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Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 05.11.2007
Aktenzeichen: 1 A 10351/07.OVG
Rechtsgebiete: BauGB, BauNVO, GG, LBauO


Vorschriften:

BauGB § 1 Abs. 6 Nr. 11
BauGB § 1a Abs. 2 S. 1
BauGB § 34 Abs. 1
BauGB § 34 Abs. 1 S. 1
BauGB § 34 Abs. 3
BauGB § 35 Abs. 1
BauGB § 36 Abs. 2 S. 2
BauGB § 123 Abs. 3
BauNVO § 11 Abs. 3
BauNVO § 11 Abs. 3 S. 1 Hs. 2
BauNVO § 11 Abs. 3 S. 2
BauNVO § 11 Abs. 3 S. 3
BauNVO § 11 Abs. 3 S. 4
GG Art. 13 Abs. 1
GG Art. 28 Abs. 2
LBauO § 70 Abs. 1 S. 1
1) Ein zentraler Versorgungsbereich i.S. von § 34 Abs. 3 BauGB kann durch ein städtebauliches Entwicklungskonzept nach § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB in Gestalt eines Einzelhandels- oder Zentrenkonzepts festgelegt werden.

2) Zur Rechtsnatur eines städtebaulichen Entwicklungskonzepts

3) Schädliche Auswirkungen auf einen zentralen Versorgungsbereich i.S. von § 34 Abs. 3 BauGB sind bei großflächigen Einzelhandelsbetrieben i.d. Regel anzunehmen; insoweit kann auf die Regelungssystematik des § 11 Abs. 3 Sätze 2 bis 4 BauNVO zurückgegriffen werden.

4) Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Verpflichtung der Gemeinde, in Plangebieten nach § 30 Abs. 1 BauGB und bezüglich privilegierter Außenbereichsvorhaben ein zumutbares Erschließungsangebot anzunehmen, lässt sich grundsätzlich auf den unbeplanten Innenbereich nicht übertragen.


OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 A 10351/07.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Baurechts

hat der 1. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 5. November 2007, an der teilgenommen haben

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Zimmer Richter am Oberverwaltungsgericht Schneider Richter am Verwaltungsgericht Ermlich ehrenamtliche Richterin Kaufm. Angestellte Rast ehrenamtliche Richterin Mediengestalterin Oswald-Mutschler

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 28. September 2006 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die die Vollstreckung betreibenden Beteiligten zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt nach einem Bauherrenwechsel die Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung eines Lebensmitteleinzelhandelsbetriebs nebst PkwStellplätzen und Werbeanlagen.

Mit Bauantrag vom 10. März 2004, eingegangen bei der Beigeladenen am 17. März 2004, beantragte die Firma ... GmbH Co.KG die Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung eines Lebensmitteleinzelhandelsbetriebs nebst Pkw-Stellplätzen und Werbeanlagen auf dem im unbeplanten Innenbereich von Bad N... an der H... (B 266) gelegenen Grundstück H... bis ..., Flur ... Flurstücke ... und andere. Ausweislich der beigefügten Bauunterlagen sah der geplante Einzelhandelsmarkt eine Geschossfläche von 1511,47 m² bei einer Verkaufsfläche von etwa 832 m² vor.

Mit Schreiben vom 21. April 2004 forderte die Beigeladene die damalige Bauherrin u.a. zur Vorlage eines verkehrstechnischen Gutachtens auf, um das Vorhaben abschließend beurteilen zu können.

Im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens führte der beteiligte Landesbetrieb Straßen- und Verkehr in einer Stellungnahme an den Beklagten vom 28. April 2004 aus, dass vor einer abschließenden Entscheidung gebeten werde, im Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs auf der B 266 (H...) eine Linksabbiegerspur einplanen zu lassen, da die derzeitige Zufahrt zur Erschließung des Vorhabens nicht leistungsfähig sei. In einer weiteren Stellungnahme vom 17. Mai 2005 wiederholte der Landesbetrieb Straßen- und Verkehr seine Forderung nach Anlegung einer Linksabbiegespur.

Mit Schreiben vom 17. Juni 2005 kündigte der Beklagte gegenüber der damaligen Bauherrin die Ablehnung des Bauantrags mit der Begründung an, ohne die Herstellung der vom Landesbetrieb Straßen- und Verkehr geforderten Linksabbiegespur auf der H... sei eine ausreichende Erschließung nicht gesichert.

Unter dem 21. Juni 2005 erhob die damalige Bauherrin Untätigkeitsklage zum Verwaltungsgericht Koblenz (1 K 1084/05.KO) und legte in dem Verfahren einen Lageplan (24.01.2005) über eine Linksabbiegerspur vor, die sie in der mündlichen Verhandlung vom 17. November 2005 zurücknahm. Ausweislich der Sitzungsniederschrift war mit der Klagerücknahme nicht die Rücknahme des noch unbeschiedenen Bauantrags verbunden.

Bereits zuvor hatten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin eine Verkehrsuntersuchung zur Anbindung des geplanten Lebensmitteleinzelhandelsbetriebs an die Heerstraße in Auftrag gegeben. Das Gutachten der Ingenieurgesellschaft für Immissionsschutz, Schalltechnik und Umweltberatung mbH (isu) vom 31. Oktober 2005 kommt zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass die Zufahrt zum Parkplatz des geplanten Betriebes durch die geplante Linksabbiegerspur mit einer Aufstelllänge von ca. 10 m ohne Behinderung der bevorrechtigten Verkehrsströme möglich sei. Die Verkehrsuntersuchung wurde dem Beklagten am 3. November 2005 per e-mail zugeleitet.

