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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 26.05.2009
Aktenzeichen: VerfGH 2/09
Rechtsgebiete: KWahlG NRW


Vorschriften:

KWahlG NRW § 46 c Abs. 2 Satz 2
1. Der Wegfall der Stichwahl bei den Bürgermeister- und Landratswahlen durch die Neuregelung in § 46 c Abs. 2 Satz 2 KWahlG NRW in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalwahlgesetzes vom 9.10.2007 (GV. NRW. S. 374, 377) ist mit der Landesverfassung vereinbar.

2. Die in § 46 c Abs. 2 Satz 2 KWahlG NRW geregelte Direktwahl der Bürgermeister und Landräte in einem Wahlgang mit relativer Mehrheit trägt auf der Basis der vom Gesetzgeber zugrunde gelegten tatsächlichen und normativen Grundlagen dem Erfordernis demokratischer Legitimation ausreichend Rechnung.

3. § 46 c Abs. 2 Satz 2 KWahlG NRW verletzt weder den Grundsatz der Wahlgleichheit noch den Grundsatz der Chancengleichheit im politischen Wettbewerb und verstößt auch nicht gegen den Grundsatz der unmittelbaren Wahl.

4. Der Gesetzgeber ist gehalten, die Wahlverhältnisse daraufhin im Blick zu behalten, ob das bestehende Wahlsystem den erforderlichen Gehalt an demokratischer Legitimation auch zukünftig zu vermitteln vermag.


Tatbestand:

Die Antragsteller, Abgeordnete des Landtags NRW, machten mit ihrem Normenkontrollantrag geltend, mit der Landesverfassung (LV NRW), insbesondere dem Demokratieprinzip, sei es unvereinbar, dass nach der Neuregelung des § 46 c Abs. 2 Satz 2 KWahlG NRW durch das Gesetz zur Änderung des Kommunalwahlgesetzes vom 9.10.2007 eine Stichwahl bei der Bürgermeister- und Landratswahl nicht mehr vorgesehen sei.

1. Mit dem Gesetz zur Änderung der Kommunalverfassung vom 17.5.1994 (GV. NRW. S. 270) schaffte der nordrhein-westfälische Gesetzgeber die bisherige "Doppelspitze" aus ehrenamtlichem Bürgermeister (auf Kreisebene: Landrat) und hauptamtlichem Stadtdirektor (auf Kreisebene: Kreisdirektor) ab. An die Stelle trat der hauptamtliche Bürgermeister bzw. Landrat, in dessen Amt die Funktionen des Hauptverwaltungsbeamten und des Vorsitzenden des kommunalen Vertretungsorgans zusammengefasst wurden. Des Weiteren wurde mit dem Änderungsgesetz die - erstmals 1999 erfolgte - Direktwahl des Bürgermeisters und des Landrats nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl eingeführt. Vorgesehen war, dass die Wahl zugleich mit der des Rates/Kreistages stattfand (vgl. § 65 Abs. 1 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen - GO NRW -; § 44 Abs. 1 der Kreisordnung für das Land Nordrhein-Westfalen - KrO NRW -, jeweils in der bis zum 16.10.2007 gültigen Fassung). Die näheren Einzelheiten waren im Kommunalwahlgesetz geregelt. Die einschlägige Bestimmung in § 46 c KWahlG NRW in der bis zum 16.10.2007 gültigen Fassung lautete:

§ 46 c

(1) Jeder Wähler hat für jede Wahl eine Stimme. Als Bürgermeister oder Landrat ist gewählt, wer mehr als die Hälfte der gültigen Stimmen erhalten hat. Gibt es nur einen zugelassenen Wahlvorschlag, ist der Bewerber gewählt, wenn sich die Mehrheit der Wähler für ihn entschieden hat und dabei mindestens 25 vom Hundert der Wahlberechtigten für ihn gestimmt haben.

(2) Erhält von mehreren Bewerbern keiner mehr als die Hälfte der gültigen Stimmen, findet am zweiten Sonntag nach der Wahl eine Stichwahl unter den beiden Bewerbern statt, die bei der ersten Wahl die höchsten Stimmenzahlen erhalten haben. Das Innenministerium kann einen anderen Termin der Stichwahl festsetzen, wenn besondere Umstände es erfordern. Es wird aufgrund desselben Wählerverzeichnisses gewählt wie bei der ersten Wahl. Bei Stimmengleichheit entscheidet das vom Wahlleiter zu ziehende Los darüber, wer an der Stichwahl teilnimmt. Bei der Stichwahl ist der Bewerber gewählt, der von den gültigen Stimmen die höchste Stimmenzahl erhält. Bei gleicher Stimmenzahl entscheidet das vom Wahlleiter zu ziehende Los.

(3) ...

2. Bei den Kommunalwahlen 1999 fanden in 108 von 373 kreisangehörigen Gemeinden, in 9 von 31 Kreisen sowie in 14 von 23 kreisfreien Städten Stichwahlen statt, bei den Kommunalwahlen 2004 in 92 von 359 kreisangehörigen Gemeinden, in 5 von 28 Kreisen sowie in 15 von 21 kreisfreien Städten. Ferner wurde bei 7 der im Zeitraum September 2000 bis September 2007 durchgeführten 29 Einzelwahlen eine Stichwahl erforderlich. Bei den Stichwahlen zu den Kommunalwahlen 1999 lag die Wahlbeteiligung in den 14 kreisfreien Städten und 9 Kreisen etwa 10% bzw. 12% niedriger als die landesweite Wahlbeteiligung im ersten Wahlgang (55%), bei den Stichwahlen zu den Kommunalwahlen 2004 etwa 14% bzw. 18% niedriger als die landesweite Wahlbeteiligung im Hauptwahlgang (54,4%; vgl. dazu LT NRW-Drs. 14/568). In den 7 Stichwahlen anlässlich der Einzelwahlen fiel die Wahlbeteiligung zwischen 0,9% und 8% niedriger aus als bei der Hauptwahl. Bei den Stichwahlen erhielten die Wahlsieger nicht selten weniger Stimmen als der Bewerber mit den meisten Stimmen im ersten Wahlgang.

