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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 09.01.2003
Aktenzeichen: 1 C 11768/01
Rechtsgebiete: LPflG


Vorschriften:

LPflG § 28 Abs. 1
LPflG § 28 Abs. 1 Satz 3
Eine Verordnung über ein Naturschutzgebiet ist nichtig, wenn der vorhandene Konflikt zwischen Naturschutz und Landwirtschaft nicht hinreichen gelöst wird, weil eine Inkongruenz zwischen dem in den Verwaltungsvorgängen dokumentierten Willen des Verordnungsgebers und dem Inhalt der Verordnung besteht.
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 C 11768/01.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Normenkontrolle (Naturschutz, Landschaftsschutz)

hat der 1. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 9. Januar 2003, an der teilgenommen haben

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Nickenig Richter am Oberverwaltungsgericht Kappes-Olzien Richter am Oberverwaltungsgericht Schneider

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Rechtsverordnung über das Naturschutzgebiet "Am Roten Weg-Berggewann", Stadt Mainz und Landkreis Mainz-Bingen vom 24. November 2000 wird für nichtig erklärt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Antragsgegner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Antragsteller zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Antragsteller wenden sich gegen die Rechtsverordnung über das Naturschutzgebiet "Am Roten Weg-Berggewann", Stadt Mainz und Landkreis Mainz-Bingen.

Die angegriffene Verordnung wurde vom Antragsgegner am 24. November 2000 erlassen und am 27. Dezember 2000 öffentlich bekannt gemacht. Das unter Naturschutz gestellte Gebiet befindet sich östlich der bebauten Ortslage von Wackernheim und westlich der bebauten Ortslage von Mainz-Finthen. Es ist ca. 330 ha groß und grenzt im Süden größtenteils an die L 419. In dem vorgenannten Naturschutzgebiet bewirtschaften die Antragsteller als Eigentümer und Pächter landwirtschaftlich genutzte Flächen.

Nach § 3 der Rechtsverordnung ist deren Schutzzweck die Erhaltung und Entwicklung eines durch Obstbau geprägten und durch naturnahe Elemente wie Streuobstbestände, Halbtrocken- und Sandrasen, magere Wiesen, Raine, Strauchbestände, Hecken, Baumgruppen und Einzelgehölze strukturierten Kulturlandschaftsbereichs als Bestandteil bzw. Kontakt- und Pufferzone des Kalkflugsandgebietes Mainz-Ingelheim, als Lebensraum von dafür charakteristischen, seltenen oder vom Aussterben bedrohten wildlebenden Pflanzen- und Tierarten und wegen der Seltenheit, besonderen Eigenart, Vielfalt und Schönheit solcher Kulturlandschaftsbereiche.

Zur Erreichung dieses Schutzzweckes sind in § 4 der Verordnung verschiedene Verbote ausgesprochen, die nicht für die ordnungsgemäße landwirtschaftliche Bodennutzung und die Bewässerung von Obstanlagen sowie die weiteren in § 5 aufgeführten Ausnahmen gelten sollen. In § 5 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung werden Ausnahmen insbesondere für Handlungen und Maßnahmen zugelassen, die im Rahmen der ordnungsgemäßen landwirtschaftlichen Bodennutzung und für die Bewässerung von Obstanlagen erforderlich sind.

Mit ihrem am 6. Dezember 2001 bei Gericht eingegangenen Normenkontrollantrag machen die Antragsteller geltend:

Die Rechtsverordnung sei bereits deshalb fehlerhaft, weil es an der Schutzwürdigkeit des Gebietes fehle. So sei im Vorfeld der Ausweisung des Naturschutzgebietes kein Schutzwürdigkeitsgutachten erstellt worden; der Hinweis auf Fachinformation anderer Stellen werfe insbesondere die Frage auf, ob diese ausreichend und noch hinreichend aktuell seien. Zudem sei die nach § 18 Abs. 3 Landespflegegesetz - LPflG - erforderliche Beschreibung des Schutzgegenstandes in § 3 der Rechtsverordnung in wesentlichen Teilen unzutreffend. Die dort aufgeführten Elemente existierten im Schutzgebiet nahezu nicht und seien nach einem Aktenvermerk erst noch zu entwickeln. Für eine Entwicklung naturschutzwürdiger Gegebenheiten müsse der unter Naturschutz gestellte Bereich jedoch über hervorragende und zumindest teilweise realisierte Entwicklungspotentiale verfügen. Dies sei zumindest im Hinblick darauf zweifelhaft, dass das unter Schutz gestellte Gebiet intensiv landwirtschaftlich genutzt werde. Im Übrigen könne das Gebiet auch nicht als Bestandteil des Kalkflugsandgebietes Mainz-Ingelheim angesehen werden. Als Kontakt- und Pufferzone des Kalkflugsandgebietes sei der Bereich jedoch nicht schutzwürdig, zumal das nördlich angrenzende Naturschutzgebiet "Höllenberg" bereits Pufferzonen vorsehe und ein Naturschutzgebiet, was nahezu vollständig Pufferzone sein soll, nicht zulässig sei. Auch der Umstand, dass die L 419 als gut erkennbare Grenze des Naturschutzgebiets in Betracht komme, rechtfertige die Unterschutzstellung dieses Bereiches nicht, zumal das Naturschutzgebiet in der Verordnung nach Flurstücksgrenzen beschrieben werde.

Die Schutzwürdigkeit lasse sich aber auch nicht aus der Funktion des Gebietes als Lebensraum von seltenen oder vom Aussterben bedrohten wildlebenden Pflanzen- und Tierarten herleiten. Zum einen müssten in der Verordnung diese Arten bezeichnet werden, da in § 21 Abs. 1 LPflG von "bestimmten" Arten die Rede sei. Zum anderen werde aus den Verwaltungsvorgängen nicht deutlich, welche Pflanzenarten gemeint sein könnten. An Vogelarten würden insbesondere der Wiedehopf und die Heidelerche genannt, was jedoch auf Angaben aus dem Zeitraum 1991/92 beruhe. Ob dies auch heute noch zutreffe, sei zweifelhaft, weil ein erheblicher Bereich im Südwesten des Naturschutzgebietes bereits seit über zehn Jahren nicht mehr vom Wiedehopf besiedelt worden sei, da dort teilweise großflächige Ackerflächen vorherrschten. Allein die in Kurzfassung vorgelegten Vorschläge für Vogelschutzgebietsausweisungen in dem fraglichen Bereich reichten für einen entsprechenden Nachweis nicht aus, zumal sie auf lange zurückliegende Untersuchungen beruhten.

Ebenso wenig sei die Schutzbedürftigkeit des Gebietes erkennbar. Insbesondere könne die befürchtete Zersiedelung des Landschaftsbereichs zwischen Wackernheim und Finthen bereits durch die Landschaftsschutzverordnung "Rheinhessisches Rheintal" und durch das sachnähere Instrumentarium des Verordnungs- und Bauplanungsrechts verhindert werden.

Darüber hinaus sei die durch den Verordnungsgeber vorgenommene Abwägung fehlerhaft. Bei der Entscheidung über den räumlichen Geltungsbereich der Naturschutzverordnung habe sich der Antragsgegner ohne hinreichenden Grund an der L 419 orientiert und somit teilweise großflächige Ackerflächen in diesem Bereich unter Schutz gestellt, die weder schutzwürdig noch als Pufferflächen geeignet seien. Dabei sei die Grenzziehung von großer Bedeutung, wenn es darum gehe, ob die Errichtung erforderlicher landwirtschaftlicher Gebäude im Außenbereich möglich sei.

Entgegen der Einschätzung des Verordnungsgebers stelle die Freistellungsregelung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung keineswegs sicher, dass die Landwirtschaft nicht beschränkt werde. Denn die Freistellung umfasse nur die alltägliche Wirtschaftsweise des Landwirts und die bereits ausgeübte Nutzung, nicht aber die Ersetzung von hochstämmigen Obstbäumen durch eine Niederstammplantage mit Einfriedung zum Schutz vor Wildverbiss. Hierauf sei der Verordnungsgeber mehrfach hingewiesen worden. Dies alles führe dazu, dass sich die Beschränkungen der Verordnung für die Landwirtschaft als unverhältnismäßig darstellten.

