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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 05.01.2006
Aktenzeichen: 1 A 10845/05.OVG
Rechtsgebiete: LBauO, BauGB


Vorschriften:

LBauO § 8
LBauO § 8 Abs. 6
LBauO § 8 Abs. 10
LBauO § 8 Abs. 10 Satz 2
LBauO § 3
LBauO § 3 Abs. 1
LBauO § 3 Abs. 3
BauGB § 35
BauGB § 35 Abs. 3
1. Für die Entscheidung, ob bei Windkraftanlagen gemäß § 8 Abs. 10 Satz 2 LBauO eine - geringere - Tiefe der Abstandsfläche bis zu 0,25 H zugelassen werden kann, kommt es auf eine von der geplanten Windkraftanlage eventuell ausgehende Eiswurfgefahr nicht an, weil die Abstandsflächenregelungen des § 8 LBauO nicht geeignet sind, einer derartigen Gefahr zu begegnen, und deshalb eine entsprechende - nachbarschützende - Zielsetzung nicht verfolgen.

2. Einer im konkreten Einzelfall anzunehmenden Gefährdung ist vielmehr durch Schutzeinrichtungen oder -maßnahmen regelnde Nebenbestimmungen in der Baugenehmigung auf der Grundlage des § 3 Abs. 1 LBauO Rechnung zu tragen (vgl. VV des Ministeriums der Finanzen vom 15. Oktober 2004 "Einführung von technischen Regeln als Technische Baubestimmungen", MinBl. 2004, 374 ff., 396).


OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 A 10845/05.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Baugenehmigung

hat der 1. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 5. Januar 2006, an der teilgenommen haben

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Nickenig Richter am Oberverwaltungsgericht Kappes-Olzien Richter am Oberverwaltungsgericht Schneider ehrenamtliche Richterin Mediengestalterin Oswald-Mutschler ehrenamtlicher Richter selbst.Kaufmann Knödler

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beigeladenen gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 14. Februar 2005 wird zurückgewiesen.

Die Beigeladene trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Beigeladene kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerinnen zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerinnen wenden sich gegen die Erteilung einer Baugenehmigung für zwei Windkraftanlagen der Beigeladenen und insbesondere dagegen, dass die Baugenehmigung ihrer Ansicht nach keine ausreichende Sicherung gegen eine von den Windkraftanlagen ausgehende Eiswurfgefahr bezüglich ihrer Grundstücke regelt.

Die Klägerin zu 1) ist Inhaberin eines Betriebes, der Weihnachtsbaumkulturen sowie Schnittgrün in der Gemarkung H., Flur ... auf den Parzellen ..., ... und ... anbaut. Diese Flächen sind von ihrer Mutter, der Klägerin zu 2), angepachtet. Jeweils unmittelbar angrenzend oder durch einen Weg getrennt liegen die Parzellen ... und .. sowie ... und .... Die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen beantragte im Mai 2003 die Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung von zwei Windkraftanlagen auf diesen Grundstücken. Die Windkraftanlage 1 soll auf den Parzellen ... und ... errichtet werden und eine Nabenhöhe von 61,40 m sowie einen Rotorradius von 38,50 m haben. Die Windkraftanlage 2 soll auf den Parzellen ... und ... errichtet werden mit einer Nabenhöhe von 85 m und einem Rotorradius von 38,50 m. Die den Bauantragsunterlagen bezüglich beider Windkraftanlagen jeweils beigefügte "Allgemeine Beschreibung Windenergieanlage GE Wind Energy 1.5 SL" enthält keine Aussagen zu eventuellen Schutzeinrichtungen gegen eine Gefährdung durch Eiswurf.

Am 2. Dezember 2003 erteilte der Beklagte der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung. Regelungen zum Schutz benachbarter Grundstücke vor Eiswurf enthält die Genehmigung nicht. Die Klägerinnen, denen die Genehmigung nicht förmlich bekannt gemacht worden war, legten hiergegen am 5. Februar 2004 Widerspruch ein, zu dessen Begründung sie auf die Nichteinhaltung der nach § 8 LBauO erforderlichen Abstandsfläche zur Parzelle ... durch die Windkraftanlage 2 und auf eine Gefährdung durch Eiswurf hinwiesen. Auf ihren Parzellen seien nämlich Weihnachtsbaumkulturen angelegt, die insbesondere während der frostgefährdeten Zeit betreten würden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Juli 2004 wies der Kreisrechtsausschuss des Beklagten den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, nachbarliche Rechte der Klägerinnen würden durch die erteilte Baugenehmigung nicht verletzt. Das gelte zunächst für die Einhaltung der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen. Nach den eingereichten Genehmigungsunterlagen seien diese eingehalten. Die gemäß § 3 Abs. 3 LBauO ergangene technische Baubestimmung regele, dass geeignete betriebliche bzw. mess- und regeltechnische Einrichtungen zu treffen oder ausreichend große Abstände einzuhalten seien. Die Bauherrin beabsichtige hier technische Maßnahmen zum Schutz gegen die Eiswurfgefahr. Eine fehlende hundertprozentige Erfolgsgarantie der Hersteller, dass kein Eiswurf stattfinde, führe nicht zur Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung. Außerdem sei § 3 LBauO nicht nachbarschützend. Immissionsschutzrechtlich sei die Baugenehmigung nicht zu beanstanden, da zu den von dem Bundesimmissionsschutzgesetz erfassten Einwirkungen Eiswurf nicht zähle. Auch das in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB verankerte Gebot der Rücksichtnahme sei zulasten der Klägerinnen nicht verletzt. Die Klägerinnen hätten zudem keine schutzwürdige Stellung, da sie ihr Einverständnis zu einer von dem Ehemann der Klägerin zu 1) beabsichtigten Windkraftanlage in der Weihnachtsbaumkultur erklärt hätten, von der die gleichen Auswirkungen ausgehen könnten wie von den genehmigten Anlagen. Ihr Verhalten sei deshalb widersprüchlich. Gefahren für Spaziergänger, Land- oder Forstarbeiter könnten niemals gänzlich ausgeschlossen werden. Jede bauliche Anlage berge theoretisch Risiken.