3. Im März 2007 brachte die Landesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Kommunalwahlgesetzes in den Landtag ein. U.a. sollte die Stichwahl bei der Wahl der Bürgermeister und Landräte wegfallen und die Möglichkeit gemeinsamer Wahlvorschläge vorgesehen werden. In der Begründung des Gesetzentwurfs heißt es dazu, bei bisherigen Stichwahlen hätte die Wahlbeteiligung häufig deutlich niedriger als bei der ersten Wahl gelegen. Aufgrund mehrfacher Anregungen aus dem kommunalen Raum sollten vergleichbar der Rechtslage in Bayern, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein gemeinsame Wahlvorschläge für die Wahl der Bürgermeister und Landräte zugelassen werden (LT NRW-Drs. 14/3977). Im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens erläuterte die Landesregierung den Verzicht auf Stichwahlen unter Hinweis darauf, dass es bei den Kommunalwahlen im Jahr 2004 lediglich in 25% der Fälle eine Stichwahl gegeben habe, während in 75% der Fälle die Bewerber im ersten Wahlgang gewählt worden seien. Die Wahlbeteiligung bei Stichwahlen liege um 10% bis 15% niedriger, so dass fraglich sei, wie es um die Legitimation dieser zweiten Wahl stehe. Nicht selten sei es zu dem Ergebnis gekommen, dass der Wahlsieger der Stichwahl wegen der geringeren Wahlbeteiligung letztlich weniger Stimmen erzielt habe als der Bewerber bei der Hauptwahl (Plenarprotokoll 14/58).

Zeitgleich brachte die Landesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung in den Landtag ein (LT NRW-Drs. 14/3979). Der Gesetzentwurf zielte u.a. darauf ab, das Amt des kommunalen Hauptverwaltungsbeamten und Vorsitzenden der Vertretungskörperschaft weiter zu stärken. Dazu sollte dessen Wahlzeit über die Wahlzeit der Kommunalvertretung (fünf Jahre) hinaus auf sechs Jahre verlängert werden mit der Folge, dass die Wahlen zu den Kommunalvertretungen von den Bürgermeister- und Landratswahlen entkoppelt würden.

Der Ausschuss für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform führte im Juni und August 2007 öffentliche Anhörungen zu den beiden Gesetzentwürfen durch (vgl. Ausschussprotokolle 14/437 und 14/455). Am 20.9.2007 verabschiedete der Landtag auf der Grundlage der Beschlussempfehlung und des Ausschussberichts (LT NRW-Drs. 14/4980; Ausschussprotokoll 14/479) in dritter Lesung das Gesetz zur Änderung des Kommunalwahlgesetzes (Plenarprotokoll 14/70), das am 16.10.2007 verkündet worden ist (GV. NRW. S. 374) und am 17.10.2007 in Kraft getreten ist.

Die einschlägigen Bestimmungen im Kommunalwahlgesetz lauten:

§ 46 c

(1) ...

(2) Jeder Wähler hat für jede Wahl eine Stimme. Als Bürgermeister oder Landrat ist gewählt, wer die meisten Stimmen auf sich vereinigt. Bei gleicher Stimmenzahl entscheidet das vom Wahlleiter zu ziehende Los. Gibt es nur einen zugelassenen Wahlvorschlag, ist der Bewerber gewählt, wenn sich die Mehrheit der Wähler für ihn entschieden hat und dabei mindestens 25 vom Hundert der Wahlberechtigten für ihn gestimmt haben.

(3) ...

§ 46 d

...

(3) Gemeinsame Wahlvorschläge sind zulässig. Wird eine Person von mehreren Parteien oder Wählergruppen als gemeinsamer Bewerber benannt, ist sie hierzu in geheimer Abstimmung entweder in einer gemeinsamen Versammlung oder in getrennten Versammlungen der Wahlvorschlagsträger zu wählen. Die Wahlvorschlagsträger des gemeinsamen Wahlvorschlags dürfen keinen anderen als den gemeinsamen Bewerber wählen und zur Wahl vorschlagen.

...

4. Seit dem Wegfall der Stichwahl sind im Zeitraum November 2007 bis Oktober 2008 in 11 Kommunen Bürgermeisterwahlen durchgeführt worden. Die Wahlbeteiligung lag bei durchschnittlich 48,8%. Die Wahlsieger erzielten Stimmenanteile zwischen 37% und 94,54% (Mittelwert: 54,31%). In 3 der 11 Einzelwahlen wurden gemeinsame Wahlvorschläge eingereicht.

5. Die Antragsteller machten geltend, dass § 46 c Abs. 2 S. 2 KWahlG NRW, zuletzt geändert durch Gesetz vom 9.10.2007, mit der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen unvereinbar sei. Die Novelle des § 46 c Abs. 2 Satz 2 KWahlG NRW ermögliche, dass die kommunalen Spitzenbeamten zukünftig im Regelfall nicht mehr von der Mehrheit der Wähler unterstützt würden. Die bloße relative Mehrheit, die ein Kandidat auf sich vereinige, bedeute notwendig, dass die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen gegen den letztlich gewählten Bewerber gestimmt habe. § 46 c Abs. 2 Satz 2 KWahlG NRW verstoße darüber hinaus gegen das Recht der politischen Parteien und Wählervereinigungen sowie ihrer Kandidaten und Wähler auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb. Die Regelung benachteilige in ihren tatsächlichen Auswirkungen die Wähler kleiner Parteien und Wählergemeinschaften. Bei einer relativen Mehrheitswahl werde dem Wähler systembedingt nahe gelegt, bei der Stimmabgabe um des Erfolgswerts willen "taktisch" zu wählen. Ebenso stünden die kleinen Parteien und Wählergemeinschaften vor einem Dilemma. Um die politische Einflussnahme sicherzustellen, empfehle es sich, unter Verzicht auf einen eigenen Bewerber einen gemeinsamen Kandidaten mit einer großen politisch benachbarten Partei aufzustellen oder deren Kandidaten zu unterstützen.

Der Landtag und die Landesregierung traten dem Verfahren bei. Der Verfassungsgerichtshof wies den Normenkontrollantrag zurück.

Gründe:

A.

Der Antrag ist gemäß Art. 75 Nr. 3 LV NRW, § 12 Nr. 6, § 47 Buchst. a) des Verfassungsgerichtshofgesetzes (VerfGHG) zulässig. Die zur Überprüfung gestellte Regelung des Kommunalwahlgesetzes kann als Landesrecht im Normenkontrollverfahren auf ihre Vereinbarkeit mit der Landesverfassung geprüft werden. Der Antrag ist wie erforderlich von mehr als einem Drittel der insgesamt 187 Mitglieder des Landtags gestellt worden.

B.

Der Antrag ist unbegründet. § 46 c Abs. 2 Satz 2 KWahlG NRW in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalwahlgesetzes vom 9.10.2007 (GV. NRW. S. 374, 377) ist mit der Landesverfassung vereinbar. Die Regelung verletzt keine Grundsätze des demokratischen Rechtsstaats im Sinne von Art. 1 Abs. 1, Art. 2 LV NRW i. V. m. Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG. Sie verstößt auch weder gegen die Grundsätze der gleichen Wahl und der Chancengleichheit im politischen Wettbewerb noch gegen den Grundsatz der unmittelbaren Wahl.

