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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 16.05.2003
Aktenzeichen: 9 A 626/00
Rechtsgebiete: LWG NRW, WHG, AbwAG 1991


Vorschriften:

LWG NRW § 73 Abs. 2
WHG § 18 b Abs. 1
AbwAG 1991 § 7 Abs. 2
Maßgeblich für die Befreiung von der Niederschlagswasserabgabe nach § 7 Abs. 2 AbwAG 1991, § 73 Abs. 2 Satz 1 LWG NRW sind in Bezug auf Bau und Betrieb der Anlagen zur Beseitigung des Niederschlagswassers die Regeln der Technik nach § 18 b Abs. 1 WHG, die im Veranlagungsjahr für neue Anlagen gelten.
Tatbestand:

Der Kläger - ein Abwasserverband - leitete 1993 Niederschlagswasser aus seinem Kanalnetz über eine Kläranlage in ein Gewässer ein. Mit Bescheid vom März 1995 setzte der Beklagte die Abwasserabgabe gemäß § 7 Abs. 1 AbwAG 1991 auf 13.795,20 DM fest und lehnte die beantragte Abgabebefreiung nach § 73 Abs. 2 LWG 1989 mit der Begründung ab, die Kläranlage habe nicht den im Veranlagungsjahr geltenden allgemein anerkannten Regeln der Technik (a.a.R.d.T.) i.S.d. § 73 Abs. 2 Satz 2 erster Halbsatz LWG 1989 entsprochen, weil das Nachklärbecken keine ausreichende Tiefe aufweise. Nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren erhob der Kläger Klage, die er im Wesentlichen damit begründete, dass es für die Befreiung ausreichen müsse, dass die Kläranlage den im Zeitpunkt ihrer Errichtung geltenden a.a.R.d.T. entsprochen habe und entspreche.

Das VG wies die Klage ab. Der hiergegen gerichtete Antrag auf Zulassung der Berufung wurde zurückgewiesen.

Gründe:

Das Zulassungsvorbringen ist nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils (Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) darzulegen.

Der Vortrag des Klägers, das VG habe fehlerhaft nicht ausreichen lassen, dass das hier streitige Nachklärbecken den in der ursprünglich erteilten Genehmigung aufgestellten Anforderungen entspreche, greift nicht durch. Das Gleiche gilt für die gegen die Entscheidung des VG erhobenen Einwände, die hier einschlägigen Arbeitsblätter ATV A 126 von November 1987/Dezember 1993 bzw. ATV A 131 von Februar 1991 forderten für vorhandene Anlagen keine Nachrüstung oder Anpassung an die für neue Anlagen geltenden Regeln, eine solche sei auch wegen Unwirtschaftlichkeit abzulehnen, schließlich habe selbst die Bezirksregierung zu keinem Zeitpunkt eine Vertiefung des Nachklärbeckens verlangt, sondern andere Maßnahmen zur Sanierung ausreichen lassen. Keiner dieser Umstände ist für den vorliegenden Fall erheblich. Denn nach § 73 Abs. 2 LWG 1989 kommt es allein auf die Einhaltung der im Veranlagungsjahr geltenden Regeln der Technik für neue Anlagen an. Sind diese aber maßgeblich, so spielt es keine Rolle, ob die betreffende Anlage früher einmal und auch im Veranlagungsjahr noch den bei Genehmigungserteilung gültigen Regeln entsprochen hat, ob die nunmehr einschlägigen Regeln für vorhandene Anlagen eine Nachrüstung fordern, welche Anforderungen die Bezirksregierung insoweit stellt oder ob eine Nachrüstung unwirtschaftlich ist.

Die hier vertretene Auslegung folgt bereits aus dem Wortlaut des § 73 Abs. 2 LWG. Die Verknüpfung der Abgabefreiheit mit der Anforderung, dass "die Anlagen zur Beseitigung ... und deren Betrieb den ... Regeln ... entsprechen", schließt es aus, auf einen anderen Zeitpunkt als den der grundsätzlich abgabepflichtigen Einleitung, also das Veranlagungsjahr, abzustellen. Der Gebrauch des Präsens zeigt, dass die Anlagen und deren Betrieb die im Zeitpunkt der Einleitung geltenden Regeln einhalten müssen und dass die Erfüllung der Voraussetzungen beim Bau der Anlage oder zu einem anderen Zeitpunkt in der Vergangenheit nicht ausreicht.

Der als Gegenargument angeführte Hinweis des Klägers auf die Existenz des § 7 a Abs. 2 WHG führt insoweit nicht weiter. Abgesehen davon, dass es im vorliegenden Zusammenhang nicht um die Vorschrift des § 7 a WHG, sondern um § 18 b WHG geht, spricht gerade die Existenz des Absatzes 2 gegen die Auffassung des Klägers. Der Umstand, dass in § 73 Abs. 2 LWG nicht auf § 7 a WHG (bzw. § 18 b WHG) insgesamt, sondern nur auf den jeweiligen Absatz 1 verwiesen wird, zeigt gerade, dass für die Abgabefreiheit nach § 73 Abs. 2 LWG die Anforderungen an neue Anlagen maßgeblich sind.

