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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 28.01.2005
Aktenzeichen: 9 B 10/05
Rechtsgebiete: SGB VIII, GTK, KAG NRW


Vorschriften:

SGB VIII § 90
GTK § 17
KAG NRW § 6
Bei summarischer Prüfung spricht Überwiegendes dafür, dass § 17 des Gesetzes über Tageseinrichtungen für Kinder (GTK) die Kostenbeteiligung der Eltern an ent-sprechenden Einrichtungen abschließend regelt und ein in Form einer zusätzlichen Benutzungsgebühr erhobener Zuschlag für die Betreuung auswärtiger, nicht aus dem Zuständigkeitsbereich des Jugendhilfeträgers stammender Kinder unzulässig ist.
Tatbestand:

Die deutschen Antragsteller wohnen in den Niederlanden im unmittelbaren Grenzgebiet zur Stadt A. Ihr gemeinsames Kind besucht werktäglich eine Kindertagesstätte in A. Der Antragsgegner zog die Antragsteller hierfür auf satzungsrechtlicher Grundlage zu gesonderten, neben den Elternbeiträgen zu entrichtenden Benutzungsgebühren heran. Die zusätzlichen Benutungsgebühren werden nach der Satzung nur von den Eltern auswärtiger, nicht mit dem ersten Wohnsitz in A. gemeldeter Kinder erhoben.

Die Antragsteller legten gegen den Heranziehungsbescheid Widerspruch ein und beantragten die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs. Das VG gab dem Antrag statt. Die dagegen vom Antragsgegner eingelegte Beschwerde blieb erfolglos.

Gründe:

Das VG hat festgestellt, voraussichtlich verstoße die als Rechtsgrundlage für den streitigen Bescheid allein in Betracht kommende Satzung über die Erhebung von Kostenerstattungsbeiträgen für Kinder, die nicht ihren Erstwohnsitz in A. haben und einen Platz in einer Tageseinrichtung für Kinder in der Stadt A. in Anspruch nehmen, vom 12.11.2003 (im Folgenden: GebS) gegen höherrangiges Recht. Dem Beschwerdevorbringen lässt sich nicht entnehmen, dass diese Feststellung unzutreffend sein könnte. Dem Einwand des Antragsgegners, § 90 Abs. 1 SGB VIII stehe nicht als Verbotsnorm gemäß § 1 Abs. 1 KAG NRW der in §§ 1, 2 GebS angeordneten Erhebung von zusätzlichen, neben die Elternbeiträge nach § 17 GTK tretenden einkommensunabhängigen Kostenerstattungsabgaben für die Betreuung auswärtiger Kinder (im Folgenden: Auswärtigenzuschlag) entgegen, braucht vorliegend nicht weiter nachgegangen zu werden.

Das VG hat zwar Zweifel daran geäußert, ob 90 Abs. 1 SGB VIII die Erhebung eines zusätzlichen Auswärtigenzuschlages der streitigen Art erlaube. Es hat diese Frage im Ergebnis aber offen gelassen und den angenommenen Verstoß gegen höherrangiges Recht entscheidungstragend allein damit begründet, "jedenfalls" sei mit § 17 GTK eine abschließende Regelung über die Beteiligung der Eltern an den Kosten für die Tageseinrichtungen getroffen worden, die gemäß § 1 Abs. 1 KAG NRW die Erhebung zusätzlicher Elternabgaben auf der Grundlage kommunaler Abgabensatzungen ausschließe.

Die Beschwerde könnte mithin nur dann Erfolg haben, wenn dieser maßgebliche Begründungsstrang des VG unzutreffend wäre. Dafür liefert das Beschwerdevorbringen indes keine Anhaltspunkte. Die vom VG unter umfänglicher Auseinandersetzung mit dem Wortlaut, der Entstehungsgeschichte und der Systematik der einschlägigen Bestimmungen des Gesetzes über Tageseinrichtungen für Kinder getroffene Feststellung des abschließenden Charakters der Elternbeiträge nach § 17 GTK ist bei summarischer Prüfung schlüssig. Insoweit kann zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf die entsprechenden Erwägungen in dem angegriffenen Beschluss verwiesen werden. Der hiergegen erhobene Einwand des Antragsgegners verfängt nicht, ein abschließender Charakter des § 17 KTG sei nur bezüglich solcher Kinder anzunehmen, die gegenüber dem jeweiligen Jugendhilfeträger wegen dessen örtlicher und sachlicher Zuständigkeit einen (gebundenen) Anspruch auf Bereitstellung eines Kindergartenplatzes geltend machen könnten.