I.

1. Die Landesverfassung schreibt in Art. 78 Abs. 1 LV NRW vor, dass die Organe gemeindlicher Selbstverwaltung gewählt werden müssen. Sie genügt damit dem Homogenitätsgebot des Art. 28 Abs. 1 GG, dessen Geltung als Landesverfassungsrecht Art. 1 Abs. 1 LV NRW vermittelt (vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 18.2.2009 - 24/08 -, DVBl. 2009, 516; OVGE 47, 304, 305). Die Volkswahl der Bürgermeister und Landräte mit relativer Mehrheit genügt dem Demokratieprinzip in der Ausprägung, dass die personale Ausübung von Staatsgewalt in Exekutivämtern auf das Volk zurückführbar sein muss (vgl. VerfGH NRW, OVGE 46, 295, 307 ff.; OVGE 39, 292, 294 f., jeweils m. w. N.).

a) Die dem Gesetzgeber vorbehaltenen Regelungen des kommunalen Wahlrechts müssen außer den Wahlrechtsgrundsätzen der allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen nach Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG auch den Homogenitätsvorgaben von Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG und damit insbesondere den Grundsätzen des demokratischen Rechtsstaats im Sinne des Grundgesetzes genügen. Hierzu zählen zumindest die Erfordernisse, die für die freiheitliche demokratische Grundordnung des Grundgesetzes entwickelt worden sind, sowie die durch Art. 79 Abs. 3 GG auf Bundesebene verfassungsfesten Grundsätze, wie sie in Art. 1 und 20 GG niedergelegt sind. Die mithin auch für die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern vorgegebene Grundentscheidung des Art. 20 Abs. 2 GG für die Volkssouveränität und die daraus folgenden Grundsätze der demokratischen Organisation und Legitimation von Staatsgewalt verlangen, dass sich die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben und die Ausübung staatlicher Befugnisse auf das Staatsvolk zurückführen lassen und grundsätzlich ihm gegenüber verantwortet werden. Dieser notwendige Zurechnungszusammenhang lässt sich auf verschiedene Weise, nicht nur in einer bestimmten Form herstellen. Entscheidend ist, dass ein hinreichender Gehalt an demokratischer Legitimation erreicht wird (vgl. BVerfGE 107, 59, 87 f.; VerfGH NRW, Urteil vom 18.2.2009 - VerfGH 24/08 -, DVBl. 2009, 516 f., m. w. N.).

Die Ausübung von Staatsgewalt ist dann demokratisch legitimiert, wenn sich die Bestellung der Amtsträger - personelle Legitimation vermittelnd - auf das Staatsvolk zurückführen lässt und das Handeln der Amtsträger selbst eine ausreichende sachlich-inhaltliche Legitimation erfährt (VerfGH NRW, OVGE 46, 295, 307 ff.; OVGE 39, 292, 294 f.). Ein Amtsträger ist uneingeschränkt personell legitimiert, wenn er sein Amt im Wege einer Wahl durch das Volk oder das Parlament oder durch einen seinerseits personell legitimierten Amtsträger oder mit dessen Zustimmung erhalten hat (BVerfGE 107, 59, 87 f.).

b) Nach diesen Maßgaben verlangt die Landesverfassung - ebenso wie das Grundgesetz - anders als für kommunale Vertretungen nach Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG keine Direktwahl von Bürgermeistern und Landräten. Dementsprechend stand auch die frühere Wahl der Hauptverwaltungsbeamten durch die kommunalen Vertretungen im Einklang mit dem Demokratieprinzip und vermittelte eine hinreichende Legitimation (vgl. BVerfGE 93, 37, 67; BVerfGE 83, 60, 72/73; BVerfGE 47, 253, 275; BVerwGE 118, 101, 104). Entscheidet sich der Wahlgesetzgeber für eine Direktwahl von Bürgermeistern und Landräten, so muss er bei der Ausgestaltung des Wahlverfahrens die grundlegenden Anforderungen beachten, die für demokratische Wahlen gelten. Demnach sind an allgemeinpolitische Wahlen auch außerhalb des Anwendungsbereichs des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG besondere, aus dem Demokratieprinzip abzuleitende Anforderungen zu stellen (vgl. BVerwGE 118, 345, 347; BVerwGE 118, 101, 104/105; siehe auch BVerfG, 3. Kammer des Zweiten Senats, Beschluss vom 14.1.2008 - 2 BvR 1975/07 -, DVBl. 2008, 236, Rn. 30).

2. a) Zu den fundamentalen Prinzipien der Demokratie gehört das Mehrheitsprinzip. Das Grundgesetz als demokratische Ordnung sieht vor, dass grundlegende staatliche Entscheidungen nach Maßgabe der Mehrheitsregel getroffen werden (BVerfGE 44, 125, 141; BVerfGE 29, 154, 165; BVerfGE 1, 299, 315; vgl. z.B. Art. 42 Abs. 2, Art. 52 Abs. 3, Art. 54 Abs. 6, Art. 63, Art. 67 Abs. 1 GG; für die nordrhein-westfälische Landesverfassung vgl. z.B. Art. 44 Abs. 2, Art. 52 LV NRW). Dem demokratischen Mehrheitsprinzip liegt die Erkenntnis zu Grunde, dass Einstimmigkeit in der politischen Realität unerfüllbar ist. Neben der Teilhabe an Herrschaft muss ein legitimes demokratisches System auch gewährleisten, dass Entscheidungen getroffen werden. Deshalb erfolgt die Festlegung von Mehrheitsregeln stets in einem Spannungsverhältnis von breiter Partizipation und Effektivität. Eine Mehrheitsentscheidung gilt unter diesen Bedingungen als die größtmögliche Annäherung an Freiheit und Gleichheit. Das demokratische Mehrheitsprinzip zielt darauf ab, dass die Verbindlichkeit der getroffenen Entscheidungen von der Gesamtheit der Bürger hingenommen wird (vgl. z. B. Heun, Das Mehrheitsprinzip in der Demokratie, 1983, S. 100 ff. und 175 ff.; Gusy, Das Mehrheitsprinzip im demokratischen Staat, AöR 106 [1981], S. 329 ff.; siehe auch BVerfGE 44, 125, 141 ff.). Mehrheitsentscheidungen sind für die Minderheit nur hinnehmbar, wenn alle stimmberechtigten Bürger am Wahlakt - neben der Beachtung der anderen Wahlrechtsgrundsätze - gleichberechtigt teilnehmen können.