Der weitere Vortrag des Klägers, dass § 73 Abs. 2 Satz 1 LWG in Bezug auf § 18 b WHG auf dessen Absatz 1 insgesamt, also auch dessen Satz 2 ohne Beschränkung auf Anforderungen für neue Anlagen, verweise, während die Vorschrift hinsichtlich § 7 a WHG ausdrücklich nur auf dessen Absatz 1, nicht aber auch auf Absatz 2 für vorhandene, den Anforderungen nach Absatz 1 nicht entsprechende Einleitungen Bezug nehme, geht schon vom Ansatz her fehl. Denn einen Satz 2 gab es nicht in § 18 b Abs. 1 WHG in der hier einschlägigen Fassung des 5. Änderungsgesetzes vom 25.7.1986, BGBl. I S. 1165, die bis zur Neufassung durch das 6. Änderungsgesetz vom 11.11.1996, BGBl. I S. 1690, galt. Unabhängig davon trifft die Argumentation auch der Sache nach nicht zu. Denn § 18 b WHG alter wie neuer Fassung trifft die gleiche Unterscheidung wie § 7 a WHG, indem er in Absatz 1 Anforderungen an Bau und Betrieb neuer Anlagen aufstellt und in Absatz 2 Regelungen für vorhandene Anlagen, die den Anforderungen nach Absatz 1 nicht (mehr) entsprechen. Da § 73 Abs. 2 Satz 1 LWG ebenso wie bei § 7 a WHG auch bei § 18 b WHG ausdrücklich nur auf deren jeweiligen Absatz 1 verweist, ist klar gestellt, dass die Regeln für neue Anlagen Anwendung finden sollen, also die im Veranlagungsjahr geltenden Regeln einschlägig sind.

Allein die hier vertretene Auffassung wird auch Sinn und Zweck der Befreiungsregelung des § 73 Abs. 2 LWG gerecht. Die Privilegierung soll einen Anreiz dazu bieten, Anlagen jeweils den neuesten Regeln der Technik anzupassen, um auf diese Weise Fortschritte in der Abwasserreinigung zu erzielen. Handeln im Sinne einer Verbesserung der Anlagen soll honoriert, nicht aber auch derjenige begünstigt werden, der zwar in der Vergangenheit die damals geltenden Regeln eingehalten haben mag, inzwischen aber nur einen veralteten Zustand aufrecht erhält.

Eine fehlende Nachrüstpflicht für vorhandene Anlagen in den technischen Regeln belegt entgegen der Ansicht des Klägers nicht, dass es bei bestehenden Anlagen für die Abgabefreiheit nur auf die Einhaltung der wasserrechtlichen Anforderungen ankommt. Insoweit ist die Regelung in § 73 Abs. 2 WHG mit seiner Forderung nach Erfüllung der Anforderungen sowohl an den Bau und Betrieb der Anlage als auch an die Einleitung des Abwassers eindeutig. Träfe die Auffassung des Klägers zu, würde die erste Voraussetzung für die Abgabefreiheit (Anforderungen an Bau und Betrieb) in zahlreichen Fällen ins Leere gehen, da sie praktisch nur bei Neuanlagen, welche die Voraussetzung ohnehin in der Regel erfüllen werden, eingreifen würde.

Dem Kläger kann ferner nicht in seiner Auffassung gefolgt werden, aus der bundesrechtlichen Befreiungsregelung für Kleineinleiter in § 8 Abs. 2 Satz 2 AbwAG 1991 und der dazu ergangenen Kommentierung in Sieder/Zeitler/Dahme (Wasserhaushaltsgesetz und Abwasserabgabengesetz, § 8 AbwAG Rdnrn. 17-19) sei herzuleiten, auch § 73 Abs. 2 LWG sei dahin auszulegen, dass es nur auf die Einhaltung der im Zeitpunkt der Errichtung der Anlage geltenden Regeln der Technik ankomme. Dabei kann dahinstehen, ob § 8 Abs. 2 Satz 2 AbwAG tatsächlich im Sinne der vom Kläger angeführten Kommentierung auszulegen ist. Selbst wenn dies zuträfe, käme eine Übertragung der Auslegung auch auf die Vorschrift des § 73 Abs. 2 LWG aus den bereits dargelegten Gründen nicht in Betracht.

Die Rechtssache hat entgegen der Ansicht des Klägers auch keine grundsätzliche Bedeutung (Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die vom Kläger aufgeworfene Frage, auf welchen Zeitpunkt der allgemein anerkannten Regeln der Technik für die Befreiung der Niederschlagswasserabgabe nach § 73 Abs. 2 LWG abzustellen ist, bedarf nicht der Klärung durch ein Berufungsverfahren. Soweit die umfassend erhobene Fragestellung sich auf die Voraussetzung in § 73 Abs. 2 Satz 1 letzter Halbsatz LWG bezieht, wonach die Einleitung des mit Niederschlagswasser vermischten Abwassers hinsichtlich der in § 69 Abs. 3 LWG genannten Parameter den Mindestanforderungen des § 7 a Abs. 1 WHG entsprechen muss, ist die Frage bereits in der Rechtsprechung des Senats geklärt und zwar dahin, dass auf die Regeln abzustellen ist, die in dem jeweiligen Veranlagungsjahr gelten.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15.9.1998 - 9 A 2/96 -, NWVBl. 1999, 301; Beschluss vom 23.4.1999 - 9 A 1745/99 -.

Aber auch im Übrigen bedarf es nicht der Durchführung eines Berufungsverfahrens, um die gewünschte Klärung herbeizuführen. Denn die Frage nach dem maßgeblichen Zeitpunkt hinsichtlich der von den Anlagen zur Beseitigung des Niederschlagswassers und deren Betrieb einzuhaltenden Regeln nach § 18 b Abs. 1 WHG und des § 57 Abs. 1 LWG (vgl. § 73 Abs. 2 Satz 1 erster Halbsatz LWG) ist nach den vorstehenden Ausführungen eindeutig dahin zu beantworten, dass ebenfalls auf das jeweilige Veranlagungsjahr abzustellen ist.

Ende der Entscheidung

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