Zur Begründung ihrer hiergegen rechtzeitig erhobenen Klage haben die Klägerinnen ihr bisheriges Vorbringen vertieft und insbesondere auf Presseberichte über Eiswurf von Windkraftanlagen verwiesen. Weiter haben sie ausgeführt, Weihnachtsbaumkulturen würden während der frostgefährdeten Zeit von Oktober bis März bearbeitet. Von Oktober bis Weihnachten sei nämlich Erntezeit. Es sei auch keineswegs so, dass die genehmigten Windkraftanlagen technische Einrichtungen besäßen, die eine Eiswurfgefahr ausschließen könnten. Die bei dem Anlagentyp vorhandenen genügten dazu nicht. Der Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme könne die von dem Ehemann der Klägerin zu 1) beantragte Baugenehmigung für eine Windkraftanlage nicht entgegengehalten werden. Der Bauantrag sei nämlich nicht weiter verfolgt worden.

Das Verwaltungsgericht Koblenz hat die angefochtene Baugenehmigung durch Urteil vom 14. Februar 2005 aufgehoben und zur Begründung ausgeführt, die Klage sei zulässig, weil sich die Klägerin zu 2) auf eine mögliche Verletzung des § 8 LBauO sowie auf die Verletzung des Rücksichtnahmegebots berufen könne und die Klägerin zu 1) auf eine mögliche Verletzung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 GG. Die Klage sei begründet, weil die Genehmigung der Windkraftanlage 2 gegen § 8 LBauO verstoße. Sie halte nämlich die Abstandsfläche von 0,4 H gemäß § 8 Abs. 6 Satz 1 LBauO nicht ein. Zwar könne gemäß § 8 Abs. 10 Satz 2 LBauO bei Windkraftanlagen in nicht bebauten Gebieten eine Abstandsfläche bis 0,25 H zugelassen werden. Dabei handele es sich aber nicht um eine gebundene Entscheidung. Vielmehr stehe sie im Ermessen der Baubehörde. Diese habe hier das Ermessen, bei dem die nachbarlichen Belange zu berücksichtigen seien, nicht sachgerecht ausgeübt. Es sei nämlich zu beachten gewesen, dass eine Weihnachtsbaumkultur kein typischer Fall einer Landwirtschaft im Sinne der Vorschrift und der Ziffer IV 2.2 der WEA-Hinweise vom 19. Februar 1999 sei, welcher eine Unterschreitung des Wertes von 0,4 H ohne weiteres rechtfertige. Außerdem sei in diesem Zusammenhang die potentielle Eiswurfgefahr aufgrund der Höhenlage des jeweiligen Standortes der Anlage von ca. 420 m bis 430 m über NN zu berücksichtigen gewesen. Ferner verstoße die Baugenehmigung bezüglich beider Windkraftanlagen gegen das Gebot der Rücksichtnahme gegenüber der Klägerin zu 2). Das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme auf schutzwürdige Individualinteressen sei ein öffentlicher Belang i.S. des § 35 Abs. 3 BauGB. Es gehe über das hinaus, was in § 35 Abs. 3 Satz 1 Ziff. 3 BauGB durch den Begriff der "schädlichen Umwelteinwirkungen" erfasst werde. Es betreffe auch sonstige nachteilige Wirkungen eines Vorhabens. Insoweit sei auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles abzustellen. Maßgebend seien dabei u.a. Art und Ausmaß der schutzwürdigen Stellung des Rücksichtnahmebegünstigten einerseits und die schutzwürdigen Interessen des Bauherrn andererseits, die abzuwägen seien. Hier komme der Klägerin zu 2) im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung eine schutzwürdige Rechtsposition zu. Es sei des Weiteren davon auszugehen, dass vorliegend tatsächlich eine Gefahr des Eisabwurfes beim Betrieb der genehmigten Anlagen bestehe, was ausreichende Schutzvorkehrungen gebiete. Der Standort der Vorhaben liege in einem eisgefährdeten Gebiet. In einer derartigen Situation bestehe die grundsätzliche Gefahr des Eisabwurfes von den Rotorblättern. Das ergebe sich daraus, dass es in der Vergangenheit zu Eisabwürfen gekommen sei, wie durch Presseveröffentlichungen belegt sei. Die Möglichkeit von Eisabwürfen zeige sich auch in der baubehördlichen Praxis, in der zum Teil Herstellernachweise gefordert würden, dass die Anlagen mit einer Abschaltautomatik bei Eisansatz ausgestattet seien, wobei auch ausdrückliche Auflagen zu einer entsprechenden Ausrüstung von Windkraftanlagen erfolgt seien. Die zu § 3 LBauO ergangene technische Baubestimmung bezüglich Windkraftanlagen gehe ebenfalls von einer entsprechenden, grundsätzlich bestehenden Gefahrenlage aus, wie sich aus der Ziffer 5 der Richtlinie ergebe. Die Eiswurfproblematik sei ferner ein möglicher abwägungserheblicher Belang bei der Aufstellung von Bebauungsplänen. Die Klägerin zu 2) gehöre erkennbar zu den durch das Gebot der Rücksichtnahme Begünstigten, weil ihre Grundstücke in einer solchen Nähe zu den genehmigten Windkraftanlagen lägen, dass eine mögliche Gefährdung durch Eisabwurf in Betracht komme. Deshalb seien zu ihren Gunsten Schutzvorkehrungen gegen möglichen Eiswurf notwendig. Dem stehe die grundsätzliche Privilegierung der Anlagen nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB nicht entgegen. Die Baugenehmigung vom 2. Dezember 2003 enthalte jedoch keine ausdrückliche Schutzauflage, welche der Gefahr von Eisabwurf begegnen solle. Ein ausreichender Schutz ergebe sich ebenfalls nicht aus den Anlagen zur Baugenehmigung. Auch der Hinweis des Beklagten und der Beigeladenen, dass die genehmigten Vorhaben ausweislich des nicht vorliegenden Typenberichts mit Vibrationssensoren versehen seien, führe zu keinem anderen Ergebnis. Dabei handele es sich lediglich um eine Schutzvorkehrung gegen eine mögliche Beschädigung der Windkraftanlagen durch Vibrationen, die bei Unwuchten entstehen könnten. Daran fehle es aber bei einer gleichmäßigen Vereisung der Rotoren. Die Baugenehmigung verletze die Klägerin zu 1) in ihrem Recht auf körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 GG. Aus dem Schutzbereich dieser Vorschrift ergebe sich für den Staat die Pflicht, sich durch geeignete Maßnahmen schützend vor den Einzelnen zu stellen, wenn für diesen die Gefahr einer Schädigung der körperlichen Unversehrtheit bestehe. Der Beklagte habe seine Schutzpflicht gegenüber der Klägerin zu 1) nicht in ausreichendem Maße erfüllt. Diese betreibe nämlich in unmittelbarer Nähe zu den genehmigten Windkraftanlagen Weihnachtsbaumkulturen und halte sich daher gerade zur eisabwurfgefährdeten Jahreszeit typischerweise auf den Grundstücken auf. Sie sei deshalb einer erkennbar stärkeren Gefährdung ausgesetzt als sonstige Drittbetroffene.