Die Antragsteller beantragen,

die Rechtsverordnung über das Naturschutzgebiet "Am Roten Weg-Berggewann", Stadt Mainz und Landkreis Mainz-Bingen vom 24. November 2000, veröffentlicht im Staatsanzeiger Rheinland-Pfalz vom 27. Dezember 2000, S. 2286 ff., für nichtig zu erklären.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er vertritt die Auffassung, dass die angegriffene Rechtsverordnung nicht an Rechtsfehlern leide. Insbesondere lägen die Merkmale "Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit" entgegen der Ansicht der Antragsteller vor. Dies ergebe sich aus der vom Landesamt für Umweltschutz und Gewerbeaufsicht erstellten gutachterlichen Feststellung der Schutzwürdigkeit und der Auswertung der landesweiten Biotopkartierung, aus dem Band "Planung vernetzter Biotopsysteme", der Prioritätenliste " Naturschutzgebietsausweisungen" sowie aus der Umweltverträglichkeitsstudie aus dem Jahre 1992. Ferner sei eine Schutzgebietsbeschreibung gesetzlich nicht vorgesehen. Vorliegend gehe es um die Erhaltung und Entwicklung eines durch Obstbau geprägten und durch naturnahe Elemente strukturierten Kulturlandschaftsbereichs. Zwar sei die Anzahl der naturnahen Elemente relativ gering, das Gebiet könne jedoch in diese Richtung weiter entwickelt werden. Entwicklungspotentiale seien durchaus vorhanden. Ebenso enthalte das Gebiet auch Sande und Dünen; die Flächen, die nicht hieraus bestünden, seien Kontakt- und Pufferzonen. Darüber hinaus bilde das Gebiet in seiner Gesamtheit unabhängig von der jeweils vorherrschenden Bodenart insbesondere für Vögel einen unverzichtbaren Lebensraum. Es gehe dabei vor allem um den Wiedehopf und die Heidelerche, die zum Zeit- punkt der Unterschutzstellung und auch heute noch dort vorhanden seien. Die aktuelle Bedeutung des Gebiets für den Vogelschutz werde insbesondere dadurch belegt, dass das Land Rheinland-Pfalz das gesamte Gebiet als Vogelschutzgebiet nach der EG-Vogelschutzrichtlinie einstufe. Ebenso stehe die Schutzbedürftigkeit des Gebiets außer Frage. Denn nach dem Pflege- und Entwicklungsplan des Landesamtes sei bereits die Hälfte der Kalkflugsande durch Überbauung, Zersiedelung und Zerschneidung als Lebensraum für daran gebundene Wildpflanzen und Wildtiere verloren gegangen. Daher müssten die verbliebenen Biotopstrukturen gesichert und neue zusätzlich entwickelt werden. Die bisherige Entwicklung im Raum Mainz-Ingelheim belege, dass ohne die Naturschutzausweisung die Biotopfunktion des Gebietes auf Dauer nicht erhalten werden könne. Schließlich habe man sich mit den wirtschaftlichen Belangen dezidiert auseinander gesetzt. Die Entwicklungsmöglichkeiten der Landwirtschaft würden durch die Rechtsverordnung nicht erheblich beschränkt. Die Ersetzung von hochstämmigen Obstbäumen durch eine Niederstammplantage sei entgegen der Ansicht der Antragsteller durch die angegriffene Naturschutzgebietsverordnung nicht ausgeschlossen. Aufgrund der landwirtschaftlichen Freistellungsklausel werde die Nutzbarkeit der Flächen nicht erheblich eingeschränkt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die im Normsetzungsverfahren entstandenen Verwaltungsvorgänge (4 Hefte Verwaltungsakten des Antragsgegners) und die von dem Antragsgegner zu den Gerichtsakten gereichten Unterlagen (1 Band "Planung vernetzter Biotopsysteme", 1 Heftung Materialien zur Landespflege [1995], 1 Heftung "Natura 2000 Rheinland-Pfalz", 1 Heftung Veröffentlichungsunterlagen, 1 schriftlicher Vermerk vom 6. Januar 2003 sowie eine neuere Darstellung des Vogelschutzgebiets "Dünen- und Sandgebiet Mainz-Ingelheim") verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Der Normenkontrollantrag ist zulässig und begründet.

Hinsichtlich der Antragsbefugnis der Antragsteller gemäß § 47 Abs. 2 VwGO bestehen keine Bedenken. Sie sind nämlich Eigentümer bzw. Pächter von landwirtschaftlich genutzten Grundstücken, welche im räumlichen Geltungsbereich der angegriffenen Naturschutzgebietsverordnung liegen und durch die Verbote der Rechtsverordnung unmittelbar betroffen werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Oktober 1997, NJW 1998, 770).