Gestützt auf diese verkehrstechnische Untersuchung und klarstellend, dass Gegenstand des Bauantrages nicht nur die Errichtung des Einzelhandelsmarktes, sondern auch die verkehrstechnisch notwendige Herstellung der Linksabbiegerspur sei, beantragte die damalige Bauherrin beim Beklagten mit Schreiben vom 21. November 2005, dem Bauantragsverfahren Fortgang zu geben.

In einer erneuten Stellungnahme vom 12. Dezember 2005 wies der Landesbetrieb Straßen und Verkehr darauf hin, dass die übersandten Planunterlagen für die abschließende Beurteilung der straßenplanerischen Gesichtspunkte nicht ausreichten, und die Beigeladene verweigerte in der Bauausschusssitzung vom 10. Januar 2006 ihr Einvernehmen zu dem Bauvorhaben, weil dessen Erschließung nicht gesichert sei. Die Mitteilung über die Versagung des Einvernehmens ging dem Beklagten am 12. Januar 2006 zu.

Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 31. Januar 2006 der Bauantrag der damaligen Bauherrin mit der Begründung ab, die nach § 34 BauGB erforderliche Erschließung sei nicht gesichert. Die erforderliche Linksabbiegerspur auf der Heerstraße könne nicht realisiert werden, da die Beigeladene einen Grunderwerbs- bzw. Tauschvorschlag der damaligen Bauherrin abgelehnt habe. Es bestehe kein Anspruch auf Annahme dieses Erschließungsangebots durch die Beigeladene, da sich ein Vorhaben im unbeplanten Innenbereich grundsätzlich mit der vorgefundenen Erschließungssituation abfinden müsse.

Am 14. Februar 2006 erhob die damalige Bauherrin Widerspruch und zeigte zugleich einen Bauherrenwechsel von der Firma A... GmbH Co.KG auf die Klägerin an.

Am 5. April 2006 hat die Klägerin Untätigkeitsklage zum Verwaltungsgericht Koblenz erhoben, die durch Urteil vom 28. September 2006 abgewiesen wurde. Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht aus, der Erteilung der Baugenehmigung stehe die fehlende Erschließung des Vorhabens entgegen. Sie sei nicht gesichert, weil sich das Vorhaben nicht mit der vorhandenen Erschließungssituation vereinbaren lasse. Aufgrund der fachbehördlichen Stellungnahmen des Landesbetriebs Straßen und Verkehr sowie der Verkehrsuntersuchung der isu-GmbH stehe fest, dass das Vorhaben der Klägerin mit einer so starken Belastung der das Baugrundstück erschließenden H... einhergehe, dass sich die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs nur durch Schaffung einer Linksabbiegerspur gewährleisten lasse. Da sich Vorhaben im unbeplanten Innenbereich grundsätzlich mit der Erschließungsanlage abfinden müssten, die der jeweilige Innenbereich aufweise, sei damit die Erschließung nicht gesichert. Die Klägerin habe gegenüber der Beigeladenen auch keinen Anspruch auf Annahme eines Erschließungsangebots. Schließlich könne sich die Klägerin nicht auf die Rechtsprechung zu Erschließungsansprüchen in Bebauungsplangebieten und im Außenbereich berufen.

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Berufung trägt die Klägerin vor: Das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass die von ihr herangezogene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Ablehnung eines Erschließungsanspruchs im unbeplanten Innenbereich zu § 34 BBauG ergangen sei, der gegenüber § 34 BauGB einen anderen Wortlaut gehabt habe. § 34 BauGB entspreche hinsichtlich des Erschließungserfordernisses § 30 BauGB, wo ein Erschließungsanspruch anerkannt sei. Darüber hinaus sei in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt, dass auch im Außenbereich ein Erschließungsanspruch bestehen könne. Es bestehe für die Beigeladene kein vernünftiger Grund, ihr Erschließungsangebot abzulehnen. Zudem sei die Beigeladene in Bezug auf die durch die starke Zunahme des Durchgangsverkehrs bewirkte Veränderung der Erschließungssituation in der H... ihrer Planungspflicht nicht nachgekommen, sondern habe dergestalt reagiert, dass punktuell für einige Grundstückseigentümer eine besondere Grundstückszufahrt in Gestalt einer Linksabbiegerspur zugelassen worden bzw. auf jegliche verkehrstechnische Ertüchtigung verzichtet worden sei. Lediglich bei ihr sei diese veränderte Erschließungsform nicht zugelassen worden. Der Umstand, dass sich ihr Erschließungsangebot auf Flächen erstrecke, die im Eigentum der Beigeladenen stünden, stehe der Erteilung der Baugenehmigung nicht entgegen.

Das von der Beigeladenen aufgestellte "Einzelhandels- und Zentrenkonzept" könne ihrem Vorhaben nicht entgegen gehalten werden. Dies ergebe sich bereits aus dem Umstand, dass das Einvernehmen der Beigeladenen nach § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB wegen Verstreichens der 2-Monats-Frist fingiert worden sei. Dies habe zur Folge, dass das erst nach Eintritt der Fiktion aufgestellte "Einzelhandels- und Zentrenkonzept" Ihr Vorhaben nicht sperren könne. Darüber hinaus stelle es auch keine anderweitige Planungsabsicht der Gemeinde i.S. der Unzumutbarkeit eines Erschließungsangebotes dar. Denn anderweitige Planungsabsichten seien durch Bauleitpläne zu normieren und festzulegen. Nur die Plansicherungsinstrumente der §§ 14 ff. BauGB könnten einem Bauantrag zulässigerweise entgegengehalten werden, nicht hingegen ein "Einzelhandels- und Zentrenkonzept". Schließlich sei in einer Entfernung von 150 m an der H... der streitgegenständliche A...-Markt mittlerweile bauaufsichtlich zugelassen worden, was unter Berücksichtigung des "Einzelhandels- und Zentrenkonzept" nicht zulässig gewesen sei. Damit sei dieses Konzept bereits unterlaufen worden und könne daher keine Geltung beanspruchen.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 28. September 2006 und unter Aufhebung des Bescheids vom 31. Januar 2006 zu verpflichten, ihr die beantragte Baugenehmigung zur Errichtung eines Einzelhandelsbetriebs zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er bezieht sich zur Begründung auf die Ausführungen der Beigeladenen.