b) Das Grundgesetz selbst sieht unterschiedliche Mehrheitsformen von qualifizierten (z. B. Art. 79 Abs. 2 GG) bis zu relativen Mehrheiten (vgl. Art. 54 Abs. 6 Satz 2, Art. 63 Abs. 4 Satz 3 GG) vor. Es enthält aber - ebenso wie die Landesverfassung - weder geschriebene noch ungeschriebene Vorgaben zur Ausgestaltung der Mehrheitsregel im Bereich des Kommunalwahlrechts.

aa) Zwar lässt sich der Ausgestaltung der im Grundgesetz geregelten Personenwahlen die Wertung entnehmen, dass bei der Besetzung von besonders herausgehobenen staatspolitischen Ämtern eine relative Mehrheit erst dann hinreichend sein soll, wenn eine absolute Mehrheit nicht erreichbar ist. Art. 63 Abs. 2 GG für die Wahl des Bundeskanzlers und Art. 54 Abs. 6 Satz 1 GG für die Wahl des Bundespräsidenten sehen jeweils die Anwendung der absoluten Mehrheit vor. Gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestags bzw. der Bundesversammlung im Sinne des Art. 121 GG erhält. Erst wenn diese Mehrheit weder im ersten noch in einem zweiten Wahlgang erreicht wird, ist in einem weiteren Wahlgang gewählt, wer die meisten Stimmen auf sich vereinigt (Art. 63 Abs. 4 Sätze 1 und 3, Art. 54 Abs. 6 Satz 2 GG).

bb) Ein vergleichbares Bild ergibt sich auf der Ebene des Landesverfassungsrechts für die Ministerpräsidentenwahl. Auch Art. 52 Abs. 1 LV NRW bestimmt, dass der Ministerpräsident grundsätzlich mit mehr als der Hälfte der gesetzlichen Zahl der Mitglieder des Landtags gewählt wird. Kommt danach eine Wahl nicht zustande, finden ein zweiter und gegebenenfalls ein dritter Wahlgang statt, in dem gewählt ist, wer mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen erhält. Ergibt sich keine solche Mehrheit, ist eine Stichwahl zwischen den beiden Vorgeschlagenen durchzuführen, die die höchste Stimmenzahl erhalten haben (Art. 52 Abs. 2 LV NRW). Ähnliche Wahlverfahrensregelungen finden sich in den Landesverfassungen Brandenburgs (Art. 83 BbgVerf), Mecklenburg-Vorpommerns (Art. 42 M-VVerf), Niedersachsens (Art. 29 Abs. 1, Art. 30 Nds.Verf), Sachsens (Art. 60 SächsVerf), Sachsen-Anhalts (Art. 65 VerfLSA), Schleswig-Holsteins (Art. 26 Abs. 3 und 4 SchlHVerf) und Thüringens (Art. 70 ThürVerf). In Baden-Württemberg bedarf es zur Wahl des Ministerpräsidenten zwingend der Mehrheit der Mitglieder des Landtags (Art. 46 Abs. 1 LV BW). Das Gleiche gilt für die Wahl des Ministerpräsidenten in Hessen (Art. 101 Abs. 1 HessVerf), in Rheinland-Pfalz (Art. 98 Abs. 2 Satz 1 Rh-PfVerf) und im Saarland (Art. 87 Abs. 1 Satz 1 SaarlVerf) sowie für die Wahl des Ersten Bürgermeisters/der ersten Bürgermeisterin in Hamburg (Art. 34 Abs. 1 HmbVerf). Lediglich für die Wahl des Ministerpräsidenten in Bayern sowie für die Wahl des Regierenden Bürgermeisters in Berlin und des Präsidenten des Senats in Bremen genügt jeweils die (einfache) Mehrheit der abgegebenen Stimmen (Art. 44 Abs. 1 i. V. m. Art. 23 Abs. 1 BayVerf, Art. 56 Abs. 1 VvB, Art. 107 BremLVerf). Eine zusätzliche Anforderung ergibt sich in diesen Fällen allerdings über das Quorum zur Beschlussfähigkeit. Die Beschlussfähigkeit des Bayerischen Landtags bzw. des Berliner Abgeordnetenhauses setzt die Anwesenheit der Mehrheit ihrer Mitglieder voraus (Art. 23 Abs. 2 BayVerf, Art. 43 Abs. 1 VvB). Die bremische Landesverfassung verlangt für die Beschlussfähigkeit der Bürgerschaft die Teilnahme (mindestens) der Hälfte ihrer Mitglieder (Art. 89 BremVerf).

c) Aus diesem verfassungsrechtlichen Befund lassen sich aber schon mit Rücksicht auf die fehlende Vergleichbarkeit der Wahlen keine zwingenden Vorgaben für die Ausgestaltung der Mehrheitsregel im Zusammenhang mit der (Direkt-) Wahl der Bürgermeister- und Landräte auf Kommunalwahlebene ableiten. Die Legitimation der Staatsgewalt auf Gemeinde- bzw. Kreisebene muss gemäß Art. 78 Abs. 1 LV und Art. 28 Abs. 2 GG auf das Wahlvolk zurückgeführt werden können. Die Bestellung der konkreten Amtswalter ist Sache gemeindlicher und kreislicher Personalhoheit. Staatsgewalt auf kommunaler Ebene ist abgeleitete Staatsgewalt. Wie die Legitimation des Zurückführens der Staatsgewalt auf das kommunale Volk ausgestaltet sein soll, entscheidet der parlamentarische Gesetzgeber.

aa) Den urgewählten Bürgermeistern und Landräten kommt nach der nordrhein-westfälischen Kommunalverfassung eine hervorgehobene Stellung zu.

Der Bürgermeister leitet als Hauptverwaltungsbeamter die Gemeindeverwaltung. Er leitet als Vorsitzender die Ratssitzung und vertritt die Gemeinde nach außen. Er repräsentiert überdies die Gemeinde. Eine vergleichbare Rechtsstellung kommt dem Landrat zu. Mit dem Gesetz zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung vom 9.10.2007 ist das Amt des Hauptverwaltungsbeamten weiter gestärkt worden, indem u.a. die Amtszeit auf sechs Jahre verlängert wurde und damit eine Entkoppelung von der Wahl der Kommunalvertretungen erfolgte (vgl. zu den gesetzgeberischen Zielen LT NRW-Drs. 14/3979, S. 144, 160).

bb) Der verfassungsrechtliche Hintergrund für die Ausgestaltung der Wahlen zum Bundespräsidenten und Bundeskanzler sowie zu den Ministerpräsidenten unterscheidet sich derart von Stellung und Funktionen der kommunalen Vertretungsorgane, dass sich Rückschlüsse auf verfassungsrechtliche Bindungen für die Ausformung der Mehrheitsregel bei der Bürgermeister- und Landratswahl verbieten.

