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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 17.04.2008
Aktenzeichen: 9 A 691/05
Rechtsgebiete: GGVSE, VwKostG, GGBefG
Vorschriften:
GGVSE § 1 Abs. 3 Nr. 3 | |
GGVSE § 9 Abs. 2 Nr. 1 d) | |
GGVSE § 9 Abs. 6 | |
GGVSE § 9 Abs. 6 Nr. 1 g) | |
GGVSE § 9 Abs. 6 Nr. 3 a) | |
VwKostG § 13 | |
GGBefG § 12 Abs. 1 Satz 2 |
Tatbestand:
Der Beklagte stellte bei der Überprüfung eines Flüssiggaskesselwagens am 30.12.2003 in M. fest, dass die innere Absperreinrichtung nicht gesichert war. Der Wagen war von der Klägerin mit Kohlenwasserstoffgas befüllt worden und hatte ihr Betriebsgelände in H. am 19.12.2003 verlassen. Er war bereits am 20.12.2003 in M. eingetroffen. Für die Überprüfung erhob der Beklagte von der Klägerin Kosten in Höhe von insgesamt 210,- €, weil ein schwerwiegender Verstoß gegen die Gefahrgutverordnung Straße und Eisenbahn festgestellt worden sei, für den die Klägerin verschuldensunabhängig einzustehen habe.
Die Klage gegen die Kostenerhebung war in erster Instanz erfolglos. Auf die Berufung der Klägerin hob das OVG den Kostenbescheid auf.
Gründe:
Der Beklagte war zur Erhebung der Verwaltungsgebühr nicht nach § 12 des Gesetzes über die Beförderung gefährlicher Güter (GGBefG) i. V. m. Nr. 001 des Gebührenverzeichnisses zur Kostenverordnung für Maßnahmen bei der Beförderung gefährlicher Güter in der Fassung von Art. 2 der Verordnung vom 28.4.2003 (BGBl. I S. 595) - GGKostV - berechtigt. Gebührenpflichtiger Tatbestand ist danach die Überwachung des Unternehmens oder Betriebes, wenn die Überwachungsmaßnahme auf Grund eines wiederholten Verdachts oder einer Beschwerde oder als Stichprobe durchgeführt wurde und entweder der Verdacht oder die Beschwerde verantwortlich vom betroffenen Unternehmen veranlasst worden ist oder ein schwerwiegender Verstoß gegen das Gesetz über die Beförderung gefährlicher Güter oder gegen eine auf Grund dieses Gesetzes erlassene Rechtsverordnung festgestellt wurde.
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die im Streit stehende Überwachungsmaßnahme erfolgte nicht auf Grund eines von der Klägerin veranlassten Verdachts oder einer entsprechenden Beschwerde, sondern als Stichprobe. Für diesen Fall ist eine Gebühr nur bei Feststellung eines schwerwiegenden Verstoßes gegen das Gesetz über die Beförderung gefährlicher Güter oder gegen eine darauf beruhende Rechtsverordnung vorgesehen. Einen derartigen Verstoß hat der Beklagte nicht festgestellt.
Der Beklagte hat insbesondere keinen schwerwiegenden Verstoß der Klägerin gegen ihre Verpflichtungen nach § 9 Abs. 6 Nr. 1 g) und Nr. 3 a) GGVSE in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 10.9.2003 (BGBl. I S. 1913) bzw. § 1 Abs. 3 Nr. 3 GGVSE i. V. m. Unterabschnitt 1.4.3.3 Buchstaben f) und i) der Ordnung für die internationale Eisenbahnbeförderung gefährlicher Güter (RID) - Anlage I zu Anhang B des Übereinkommens über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) - in der Fassung der 10. RID-Änderungsverordnung vom 7.1.2003 (BGBl. II S. 50) festgestellt. Nach diesen Bestimmungen hat der Befüller dafür zu sorgen, dass unter anderem nach dem Befüllen von Tanks die Dichtheit der Verschlusseinrichtungen nach Absatz 4.3.2.3.3 Sätze 4 und 5 RID geprüft wird sowie vor und nach dem Beladen von Flüssiggaskesselwagen im Schienenverkehr die Kontrollvorschriften nach Unterabschnitt 4.3.3.4 RID beachtet werden. Nach dem Befüllen sieht Absatz 4.3.3.4.3 Buchstabe e) RID vor, dass am Auslauf der Ventile Blindflansche oder andere gleich wirksame Einrichtungen anzubringen sind, die mit geeigneten Dichtungen versehen und unter Verwendung aller Elemente verschlossen sein müssen, die für ihre Bauart vorgesehen sind. Nach Absatz 4.3.3.4.3 Buchstabe f) RID ist abschließend eine visuelle Endkontrolle des Wagens, der Ausrüstung und der Kennzeichnung durchzuführen und zu prüfen, ob kein Füllgut austritt.