Zur Begründung der durch Beschluss vom 22. Juli 2005 zugelassenen Berufung trägt die Beigeladene vor: Ein Verstoß gegen § 8 LBauO liege nicht vor. Die Berücksichtigung einer Abstandsfläche von 0,25 H orientiere sich an dem gemeinsamen Rundschreiben der Ministerien. Soweit darin eine landwirtschaftliche Nutzung benachbarter Flächen angesprochen werde, sei darunter auch die Weihnachtsbaumkultur der Klägerin zu verstehen. Windkraftanlagen seien zudem auch in Waldgebieten zulässig. Die Tatsache, dass in Weihnachtsbaumkulturen gerade in der Winterzeit gearbeitet werde, stelle keine Besonderheit dar, da bei anderen landwirtschaftlichen Nutzungen ebenfalls Arbeiten in diesem Zeitraum stattfänden. Gegen eine potentielle Gefährdung der Weihnachtsbaumkultur spreche außerdem, dass der Ehemann der Klägerin zu 1) einen entsprechenden Baugenehmigungsantrag für ein solches Vorhaben angrenzend an die Weihnachtsbaumkultur gestellt habe. Es gebe keine erhöhte Eiswurfgefahr bei modernen Windkraftanlagen. Jedenfalls seien entsprechende Fälle nicht dokumentiert. Es sei nämlich nichts über Haftpflichtfälle bei Versicherungen bekannt. Von Windkraftanlagen gingen keine größeren Gefährdungen aus als von Stromleitungen, weshalb das Gebot der Rücksichtnahme hier nicht verletzt sei. Es treffe auch nicht zu, dass der Windkraftanlagentyp, der hier errichtet werden solle, unzureichende technische Vorkehrungen gegen eine Eiswurfgefahr aufweise. Vielmehr habe der Germanische Lloyd als Zertifizierungsstelle für Windkraftanlagen in einer Stellungnahme vom 7. Juli 2004 das Gegenteil bestätigt. Die streitgegenständlichen Windkraftanlagen besäßen zwei getrennte Systeme, die Eiswurf vermieden. Neben einer Unwuchtkontrolle erfolge eine Überwachung der Leistungskennlinie. Eine Veränderung der Leistungskennlinie erzwinge den Stillstand der Anlage bereits dann, wenn sich Eis auch in geringen Mengen an den Flügeln ansetze.

Die Beigeladene beantragt,

die Klage unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 14. Februar 2005 abzuweisen.