Das Grundgesetz erstrebt mit dem in Art. 63 GG vorgesehenen Modus für die Wahl zum Bundeskanzler eine parlamentarisch verankerte, handlungsfähige Regierung. Handlungsfähig bedeutet nicht nur, dass der Bundeskanzler mit politischem Gestaltungswillen die Richtlinien der Politik bestimmt und dafür die Verantwortung trägt (Art. 65 Satz 1 GG), sondern hierfür auch eine Mehrheit der Parlamentsabgeordneten hinter sich weiß (BVerfGE 114, 121, 149). Dem entspricht es, dass Art. 63 GG die Wahl des Bundeskanzlers mit absoluter Mehrheit (Kanzlermehrheit) anstrebt und nur ausnahmsweise die relative Mehrheit genügen lässt. Eine entsprechende Zielsetzung liegt in Nordrhein-Westfalen der Ausgestaltung der Wahl des Ministerpräsidenten zugrunde. Auch hier wird mit dem Regelfall der absoluten Mehrheitswahl die Sicherstellung möglichst klarer und stabiler Regierungsverhältnisse auf der Basis einer hinreichenden parlamentarischen Mehrheit bezweckt.

Demgegenüber handelt es sich bei Gemeindevertretungen und Kreistagen nicht um Parlamente im staatsrechtlichen Sinne. Die kommunalen Vertretungen sind Organe der Verwaltung, denen in erster Linie verwaltende Tätigkeiten anvertraut sind. Sie nehmen nur in diesem Rahmen Rechtsetzungsaufgaben wahr. Gemeindevertretungen und Kreistage haben auch keine Kreationsfunktion für ein der Regierung vergleichbares Gremium (BVerfGE 120, 82, 112). Zudem garantiert die in der nordrhein-westfälischen Kommunalverfassung verankerte Direktwahl des Bürgermeisters und Landrats weitgehend eine funktionierende Kommunalverwaltung unabhängig von den Mehrheitsverhältnissen in der Kommunalvertretung. Die unmittelbare Wahl durch das Volk sowie die Entkoppelung von den Wahlen zu den Vertretungen sichern dem Bürgermeister und dem Landrat eine besondere institutionelle Unabhängigkeit. Damit ist bereits nach der Kommunalverfassung vorgesehen, dass Bürgermeister und Landrat auch mit einem kommunalen Vertretungsorgan zusammenarbeiten können und müssen, in dem die parteipolitischen Mehrheiten nicht notwendigerweise der eigenen Parteizugehörigkeit entsprechen (BVerfGE 120, 82, 117 f.).

Ebenso ist die Ausgestaltung der Wahl des Bundespräsidenten durch seine besondere Stellung als Staatsoberhaupt geprägt. Die wahlrechtlichen Bestimmungen zielen darauf ab, dem Bundespräsidenten - entsprechend der ihm zukommenden Bedeutung im Verfassungsgefüge - eine eigenständige demokratische Legitimation zu vermitteln, die ihm gegenüber den anderen Staatsorganen Selbststand verschafft (vgl. Nettesheim, Bundesversammlung und Wahl des Bundespräsidenten, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. III, 3. Aufl. 2005, § 63 Rn. 1 f.). Aus Art. 54 Abs. 6 GG lassen sich daher keine Folgerungen im Sinne zwingender Vorgaben für die Ausformung der Mehrheitsregel bei der Wahl des kommunalen Spitzenorgans ziehen.

d) Mehrheitsentscheidungen nach Maßgabe der einfachen Abstimmungsmehrheit oder unter Anwendung der relativen Mehrheit sind in anderen (wahl-)rechtlichen Zusammenhängen als zulässig anerkannt. So enthält Art. 42 Abs. 2 Satz 1 GG - ebenso wie Art. 44 Abs. 2 LV NRW - den Grundsatz, dass Beschlüsse des Parlaments nach dem Prinzip der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst werden. Auch bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber einem Wahlsystem, in dem Wahlkreisbewerber unter Anwendung der relativen Mehrheitsregel gewählt werden (vgl. dazu z. B. BVerfGE 95, 335, 355 ff.; BVerfGE 41, 399, 423; BVerfGE 11, 351, 362). Das Gleiche gilt hinsichtlich der Abstimmungsmehrheit bei Sachentscheidungen und Personalwahlen, die durch die Kommunalvertretung erfolgen (vgl. BVerfGE 120, 82, 119).

3. Zwingende Vorgaben für die Ausgestaltung des Mehrheitsprinzips bei der Bürgermeister- und Landratswahl lassen sich auch nicht aus einem Vergleich mit dem Kommunalwahlrecht in den übrigen (Flächen-)Bundesländern ableiten.

a) Allerdings ergibt die Gesamtschau der kommunalwahlrechtlichen Praxis den nahezu einhelligen Befund, dass der Gesetzgeber bei der Wahl der Bürgermeister und Landräte die absolute Mehrheitsregel als Grundtypus der Mehrheit favorisiert. So findet sich in einer Vielzahl der Bundesländer ein Stichwahlsystem. Die Kommunalwahlgesetzgebung anderer Länder lässt eine relative Mehrheit erst dann genügen, wenn in einem vorangehenden Wahlgang eine absolute Mehrheit nicht erzielt werden konnte.