Auch in der Sache selbst hat der Antrag Erfolg; denn die angegriffene Naturschutzgebietsverordnung weist einen materiellen Fehler auf, der zu ihrer Nichtigkeit führt.

Allerdings ist die angegriffene Rechtsverordnung in formell-rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden, da die im Normenkontrollverfahren insoweit gerügten Mängel nicht vorliegen und andere Verfahrensfehler nicht ersichtlich sind.

Soweit die Antragsteller ursprünglich gerügt haben, dass die ortsübliche Bekanntmachung der Auslegung gemäß § 28 Abs. 1 Satz 3 Landespflegegesetz - LPflG - zu spät erfolgt sei, kann dem nicht gefolgt werden. Nach der vorgenannten Bestimmung sind Ort und Zeit der Auslegung mindestens eine Woche vor der Auslegung ortsüblich bekannt zu machen. Dies ist hier geschehen. Denn ausweislich des von dem Antragsgegner als Anlage 1 zu den Gerichtsakten gereichten Amtsblatt Nr. 31 der Verbandsgemeinde Heidesheim wurde die Auslegung darin am 4. August 2000, also zehn Tage vorher, ortsüblich bekannt gemacht. Auch die übrigen in § 28 Abs. 1 LPflG geregelten Formalien wurden bei der Bekanntmachung beachtet.

Ebenso wenig können die Antragsteller damit durchdringen, dass der Schutzzweck der Verordnung in deren § 3 nicht ausreichend konkretisiert worden sei. Denn entgegen der Ansicht der Antragsteller muss der Schutzzweck nicht detailliert dargelegt werden; vielmehr genügt eine abstrakte Beschreibung (vgl. Louis in DVBl 1990, 800). Es reicht insbesondere aus, dass Streuobstwiesen, Magerwiesen etc. genannt werden, denn mit der Erhaltung dieser Lebensräume ist auch die Erhaltung der darin typischerweise vorkommenden seltenen und gefährdeten Tier- und Pflanzenarten bezweckt (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 20. September 2001, NuR 2002, 302). Insbesondere müssen die in § 21 Abs. 1 LPflG aufgeführten Schutzzwecke entgegen der Ansicht der Antragsteller in der Rechtsverordnung nicht in der Weise konkretisiert sein, dass etwa die dort erwähnten "bestimmten" wildwachsenden Pflanzen oder wildlebenden Tierarten in der Rechtsverordnung selbst zu nennen sind. Dies hat bereits der 10. Senat des erkennenden Gerichts in seinem Urteil vom 12. November 1986 (NuR 1987, 271) ausgesprochen. Dem ist auch weiterhin zu folgen.

In materiell-rechtlicher Hinsicht ist die Rechtsverordnung indessen fehlerhaft.

Bedenken könnten bereits im Hinblick auf die Schutzwürdigkeit des Gebiets und die Erforderlichkeit ihrer Unterschutzstellung bestehen. Denn nach Aktenlage sind dort nur wenig naturnahe Elemente vorhanden. Entsprechendes gilt hinsichtlich des Vorkommens der Kalkflugsande in diesem Bereich. Ob allein diese Schutzgegenstände die Unterschutzstellung des gesamten Gebiets bis zur L 419 rechtfertigen, erscheint zumindest fraglich, da eine diesbezügliche Erforderlichkeit aus den Aufstellungsunterlagen nicht hinreichend hervorgeht. Nur in der Gesamtsicht, insbesondere mit dem Vogelschutz, ist eine Gebietsausweisung in dem vorgenommenen Umfang als vertretbar anzusehen, zumal ein Naturschutzgebiet, das den Lebensraum von Vögeln sichern soll, eher großflächig sein muss (vgl. Messerschmidt, Bundesnaturschutzgesetz, § 13 Rdnr. 24) und es sich bei größeren Schutzgebieten empfiehlt, die Gebietsabgrenzung an erkennbaren Begrenzungen in der Landschaft zu orientieren (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28. Februar 1996, NuR 1996, 629, 630). Aber auch im Hinblick auf den Vogelschutz ist nach der Aktenlage nicht hinreichend deutlich geworden, warum gerade dieses Gebiet für seltene oder vom Aussterben bedrohte wildlebende Vogelarten wie den Wiedehopf und die Heidelerche erforderlich ist. Zwar spricht nach den Ausführungen der Vertreter des Landesamtes für Umweltschutz und Gewerbeaufsicht in der mündlichen Verhandlung und nach den als Vermerk nachgereichten Informationen des Antragsgegners vieles dafür, dass das Gebiet vor allem im Hinblick auf die vorgenannten Vogelarten schützenswert ist. Es wäre jedoch wünschenswert gewesen, wenn die Unterschutzstellungsunterlagen zumindest einen kurzen zeitnahen Bericht von Ornithologen des Landesamtes für Umweltschutz und Gewerbeaufsicht über das Vorkommen und den Bestand der vorgenannten Vogelarten in diesem Bereich enthalten hätten.