Die Klägerinnen beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tragen vor, aus dem Baugenehmigungsantrag des Ehemannes der Klägerin zu 1) könne nicht abgeleitet werden, dass von den streitigen Vorhaben keine Gefährdungen ausgingen. Die Beigeladene verkenne, dass der Arbeitsablauf bei Weihnachtsbaumkulturen anders sei als bei üblicher Landwirtschaft. Auch der Hinweis auf die Genehmigungsfähigkeit von Windkraftanlagen in Waldgebieten gebe in diesem Zusammenhang nichts her, weil bei normalem Wald der wirtschaftliche Schaden durch Eiswurf geringer sei als bei einer Weihnachtsbaumkultur, wo es darauf ankomme, dass die Bäume auch noch alle Äste hätten. Entgegen der Auffassung der Beigeladenen sei die Gefährdung durch Eiswurf hinreichend dokumentiert und in der Rechtsprechung anerkannt. Die zur Genehmigung gestellten Anlagen der Beigeladenen seien keineswegs auf dem neuesten technischen Stand und könnten mit entsprechenden technischen Vorrichtungen zum Schutz vor Eiswurf aufgrund ihrer technischen Ausgestaltung auch gar nicht nachgerüstet werden. Das Vorbringen der Beigeladen, die Anlagen seien mit Schutzeinrichtungen wie Vibrationssensoren, Überwachungen der Kennlinien und Eissensoren ausgestattet, treffe nicht zu. Zudem sei das Verfahren der Kennlinienbestimmung der Firma, deren Windkraftanlagen in der Nachbarschaft ihrer Grundtücke aufgestellt werden sollten, nicht hinreichend exakt, weil es nicht auf eine konkret auf den jeweiligen Standort und die dortigen Bedingungen bezogene dynamische Referenzkennlinie abstelle. Darüber hinaus bestehe die größte Gefahr des Eiswurfs dann, wenn eine Windenergieanlage nach einer Frost-/Nebelwetterlage nach einem Stillstand und ohne vorherige Eiswetterlage wieder in Betrieb gehe. Bei derartigen Gegebenheiten versagten die von der Beigeladenen vorgestellten Schutzvorkehrungen gegen Eiswurf. Entgegen der Auffassung der Beigeladenen verfolge § 8 LBauO nicht allein das Ziel, eine angemessene Belichtung und Belüftung der Nachbargrundstücke zu sichern. In diesem Zusammenhang sei auch die Eiswurfgefahr zu berücksichtigen. Deshalb sei eine Verringerung der einzuhaltenden Abstandsflächen auf 0,25 H nicht sachgerecht.

Der Beklagte , der keinen Antrag stellt, trägt vor, ein Verstoß gegen § 8 LBauO liege nicht vor, weil diese Vorschrift nicht auf den Schutz vor Eisabwurf ziele. Die Eiswurfgefahr werde vielmehr durch § 3 LBauO erfasst, der allerdings nicht nachbarschützend sei. Zudem habe der Ehemann der Klägerin zu 1) zum Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung selbst einen Bauantrag für eine Windkraftanlage gestellt.

Der beteiligte Vertreter des öffentlichen Interesses trägt vor, der Schutz vor Eiswurf sei nicht Normzweck des § 8 LBauO. Eiswurf sei nämlich keine gebäudetypische Gefahr, die durch diese Norm vermieden werden solle, um die Nutzung von Nachbargebäuden zu gewährleisten. Den Schutz vor Eiswurf durch die Festlegung von Abstandsflächen in § 8 LBauO zu regeln, wäre zudem systemwidrig, weil die Abstandsflächen gemäß § 8 Abs. 2 LBauO zum Teil auch auf öffentlichen Verkehrs- und Grünflächen und gemäß § 9 Abs. 1 LBauO - durch Baulast gesichert - auch auf Nachbargrundstücken liegen könnten, was im letzteren Falle allein eine Bebauung einer solchen Teilfläche des Nachbargrundstücks ausschließe, aber nicht bedeute, dass diese Fläche nicht betreten werden dürfe. Zudem könne selbst durch die Einhaltung einer Abstandsfläche von 0,4 H überhaupt kein Schutz vor Eiswurf gewährleistet werden, weil allgemein von einer Gefährdungszone von mehreren 100 m ausgegangen werde. Ein entsprechender Schutz könne deshalb allein über § 3 LBauO gewährleistet werden. Das sei aber über eine Abstandsfestlegung nicht praktikabel. Deshalb hätten die Landesbehörden den Weg gewählt, den Schutz über technische und betriebliche Maßnahmen zu suchen, wie dies in der technischen Baubestimmung gemäß der VV vom 28. März 2003 festgelegt sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die Bau- und Widerspruchsakten des Beklagten (2 Hefte). Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Errichtung von zwei Windkraftanlagen zu Recht stattgegeben. Zwar beruht die Fehlerhaftigkeit der erteilten Genehmigung nicht auf einem Verstoß gegen § 8 LBauO. Die Genehmigung verstößt jedoch, wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, deswegen gegen das Gebot der Rücksichtnahme bezüglich der Klägerin zu 2) als der Eigentümerin von in der Nachbarschaft zu den geplanten Standorten der Windkraftanlagen gelegenen Grundstücken und verletzt die Klägerin zu 1) in ihrem Recht auf körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, weil sie keine ausreichenden Schutzvorkehrungen gegen die Gefahr des Eiswurfes regelt. Das wäre aber erforderlich gewesen, da der Windkraftanlagentyp, dessen Aufstellung genehmigt worden ist, nicht in ausreichendem Maß bereits als Standardausrüstung technische Einrichtungen aufweist, die benachbarte Grundstücke und sich dort aufhaltende Personen vor der Gefährdung durch Eiswurf schützen.

Die zwischen den Beteiligten in erster Linie streitige Frage, auf welcher Grundlage ein Grundstückseigentümer - hier die Klägerin zu 2) - einen Abwehranspruch gegen die Genehmigung einer Windkraftanlage wegen der Gefahr des Eiswurfes geltend machen kann, hat das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil dahingehend beantwortet, dass ein solcher Anspruch nicht nur aus einer Verletzung des Rücksichtnahmegebots, sondern auch aus einem Verstoß gegen die bauordnungsrechtliche und nachbarschützende Vorschrift des § 8 LBauO abgeleitet werden kann. Dem folgt der Senat jedoch nicht, weil die Regelungen des § 8 LBauO schlechterdings ungeeignet sind, derartigen Gefährdungen des Grundstücksnachbarn zu begegnen, wie sich bereits aus der eigenen Argumentation der Klägerinnen ergibt. Die Überlegung, die Regelung der erforderlichen Abstandsflächen in der Landesbauordnung ziele darauf, die Gefahr des Eiswurfes zum Schutze der Nachbarn auszuschließen, berücksichtigt zudem nicht die Systematik der einzelnen Regelungen in § 8 LBauO und § 9 LBauO.