In Baden-Württemberg ist als Bürgermeister gewählt, wer mehr als die Hälfte der gültigen Stimmen der Bürger erhält. Entfällt auf keinen Bewerber mehr als die Hälfte der gültigen Stimmen, findet eine Neuwahl statt. Es entscheidet dann die höchste Stimmenzahl (§ 45 GemO BW). Der Landrat wird durch die Kreisräte gewählt. Gewählt ist, wer mehr als die Hälfte der Stimmen aller Kreisräte auf sich vereinigt. Wird eine solche Mehrheit nicht erreicht, findet ein zweiter Wahlgang statt. Erhält auch hierbei kein Bewerber mehr als die Hälfte der Stimmen aller Kreisräte, ist ein dritter Wahlgang durchzuführen. Gewählt ist, wer die höchste Stimmenzahl erreicht (§ 39 Abs. 5 LKrO BW). In Bayern ist als erster Bürgermeister bzw. als Landrat gewählt, wer mehr als die Hälfte der abgegebenen gültigen Stimmen der Wahlberechtigten erhält. Erhält niemand diese Mehrheit, findet eine Stichwahl unter den zwei Personen statt, die bei der ersten Wahl die höchsten Stimmenzahlen erhalten haben. Bei der Stichwahl ist gewählt, wer von den abgegebenen gültigen Stimmen die höchste Stimmenzahl erreicht (Art. 40 Abs. 1, Art. 46 des Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes). Vergleichbare Bestimmungen gelten für die Wahl des (hauptamtlichen) Bürgermeisters und Landrats in Hessen (§ 39 HGO, § 37 HKO), in Mecklenburg-Vorpommern (§§ 37 Abs. 1, 116 Abs. 1 KV M-V, §§ 56, 64 KWahlG M-V), in Niedersachsen (§ 61 Abs. 1 Satz 1 NGO, § 55 Abs. 1 Satz 1 NLO, §§ 1, 45 g, 45 l NKWahlG), in Rheinland-Pfalz (§ 53 Abs. 1 GemO Rh-Pf, § 46 Abs. 1 LKO Rh-Pf), im Saarland (§ 56 Abs. 1, § 177 Abs. 1 des Kommunalselbstverwaltungsgesetzes, §§ 72, 79 SaarKWahlG), in Sachsen-Anhalt (§ 58 Abs. 1, Abs. 2 GO LSA, § 47 Abs. 1 und 2 LKO LSA) und in Schleswig-Holstein (§§ 57 Abs. 1, 57 b GO SchlH, §§ 43 Abs. 1, 45 KrO SchlH, § 47 des Gemeinde- und Kreiswahlgesetzes). Abweichend erfolgt in Schleswig-Holstein die Wahl der ehrenamtlichen Bürgermeister durch die Gemeindevertretung. Die Wahl bedarf der Mehrheit von mehr als der Hälfte der gesetzlichen Zahl der Gemeindevertreter. Wird diese Mehrheit nicht erreicht, so wird über dieselben vorgeschlagenen Personen erneut abgestimmt. Erhält keine der Personen die erforderliche Mehrheit, findet eine Stichwahl zwischen zweien statt. Gewählt ist, wer die meisten Stimmen erhält. Bewirbt sich nur eine Person und erhält sie weder im ersten noch im zweiten Wahlgang die Stimmen von mehr als der Hälfte der gesetzlichen Zahl der Gemeindevertreter, ist die Wahl in einer späteren Sitzung zu wiederholen (§ 52 GO SchlH). In Brandenburg ist als Bürgermeister gewählt, wer mehr als die Hälfte der abgegebenen gültigen Stimmen der wahlberechtigten Bürger erhalten hat, sofern diese Mehrheit mindestens 15 vom Hundert der wahlberechtigten Personen umfasst (§ 72 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BbgKWahlG). Erhält kein Bewerber diese Mehrheit, findet eine Stichwahl statt. Gewählt ist, wer die Mehrheit nach § 72 Abs. 2 Satz 1 BbgKWahlG erreicht hat. Erhält kein Bewerber diese Mehrheit, so wählt die Vertretung den Bürgermeister. Für die Wahl des Landrats gilt § 72 Abs. 2 BbgKWahlG entsprechend (§ 126 des Kommunalrechtsreformgesetzes). In Sachsen wird der Bürgermeister von den Bürgern und sonstigen Wahlberechtigten nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl gewählt. Gewählt ist, wer mehr als die Hälfte der gültigen Stimmen erhält. Entfällt auf keinen Bewerber mehr als die Hälfte der gültigen Stimmen, findet eine Neuwahl statt. Es entscheidet dann die höchste Stimmenzahl (§ 48 SächsGemO). Für die Wahl des Landrats gilt Entsprechendes (§ 44 SächsLKrO).

Lediglich in Thüringen besteht eine § 46 c Abs. 2 Satz 2 KWahlG NRW vergleichbare Regelung. Als Bürgermeister bzw. Landrat ist gewählt, wer die meisten der abgegebenen gültigen Stimmen der Wahlberechtigten erhalten hat (§ 28 Abs. 3, § 106 Abs. 2 ThürKO, § 24 Abs. 1, Abs. 8, § 28 ThürKWahlG).

b) Dieser Befund mag eine gewachsene Tradition bei der Wahlentscheidung über die kommunale Verwaltungsspitze widerspiegeln. Diese Tradition lässt sich jedoch - anders als im Fall der maximalen Frist zwischen Wahl und Konstituierung neu gewählter Kommunalvertretungen (vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 18.2.2009 - VerfGH 24/08 -, DVBl. 2009, 516, 517) - nicht auf eine gemeinsame Verfassungsüberzeugung zurückführen. Es fehlt an einer entsprechenden Rückbindung an geltende Verfassungsbestimmungen bzw. die Verfassungswirklichkeit, die es rechtfertigen könnte, daraus zwingende Vorgaben für den Wahlmodus bei der Direktwahl der Bürgermeister- und Landräte abzuleiten. Die Gesamtschau der bundesweiten kommunalwahlrechtlichen Praxis bewegt sich vielmehr auf der einfach-gesetzlichen Ebene. Beschränkungen des Gestaltungsspielraums des nordrhein-westfälischen Wahlgesetzgebers können sich daraus nicht ergeben.

4. a) Innerhalb des umschriebenen verfassungsrechtlichen Rahmens genießen die Länder im staatsorganisatorischen Bereich Autonomie bei der Regelung des Wahlsystems und Wahlrechts zu ihren Parlamenten und kommunalen Vertretungsorganen des Volkes (BVerfGE 99, 1, 11). Mangels weiterer Vorgaben in der nordrhein-westfälischen Verfassung verfügt der Landesgesetzgeber bei der Ausgestaltung der Direktwahl der Bürgermeister und Landräte über einen weiten Gestaltungsspielraum. Dieser Entscheidungsspielraum wird allerdings durch die Pflicht des Wahlgesetzgebers eingeschränkt, das ausgewählte Wahlsystem ungeachtet verschiedener Ausgestaltungsmöglichkeiten in seinen Grundelementen folgerichtig zu gestalten. Ferner darf der Gesetzgeber keine strukturwidrigen Elemente einführen (zum Grundsatz der Systemgerechtigkeit vgl. BVerfGE 120, 82, 103 f.). Entscheidet er sich für eine Änderung im Wahlsystem, bedarf es dafür eines sachlichen Grundes.

b) Darüber hinaus ist der Gesetzgeber verpflichtet, nach Maßgabe des gewählten Systems die aus dem Demokratieprinzip folgenden Wahlrechtsgrundsätze zu wahren.

