem sicheren Drittstaat gemäß § 26 a Abs. 1 Sätze 1, 2 AsylVfG knüpft die Regelung des § 26 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylVfG an, wenn darin bestimmt wird, dass der Ausschluss für den Fall nicht eingreift, dass die Bundesrepublik Deutschland auf Grund eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung eines Asylverfahrens zuständig ist. Die Formulierung " mit dem sicheren Drittstaat" nimmt ersichtlich den in Satz 1 vorgesehenen Tatbestand, nämlich die Einreise aus einem sicheren Drittstaat, in Bezug und ordnet ausnahmsweise den Wegfall der hierfür an sich bestimmten Rechtsfolge - Ausschluss des Asylanspruchs - unter der Bedingung an, dass dieser Drittstaat einen völkerrechtlichen Vertrag mit der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen hat, wonach jene für die Bearbeitung des Asylbegehrens zuständig ist. Daraus folgt, dass § 26 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylVfG ebenso wie § 26 a Abs. 1 Sätze 1, 2 AsylVfG die tatsächliche Einreise aus einem (bestimmten bzw. bestimmbaren) sicheren Drittstaat tatbestandlich voraussetzt. Für die vom Kläger aufgeworfene Frage bedeutet dies, dass sich die Regelungen des DÜ, etwa Art. 4 DÜ, als völkerrechtliche Vertragsbestimmungen im Sinne des § 26 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylVfG nur dann zu Gunsten des jeweiligen Asylbewerbers auswirken können, wenn der Asylbewerber aus einem solchen sicheren Drittstaat eingereist ist, der zugleich Vertragspartei des DÜ ist.

Eine andere, hiervon losgelöste Frage ist, wer gegebenenfalls die Beweislast für eine derartige Einreise trägt. Sofern sich die vom Kläger aufgeworfene Frage auch darauf erstrecken sollte, besteht jedoch ebenfalls kein solcher Klärungsbedarf, der die Durchführung eines Berufungsverfahrens erforderlich machen könnte. Bei den in § 26 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylVfG bestimmten Vorausetzungen für die Ausnahme von dem Ausschluss des Asylanspruchs im Falle der Einreise über einen sicheren Drittstaat handelt es sich um für den jeweiligen Asylbewerber günstige, den Asylanspruch erst begründende Tatsachen, die von ihm unschwer durch die Vorlage von Reiseunterlagen, präzise Angaben zum Reiseweg/-daten o.ä., nachgewiesen werden könnnen. Folglich sind insofern die gleichen Gründe gegeben, die nach der - bereits oben dargelegten - Rechtsprechung des BVerwG dazu führen, dass im Falle der Unaufklärbarkeit des Einreiseweges die Beweislast für das Nichteingreifen der Drittstaatenregelung dem Asylbewerber obliegt. Angesichts dessen kann mit Blick auf die Voraussetzungen des § 26 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylVfG nichts anderes gelten; auch insofern obliegt bei Unaufklärbarkeit des Einreiseweges die Beweislast dem Asylbewerber.

Ende der Entscheidung

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