Dies alles bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung, da der Antragsgegner im Rahmen der am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierten "Abwägung" (s. BVerwG, Beschluss vom 16. Juni 1988, NVwZ 1988, 1020) seine eigenen Vorstellungen hinsichtlich einer weitgehenden Freistellung der Landwirtschaft nicht kongruent in der Verordnung umgesetzt hat. Zwar hat er zutreffend erkannt, dass Sachverhalte, in denen der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz - wie hier - im Hinblick auf den Schutzgegenstand und das Schutzgebiet tangiert ist, angesichts der entgegenstehenden Landwirtschaftsbelange eine großzügige Ausnahmeregelung erforderlich machen können. Deshalb wollte er nach Aktenlage auch die landwirtschaftliche Betätigung - soweit der Schutzzweck dem nicht entgegensteht - weitgehend erhalten. So sollte schon nach einem Vermerk aus dem Jahre 1999 eine Freistellung der Landwirtschaft dahingehend erfolgen, die eine Anpassung an künftige Bewirtschaftungs- und Produktionsmethoden sowie einen Wechsel der Kulturen zulässt (s. Bl. 184 in Band I der Verwaltungsakten). Dies hat der Verordnungsgeber in einem Schreiben vom 22. Mai 2000 an den Bauern- und Winzerverband weitgehend bestätigt (s. Bl. 214 in Band II der Verwaltungsakten). Diese vom Verordnungsgeber beabsichtigte weitgehende Freistellung der Landwirtschaft zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamten Unterschutzstellungsunterlagen. Schließlich hat der Präsident der Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd unter dem 23. Mai 2001 an den Staatssekretär des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau Folgendes geschrieben:

"In dem oben genannten Naturschutzgebiet wurde die ordnungsgemäße landwirtschaftliche Bodennutzung ohne jegliche Einschränkung freigestellt, was über die übliche Praxis hinausgeht, die die Freistellung der ordnungsgemäßen landwirtschaftlichen Bodennutzung im bisherigen Umfang und in der seitherigen Nutzungsweise beinhaltet. Damit wurden die diesbezüglichen Zusagen in vollem Umfang eingehalten. Die Naturschutzgebietsverordnung führt im Vergleich zu den Flächen außerhalb des Schutzgebietes zu keinen Erschwernissen bei der ordnungsgemäßen landwirtschaftlichen Bewirtschaftung. Insofern sind Nutzungswechsel wie außerhalb möglich."