aa) Der über Art. 28 Abs. 1 GG durch das Demokratieprinzip gewährleistete Grundsatz der gleichen Wahl sichert - gemeinsam mit dem Grundsatz der allgemeinen Wahl - die Egalität der Staatsbürger. Er ist zudem Ausprägung des Demokratieprinzips, das auf der Ebene des Landesverfassungsrechts durch Art. 2 LV NRW garantiert ist (vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 16.12.2008 - VerfGH 12/08 -, NWVBl. 2009, 98 m. w. N.). Der Grundsatz der gleichen Wahl gebietet, dass alle Staatsbürger das aktive und passive Wahlrecht möglichst in formal gleicher Weise ausüben können. Daraus folgt für das Wahlgesetz, dass die Stimme eines jeden Wahlberechtigten grundsätzlich den gleichen Zählwert und die gleiche rechtliche Erfolgschance haben muss (vgl. BVerfGE 120, 82, 102 m. w. N.). Dieser Maßstab wirkt sich in den Systemen der Mehrheits- und Verhältniswahl unterschiedlich aus. Dem Zweck der Mehrheitswahl entspricht es, dass nur den für den Mehrheitskandidaten abgegebenen Stimmen ein Erfolgswert zukommt. Die auf den oder die Minderheitenkandidaten entfallenden Stimmen bleiben hingegen unberücksichtigt.

Der Grundsatz der Chancengleichheit für Wahlbewerber verlangt, dass jeder Partei, jeder Wählergruppe und ihren Wahlbewerbern grundsätzlich die gleichen Möglichkeiten im gesamten Wahlverfahren und damit gleiche Chancen bei der Bewerbung um ein Wahlamt eingeräumt werden (BVerfGE 120, 82, 104). Das Recht auf Chancengleichheit im politischen Wertbewerb findet für politische Parteien seine Grundlage in Art. 21 Abs. 1 GG, dessen Grundsätze als Landesverfassungsrecht unmittelbar auch in den Ländern gelten (vgl. VerfGH NRW, OVGE 47, 304, 305 m. w. N.). Der Grundsatz gilt gleichermaßen für andere Gruppen oder Bewerber, die mit den politischen Parteien in den Wettbewerb um Wählerstimmen treten (BVerfG, Beschluss vom 17.4.2008 - 2 BvL 4/05 -, NVwZ 2008, 998, 1000 m. w. N.).

Sowohl der Grundsatz der gleichen Wahl als auch das Recht auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb sind wegen des Zusammenhangs mit dem egalitären demokratischen Prinzip im Sinne einer strengen und formalen Gleichheit zu verstehen (vgl. BVerfGE 120, 82, 102, 105 m. w. N.). Sie gebieten jedoch nicht, die sich im Hinblick auf Größe, politisches Gewicht und Leistungsfähigkeit ergebenden Unterschiede zwischen den konkurrierenden Parteien, Wählergruppen und Bewerbern auszugleichen, um allen dieselbe Ausgangslage im politischen Wettbewerb zu verschaffen. Der Staat darf die vorgefundene Wettbewerbslage nicht verfälschen (BVerfGE 104, 287, 300; BVerfGE 69, 92, 109).

bb) Der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl verlangt ein Wahlverfahren, in dem der Wähler vor dem Wahlakt erkennen kann, welche Personen sich zur Wahl stellen und wie sich die eigene Stimmabgabe auf Erfolg oder Misserfolg der Wahlbewerber auswirken kann. Jede Stimme muss bestimmten oder bestimmbaren Wahlbewerbern zugerechnet werden. Für den Grundsatz der Unmittelbarkeit ist zwar nicht entscheidend, dass die Stimme tatsächlich die vom Wähler beabsichtigte Wirkung entfaltet. Jedoch muss eine positive Beeinflussung des Wahlergebnisses möglich sein (BVerfGE 121, 266, 307).

5. Die verfassungsgerichtliche Kontrolle ist darauf beschränkt, die Einhaltung der vorgegebenen verfassungsrechtlichen Bindungen und Schranken zu überwachen. Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs zu prüfen, ob der Landesgesetzgeber innerhalb des ihm verfassungsrechtlich eingeräumten Spielraums für die Gestaltung des Wahlrechtssystems eine zweckmäßige oder rechtspolitisch vorzugswürdige Lösung gefunden hat (vgl. BVerfG, Urteil vom 3.3.2009 - 2 BvC 3/07 u. 4/07 -, DVBl. 2009, 511, Rn. 116; BVerfGE 95, 408, 420 m. w. N.).

II.

Nach diesen Maßgaben erweist sich die Neuregelung in § 46 c Abs. 2 Satz 2 KWahlG NRW als mit der Landesverfassung vereinbar. Mit der Ausgestaltung der Bürgermeister- und Landratswahlen als Direktwahl in einem Wahlgang mit relativer Mehrheit hält sich der Landesgesetzgeber innerhalb des ihm von Verfassungs wegen eingeräumten Gestaltungsspielraums. Bei einer Volkswahl mit relativer Mehrheit ist der Amtsgewinn für Bürgermeister und Landrat demokratisch legitimiert. Die Regelung verstößt auch weder gegen die Grundsätze der gleichen und unmittelbaren Wahl noch liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit im politischen Wettbewerb vor.

1. Die Direktwahl der Bürgermeister und Landräte in einem Wahlgang mit relativer Mehrheit trägt auf der Basis der vom Gesetzgeber zugrunde gelegten tatsächlichen und normativen Grundlagen dem verfassungsrechtlichen Erfordernis demokratischer Legitimation von Staatsgewalt ausreichend Rechnung.

a) Der Gesetzgeber hat sich bei der Neuregelung in § 46 c Abs. 2 Satz 2 KWahlG NRW mit dem Wegfall der Stichwahl von der Erwägung leiten lassen, dass unter dem bisherigen Wahlmodus bei den Stichwahlen die Wahlbeteiligung häufig deutlich niedriger lag als im ersten Wahlgang. Ferner hat er darauf abgestellt, dass in der Vergangenheit in etwa drei Viertel der Fälle die Wahlsieger bei den Bürgermeister- und Landratswahlen bereits im ersten Wahlgang, also mit absoluter Mehrheit gewählt worden sind. Der Gesetzgeber hat sich dabei auf entsprechendes Zahlenmaterial zu den Kommunalwahlen 1999 und 2004 gestützt. Ausgehend davon ist er zu der Einschätzung gelangt, dass die Bündelung der Wahlentscheidung auf einen einzigen Wahltermin zu einer breiteren demokratischen Legitimation des gewählten Kandidaten führt, weil der Wahl im Vergleich zu einer Stichwahl regelmäßig eine höhere Wahlbeteiligung zugrunde liegt.