Die Beigeladene beantragt ebenfalls,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie macht im Wesentlichen geltend: Aus der gefestigten Rechtsprechung zum unbeplanten Innenbereich ergebe sich, dass ein Erschließungsangebot nicht angenommen werden müsse. Das vorliegende Angebot sei unzumutbar, da es in ihre Planungs- und Finanzhoheit eingreife. So sei zwischenzeitlich ein Einzelhandels- und Zentrenkonzept für ihr Gebiet erstellt worden, das die Grundlagen für eine Überplanung des Bereichs Heerstraße u.a. im Einklang mit dem städtebaulichen Ziel der Erhaltung zentraler Versorgungsbereiche schaffe. Dieses Konzept stehe auch der Ansiedlung eines großflächigen Einzelhandelsbetriebs entgegen, da dessen Ansiedlung schädliche Auswirkungen auf den zentralen Versorgungsbereich des als Kerngebiet ausgewiesenen innerstädtischen Zentrums erwarten lasse. Der geplante Standort an der H... liege nicht in einem zentralen Versorgungsbereich. Ferner sei mit dem Einzelhandels- und Zentrenkonzept beschlossen worden, die Heerstraße als weiteren Sonderstandort für großflächigen Einzelhandel mit nichtinnenstadtrelevanten Sortimenten zu entwickeln. Diesem Entwicklungsziel stehe die Ansiedlung eines Lebensmitteldiscounters entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten in den Gerichtsakten verwiesen. Dem Senat liegen 3 Hefte Verwaltungs- und Widerspruchsakten des Beklagten sowie die Gerichtsakte 1 K 1084/05.KO liegen dem Senat vor. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die vom Senat zugelassene Berufung ist unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung zur Errichtung eines Lebensmitteleinzelhandelsbetriebs nebst Pkw-Stellplätzen und Werbeanlagen.

Ausgangspunkt der rechtlichen Überlegungen ist § 70 Abs. 1 Satz 1 der Landesbauordnung - LBauO -. Nach dieser Vorschrift ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Vorhaben keine baurechtlichen oder sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen. Diese Voraussetzungen sind im vorliegend für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (vgl. auch OVG NW, Urteil vom 26. Juni 2003 - 10 A 372/00 -, juris) nicht erfüllt, denn das Vorhaben der Klägerin - das im unbeplanten Innenbereich von Bad N... verwirklicht werden soll - verstößt bereits gegen § 34 Abs. 3 BauGB (1). Darüber hinaus ist - wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat - die Erschließung des Vorhabens nicht gesichert (2).

(1) Nach § 34 Abs. 3 BauGB dürfen von Vorhaben nach (§ 34) Abs. 1 oder 2 keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein. Mit dieser Vorschrift, die durch Art. 1 Nr. 24 Buchst. b) des Gesetzes zur Anpassung des Baugesetzbuchs an EU-Richtlinien (Europarechtsanpassungsgesetz Bau - EAG Bau) vom 24. Juni 2004 (BGBL. I S. 1359) in das Baugesetzbuch eingefügt wurde, wollte der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung tragen, dass es auf der Ebene des § 34 BauGB Anwendungsdefizite in Bezug auf die Zulassung großflächer Einzelhandelsbetriebe gibt, die auf der Ebene der Bauleitplanung durch § 11 Abs. 3 BauNVO gesteuert werden kann (vgl. BT-DrS 15/2250, S. 54). Während im Bereich eines Bebauungsplans die Gemeinde über § 11 Abs. 3 BauNVO die Ansiedlung von großflächigen Einzelhandelsbetrieben an nicht integrierten Standorten, insbesondere Gewerbe- oder Industriegebieten, planerisch verhindern kann, fehlt ihr diese Möglichkeit, wenn ein solcher Betrieb in einem nach § 34 Abs. 1 BauGB zu beurteilenden Bereich errichtet werden soll, der bereits durch eine oder mehrere vergleichbare Anlagen (vor)geprägt ist. Denn in diesem Fall konnte - nach der vor dem Inkrafttreten des EAG Bau geltenden Rechtslage - der Genehmigung nicht entgegen gehalten werden, das Vorhaben füge sich wegen nachteiliger Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche nicht in die nähere Umgebung ein, denn solche "Fernwirkungen" waren im Rahmen von § 34 Abs. 1 BauGB nicht berücksichtigungsfähig (vgl. BT-DrS 15/2250, S. 54).

Wie sich aus dem Wortlaut des § 34 Abs. 3 BauGB ergibt, muss ein zentraler Versorgungsbereich vorhanden sein, auf den das Vorhaben schädliche Auswirkungen erwarten lässt. Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt.

Unter einem zentralen Versorgungsbereich versteht man räumlich abgrenzbare Bereiche einer Gemeinde, denen aufgrund vorhandener Einzelhandelsnutzungen - häufig ergänzt durch diverse Dienstleistungen und gastronomische Angebote - eine bestimmte Versorgungsfunktion für die Gemeinde zukommt. Er setzt mithin vorhandene Nutzungen voraus, die für die Versorgung der Einwohner der Gemeinde - gegebenenfalls auch nur eines Teils des Gemeindegebiets - insbesondere mit Waren aller Art von Bedeutung sind. Er ist zentral, wenn ihm die Bedeutung eines Zentrums für die Versorgung zukommt. Dies ist dann der Fall, wenn die Gesamtheit der auf eine Versorgung der Bevölkerung ausgerichteten baulichen Nutzungen in dem betreffenden Bereich aufgrund der verkehrsmäßigen Erschließung und verkehrlichen Anbindung die Funktion eines Zentrums mit einem bestimmten Einzugsbereich hat. Diese Funktion besteht darin, die Versorgung des Gemeindegebiets oder eines Teilbereichs umfassend oder eingeschränkt mit einem auf den Einzugsbereich abgestimmten Spektrum an Waren des kurz-, mittel- und langfristigen Bedarfs funktionsgerecht sicherzustellen (vgl. OVG NW, Urteile vom 11. Dezember 2006, BauR 2007, 845, 847, 848, und vom 13. Juni 2007 - 10 A 2439/06 -, juris).