Der Antragsgegner leitet die besagte Einschränkung daraus her, dass den für auswärtige Kinder örtlich nicht zuständigen und insoweit nicht anspruchsverpflichteten Jugendhilfeträger keine Pflicht zur Subventionierung von Betreuungsplätzen für diese Kinder durch Erhebung nur des Elternbeitrages nach § 17 KTG treffe; insbesondere bei den auswärtigen Kindern, die mit ihren Eltern - wie hier - im Ausland lebten und für die es damit an einer positiven Zuständigkeitsbestimmung des Jugendhilfeträgers gänzlich fehle, könne eine entsprechende Verpflichtung des örtlichen Jugendhilfeträgers nicht angenommen werden.

Die Erwägungen greifen nicht durch. Bei einer fehlenden örtlichen Zuständigkeit für das auswärtige Kind mag dieses gegenüber dem jeweiligen Jugendhilfeträger im Regelfall keinen zwingenden subjektiven Anspruch auf Bereitstellung eines Platzes in den Einrichtungen seines Bezirks besitzen. Auch mag es dem örtlichen Jugendhilfeträger unbenommen bleiben, den Umfang der von ihm geförderten Betreuungsplätze auf die Anzahl der aus seinem Zuständigkeitsbereich stammenden und um Aufnahme nachsuchenden Kinder zu begrenzen. Diese Umstände besagen indes für sich genommen nichts darüber, in welchem Umfang die Eltern des auswärtigen Kindes für einen tatsächlich erfolgenden Besuch einer Tageseinrichtung für Kinder an den Betreuungskosten zu beteiligen sind. Das wird vielmehr spezialgesetzlich durch das Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder geregelt.

Der maßgebliche § 17 GTK setzt hinsichtlich der darin geregelten Kostenbeteiligung der Eltern nicht voraus, dass das jeweilige Kind eine Einrichtung besucht, die von einem für das Kind zuständigen Jugendhilfeträger betrieben bzw. bezuschusst wird. Die Regelung knüpft in Abs. 1 allein an den Besuch einer Tageseinrichtung an; zudem bestimmen Abs. 6, 7 i.V.m. § 18 Abs. 3 GTK, dass die Erhebung bzw. die Delegation zur Erhebung der Elternbeiträge durch den örtlichen Jugendhilfeträger, in dessen Bezirk die jeweilige Einrichtung liegt, erfolgt und dass die Beiträge dazu verwandt werden, die von jenem Träger (zusammen mit dem Land) zu zahlenden Betriebskostenzuschüsse für die Einrichtungen seines Gebietes zu verringern. Im letztgenannten Zusammenhang stellt das Gesetz mithin ebenfalls nicht auf eine Zuständigkeit des örtlichen Jugendhilfeträgers für das einzelne Kind ab, das die Einrichtungen seines Bezirks besucht. Folglich unterfallen - was vom Antragsgegner nicht in Abrede gestellt wird - auch die Eltern jener Kinder, die die Einrichtungen eines für sie nicht zuständigen Jugendhilfeträgers besuchen, ohne jegliche Differenzierung in gleichem Umfang wie die Eltern von Kindern, die Tageseinrichtungen des örtlich zuständigen Trägers nutzen, der Beitragspflicht nach § 17 Abs. 1 GTK. Angesichts dieser Gleichbehandlung könnte allenfalls dann auf einen gesetzgeberischen Willen geschlossen werden, für die Eltern der erstgenannten Gruppe über die Regelungen des § 17 GTK hinaus eine weitergehende Kostenbeteiligung zu ermöglichen, wenn ein solcher Wille in entsprechenden Zusatzregelungen bzw. sonstigen eindeutigen Verlautbarungen des Gesetzgebers zum Ausdruck gekommen wäre. In diesem Sinne zu deutende Umstände sind indes auch in Ansehung des Beschwerdevorbringens nicht gegeben.