Der Beklagte hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Klägerin gegen diese Kontrollvorschriften verstoßen hat. Er sieht allein den Umstand, dass die innenliegende Absperreinrichtung nicht gesichert war, als einen der Klägerin zuzurechnenden schwerwiegenden Verstoß gegen Gefahrgutvorschriften an. Die soeben angeführten Kontrollpflichten, auf die sich der Beklagte hierbei bezieht, gelten jedoch lediglich für das Befüllen von Flüssiggaskesselwagen, die hierfür erforderliche Vorbereitung und nachträgliche Kontrolle, die ausdrücklich mit einer visuellen Endkontrolle abschließt. Diese Kontrollpflichten bestehen damit jedenfalls nicht mehr für die Zeit nach Verlassen des Verantwortungsbereichs des Befüllers etwa durch Übergabe des Wagens an einen Transporteur. Aus ihnen ergibt sich auch weder nach dem Wortlaut noch nach der Regelungssystematik eine Zustandsverantwortung des Befüllers für Kesselwagen in der Zeit nach der abschließenden Endkontrolle und nach Übergabe an den Transporteur. Diese kann nicht etwa daraus abgeleitet werden, dass der Befüller im Zusammenhang mit dem Befüllungsvorgang die Sicherung der Verschlüsse zu kontrollieren hat, während sich der Beförderer im Schienenverkehr gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 1 d) GGVSE nur durch repräsentative Stichproben zu vergewissern hat, dass die Wagen unter anderem keine Undichtheiten aufweisen. Die Einschränkung der Pflichten des Beförderers lässt keinen Rückschluss auf einen erweiterten Umfang der Pflichten des Befüllers zu. Im Gegenteil liegt ihr ebenso wie der Regelung der Kontrollpflichten des Befüllers in § 9 Abs. 6 GGVSE die Vorstellung zu Grunde, dass den Verantwortlichen jeweils nur solche Pflichten auferlegt werden sollen, denen sie im Hinblick auf ihren Verantwortungsbereich tatsächlich entsprechen können.
Ausgehend davon steht nicht allein deshalb, weil mehrere Tage, nachdem der Kesselwagen das Betriebsgelände verlassen hatte, eine innere Absperreinrichtung ungesichert war, eine Verletzung der Kontrollpflichten der Klägerin fest. Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass die von der Klägerin nach ihrem Vorbringen ordnungsgemäß befestigte und kontrollierte Sicherung anschließend auf dem Weg zwischen H. und M. oder während des langen Aufenthalts in M. von einem unbekannten Dritten wieder gelöst worden ist. Dabei kommt es nicht auf die Wahrscheinlichkeit eines solchen Geschehensverlaufs an, weil der Gebührentatbestand die positive Feststellung eines schwerwiegenden Verstoßes (eines an der Beförderung gefährlicher Güter Beteiligten) gegen das Gesetz über die Beförderung gefährlicher Güter oder eine hierauf beruhende Rechtsverordnung verlangt. Dieses Erfordernis kann nicht aus Praktikabilitätserwägungen entgegen dem eindeutigen Wortlaut schon bei bloßer Wahrscheinlichkeit einer Schadensverursachung als erfüllt angesehen werden. Es trifft auch nicht zu, dass andernfalls eine Gebührenerhebung praktisch unmöglich wäre, wie das VG angenommen hat. Hierfür bedarf es allerdings einer "Überwachung des Unternehmens oder Betriebes" im Sinne der Nr. 001 des Gebührenverzeichnisses zu Art. 1 GGKostV: Am Betriebsgelände des Befüllers lässt sich ohne größere Schwierigkeiten feststellen, ob dieser gegen seine Kontrollpflichten verstoßen hat.
Es ist weder vom Beklagten vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Klägerin gegen sonstige Vorschriften des Gesetzes über die Beförderung gefährlicher Güter oder einer auf seiner Grundlage erlassenen Rechtsverordnung verstoßen haben könnte.
Die Gebührenpflicht kann entgegen der Auffassung des Beklagten ferner nicht darauf gestützt werden, dass die Klägerin als Befüllerin die gebührenpflichtige Amtshandlung (Überwachung des Kesselwagens) im Sinne von § 13 VwKostG i. V. m. § 12 Abs. 1 Satz 2 GGBefG veranlasst hat. Die Frage des Kostenschuldners stellt sich bereits deshalb nicht, weil schon der Gebührentatbestand nicht erfüllt ist. Danach genügt im hier vorliegenden Fall einer Stichprobe gerade nicht die Veranlassung der Überwachung allein durch die vorherige Tätigkeit als Befüller.
Liegt der Gebührentatbestand der Nr. 001 des Gebührenverzeichnissees zur Kostenverordnung für Maßnahmen bei der Beförderung gefährlicher Güter nicht vor, kann die Klägerin auch nicht mit Gebühren für bei der Überprüfung anfallende Reisezeit nach Nr. 006 und sonstige in diesem Zusammenhang erfolgte Amtshandlungen nach Nr. 013 belastet werden.
Ende der Entscheidung
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