Diese mit der Landwirtschaftsklausel in § 4 Abs. 1 und § 5 Abs. 1 Nr. 1 der Rechtsverordnung verfolgte Absicht hat der Vertreter des Verordnungsgebers in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage des Gerichts nochmals bestätigt. Danach soll von der Landwirtschaftsklausel in den vorgenannten Bestimmungen u.a. auch die Umwandlung von Hochstammobstanlagen in Niederstammplantagen bzw. in Spargelanbauflächen gedeckt sein. Dieser Auffassung vermag der Senat aber nicht zu folgen. Denn durch die landwirtschaftliche Freistellungsklausel in den §§ 4, 5 der Rechtsverordnung sind nur Handlungen und Maßnahmen im Rahmen der ordnungsgemäßen landwirtschaftlichen Bodennutzung (und für die Bewässerung von Obstanlagen) freigestellt. Unter den Begriff der "ordnungsgemäßen landwirtschaftlichen Bodennutzung" fällt aber nach der herrschenden Meinung in der Rechtsprechung nicht der Wechsel einer landwirtschaftlichen Nutzungsart (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Februar 1992, UPR 1992, 309 m.w.N.; HessVGH, Beschluss vom 6. September 1991, NuR 1992, 86; OVG Lüneburg, Urteil vom 14. Mai 1981, NuR 1982, 112). Insbesondere auch Veränderungen, die eine landwirtschaftliche Nutzung erst wirtschaftlich effektiver gestalten sollen, werden von einer ordnungsgemäßen landwirtschaftlichen Bodennutzung nicht erfasst (BVerwG, Beschluss vom 14. April 1988, Buchholz 406.401 § 15 BNatSchG Nr. 4). Daher wird auch das Ersetzen von hochstämmigen Obstbäumen durch eine Niederstammplantage mit einer Einfriedung zum Schutz vor Wild nicht mehr als ordnungsgemäße landwirtschaftliche Bodennutzung angesehen (vgl. HessVGH, Urteil vom 21. August 1997, NuR 1998, 271). Dieser Bewertung steht auch nicht die Entscheidung des 8. Senats des erkennenden Gerichts vom 20. September 2000 - 8 A 12418/99.OVG - entgegen, auf die der Antragsgegner Bezug genommen hat. Darin wird nämlich nur in einem Nebensatz, ohne dass es hierauf entscheidungstragend angekommen wäre, ausgeführt, dass die innerhalb einer landwirtschaftlichen Nutzungsunterart stattfindende Fruchtfolge durch die Landwirtschaftsklausel noch gedeckt sei, auch wenn - wie im Obstbau - Rodung und Neuanpflanzung erst nach mehreren Jahren stattfinde. Hieraus lässt sich aber keinesfalls zwingend herleiten, dass auch die Umwandlung von Hochstammanlagen zu Niederstammanlagen mit Umzäunung unter den Begriff der ordnungsgemäßen landwirtschaftlichen Bodennutzung fällt.

Im Übrigen ist die Umwandlung in Spargel- und sonstige Gemüseanbauflächen erst Recht nicht durch die in Rede stehende Freistellungsklausel gedeckt. Für die vom Verordnungsgeber beabsichtigte Freistellung hätte es vielmehr einer entsprechenden Ausnahmeregelung in § 5 Abs. 1 Nr. 1 der angegriffenen Rechtsverordnung bedurft, in der die in Frage kommenden Ausnahmetatbestände ausdrücklich hätten aufgeführt werden müssen. Dabei kann ggfs. durch entsprechende Genehmigungsvorbehalte einer dem Schutzzweck widersprechende Entwicklung in ein reines Gemüseanbaugebiet entgegen gewirkt werden.

Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich mithin, dass vor allem die in § 5 Abs. 1 Nr. 1 der Naturschutzverordnung geregelte Ausnahme für die vom Verordnungsgeber gewollte weitgehende Freistellung landwirtschaftlicher Betätigung in dem hier in Rede stehenden Gebiet nicht ausreichend ist. Zur Überzeugung des Senats steht daher fest, dass der Antragsgegner den vorhandenen Konflikt zwischen Naturschutz und Landwirtschaft subjektiv anders lösen wollte als er letztlich diesen Konflikt objektiv ( durch die unzureichende Ausnahme in § 5 Abs. 1 Nr. 1 der Rechtsverordnung ) gelöst hat. Die sich daraus ergebende offensichtliche Inkongruenz zwischen der Zielvorstellung des Verordnungsgebers und der verordnungstechnischen Umsetzung dieser Vorstellung hat zwangsläufig zur Folge, dass das Abwägungsergebnis im Rahmen der Verhältnismäßigkeits-prüfung - so wie es in der Naturschutzverordnung objektiv seinen Niederschlag gefunden hat - als fehlerhaft beurteilt werden muss. Dieser Fehler führt zur Nichtigkeit der Rechtsverordnung, zumal der Verordnungsgeber alle erkennbaren Konflikte zu lösen hat (vgl. Louis/Engelke, Landespflegegesetz Rheinland-Pfalz, Einf. zu §§ 18-22, Rdnr. 37), was vorliegend aber nach dem Wortlaut der Verordnung nicht geschehen ist.

Die angegriffene Naturschutzverordnung war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO für nichtig zu erklären.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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