Ein zentraler Versorgungsbereich kann sich insbesondere aus planerischen Festlegungen, namentlich aus Darstellungen und Feststellungen in Bauleitplänen oder aus Festlegungen in den Raumordnungsplänen, aber auch sonstigen planungsrechtlich nicht verbindlichen raumordnerischen und städtebaulichen Konzeptionen ergeben, nicht zuletzt auch aus nachvollziehbar eindeutigen tatsächlichen Verhältnissen (vgl. BT-DrS 15/2250, S. 54). Als sonstige städtebauliche Konzeption kommt insbesondere ein von der Gemeinde beschlossenes städtebauliches Entwicklungskonzept i.S. von § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB in Betracht, soweit dieses i.S. eines städtebaulichen Einzelhandelskonzeptes Aussagen über zentrale Versorgungsbereiche, i.d.R. auch einschließlich ihrer Sicherung und Entwicklung enthält (vgl. Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand: März 2007, § 34 Rdnr 85; Battis/Krautzberger/Löhr, 10. Auflage 2007, § 34 Rdnr 55).

Vorliegend hat die Beigeladene ein Einzelhandels- und Zentrenkonzept aufgestellt, welches am 27. November 2006 vom Stadtrat der Beigeladenen beschlossen wurde (vgl. 142 ff. der Gerichtsakten), und das den Anforderungen an ein städtebauliches Entwicklungskonzept i.S. von § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB genügt. In diesem Konzept hat die Beigeladene als Zentralen Versorgungsbereich u.a. den Hauptgeschäftsbereich B... definiert (vgl. S. 5 des Auszugs aus der Niederschrift über die Sitzung des Stadtrates der Beigeladenen vom 27. November 2006, Bl. 146 der Gerichtsakten) und dies u.A. mit der einzelhandelsgeprägten Nutzungsstruktur begründet, die im wesentlichen Waren des kurz- und mittelfristigen Bedarfs (12.190 m²/16.9820 m² Verkaufsfläche insgesamt) vorhält (vgl. S. 42, 45 des Konzepts, Bl. 175 Rs., 178 Rs. der Gerichtsakten. Diese Waren sind sämtlich Waren zentrenrelevanter Sortimentsgruppen, wie sie der Stadtrat der Beigeladenen festgelegt hat (vgl. Bl. 150 der Gerichtsakten). Auf diesen zentralen Versorgungsbereich kann sich das Hinzutreten eines Lebensmitteldiscounters, der mit ca. 830 m² Verkaufsfläche die Grenze zur Großflächigkeit überschreitet (vgl. BVerwG, Urteile vom 24. November 2005, NVwZ 2006, 452, 453, und NVwZ 2006, 455) und kostenlose Parkplätze vorhält, jedenfalls dann auswirken, wenn er wie das Vorhaben der Klägerin etwa 200 m Luftlinie von dem zentralen Versorgungsbereich entfernt ist.

Demgegenüber vermögen die Angriffe der Klägerin gegen das Einzelhandels- und Zentrenkonzept der Beigeladenen nicht durchzugreifen. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Argumentation, der Beigeladenen sei es im Hinblick auf das nach § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB fingierte Einvernehmen zu ihrem Vorhaben verwehrt, im Nachhinein durch die Aufstellung des Einzelhandels- und Zentrenkonzepts rechtliche Hürden aufzubauen. Zwar mag Einiges dafür sprechen, dass die Beigeladene ihr Einvernehmen nicht innerhalb von zwei Monaten nach Einreichung des (vollständigen) Bauantrags bei ihr gegenüber dem Beklagten verweigert hat, so dass die Fiktion des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB eingetreten ist. Das fingierte Einvernehmen der Gemeinde kann auch nicht mehr widerrufen oder zurückgenommen werden, hindert die Gemeinde aber bis zur Entscheidung über die Genehmigung nicht, gegenüber der Bauaufsichtsbehörde ihre Bedenken vorzubringen (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1996, NVwZ 1997, 900, 901). Darüber hinaus hindert ein fingiertes Einvernehmen die Gemeinde beispielsweise nicht, etwa eine Veränderungssperre zu erlassen (vgl. OVG Niedersachsen, Urteil vom 17. Dezember 1998, NVwZ 1999, 1001) oder in anderer Weise im Nachhinein planerisch tätig zu werden, etwa durch Aufstellung eines Bauleitplans oder aber durch Erarbeitung eines städtebaulichen Entwicklungskonzepts. Dies ist Ausfluss der durch Art. 28 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich geschützten Planungshoheit der Gemeinde, mit der eine Sperrwirkung durch ein fingiertes Einvernehmen in Bezug auf (künftige) Planungsabsichten der Gemeinde nicht vereinbar ist. Darüber hinaus übersieht die Klägerin, dass ein fingiertes Einvernehmen allenfalls die Beigeladene, nicht hingegen aber den Beklagten als Baugenehmigungsbehörde binden könnte. Denn im Falle der Erteilung des Einvernehmens - sei es ausdrücklich oder im Wege der Fiktion - hat die Genehmigungsbehörde über die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens abschließend zu entscheiden (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1996, a.a.O.), wobei sie hat dabei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung zugrunde zu legen hat.