Die Gefahr des Eiswurfes bei Standorten von Windkraftanlagen in Höhenlagen, wie sie hier bezüglich der beiden streitgegenständlichen Standorte gegeben sind, ist zwischen den Beteiligten zwar streitig. Ob die Eiswurfgefahr von der "Lobby der Windkraftgegner" aufgebauscht wird, wie die Beigeladene meint, oder möglicherweise geringer einzuschätzen ist, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung, weil auch die Beigeladene eine solche Gefährdung nicht grundsätzlich verneint. Sie ist im Übrigen von dem zuständigen Fachministerium zum Anlass genommen worden, sie bei der Einführung von technischen Regelungen als technische Baubestimmung gemäß § 3 Abs. 3 LBauO durch die Verwaltungsvorschrift vom 28. April 2003 (MinBl. 2003, 357 ff., 369 f.) und durch die nachfolgende Verwaltungsvorschrift vom 15. Oktober 2004 (MinBl. 2004, 374 ff., 396) zu behandeln und entsprechende technische und betriebliche Maßnahmen zu fordern. Es ist aber kaum denkbar, dass derartige Vorgaben von der obersten Bauaufsichtsbehörde gemacht werden, ohne diesbezügliche Erkenntnisse über eine von solchen Anlagen ausgehende Gefahr i.S. von § 3 Abs. 1 LBauO zu besitzen. Schließlich berichtet auch der beteiligte Vertreter des öffentlichen Interesses in diesem Zusammenhang davon, dass von Wurfweiten von mehreren Hundert Metern ausgegangen werde. Letztlich dokumentiert die von der Beigeladenen selbst vorgelegte Stellungnahme des Germanischen Lloyd WindEnergie vom 7. Juli 2004, dass mit derartigen Gefahren zu rechnen ist, weil in dieser Stellungnahme sogar ein Berechnungsmodell zur Abgrenzung des gefährdeten Umfeldes um eine Windkraftanlage dargelegt wird. Deshalb unterliegt es keinem Zweifel, dass der Eiswurfgefahr bei Standorten in Gebieten, in denen im Winter mit Eisbildung an den Rotorblättern zu rechnen ist, im Rahmen der bauaufsichtlichen Prüfung eines solchen Vorhabens angemessen Rechnung zu tragen ist.

In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist, soweit ersichtlich, die Gefahr des Eiswurfes bislang allerdings lediglich im Zusammenhang mit der Darstellung von Vorrangzonen für Windenergie und der dabei zu berücksichtigenden Schutzabstände erörtert worden (vgl. OVG Münster, Urteil vom 15. Juli 2002 in juris). Soweit sich Verwaltungsgerichte bisher mit dieser Problematik beschäftigt haben, ist der rechtliche Ansatzpunkt dafür erkennbar nicht in den bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenregelungen gesehen worden (vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 14. November 2002 und VG Freiburg, Beschluss vom 18. Juni 2004 jeweils in juris). Die Problematik wird vielmehr den allgemeinen Anforderungen an bauliche Anlagen zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zugeordnet (vgl. VG Freiburg, a.a.O.), zu der auch die vorgenannten Verwaltungsvorschriften des Ministeriums der Finanzen ergangen sind.

Die Argumentation des Verwaltungsgerichts, die bestehende Eiswurfgefahr sei bei der Entscheidung darüber zu berücksichtigen, ob anstatt der nach § 8 Abs. 6 S. 1 LBauO einzuhaltenden Abstandsfläche von 0,4 H gemäß § 8 Abs. 10 Satz 2 der Vorschrift eine Tiefe der Abstandsfläche bis zum 0,25 H zugelassen werden kann, überzeugt nicht. Zwar verfolgen die Abstandsvorschriften des § 8 LBauO mehrere öffentliche und nachbarrechtliche Belange, die mit der Einhaltung der freizuhaltenden Grundstücksflächen erreicht werden sollen. So sollen die Abstandsflächen eine ausreichende Belichtung, Besonnung und Belüftung in den Räumen der Gebäude und der Gebäude zueinander gewährleistet und nach dem überkommenen Verständnis der Abstandsvorschriften auch sozialen Zwecken, nämlich der Sicherung der "Privatheit" und der Wahrung des Wohnfriedens dienen. Zentraler Zweck ist es auch, unzumutbare Belästigungen zu verhüten und die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse zu verwirklichen (Jeromin, Kommentar zur Landesbauordnung Rheinland-Pfalz, § 8 Rdnr. 2; vgl. Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Art. 6 Rdnr. 1).

Dieses herkömmliche Verständnis, das auf einen ausreichenden Abstand von Bauten zueinander abstellt, wirft bereits die Frage auf, ob hiermit überhaupt die Sicherheit bei Arbeiten in einer Weihnachtsbaumkultur bezweckt sein soll. Dem muss letztlich aber nicht weiter nachgegangen werden, weil selbst dann, wenn der gedankliche Ansatz des Verwaltungsgerichts insoweit zutreffend sein sollte, eine derartige Umsetzung der Abstandsflächenvorschriften auch tatsächlich geeignet sein muss, die angenommene Gefahr zu beseitigen. Reicht die Tiefe der Abstandsfläche gemäß § 8 Abs. 6 S. 1 LBauO von 0,4 H jedoch ebenso wenig aus, wie eine gemäß § 8 Abs. 10 Satz 2 LBauO verminderte Abstandsfläche von 0,25 H, ist es nicht sachgerecht, durch die Einhaltung von Abstandsflächen - gleich welcher von der Landesbauordnung vorgegebenen Größe - den Schutz vor Eiswurf erreichen zu wollen. Dann kann aber auch dem Landesgesetzgeber nicht unterstellt werden, mit einem derart unbrauchbaren Mittel das Ziel zu verfolgen, ungefährliche Arbeitssituationen auf Nachbargrundstücken mit Blick auf eine Gefahr durch Eiswurf von Windkraftanlagen sicherzustellen. Einfacher ausgedrückt, muss die Anwendung der Vorschrift bezogen auf die von dem Verwaltungsgericht unterstellte Zielsetzung überhaupt Sinn machen. Das ist nicht der Fall.

