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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 18.02.2005
Aktenzeichen: 9 B 148/05
Rechtsgebiete: TNGebV, TKG, VwKostG, RL 97/13/EG


Vorschriften:

TNGebV
TKG § 43 Abs. 3
VwKostG § 3
VwKostG § 15 Abs. 2
RL 97/13/EG Art. 11
Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung unterliegt die Heranziehung zu Gebühren für die Zuteilung von Rufnummern der (0)800-Gasse gemäß der Telekommunikations-Nummerngebührenverordnung keinen Bedenken. Die Heranziehung verstößt nicht gegen das Rückwirkungsverbot. Eine Beschränkung der Gebühren auf die Deckung des Verwaltungsaufwandes dürfte nicht geboten sein.
Tatbestand:

Die Antragstellerin wehrt sich gegen die Heranziehung zu Gebühren für die Zuteilung von Rufnummern der (0)800-Gasse durch die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post. Nach erstinstanzlich erfolgloser Klage gegen den Gebührenbescheid beantragte die Antragstellerin vor dem OVG die Zulassung der Berufung und die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Das OVG lehnte die beantragte Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ab.

Gründe:

Die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 i.V.m. Abs. 4 Satz 3 VwGO erforderlichen ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Gebührenbescheides liegen nicht vor. Aufgrund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage ist ein Erfolg des Rechtsbehelfs im Hauptsacheverfahren nicht wahrscheinlicher als sein Misserfolg. Ein Erfolg des Rechtsbehelfs würde voraussetzen, dass auf den Antrag der Antragstellerin die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des VG zugelassen und der Gebührenbescheid im anschließenden Berufungsverfahren aufgehoben werden würde.

Der Senat lässt dahinstehen, ob die Antragstellerin mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in einer den Anforderungen des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise das Vorliegen der behaupteten Zulassungsgründe dargelegt hat. Denn jedenfalls lässt sich nach der im vorliegenden Verfahren allein möglichen summarischen Prüfung nicht feststellen, dass der Klage in einem etwaigen Berufungsverfahren mit überwiegender Wahrscheinlichkeit stattgegeben werden wird.

Die Rüge der Antragstellerin, die Telekommunikations-Nummerngebührenverordnung (TNGebV) führe aufgrund ihres rückwirkenden Inkrafttretens zum 1.8.1996 zu einer unzulässigen "echten" Rückwirkung, wird voraussichtlich nicht durchdringen. Hinsichtlich der Heranziehung zu Gebühren für die Zuteilung von nach dem 31.8.1999 beantragten Rufnummern kann sich die Antragstellerin schon nicht auf die Verletzung eines Vertrauenstatbestandes berufen, weil zu diesem Zeitpunkt die TNGebV verkündet war (vgl. BGBl. I S. 1887). Soweit es um Gebühren für vor der Verkündung der TNGebV beantragte Nummernzuteilungen geht, dürfte gemessen an der Rechtsauffassung des BVerwG zur Rufnummernzuteilung im Ortsnetzbereich, Beschluss vom 30.4.2003 - 6 C 6.02 -, BVerwGE 118, 128ff. ebenfalls keine unzulässige Rückwirkung vorliegen. Das BVerwG hat im zitierten Beschluss hervorgehoben, dass selbst bei Annahme einer "echten" Rückwirkung diese sowohl hinsichtlich des Entstehens der Gebühr als auch bezüglich der Gebührenhöhe aus Vertrauensschutzgesichtpunkten keinen Bedenken begegne.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.4.2003 - 6 C 6.02 -, a.a.O., S. 147.

Dabei hat es diese Aussage nicht nur auf den Fall der Zuteilung einer Nummer, sondern auch auf die Ablehnung eines Zuteilungsantrages bezogen und außerdem insoweit eine (weitere) Ermessensbetätigung der Behörde im Hinblick auf die Ermäßigung gemäß § 15 Abs. 2 VwKostG nicht verlangt.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.4.2003 - 6 C 6.02 -, a.a.O., S. 153, 154.

Gleiches gilt für die Rüge der Antragstellerin, das VG habe fehlerhaft angenommen, dass bei der Gebührenbemessung nicht ausschließlich das Kostendeckungsprinzip einschlägig sei.

Dem steht nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin im Klageverfahren vorgetragen hat, die Gebühr sei allein nach dem für die Zuteilung notwendigen Verwaltungsaufwand ermittelt worden. Für die Wirksamkeit einer untergesetzlichen Norm - hier des in der TNGebV festgelegten Gebührensatzes - kommt es in der Regel nicht auf Einzelheiten im Entstehungsvorgang an. Sie ist vielmehr objektivrechtlich zu prüfen. Maßgeblich ist, ob das Ergebnis des Rechtsetzungsverfahrens mit dem geltenden Recht, insbesondere mit der Ermächtigungsgrundlage, im Einklang steht, es sei denn, dieses selbst trifft eine andere Regelung. Dafür, dass hier § 43 Abs. 3 Satz 4 TKG i.V.m. dem Verwaltungskostengesetz eine solche Regelung trifft oder eine Berücksichtigung des Wertes der Amtshandlung ausschließen könnte, ist nichts ersichtlich.