Auch der Einwand der Klägerin, in einer Entfernung von etwa 150 m sei an der Heerstraße der zunächst für das Grundstück der Klägerin vorgesehene A...-Markt zugelassen worden, was unter Berücksichtigung des eigens dafür aufgestellten Einzelhandels- und Zentrenkonzepts der Beigeladenen nicht zulässig gewesen sei, vermag das Einzelhandels- und Zentrenkonzept der Beigeladenen nicht in Frage zu stellen. Denn die Zulassung dieses Marktes ist ausweislich der unbestrittenen Angaben der Beigeladenen in ihrem Schriftsatz vom 29. Oktober 2007 bereits vor der Verabschiedung des Konzeptes in den bestehenden Räumlichkeiten eines seit 1987 bestehenden Lebensmitteleinzelhandelsbetriebs erfolgt, so dass dieses Konzept einer Zulassung gar nicht entgegenstehen konnte. Gleiches gilt auch für die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angeführte Zulassung weiterer Einzelhandelsbetriebe entlang der Heerstraße, denn zum einen wurden diese nach den insoweit unwidersprochenen Angaben der Beigeladenen ebenfalls vor der Verabschiedung des Einzelhandels- und Zentrenkonzepts genehmigt. Zum anderen handelt es sich hierbei um Betriebe mit nichtzentrenrelevanten Sortimenten (Sanitärbedarf), die nach dem Zentrenkonzept der Beigeladenen gerade am Sonderstandort Heerstraße zulässig sein sollen (vgl. S. 131 des Konzepts, Bl. 220 der Gerichtsakten).

Durch das Vorhaben der Klägerin sind auch schädliche Auswirkungen auf den zentralen Versorgungsbereich "Hauptgeschäftsbereich Bad N..." zu erwarten.

Mit dem Begriff der "schädlichen Auswirkungen" will der Gesetzgeber diejenigen Auswirkungen erfassen, die auf den betreffenden Versorgungsbereich negativ einwirken, was namentlich dann der Fall sein soll, wenn sie seine Funktionsfähigkeit beachtlich beeinträchtigen (vgl. OVG NW, Urteil v. 11. Dezember 2006, a.a.O. S. 850). Dem Gesetzgeber kam es mit der Einfügung des Absatzes 3 in § 34 BauGB maßgeblich darauf an, bei Zulassungsentscheidungen nach § 34 BauGB über die nähere Umgebung hinausgehende Fernwirkungen namentlich im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO zu berücksichtigen; um die Gewährung von Schutz vor Konkurrenz geht es dagegen nicht (vgl. OVG NW, Urteil vom 17. Oktober 2007 - 10 A 3914/04 -, juris).

Das Gericht hat bei der Anwendung des § 34 Abs. 3 BauGB eine Prognoseentscheidung zu treffen. In diesem Rahmen sind alle Umstände des jeweiligen Einzelfalls in den Blick zu nehmen. Dazu zählt insbesondere die Größe des Vorhabens, d.h. seine Verkaufsfläche, deren Auswirkungen auf die im Versorgungsbereich vorhandene Verkaufsfläche derselben Branchen zu ermitteln sind. Daneben kann - insbesondere wenn es um die Zulassung großflächiger Einzelhandelsvorhaben geht - der voraussichtlichen Umsatzumverteilung Bedeutung zukommen. Des weiteren können bei der Ermittlung der Auswirkungen des in Rede stehenden Vorhabens auf den von ihm beeinflussten zentralen Versorgungsbereich die räumliche Entfernung des Vorhabens von dem Versorgungsbereich sowie alle weiteren im Einzelfall relevanten Umstände der konkreten städtebaulichen Situation eine Rolle spielen.

Handelt es sich bei dem Vorhaben um einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb, so kann zur Beurteilung der Frage, ob schädliche Auswirkungen zu erwarten sind, auf die Regelungssystematik des § 11 Abs. 3 Sätze 2 bis 4 BauNVO zurückgegriffen werden, denn insoweit liegt auf der Ebene des § 34 BauGB eine mit § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO vergleichbare Situation vor. Nach § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO gehören zu den Auswirkungen i.S. von § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO insbesondere Auswirkungen u.a. auf die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche durch einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb. Dies bedeutet jedoch nicht, dass schädliche Auswirkungen i.S. von § 34 Abs. 3 BauGB erst ab der Grenze der Großflächigkeit zu erwarten sind. Denn es ist auch denkbar, dass Einzelhandelsbetriebe unterhalb der Schwelle von 800 m² Verkaufsfläche etwa auf einen Nahversorgungsbereich derart intensiv einwirken können, dass eine beachtliche Störung der Funktionsfähigkeit zu erwarten ist (vgl. Söfker, a.a.O. § 34 Rndr. 86c; Battis/Krautzberger/Löhr, a.a.O § 34 Rdnr 54). Dementsprechend heißt es auch in der Begründung zum Entwurf des EAG Bau bezüglich des § 34 Abs. 3 BauGB, dass derartige Auswirkungen insbesondere von großflächigen Einzelhandelsbetrieben ausgehen können (vgl. BT-DrS 15/2250, S. 54). Jedenfalls aber dann, wenn ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb in einem räumlich- funktionalen Zusammenhang mit einem zentralen Versorgungsbereich steht, ist es gerechtfertigt, entsprechend § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO regelmäßig die Erwartung schädlicher Auswirkungen zu vermuten, es sei denn, es bestehen Anhaltspunkte dafür, dass trotz Großflächigkeit keine schädlichen Auswirkungen zu befürchten sind (vgl. auch § 11 Abs. 3 Satz 4 BauNVO).