Sämtliche von den Beteiligten - unterschiedlich - angegebenen potentiellen Eiswurfweiten gehen nämlich weit über die Flächen hinaus, die gemäß § 8 Abs. 6 LBauO bei Zugrundelegung einer Abstandsfläche von 0,4 H auf den zu bebauenden Grundstücken nachzuweisen wären. Das Verwaltungsgericht gelangt in seinem Urteil (UA S. 12 f.) zu einer einzuhaltenden Abstandsfläche von 79,64 m bei einem Faktor von 0,4 H. Die Klägerinnen errechnen hingegen auf der Grundlage der mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2005 vorgelegten "Modellierung von Eiswurf durch WKA" des Dr. Robin A. Gordon vom 13. Juni 2004 bezüglich der streitigen Windkraftanlage eine Wurfweite der Eisbrocken von über 540 m. Nach den Ausführungen des beteiligten Vertreters des öffentlichen Interesses wird teilweise von Wurfweiten von 400 bis 600 m ausgegangen. In der Stellungnahme des Germanischen Lloyd WindEnergie vom 7. Juli 2004, die die Beigeladene mit Schriftsatz vom 4. Januar 2006 vorgelegt hat, wird zwar von einer geringeren Wurfweite, aber immer noch von 1,5 x Nabenhöhe + Rotordurchmesser ausgegangen. Da die Windkraftanlage 2) eine Nabenhöhe von 85 m und einen Rotorradius von 38,50 m aufweisen soll, würde sich danach eine Wurfweite von 185,25 m errechnen, was mehr als das Doppelte der von dem Verwaltungsgericht errechneten maßgeblichen Abstandsfläche ist. Selbst bei der Zugrundelegung der günstigsten Annahme - hier der des Germanischen Lloyd WindEnergie in dem Schreiben vom 7. Juli 2004 - ist somit davon auszugehen, dass die Abstandsflächenregelung des § 8 LBauO völlig ungeeignet ist, benachbarte Grundstücke vor Eiswurf zu schützen. Mangelt es § 8 LBauO an einer derartigen Eignung, dann kann eine derartige Überlegung mit Blick auf die Berücksichtigung nachbarlicher Belange bei der Zulassung einer geringeren Abstandsfläche, als sie § 8 Abs. 6 LBauO vorgibt, aber auch keine Rolle spielen. Der nachbarliche Belang, vor Eiswurf geschützt zu werden, ist in diesem Zusammenhang also irrelevant.

Deshalb ist es für die nach § 8 Abs. 10 S. 2 LBauO zu treffende Entscheidung ebenfalls ohne Bedeutung, ob die Weihnachtsbaumkultur durch Eiswurf stärker gefährdet ist als andere landwirtschaftliche Nutzungen. Der Streit, ob die Weihnachtsbaumkultur eine landwirtschaftliche Nutzung im Sinne der "Hinweise zur Beurteilung der Zulässigkeit von Windkraftanlagen vom 18. Februar 1999" (MinBl. 1999, 148 ff.) ist, bedarf somit keiner Klärung, weil sich das vorgenannte "Gemeinsame Rundschreiben" in diesem Zusammenhang mit der Anwendung des § 8 LBauO beschäftigt, bei der es auf Eiswurf aber nicht ankommt und der deshalb auch kein Kriterium sein kann, zwischen verschiedenen land- oder forstwirtschaftlichen Nutzungen zu differenzieren.

Die Überlegung, die Abstandsflächenregelungen sollten die Nachbarschaft vor Eiswurf von der baulichen Anlage "Windkraftanlage" schützen, ist aber auch systemwidrig, wie der beteiligte Vertreter des öffentlichen Interesses zutreffend dargelegt hat. Die Landesbauordnung schreibt nämlich keineswegs vor, dass Abstandsflächen immer - vollständig - auf dem zu bebauenden Grundstück liegen müssten. Gemäß § 8 Abs. 2 LBauO dürfen Abstandsflächen auch auf öffentlichen Verkehrs-, Grün- und Wasserflächen - wenn auch nur bis zu deren Mitte - liegen. Es wäre aber systemwidrig, derartigen Flächen, die der Allgemeinheit zugänglich sind, eine geringere Schutzwürdigkeit bezüglich der Eiswurfgefahr beizumessen, als benachbarten privaten Grundstücksflächen. Aber selbst auf diesen können nach § 9 Abs. 1 LBauO Abstandsflächen liegen, wenn öffentlich-rechtlich gesichert ist, dass diese auf dem Nachbargrundstück ganz oder teilweise sich erstreckenden Abstandsflächen nicht überbaut und auf dem Nachbargrundstück selbst erforderlichen Abstände der dort zu Gunsten des Vorhabens gesicherten Abstandsfläche nicht angerechnet werden. Daraus wird jedoch deutlich, dass die Regelung der Abstandsflächen in der Landesbauordnung allein auf den Abstand von Gebäuden zueinander abstellt und nicht auf den Schutz der sich im Freien auf diesen Flächen aufhaltenden Personen. Denn die Sicherung einer Abstandsfläche auf dem Nachbargrundstück durch Baulast bedeutet nicht, dass diese Fläche von dem Nachbarn nicht betreten werden dürfte. Der Eiswurfgefahr ist deshalb nicht durch Anwendung des § 8 LBauO, sondern auf der Grundlage von § 3 LBauO zu begegnen, der allerdings nicht nachbarschützend ist, weshalb die Berufung auf eine Verletzung dieser Norm einer Nachbarabwehrklage nicht zu Erfolg verhelfen kann.