Die vorstehende Bewertung gilt um so mehr, als für den Gesetzgeber erkennbar war, dass Kinder auch Einrichtungen nutzen können und werden, die von einem für sie örtlich nicht zuständigen und daher ihnen gegenüber nicht zwingend anspruchsverpflichteten Jugendhilfeträger betrieben oder bezuschusst werden. Dass er gleichwohl für jene Gruppe keine spezifische Regelung hinsichtlich der Kostenbeteiligung durch die Eltern getroffen, sondern es bei der einheitlichen Regelung des § 17 GTK belassen hat, lässt bei summarischer Prüfung nur die Annahme eines abschließenden Charakters der Vorschrift auch für Fälle der letztgenannten Art zu. Aus dem Vorstehenden folgt zugleich die Unbeachtlichkeit des spezifisch den vorliegenden Fall betreffenden Einwandes des Antragsgegners, für auswärtige Kinder, die mit ihren Eltern im benachbarten Ausland lebten und täglich in Tageseinrichtungen im Bundesgebiet gebracht würden, fehle es sogar gänzlich an einer positiven Zuständigkeitszuweisung an einen bestimmten Jugendhilfeträger. Abgesehen davon, dass die beanstandeten §§ 1, 2 GebS nicht nur für im Ausland lebende, sondern für alle nicht mit dem Erstwohnsitz in A. gemeldeten Kinder gelten, ist der Zuständigkeitsaspekt - was den Umstand einer ggfs. gänzlich fehlenden positiven Zuständigkeitsregelung mit einschließt - nach dem oben Gesagten für die Willensentschließung des Gesetzgebers zur elterlichen Kostenbeteiligung ohne Bedeutung geblieben. Er kann daher eine differenzierte Behandlung der elterlichen Kostenbeteiligung gerade nicht begründen.

Weiterhin ist nicht erkennbar, dass die Annahme des abschließenden Charakters des § 17 GTK auch für die Fälle einer fehlenden Zuständigkeit des jeweiligen örtlichen Jugendhilfeträgers - wie die Beschwerde meint - deshalb ausgeschlossen sein müsste, weil dies zu einem weitgehenden Leerlaufen der Regelung des § 90 Abs. 3 Satz 1, 2. Alt. SGB VIII führen würde. Es erschließt sich aus dem Beschwerdevorbringen schon nicht, in welcher konkreten Art und Weise durch das besagte Verständnis des Landesgesetzes ein unzulässiges bzw. ungewolltes Leerlaufen der erwähnten bundesrechtlichen Regelung bewirkt werden sollte. Sollte der Einwand so gemeint sein, dass bei einer generellen Beschränkung auf die Elternbeiträge gemäß § 17 GTK wegen deren einkommensabhängiger Staffelung niemals ein Erstattungsanspruch nach § 90 Abs. 3 Satz 1, 2.Alt SGB VIII gegen den örtlich zuständigen Jugendhilfeträger bestehen wird, folgt daraus nichts für das vom Antragsgegner verfolgte Begehren. Diese Folge tritt allein dadurch ein, dass wegen der einkommensabhängigen Staffelung im Regelfall keine Unzumutbarkeit im Sinne der letztgenannten Vorschrift vorliegen wird. Das entspricht indes dem Sinn und Zweck sowie der Systematik des § 90 SGB VIII. Denn die jeweils zumutbare Belastung im Sinne des § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII kann gemäß Abs. 4 der Vorschrift durch den Landesgesetzgeber definiert werden.

Ferner lassen sich dem vom Antragsgegner angesprochenen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.4.2002 - 5 C 16.01 - (NVwZ-RR 2003, 40 f.) keine Erwägungen entnehmen, die dem dargelegten abschließenden Charakter des § 17 GTK auch in Fällen der Betreuung auswärtiger Kinder entgegen stehen könnten. Das folgt schon daraus, dass sich das Urteil zur Frage der Auslegung des hier maßgeblichen Landesrechts nicht verhält.

Ebenso wenig verfängt die Rüge des Antragsgegners, im Vergleich zu dem nach den gesetzlichen Regelungen möglichen völligen Ausschluss der Zulassung auswärtiger Kinder zu den Tageseinrichtungen seines Zuständigkeitsgebietes handele es sich bei der Erhebung des Auswärtigenzuschlages um die geringer belastende Maßnahme. Das Argument übersieht, dass auch die - einmal unterstellt - mildere Maßnahme nur dann ergriffen werden darf, wenn sie ihrerseits den für sie geltenden Rechtmäßigkeitsanforderungen genügt. Eben dies kann bei summarischer Prüfung für den Auswärtigenzuschlag nach dem oben Ausgeführten nicht angenommen werden.

Erweist sich der streitige Heranziehungsbescheid demnach schon aus den vorgenannten Gründen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als rechtswidrig, so bedarf es keiner weiteren Prüfung, ob die Erhebung des Auswärtigenzuschlags als Benutzungsgebühr - die maßgebliche Satzung wird auf § 6 KAG NRW gestützt - in Fällen der Unterbringung des Kindes in einer von einem privaten Elternverein betriebenen Tagesstätte, wie hier, auch deshalb nicht in Betracht kommt, weil es sich dabei nicht um eine öffentliche Einrichtung bzw. Anlage im Sinne des § 6 Abs. 1 KAG NRW handelt.

Ende der Entscheidung

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