Hiernach lässt das Vorhaben der Klägerin schädliche Auswirkungen auf den zentralen Versorgungsbereich "Hauptgeschäftsbereich Bad N..." erwarten. Denn bei dem Vorhaben der Klägerin handelt es sich um einen Lebensmitteleinzelhandelsbetrieb, der mit einer Verkaufsfläche von ca. 830 m² die Grenze zur Großflächigkeit überschreitet, so dass vorliegend die Regelvermutung des § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO greift. Anhaltspunkte dafür, dass trotz der Großflächigkeit des Vorhabens der Klägerin schädliche Auswirkungen auf den zentralen Versorgungsbereich nicht auftreten werden, sind weder ersichtlich noch von der Klägerin vorgetragen.

Nach alledem steht bereits § 34 Abs. 3 BauGB der Zulassung des Vorhabens der Klägerin entgegen.

(2) Das Vorhaben der Klägerin kann aber auch deshalb nicht zugelassen werden, weil dessen Erschließung nicht gesichert ist.

Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist u.a. Voraussetzung für die Zulassung eines Vorhabens im unbeplanten Innenbereich, dass die Erschließung gesichert ist. § 34 Abs. 1 enthält - wie §§ 30, 33 und 35 - keine rechtsnormativen Konkretisierungen der Anforderungen an die gesicherte Erschließung. Diese ergeben sich daher aus der jeweiligen Innenbereichssituation und den konkreten Anforderungen des jeweiligen Vorhabens und Baugrundstücks (vgl. Söfker, a.a.O. § 34 Rdnr 65). Anders als bei § 30 BauGB, wo der Umfang der Erschließungsanlagen häufig durch Festsetzungen des Bebauungsplans vorgegeben sind, ist bei § 34 BauGB grundsätzlich die Erschließungssituation maßgeblich, die der jeweilige Innenbereich aufweist (vgl. Battis/Krautzberger/Löhr, a.a.O. § 30 Rdnr 22). Hieraus folgt, dass im unbeplanten Innenbereich im Hinblick auf die Erschließung nur solche Vorhaben zulässig sind, die sich mit der vorhandenen Erschließung abfinden können (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. November 1979, BRS 35 Nr. 100; Urteil vom 19. September 1986, NVwZ 1987, 406, 407). Hieraus folgt, dass die Erschließung dann nicht gesichert ist, wenn beispielsweise das Vorhaben mit einer so starken Belastung der das Baugrundstück erschließenden Straße einhergeht, dass sich die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs nur durch zusätzliche Erschließungsmaßnahmen wie eine Straßenverbreiterung oder die Schaffung von Einfädelungsspuren gewährleisten lässt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. April 2000, BRS 63 Nr. 103).

Hiernach ist die Erschließung des Vorhabens der Klägerin nicht i.S. von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB gesichert. Das Grundstück, auf dem das Vorhaben der Klägerin verwirklicht werden soll, wird über die H... erschlossen, die als Bundesstraße (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 FStrG) klassifiziert ist. Ausweislich der im Baugenehmigungsverfahren eingeholten Stellungnahmen des Landesbetriebs Straßen und Verkehr vom 28. April 2004 (vgl. Bl. 99 der Bauakten), 17. Mai 2005 (vgl. Bl. 131 der Bauakten) und 15. September 2005 (vgl. Bl. 225 der Bauakten) ist die Zufahrt zu dem geplanten Markt aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens auf der Heerstraße und der zu erwartenden Zufahrtsfrequentierung zu dem Markt ohne Einrichtung einer Linksabbiegespur nicht verkehrsgerecht (vgl. Stellungnahme vom 17. Mai 2005, a.a.O.). Der Landesbetrieb Straßen und Verkehr begründet dies damit, dass ausgehend von einem durchschnittlichen Verkehrswert der Heerstraße von 15929 KFZ/24 h ein maßgeblicher stündlicher Verkehr (MSV) für die Richtung, aus der links abgebogen wird, von rund 800 KFZ anzunehmen ist. Aus der Tabelle 8 der "Richtlinien für die Anlagen von Straßen, Teil: Knotenpunkte, Abschnitt 1: Plangleiche Knotenpunkte" - RAS-K-1 - (vgl. 194 ff., 201 der Bauakten) ergibt sich, dass ab einem MSV von 400 KFZ ein Linksabbiegestreifen mit Aufstellbereich entsprechend Bild 16 Nr. 3 (vgl. Bl. 200 der Bauakten) erforderlich ist (vgl. Stellungnahme vom 15. September 2005, a.a.O.). Zweifel an der Richtigkeit dieser fachbehördlichen Stellungnahme sind von der Klägerin nicht geltend gemacht worden; der Senat sieht keine Veranlassung, hier zusätzliche Ermittlungen anzustellen. Eine nach alledem erforderliche Linksabbiegespur ist bislang nicht vorhanden.

Die Klägerin kann eine ausreichende Erschließung ihres Grundstücks auch nicht mit der Begründung geltend machen, sie habe der Beigeladenen einen Grunderwerbs- bzw. Tauschvorschlag bezüglich der zur Herstellung einer Linksabbiegespur benötigten Grundflächen gemacht, den diese abgelehnt habe. Soweit sie hierzu auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Annahme eines Erschließungsangebots bei privilegierten Außenbereichsvorhaben (vgl. Urteil vom 30. August 1985, NVwZ 1986, 38) verweist, kann diese nicht unbesehen auf die Frage der Erschließung im unbeplanten Innenbereich übertragen werden.

