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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 12.03.2003
Aktenzeichen: 9a B 487/03.G
Rechtsgebiete: FlurbG


Vorschriften:

FlurbG § 36 Abs. 2
FlurbG § 88 Nr. 3
Ist in einem Flurbereinigungsverfahren ein Wertermittlungsrahmen noch nicht aufgestellt, verletzt die Flurbereinigungsbehörde ihre Beweissicherungspflicht, wenn sie nur die Bodenzahlen der Fläche, die durch vorläufige Anordnung entzogen werden soll, ermittelt.
Tatbestand:

Auf Antrag des Unternehmensträgers entzog die Flurbereinigungsbehörde eine für den Straßenausbau benötigte Fläche. Den Wert der Fläche ermittelte sie nur anhand von Bodenzahlen. Das Gericht gab dem Antrag des Eigentümers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die für sofort vollziehbar erklärte vorläufige Anordnung statt.

Die nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Gunsten des Antragstellers aus. Das Interesse des Antragstellers, derzeit von einer Vollziehung der angefochtenen vorläufigen Anordnung verschont zu bleiben, überwiegt das öffentliche Interesse bzw. das Interesse des Beigeladenen an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes, weil der Antragsgegner seiner ihm im Rahmen des § 36 Abs. 2 FlurbG obliegenden Beweissicherungspflicht nicht hinreichend nachgekommen ist.

Nach § 88 Nr. 3 FlurbG kann auf Antrag der für das Unternehmen zuständigen Behörde die Flurbereinigungsbehörde eine vorläufige Anordnung gemäß § 36 FlurbG erlassen, wenn es aus dringenden Gründen erforderlich wird, vor der Ausführung oder zur Vorbereitung und zur Durchführung von Änderungen des Flurbereinigungsplans den Besitz oder die Nutzung von Grundstücken oder die Ausübung anderer Rechte zu regeln. Die Flurbereinigungsbehörde hat dabei nach § 36 Abs. 2 FlurbG den Zustand des Grundstücks rechtzeitig festzustellen, soweit er für die Ermittlung des Wertes und für die Bemessung der Entschädigung von Bedeutung ist.

Es spricht Überwiegendes dafür, dass der Antragsgegner diesen Anforderungen nicht in hinreichendem Umfang gerecht geworden ist. Um den Wert, insbesondere den Tauschwert nach §§ 27 ff. FlurbG, des hier betroffenen Grundstücks des Antragstellers auch noch nach erfolgter Inanspruchnahme durch den Straßenbau und völliger Veränderung der Bodengestalt und -zusammensetzung genau nachvollziehen zu können, bedarf es aussagekräftiger Feststellungen des Zustandes des Grundstücks. Da im Flurbereinigungsverfahren P. bislang noch kein Wertermittlungsrahmen aufgestellt worden ist, der unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Verfahrens die Klassenmerkmale des Bodens und das Wertverhältnis der Klassen untereinander sowie Zu- und Abschläge festlegt, genügte es nicht, dass der Antragsgegner zur Beweissicherung des Zustandes der hier betroffenen Fläche einen Sachverständigen beauftragt hat, der ausschließlich die Bodenzahlen des Grundstücks anhand des Ackerschätzungsrahmens nach dem Gesetz über die Schätzung des Kulturbodens ermittelt hat. Nach Auffassung des sachverständig besetzten Gerichts ist das Ergebnis einer Bodenentnahme jedenfalls in Form einer genauen Beschreibung des Bodenprofils festzuhalten und in geeigneter Weise zu dokumentieren sowie sind die weiteren wertbildenden Faktoren, die im Wertermittlungsrahmen eventuell durch Zu- und Abschläge der Bodenklassen zu berücksichtigen sind, sorgfältig zu erfassen. Der alleinigen Ermittlung der Bodenzahlen kommt im Hinblick auf eine Beweissicherung des Grundstückszustandes für die Wertermittlung keine ausreichende Aussagekraft zu. Denn die Bodenzahl ist lediglich eine Verhältniszahl, die die Unterschiede in dem Reinertrag zum Ausdruck bringt, der bei gemeinüblicher und ordnungsgemäßer Bewirtschaftung erzielt werden kann. Die reine Bodenzahl lässt keine weiterer Rückschlüsse auf die genaue Zusammensetzung des Bodenprofils zu und erfasst auch nicht den Einfluss weiterer wertbildender Faktoren, wie z.B. besonders günstige bzw. ungünstige Temperatur- und Niederschlagsverhältnisse, ungünstige Geländeausformungen und Grundwasserverhältnisse, Besonderheiten des Kleinklimas (Frost- und Hagelgefahr, häufiges Auswintern), Beeinträchtigungen durch besondere Nachteile (Verunkrautung, Schädlingsbefall, äußere Einwirkungen, Leitungsrechte, öffentliche Beitragslasten). Insoweit müssen die Feststellungen des Zustandes des Grundstücks nach § 36 Abs. 2 FlurbG jedenfalls so umfassend sein, dass der Wert der Fläche nach Aufstellung eines Wertermittlungsrahmen ohne Probleme in die entsprechende Ackerklasse eingeordnet werden kann, und außerdem die Feststellungen in einem eventuellen späteren Streit um die Wertermittlung als taugliche Grundlage für eine Streitentscheidung dienen können.

Eine entsprechende Zustandsfeststellung im Sinne des § 36 Abs. 2 FlurbG ist hier auch noch vor Vollzug der in der vorläufigen Anordnung nach §§ 88 Nr. 3, 36 FlurbG geregelten Änderung der Besitz- und Nutzungsverhältnisse zu treffen gewesen, weil die Anordnung zum Zwecke des Straßenbaus erlassen worden ist und mit ihrer Umsetzung vollendete Tatsachen geschaffen worden wären. Denn der ursprüngliche Zustand des in der vorgesehenen Trasse der Umgehungsstraße der Bundesstraße .. liegenden Grundstücks des Antragstellers lässt sich nach einem Vollzug nicht mehr ausreichend rekonstruieren, mithin auch keine rechtswirksame Wertermittlung mehr vornehmen.

Ungeachtet der obigen Ausführungen spricht auch Einiges dafür, dass die am 13. und 14.2.2003 vom Sachverständigen durchgeführte Bodenschätzung zu Beanstandungen Anlass geben dürfte, da an den beiden Tagen und einigen Tagen zuvor unstreitig Minustemperaturen geherrscht haben und die notwendige so genannte Fingerprobe daher allenfalls eingeschränkt möglich gewesen sein dürfte bzw. Verfälschungen des Probenergebnisses infolge der kalten Witterung jedenfalls nicht auszuschließen sind.

Ende der Entscheidung

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