Daraus folgt aber nicht, dass deshalb das Begehren der Klägerin zu 2), die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung aufzuheben, hätte erfolglos bleiben müssen. Das Verwaltungsgericht hat nämlich zu Recht eine Verletzung des nachbarschützenden Gebots der Rücksichtnahme bezüglich beider genehmigten Windkraftanlagen festgestellt.

Es hat in seinem Urteil die grundsätzlichen Überlegungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Reichweite des Rücksichtnahmegebots eingehend dargestellt, worauf zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird. Das gilt gleichermaßen bezüglich der Ausführungen zu der schutzwürdigen Rechtsposition der Klägerin zu 2), denen sich der erkennende Senat anschließt. Die in diesem Zusammenhang von den Beteiligten problematisierte und mit umfänglichem schriftsätzlichen Vorbringen dargelegte Antragstellung des Ehemannes der Klägerin zu 1) und des Schwiegersohnes der Klägerin zu 2) auf Erteilung einer Genehmigung zur Errichtung einer Windkraftanlage auf dem Grundbesitz der Klägerin zu 2), der letztlich nicht weiter verfolgt worden ist, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Soweit die Klägerinnen in der Vergangenheit - vorübergehend - die Gefahrensituation durch die Errichtung einer Windkraftanlage anders eingeschätzt haben sollten, nimmt ihnen dies nicht das Recht, sich unter Hinweis auf eine - jetzt - zutreffend eingeschätzte Gefahrensituation gegen die Windkraftanlagen zu wenden, die nunmehr einzig und allein errichtet werden sollen, nämlich die Windkraftanlagen der Beigeladenen.

Das Verwaltungsgericht hat des Weiteren nachvollziehbar erläutert, warum im vorliegenden Fall von einer Gefährdung auszugehen ist. Die Ausführungen der Beigeladenen im Berufungsverfahren geben keinen Anlass, diese Einschätzung in Zweifel zu ziehen. Das Verwaltungsgericht hat nämlich aufgrund der Höhenlage der jeweiligen Standorte dargelegt, dass im Winter von der Möglichkeit einer Eisbildung auszugehen sei. Es hat sich in diesem Zusammenhang - ohne ihn unmittelbar zugrunde zu legen - an dem Windenergieerlass von Nordrhein-Westfalen orientiert. Das begegnet keinen Bedenken. Das wäre nur dann der Fall, wenn die tatsächliche Annahme, die diesem Windenergieerlass zugrunde liegt, also die Annahme, dass ab einer bestimmten Höhe über NN von einer Eisbildung im Winter auszugehen ist, unzutreffend wäre. Das bestreitet die Beigeladene indessen nicht substantiiert.

Dass eine derartige Gefahr grundsätzlich besteht, sofern eine Windkraftanlage auf einem Standort in einer entsprechenden Höhenlage errichtet werden soll, ist oben bereits dargelegt worden. Letztlich fügt sich die Einschätzung des Verwaltungsgerichts auch in die Rechtsprechung anderer Verwaltungsgerichte ein (vgl. Urteil des VG Düsseldorf, Beschluss des VG Freiburg, a.a.O.). Für eine derartige Gefährdung spricht zudem die von der Beigeladenen selbst vorgelegte Stellungnahme des Germanischen Lloyd WindEnergie. Daher hat der Senat wie das Verwaltungsgericht keinen Zweifel, dass bei der hier in Rede stehenden Höhenlage der Windkraftanlagestandorte im Winter mit Eisbildung an den Rotorblättern gerechnet werden muss, und sieht keine Veranlassung, dem etwa durch eine weitere Sachaufklärung nachzugehen.

Somit stellt sich im vorliegenden Verfahren die vom Verwaltungsgericht zutreffend beantwortete Frage, ob die genehmigten Windkraftanlagen selbst aufgrund ihrer technischen Standardausrüstung, so wie sie nach der Baubeschreibung errichtet werden sollen, die notwendigen Schutzvorkehrungen aufweisen. Die Baugenehmigung selbst enthält nämlich keinerlei weitere Regelungen, die der bestehenden Eiswurfgefahr begegnen sollen.