Nach § 123 Abs. 3 BauGB besteht kein Rechtsanspruch auf Erschließung. Damit soll jedoch lediglich ausgedrückt werden, dass die Erschließung grundsätzlich einem Ausbauprogramm der Gemeinde und damit einer ordnungsgemäßen und wirtschaftlichen Haushaltsführung und nicht Wünschen oder Forderungen Einzelner folgen soll (vgl. Battis/Krautzberger/Löhr, a.a.O. § 123 Rdnr 4). Die in der Erschließungslast der Gemeinde zum Ausdruck kommende allgemeine Erschließungspflicht kann sich aber zu einer aktuellen Erschließungspflicht verdichten; in einem solchen Ausnahmefall kann auch ein Anspruch Dritter auf Herstellung bestimmter Erschließungsanlagen zu bejahen sein. Hat die Gemeinde etwa einen qualifizierten Bebauungsplan erlassen und dadurch eine gewisse, wenn auch zeitlich hinausgeschobene Verdichtung ihrer Erschließungspflicht bewirkt, so kann diese Erschließungspflicht durch das zumutbare Angebot eines Dritten, die Erschließung auf der Grundlage eines Erschließungsvertrags selbst herbeizuführen, aktualisiert werden. Denn im Bereich eines qualifizierten Bebauungsplans nach § 30 Abs. 1 BauGB ist die Gemeinde gehalten, alles zu tun, um die Rechtswirkungen des § 30 Abs. 1 BauGB in vollem Umfang eintreten zu lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. September 1976, BRS 37 Nr. 6); dies schließt es aus, die Verwirklichung des Bebauungsplans durch Unterlassen der Erschließung zu unterlaufen. Auch bezüglich privilegierter Vorhaben im Außenbereich hat das Bundesverwaltungsgericht (vgl. Urteil vom 30. August 1985, a.a.O.) eine Pflicht zur Annahme eines Erschließungsangebots mit der Begründung angenommen, der Gesetzgeber lasse privilegierte Vorhaben - wenn nicht öffentliche Belange entgegenstehen - im Außenbereich gerade bevorzugt zu. Diese Intention des Gesetzes dürfe die Gemeinde nicht durch die Verhinderung einer ausreichenden Erschließung unterlaufen.

Im Gegensatz zu den vorgenannten Fallkonstellationen, in denen die Verpflichtung zur Annahme eines zumutbaren Erschließungsangebots bejaht wurde, hat die Rechtsprechung eine Verpflichtung zur Annahme eines Erschließungsangebots im unbeplanten Innenbereich bislang abgelehnt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Januar 1977, Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 59; Bayerischer VGH, Beschluss vom 24. August 2005 - 2 ZB 05.1849 -, juris). Im unbeplanten Innenbereich obliegt es der Gemeinde, wie sie ihrer für das gesamte Gemeindegebiet bestehenden (allgemeinen) Erschließungspflicht nachkommen will. Dies hat zur Folge, dass sie Erschließungsangebote Dritter ablehnen darf, wenn sie den Ausbau bestimmter Straßenabschnitte - aus welchen Gründen auch immer - nicht wünscht (vgl. OVG NW, Urteil vom 16. März 1979, BRS 35 Nr. 45). Insbesondere kann die Gemeinde vor dem Hintergrund ihrer Plaungshoheit ein berechtigtes städtebauliches Interesse an der unveränderten Beibehaltung einer vorhandenen Erschließungssituation haben (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 24. August 2005, a.a.O.).

Soweit demgegenüber in Teilen der Literatur (Söfker, a.a.O. § 34 Rdnr 65; Dürr in Brügelmann, BauGB, Bd. 2, Stand: Juni 2007, § 34 Rdnr 76; Schröter, BauGB, 6. Auflage 1998, § 34 Rdnr 46; Bosch, Die verkehrsmäßige Erschließung von Großvorhaben, BauR 1998, 276, 278, 279; Reidt in: Gelzer/Birk, Bauplanungsrecht, 6. Auflage 2001, Rdnr. 1308) auch in den Fällen des § 34 BauGB eine Verpflichtung der Gemeinde zur Annahme eines zumutbaren Verpflichtungsangebots mit der Begründung angenommen wird, der Gesetzgeber habe - ebenso wie bei privilegierten Vorhaben i.S. von § 35 Abs. 1 BauGB - auch im unbeplanten Innenbereich für grundsätzlich zulässig erklärt, überzeugt diese Auffassung nicht. So ist bereits fraglich, ob die bauplanungsrechtliche Situation, die der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Erschließungsangebot bei privilegierten Außenbereichsvorhaben (a.a.O.) zugrunde liegt, tatsächlich mit derjenigen im unbeplanten Innenbereich vergleichbar ist. Denn privilegierte Vorhaben i.S. von § 35 Abs. 1 BauGB hat der Gesetzgeber unter bewusster Abweichung von dem Grundsatz, der Außenbereich solle grundsätzlich von Bebauung freigehalten werden, wegen ihrer besonderen Zweckbestimmung bevorzugt dem Außenbereich zugewiesen. Damit ist aber die Situation des unbeplanten Innenbereichs nicht vergleichbar, denn dieser stellt gleichsam den Regelfall einer bereits hinreichend verfestigten Bebauung von einigem Gewicht dar, die gerade auch unter dem Grundsatz des schonenden Umgangs mit Grund und Boden (§ 1 a Abs. 2 Satz 1 BauGB) regelmäßig einer Bebauung zugänglich sein soll. Insbesondere ist im Unterschied zu § 35 Abs. 1 BauGB dem unbeplanten Innenbereich eine bestimmte Bebauung gerade nicht wegen ihrer besonderen Zweckbestimmung bevorzugt zugewiesen. Hinzu kommt, dass Innenbereichsgrundstücke - anders als oftmals Grundstücke im Außenbereich - regelmäßig erschlossen sind und daher unter den Voraussetzungen des § 34 BauGB grundsätzlich bebaut werden können. Insofern würde durch die Ablehnung eines Erschließungsangebotes der Gesetzeszweck des § 34 BauGB nicht unterlaufen werden, denn eine Bebaubarkeit bzw. Nutzbarkeit der Grundstücke im Rahmen der vorhandenen Erschließungsmöglichkeiten - und dies ist auch unter dem Blickwinkel von Art. 14 Abs. 1 GG ausreichend - bleibt bestehen.