Dagegen ist aus verfassungsrechtlicher Sicht nichts zu erinnern. Der Gesetzgeber hat die Änderung im Wahlmodus für die Bürgermeister- und Landratswahlen sachlich begründet. Stützt sich der Gesetzgeber auf Einschätzungen und Prognosen, unterliegt die gesetzliche Regelung insoweit nur einer eingeschränkten verfassungsgerichtlichen Überprüfung. Der Verfassungsgerichtshof kann Einschätzungen und Prognosen über die sachliche Eignung und die Auswirkungen einer gesetzlichen Regelung nur dann beanstanden, wenn sie im Ansatz oder in der Methode offensichtlich fehlerhaft oder eindeutig widerlegbar sind (VerfGH NRW, Urteil vom 11.12.2007 - VerfGH 10/06 -, NWVBl. 2008, 223, 225; OVGE 47, 249, 254). Dafür ist hier nichts ersichtlich, zumal die Neuregelung in § 46 c Abs. 2 Satz 2 KWahlG NRW von einer weiteren Neuerung begleitet wird. Gemäß § 46 d Abs. 3 KWahlG NRW sind nunmehr gemeinsame Wahlvorschläge zulässig. Dadurch ermöglicht der Wahlgesetzgeber in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise eine Konzentration der Bewerberzahl und erhöht damit die Wahrscheinlichkeit, dass der Wahlsieger die absolute Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen auf sich vereinigt.

b) Die gesetzgeberische Begründung für die Regelung in § 46 c Abs. 2 Satz 2 KWahlG NRW verliert auch nicht deshalb an Tragfähigkeit, weil es infolge der Abkoppelung der Bürgermeister- und Landratswahlen von den Wahlen zu den Kommunalvertretungen zu einem weiterem Wahltermin kommt. Es ist aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber sich bei der Entscheidung für den Wegfall der Stichwahl unter Inblicknahme der Auswirkungen einer anderweitigen Gesetzesänderung auch davon leiten lässt, durch den Verzicht auf eine Stichwahl die Gesamtzahl an Wahlterminen nicht zu erhöhen. Er bewegt sich damit innerhalb des ihm bei der Wahlgesetzgebung eingeräumten Einschätzungs- und Gestaltungsspielraums.

c) § 46 c Abs. 2 Satz 2 KWahlG NRW erweist sich nicht mit Rücksicht auf § 46 c Abs. 2 Satz 4 KWahlG NRW als systemwidrig. Die den beiden Regelungen zugrunde liegenden Sachverhalte sind nicht vergleichbar. Die zusätzliche Sicherung, die § 46 c Abs. 2 Satz 4 KWahlG NRW für den Fall nur eines Wahlvorschlags vorsieht, beruht auf dem Umstand, dass es an einem Kandidatenwettbewerb fehlt. Dies birgt die Gefahr einer vergleichsweise geringen Mobilisierung der Wahlberechtigten. Um eine hinreichende demokratische Legitimation des Kandidaten sicherzustellen, verlangt § 46 c Abs. 2 Satz 4 KWahlG NRW ein bestimmtes Mindestquorum. Die Ausgangslage im Fall von § 46 c Abs. 2 Satz 2 KWahlG NRW ist demgegenüber eine gänzlich andere. Es treten mindestens zwei Bewerber gegeneinander an. Die damit gegebene Wettbewerbslage lässt eine Wahlbeteiligung in einer Größenordnung erwarten, die der Wahlentscheidung ein ausreichendes Legitimationsniveau vermittelt und daher den Verzicht auf ein Mindestquorum rechtfertigt.

2. § 46 c Abs. 2 Satz 2 KWahlG NRW verletzt weder den Grundsatz der Wahlgleichheit noch den Grundsatz der Chancengleichheit im politischen Wettbewerb. Allen Wählerstimmen kommt der gleiche Zählwert und dieselbe rechtliche Erfolgschance zu. In Bezug auf die politischen Parteien und Wählergruppen sowie ihre Wahlbewerber sind Gleichheitsgesichtspunkte durch die Festlegung einer Mehrheitsregel mit geringeren Anforderungen und den Wegfall der Stichwahl schon deshalb nicht berührt, weil hierbei weder rechtlich noch faktisch eine Differenzierung zwischen den verschiedenen Wahlbewerbern erfolgt. Alle haben dieselben Chancen, die relative Mehrheit zu erringen. Dass Wähler bei der Personenwahl mit nur einem Wahlgang dazu neigen mögen, "taktisch" zu wählen - das heißt ihre Stimmen nicht dem vermeintlich chancenlosen Wunschkandidaten zukommen zu lassen, sondern sie einem aus ihrer Sicht aussichtsreicheren Kandidaten zu geben -, ist eine generelle Folge der Mehrheitswahl, berührt aber nicht die Chancengleichheit unter den politischen Parteien, Wählergruppen und ihren Wahlbewerbern. Entsprechendes gilt, soweit politische Parteien und Wählergruppen im Hinblick auf ihrer Einschätzung nach geringe Erfolgschancen zugunsten eines gemeinsamen Wahlvorschlags (§ 46 d Abs. 3 KWahlG NRW) von der Aufstellung eines eigenen Kandidaten absehen. Wie bereits ausgeführt gebietet der Grundsatz der Chancengleichheit nicht, vorgegebene Unterschiede zwischen den konkurrierenden Bewerbern und Bewerbergruppen auszugleichen.

3. Danach verstößt § 46 c Abs. 2 Satz 2 KWahlG NRW auch nicht gegen den Grundsatz der unmittelbaren Wahl. Die Regelung gewährleistet ebenso wie der bisherige Wahlmodus, dass der Wähler vor dem Wahlakt erkennen kann, welche Personen sich zur Wahl stellen und wie sich die eigene Stimmabgabe auf Erfolg oder Misserfolg der Wahlbewerber auswirken kann.

4. Der Gesetzgeber ist allerdings gehalten, die Wahlverhältnisse daraufhin im Blick zu behalten, ob das bestehende Wahlsystem den erforderlichen Gehalt an demokratischer Legitimation auch zukünftig zu vermitteln vermag. Ändern sich die tatsächlichen oder normativen Grundlagen wesentlich, kann sich hinsichtlich der Zulässigkeit der Direktwahl der Bürgermeister und Landräte auf der Basis eines einzigen Wahlgangs mit relativer Mehrheit eine abweichende verfassungsrechtliche Beurteilung ergeben. Findet der Wahlgesetzgeber in diesem Sinne veränderte Umstände vor, muss er ihnen Rechnung tragen (vgl. BVerfGE 120, 82, 108).

Ende der Entscheidung

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