Dabei ist zunächst festzuhalten, dass den Bauantragsunterlagen keinerlei Angaben hierüber zu entnehmen sind. Die "Allgemeine Beschreibung Windenergieanlage GE Windenergie 1,5 SL" äußert sich dazu nämlich nicht. Weitergehende Unterlagen hat die Beigeladene nicht vorgelegt. Zwar ist von der Beigeladenen im erstinstanzlichen Verfahren vorgetragen worden, dass der Typenbericht für die Windkraftanlagen hierzu Angaben enthalte. Dazu hat das Verwaltungsgericht angemerkt, dass dieser allerdings nicht vorgelegt worden sei. Das ist auch im Berufungsverfahren seitens der Beigeladenen nicht geschehen. Auf gerichtliche Anforderung hat die Beigeladene mit Schriftsatz vom 4. Januar 2006 lediglich eine Stellungnahme des Germanischen Lloyd WindEnergie vom 7. Juli 2004 vorgelegt, der sich zu Windkraftanlagen der Firma äußert, die auch die genehmigten Windkraftanlagen liefern soll. Bezug genommen wird darin auf Schreiben der Rechtsvorgängerin der genannten Firma, die Maßnahmen beschreiben, die diese Firma an Windenergieanlagen zu ergreifen beabsichtigte, um der Gefahr von Eisabwurf vorzubeugen. Allerdings bezeichnet dieses Schreiben der Germanischen Lloyd vom 7. Juli 2004 keinen konkreten Windenergieanlagentyp, sodass von daher bereits nicht abschließend festgestellt werden kann, ob auch die hier zur Genehmigung gestellte Windkraftanlage hierdurch beurteilt worden ist. Das kann aber letztlich dahinstehen, weil sich auch ohne diese Klärung aus dem genannten Schreiben des Germanischen Lloyd ergibt, dass die technische Ausrüstung der streitgegenständlichen Windkraftanlagen keinen ausreichenden Schutz gegen Eisabwurf bietet.

Das Verwaltungsgericht hat sich in dem Urteil (UA S. 24 f.) auf der Grundlage der Erörterung in der damaligen mündlichen Verhandlung mit der Wirkungsweise von Vibrationssensoren auseinander gesetzt und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass diese nicht ausreichen, der Gefahr des Eisabwurfes zu begegnen. Diese Ausführungen hält der Senat für ohne weiteres nachvollziehbar und schließt sich ihnen in vollem Umfang an. In dem Schreiben des Germanischen Lloyd werden darüber hinaus drei weitere Sicherheitsvorkehrungen erwähnt, nämlich die Überwachung der Leistungskennlinie, der Einsatz eines Eissensors und die nur manuelle Startung nach erfolgter Sichtkontrolle der Anlage, für den Fall, dass sie wegen Eiswarnung abgeschaltet hat. Ausweislich dieses Schreibens wird der Eissensor von der Firma, von der die Beigeladene die Windenergieanlage bezieht, jedoch nur optional, als nicht standardmäßig angeboten. Der Germanische Lloyd empfiehlt aber, den Eissensor zu installieren, wenn am Aufstellungsort der Anlage bestimmte Bedingungen zusammen erfüllt sind. Das ist zum einen die Gefährdung von Personen in der Nähe der Windenergieanlage, wie sie hier durch die Arbeit in der Weihnachtsbaumkultur innerhalb der auch von dem Germanischen Lloyd angenommen Eiswurfweite der Fall ist. Insoweit kann auf die oben gemachten Ausführungen im Zusammenhang mit § 8 LBauO Bezug genommen werden, aus denen sich ergibt, dass auch die von allen angegebenen Eiswurfweiten für die Beigeladene günstigste Annahme seitens des Germanischen Lloyd zu dem Ergebnis führt, dass sich auf dem Grundstück der Klägerin zu 2) aufhaltende Personen durch Eisabwurf gefährdet werden könnten. Die weitere vom Germanischen Lloyd formulierte Bedingung ist, dass Witterungsbedingungen vorliegen, die Eisansatz zulassen, wobei auf den Aufstellungsort und die meteorologischen Erfahrungen abgestellt wird. Auch diese Bedingung ist zur Überzeugung des Senats hier erfüllt, wie oben ausgeführt worden ist. Damit gewährleistet nach der Einschätzung des Germanischen Lloyd WindEnergie, der in der vorerwähnten "Einführung von technischen Regeln als technische Baubestimmungen" durch die Verwaltungsvorschrift des Ministeriums der Finanzen vom 15. Oktober 2004 als sachverständige Stelle ausdrücklich erwähnt worden ist, der vorliegend streitige Windkraftanlagentyp ohne - zusätzlichen - Eissensor unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des vorliegenden Falles keinen ausreichender Schutz vor der Gefahr von Eisabwurf. Deshalb erübrigt es sich hier, der von den Beteiligten aufgeworfenen und auch in der mündlichen Verhandlung erörterten Frage nachzugehen, inwieweit die Überwachung der Leistungskennlinie ihrerseits geeignet ist, der beschriebenen Gefahr zu begegnen. Denn nach der Stellungnahme des Germanischen Lloyd reicht die Überwachungsmaßnahme ohne den lediglich optional angebotenen, also nicht zur Standardausrüstung gehörenden Eissensor nicht aus, einen ausreichenden Schutz zu gewährleisten.

Da hier lediglich über einen Anfechtungsantrag des Nachbarn, nicht aber über einen Verpflichtungsantrag des Bauherrn zu befinden ist, ist Streitgegenstand ausschließlich die erteilte Genehmigung, die wie ausgeführt, wegen Verletzung des Rücksichtnahmegebots gegenüber der Klägerin zu 2) fehlerhaft ist. Welche ausreichenden Schutzvorkehrungen gegebenenfalls durch ergänzende Regelungen im Rahmen einer eventuellen neuen Baugenehmigung zu treffen sind, ist deshalb hier nicht zu erörtern. Vielmehr wird der Beklagte eigenständig zu prüfen haben, ob technische Vorkehrungen genügen, oder ob zusätzliche betriebliche Auflagen erforderlich sind.

Aus den vorstehenden Überlegung ergibt sich des Weiteren, dass die Baugenehmigung die Klägerin zu 1) in ihrem Recht auf körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 GG verletzt. Auch insoweit nimmt der Senat auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts Bezug, denen er sich in vollem Umfang anschließt.

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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