Auch im Übrigen ist nach summarischer Prüfung nicht überwiegend wahrscheinlich, dass bei der Bemessung der Gebühr der wirtschaftliche Wert der Nummernzuteilung außer Betracht bleiben musste, mithin eine Beschränkung der Gebühr auf den Verwaltungsaufwand erfolgen musste. Gegen die Auffassung der Antragstellerin, wonach Art. 11 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 97/13/EG nicht anwendbar sei und damit gemäß Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 97/13/EG die Gebühren nur die anfallenden Verwaltungskosten abdecken dürften, sprechen überzeugende Argumente. Wie bereits das VG ausgeführt hat, dürfte es sich bei Rufnummern grundsätzlich um eine "knappe Ressource" handeln. Hinsichtlich der Rufnummern im Ortsnetz ist dies in der Rechtsprechung des Senats geklärt.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 6.12.2001 - 9 A 679/01 -.

Die Ausführungen des BVerwG im zitierten Vorlagebeschluss,

Beschluss vom 30.4.2003 - 6 C 6.02 -, a.a.O., S. 137ff,

bestätigen diese Rechtsauffassung. Sie wird aufgenommen und erweitert im Schlussantrag des Generalanwalts beim EuGH vom 9.12.2004 in den Verfahren C-327/03 und C-328/03. Dort wird unter den Nummern 29. bis 32. eine Definition des Begriffes "knappe Ressource" auch im Hinblick auf den Willen der Gemeinschaftsbehörden und die Begründungserwägungen zur Richtlinie 97/13/EG dargestellt. Nach Ansicht des Generalanwalts sind neben Funkfrequenzen auch Rufnummern grundsätzlich als "knappe Ressource" im Sinne der Definition anzusehen. Diese Bewertung wird nicht entscheidend durch den Einwand der Antragstellerin entkräftet, die hier in Rede stehenden (0)800-Rufnummern seien bisher erst zu 1,6 % des Bestandes vergeben und daher mit den Rufnummern im Ortsnetz nicht vergleichbar. Denn insoweit wird nicht hinreichend berücksichtigt, dass sich die Nachfrage nach Nummern der (0)800-Gasse vornehmlich auf einen besonderen Teil der Nummern, nämlich auf einprägsame Zahlenfolgen oder Buchstabenkombinationen (Vanity-Nummern) konzentriert. Dies zeigt sich an der erheblichen Zahl abgelehnter Zuteilungsanträge und spricht für die Notwendigkeit einer Bewirtschaftung des Rufnummernbestandes. Der Hinweis der Antragstellerin, in Zukunft werde die Nachfrage wegen des Vorantreibens der Internettelefonie abnehmen, führt nicht weiter. Vorliegend geht es um Gebührenheranziehungen für Zuteilungen in den Jahren zwischen 1998 und 2000, als dieser Gesichtspunkt (noch) kein Gewicht hatte.

Ist demnach nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass allein das Kostendeckungsprinzip bei der Gebührenbemessung gilt, kann eine eingehende Auseinandersetzung mit den Einwänden der Antragstellerin gegen die Kostenermittlungen der Antragsgegnerin, die das VG nach detaillierter Prüfung als unbedenklich angesehen hat, unterbleiben. Unabhängig davon sind die gegen den insoweit eigenständig tragenden Begründungsstrang des VG vorgetragenen Rügen einer abschließenden Klärung im summarischen Verfahren nicht zugänglich.

Gleiches gilt für die Ausführungen der Antragstellerin zu einer vermeintlichen Verletzung des Äquivalenzgrundsatzes. Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes lässt sich auch diesbezüglich jedenfalls nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit feststellen, dass ihre Einwände Erfolg haben werden. Unzutreffend beanstandet sie, die Begründung des VG zu diesem Aspekt sei nicht nachvollziehbar, das Gericht habe sich von sachfremden Erwägungen leiten lassen. Mit seinem Hinweis darauf, dass die (0)800-Rufnummer in mehr als 5000 Ortsnetzen gelte, hat das VG die bundesweite Einsatz- und damit Vertriebsmöglichkeit hervorheben wollen. Insgesamt stellt das angefochtene Urteil aber auf die Einzelfallabhängigkeit des Wertes ab und nennt als beispielsweise hochwertige Nummer eine solche, die für ein Jahresentgelt von 96,84 Euro angeboten wird. Die Annahme eines wirtschaftlichen Durchschnittswertes von 20,- Euro je Nummer erscheint im Hinblick auf die vielen Anbietern zusätzlich zukommenden Verbindungsentgelte nicht als sachfremd. Für die Bildung eines Durchschnittswertes ist es unerheblich, ob - was die Antragstellerin verneint - die Verdienstmöglichkeiten auch auf sie selbst zutreffen.

Ende der Entscheidung

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