Auch die bauplanungsrechtliche Situation im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplanes lässt sich mit der vorliegenden Fallgestaltung nicht vergleichen. Denn im Unterschied zum unbeplanten Innenbereich liegt im Falle eines qualifizierten Bebauungsplans eine ausdrückliche planerische Entscheidung der Gemeinde vor, das Plangebiet in einer bestimmten Art und Weise baulich nutzbar zu machen. Vor diesem Hintergrund hat das Bundesverwaltungsgericht die Verpflichtung einer Gemeinde zur Annahme eines zumutbaren Erschleißungsangebots mit der Begründung angenommen, dass eine Gemeinde, die einen qualifizierten Bebauungsplan erlassen und damit die sich aus § 30 BauGB ergebende Sperrwirkung des Planes in Anspruch genommen hat, nicht zugleich die andere Wirkung des § 30 BauGB - dass er nämlich Vorhaben nicht nur ausschließt, sondern auch (und vor allem) zulässt - nicht wollen und deshalb zu verhindern suchen kann. Daher ist die Gemeinde vielmehr im Gegenteil gehalten, alles zu tun, um die Rechtswirkungen des § 30 BauGB im vollen Umfang eintreten zu lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. September 1976, a.a.O.). Dies überzeugt schon deshalb, weil ansonsten der Bebauungsplan nicht umsetzbar und damit nicht erforderlich i.S. von § 1 Abs. 3 BauGB wäre.

Der Senat verkennt zwar nicht, dass es Fälle geben kann, in denen die Gemeinde auch im unbeplanten Innenbereich gehalten ist, ein zumutbares Erschließungsangebot anzunehmen, etwa dann, wenn sich die Ablehnung vor dem Hintergrund einer andersartigen Verwaltungspraxis als willkürlich darstellen würde. In diesem Zusammenhang ist der Vortrag der Klägerin von Bedeutung, wonach die Beigeladene punktuell für einige Grundstückseigentümer der Schaffung einer Linksabbiegespur auf der H... zugestimmt bzw. an anderer Stelle auf jegliche Ertüchtigung für verkehrsstarke Grundstücksnutzungen verzichtet habe, während man bei ihr die veränderte Erschließungsform nicht zugelassen habe (vgl. S. 3 des Schriftsatzes vom 23. April 2007, Bl. 132 der Gerichtsakten). Insofern lassen sich jedenfalls vor Verabschiedung des Einzelhandels- und Zentrenkonzepts nachvollziehbare Gründe für die Ablehnung des Erschließungsangebots durch die Beigeladene nur schwerlich erkennen. Mit dem Einzelhandels- und Zentrenkonzept kann sich die Beigeladene aber nunmehr auf hinreichend gewichtige städtebauliche Gründe - nämlich den Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben mit zentrenrelevantem Hauptsortiment am Standort H... (vgl. S. 147 des Konzepts, Bl. 228 der Gerichtsakten) zum Schutz des zentralen Versorgungsbereichs "Hauptgeschäftsbereich Bad N..." - berufen, die eine Ablehnung des Erschließungsangebots rechtfertigen. Entgegen der Auffassung der Klägerin stellt das Einzelhandels- und Zentrenkonzept der Beigeladenen auch eine insoweit berücksichtigungsfähige Planungsabsicht dar. Denn der Grundsatz der Planmäßigkeit der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung schließt nicht aus, dass sich die Gemeinde, soweit sie dies für erforderlich hält, anderer planerischer Formen bedient, wie z. B. städtebaulicher Rahmenpläne, städtebauliche Entwicklungskonzepte, Sanierungskonzepte, Stadtteilentwicklungspläne. Solche Planungen haben in der städtebaulichen Praxis u. a. die Funktion der Konkretisierung allgemeiner oder übergreifender gemeindlicher Entwicklungsvorstellungen, der Vorbereitung der gemeindlichen Willensbildung oder der Integration unmittelbar städtebaulicher mit z. B. sozialen, wirtschaftlichen, stadtgestalterischen und denkmalpflegerischen Vorstellungen. Abs. 6 Nr. 11 hebt sie als für die Abwägung relevante Belange ebenso hervor wie § 140 Nr. 4 für die Sanierungsplanung (vgl. Battis/Krautzbeger/Löhr, a.a.O: § 1 Rdnr. 21). Städtebauliche Entwicklungskonzepte sind informelle Planungen, die in der Regel bestimmte städtebauliche Anliegen im Rahmen eines zusammenhängenden Konzepts befolgen. Ihre Bedeutung liegt im Wesentlichen in der Vorbereitung formeller Planungen oder Maßnahmen i.S. des Baugesetzbuchs, aber auch in der Steuerung von städtebaulichen Maßnahmen sowie in der internen Bindungswirkung, z. B. hinsichtlich des Erfordernisses der Bauleitplanung, der Erneuerungsziele, der städtebaulichen Leitvorstellungen etc. (vgl. Battis/Krautzberger/Löhr, a.a.O. § 1 Rdnr. 78). Sie stellen somit städtebauliche Planungen unterhalb der Ebene der Bauleitplanung dar.

Da nach alledem die Beigeladene nicht gehalten war, das Erschließungsangebot der Klägerin anzunehmen, ist eine (ausreichende) Erschließung des Baugrundstücks nicht gesichert.

Die Berufung der Klägerin war daher mit der Kostenfolge aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V. mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe der in § 132 VwGO bezeichneten Art nicht vorliegen.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren und zugleich für das Verfahren erster Instanz ausgehend von einer Verkaufsfläche von 830 m² auf 124.500,-- € festgesetzt (§§ 63 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1, 52 Abs. 1 GKG i.V. mit Ziffer 9.1.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit [NVwZ 2004, 1327 ff.]).

Ende der Entscheidung

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