Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 15.07.2002
Aktenzeichen: 10 A 10168/03.OVG
Rechtsgebiete: AuslG


Vorschriften:

AuslG § 53 Abs. 6 S. 1
AuslG § 53 Abs. 6 S. 2
Zur Anwendbarkeit des § 53 Abs. 6 S. 1 und 2 AuslG für den Fall, dass ein an einem Herzfehler leidendes Kind einer aus der Südost-Türkei geflohenen kurdischen Familie bei der Rückkehr in die Türkei eine dort in den westlichen Großstädten grundsätzlich mögliche medizinische Behandlung aus finanziellen Gründen nicht erlangen kann.
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

10 A 10168/03.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Asylrechts und Abschiebungsandrohung (Türkei)

hat der 10. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15. Juli 2003, an der teilgenommen haben

Vizepräsident des Oberverwaltungsgerichts Steppling Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Falkenstett Richter am Oberverwaltungsgericht Möller ehrenamtlicher Richter Tischlermeister Ackel ehrenamtlicher Richter Chemotechniker Blaschka

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird die Beklagte unter Abänderung des auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 3. Dezember 2002 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz und unter teilweiser Aufhebung des Asylbescheides vom 20. Dezember 2001 zur Feststellung verpflichtet, dass in der Person der Klägerin hinsichtlich der Türkei Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG vorliegen. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand: Die Eltern der Klägerin sind türkische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit und stammen aus dem Raum M.... . Sie waren zusammen mit den fünf Geschwistern der Klägerin im Jahr 1995 als Asylbewerber in die Bundesrepublik eingereist, wo die Klägerin am 8. Oktober 1996 geboren wurde. Das Asylverfahren der Eltern und Geschwister der Klägerin blieb letztlich ohne Erfolg; es ist seit Mai 2000 rechtskräftig abgeschlossen. Auf Grund dessen sind diese ausreisepflichtig und könnten erforderlichenfalls in die Türkei abgeschoben werden. Am 26. November 2001 beantragte die Klägerin ebenfalls die Anerkennung als Asylberechtigte sowie damit verbunden die Feststellung des Vorliegens von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG. Zur Begründung führte sie unter Vorlage verschiedener Atteste der Johanniter-Kinderklinik S... A...., der Klinik für Kinder und Jugendmedizin am S... E.... N.... sowie des Kinderarztes W...., N...., vom 17. Februar 1999 bzw. vom 31. März, 1. Juni, 30 August, 7. September, 11. September und 3. Dezember 2001 aus, dass sie an einer schweren Herzerkrankung leide, weshalb ihr eine Rückkehr in die Türkei nicht zumutbar sei. Im Einzelnen handele sich um einen angeborenen Herzfehler in Verbindung mit Cyanoseanfällen, der operativ habe begrenzt werden können. Ihr fehle eine Herzseite, das Herz bestehe nur aus einer funktionierenden Herzkammer, die das Blut in den Körper pumpe. Die Durchblutung der Lunge sei durch die erfolgten Operationen dadurch sichergestellt, dass das Blut am Herzen vorbei in die Lunge geleitet werde, in die es alsdann von selbst durch Atemaktionen fließe. Da das Blut nur vorwärts gepumpt werde, staue es sich vor dem Herzen und der Lunge. Weitere operative Eingriffe seien angezeigt. Sie müsse ständig Medikamente einnehmen und sei auf regelmäßige kardiologische Kontrolluntersuchungen angewiesen. Zudem könne es zu Herzinsuffizienzen kommen, die eine sofortige kardiologische Behandlung erforderten. Diese Maßnahmen seien in der Türkei nicht gewährleistet, zumal ihre Familie aus einem kurdischen Dorf in der Südost-Türkei stamme, sodass für sie bei einer Rückkehr in ihre Heimat eine erhebliche Lebensgefahr bestehe. Bereits unter dem 11. September 2001 hatte das Gesundheitsamt N.... festgestellt, dass sich der Gesundheitszustand der Klägerin zwischenzeitlich zufriedenstellend stabilisiert habe, die Herzerkrankung gut kompensiert sei und keine Leistungsbeeinträchtigungen bestünden. Die Klägerin werde in der kardiologischen Ambulanz der Kinderklinik S.... A.... zuletzt in sechsmonatigem Abstand betreut; auf derartige Betreuungen werde sie lebenslang angewiesen sein. Außerdem bestehe eine Indikation zur Endokarditisprophylaxe, weswegen für sie entsprechende Antibiotika zur Verfügung stehen müssten. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 7. November 2001 hatte außerdem der Facharzt für Allgemeinmedizin/Flugmedizin Dr. M...., N...., ausgeführt, dass unter Ruhebedingungen keine kardio-pulmonalen Insuffizienzzeichen und keine Herzrhythmusstörungen bestünden und dass auch bei körperlicher Belastung keine Dyspnoe auftrete; von daher sei die Klägerin nicht nur reisefähig, sondern grundsätzlich auch flugreisetauglich. Ferner hatte der Vertrauensarzt der deutschen Botschaft in Ankara in einer weiteren Stellungnahme schon vom 29. März 2001 erklärt, dass sowohl die Behandlung als auch die Kontrolluntersuchungen von Patienten mit nicht korrigierbaren zyanotischen Herzfehlern in der Türkei in den großen Universitätskrankenhäusern wie z.B. in Ankara mit Abteilungen für Kinderkardiologie und Herzchirurgie möglich seien. Mit Bescheid vom 20. Dezember 2001 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Asylantrag der Klägerin ab. Zugleich stellte es fest, dass in ihrer Person weder die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG erfüllt seien noch Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorlägen. Außerdem wurde die Klägerin verbunden mit der Androhung ihrer Abschiebung in die Türkei zur Ausreise aufgefordert. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass für die Klägerin in der Türkei in Sonderheit keine Gefahren im Sinne des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG bestünden, da ihre Erkrankung auch dort z.B. in Ankara behandelbar sei; insofern sei der Familie eine dortige Wohnsitznahme zumutbar. Soweit die Familie die anfallenden Kosten nicht aufbringen können sollte, könnte sie die sogen. Grüne Karte für eine kostenfreie Behandlung bzw. anderweitige finanzielle Unterstützung für die Beschaffung der erforderlichen Medikamente beantragen. Mit ihrer am 8. Januar 2002 erhobenen Klage hat die Klägerin ihren Antrag beschränkt auf die Zuerkennung von Abschiebungshindernissen nach Maßgabe des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG vor Gericht weiter verfolgt. Zur Begründung hat sie ausgeführt: Wenn es auch zutreffe, dass sich ihr Zustand zwischenzeitlich stabilisiert habe, so sei doch ausweislich der zuletzt vorgelegten Stellungnahme der Kinderklinik S.... A.... vom 3. Dezember 2001 ein neuerlicher Eingriff an ihrem Herzen nötig. So gesehen gehe es nicht nur um die Frage nach der Möglichkeit regelmäßiger Kontrollen in der Türkei, sondern auch um die Frage nach der Möglichkeit einer solchen Operation mit entsprechende nachfolgender Behandlung. Auch komme es immer wieder zu Komplikationen; so habe sie sich erst Anfang 2002 wegen Durchblutungsstörungen und Atemproblemen im S.... E...., N...., aufhalten müssen. Im Herbst 2002 habe außerdem eine Mandeloperation angestanden, die ebenfalls nur unter intensiver kardiologischer Betreuung durchführbar gewesen sei. Des Weiteren sei zu bezweifeln, ob sie in den Genuss der Grünen Karte gelangen werde; zum einen seien erhebliche bürokratische Schwierigkeiten zu überwinden, was zu längeren Wartezeiten führe, zum anderen würden derartige Karten ohnehin nicht an Personen ausgegeben, die den Behörden verdächtig seien. Die Familie könne sich zudem nicht in der Westtürkei niederlassen, da sie dort ohne Verwandte nicht einmal das Existenzminimum sichern könne; bei der mithin allein möglichen Rückkehr in die Heimatregion sei hingegen die erforderliche Behandlung nicht gewährleistet. Schließlich müsste allein schon im Zusammenhang mit ihrer Verbringung in die Türkei mit Komplikationen gerechnet werden. Zum Beleg für ihr Vorbringen verweise sie unter anderem auf ein Attest des Kinderarztes und Kinderkardiologen Dr. H...., K...., vom 5. Februar 2002 sowie eine weitere Bescheinigung der Kinderklinik S.... A.... vom 22. Juli 2002. Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 6. März 2002 Beweis erhoben zu den Fragen der Behandlungsmöglichkeiten der Erkrankung der Klägerin in der Türkei sowie der für sie bestehenden Möglichkeiten der tatsächlichen Inanspruchnahme des dortigen Gesundheitswesens durch Einholung einer Auskunft des Auswärtigen Amtes bzw. einer Stellungnahme des von diesem zugezogenen Internisten Dr. S...., Ankara, vom 15. April 2002 nebst ergänzenden Ausführungen des Auswärtigen Amtes vom 28. Mai 2002. Mit Urteil vom 3. Dezember 2002 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Klägerin könne der allein noch begehrte Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG nicht zuerkannt werden, da sie ihre Erkrankung auch in der Türkei behandeln lassen könne. Dass diese Behandlung nur in Ankara, Istanbul oder Izmir gewährleistet sei, stehe dem nicht entgegen, da von Rechts wegen von einem Abschiebungshindernis wegen etwaiger medizinischer Unterversorgung nur ausgegangen werden könne, wenn eine solche Unterversorgung landesweit bestehe. Dass die Familie der Klägerin aus einer Region stamme, in der die erforderliche kardiologische Betreuung nicht gesichert sei, sei von daher gleichfalls unbehelflich. Der Zugang zu diesen Behandlungsmöglichkeiten werde der Klägerin auch nicht aus finanziellen Gründen versagt sein, könne die Familie insofern in der Türkei doch eine zur unentgeltlichen Inanspruchnahme des staatlichen Gesundheitswesens berechtigende sogen. Grüne Karte beantragen. Damit im Zusammenhang könne sich die Klägerin auch nicht etwa darauf berufen, dass ihre Familie voraussichtlich gar keine solche Berechtigung erhalten werde, da diese den türkischen Behörden verdächtig sein werde, nachdem in dem durchgeführten Asylverfahren Anhaltspunkte für entsprechende Verdachtmomente gerade nicht festgestellt worden seien. Dass es gegebenenfalls einige Zeit dauern werde, bis die Klägerin in den Genuss dieser Grünen Karte gelangen werde, erlaube gleichfalls keine ihr günstigere Betrachtungsweise. Abgesehen davon, dass nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes auch eine Akutversorgung gewährleistet sei, handele es sich hierbei lediglich um vorübergehende Schwierigkeiten. Diese rechtfertigten nicht die vorliegend von der Klägerin gegenüber dem Bundesamt erstrebte Verpflichtung zur Feststellung des Vorliegens zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse gemäß § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG. Insofern handele es sich vielmehr um Schwierigkeiten, die noch der Durchführung der Abschiebung selbst zuzuordnen und somit gegenüber der Ausländerbehörde mit dem Ziel der Erlangung einer zeitweisen Duldung oder der Gewährleistung einer umfassenden Akutversorgung der Klägerin im Zusammenhang mit ihrer Abschiebung gegebenenfalls unter Mitheranziehung ihrer Eltern oder aber auch der deutschen Botschaft geltend zu machen seien. Den vorgelegten ärztlichen Attesten könne keine entscheidungserhebliche Bedeutung beigemessen werden, weil die betreffenden Ärzte mit der Ausstattung der türkischen Universitätskliniken und dem im türkischen Gesundheitswesen vorhandenen Standard ohnehin nicht vertraut sein dürften. Auf den Zulassungsantrag der Klägerin hat der Senat mit Beschluss vom 3. Dezember 2002 - 10 A 10002/03.OVG - die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen. Zu deren Begründung trägt die Klägerin unter Bezugnahme auf ihr bisheriges Vorbringen weiter vor: Die Gefahr ihrer Nichtbehandlung in der Zeit zwischen ihrer Rückkehr in die Türkei bis zur etwaigen Erlangung der Grünen Karte sei im Rahmen des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG durch das Bundesamt als der insofern sachnäheren Behörde zu prüfen und nicht etwa erst von Seiten der Ausländerbehörde bei der Durchführung der Abschiebung zu berücksichtigen. Darüber hinaus sei zu besorgen, dass die Familie ohnehin keine Grüne Karte erhalten werde. Dies müsse zumindest im Falle einer Niederlassung in der Westtürkei gelten, wo deren persönliche Verhältnisse unbekannt seien bzw. deren im Bundesgebiet betriebenes Asylverfahren offenbar werden würde. Bleibe der Familie von daher nur eine neuerliche Niederlassung in der früheren Heimatregion möglich, könnte sie auf eine solche wiederum wegen der dort fehlenden Behandlungsmöglichkeiten nicht verwiesen werden. Aber selbst wenn der Familie eine Grüne Karte ausgestellt werden sollte, würde deren Ausstellung Monate dauern, so dass die Klägerin bis dahin eine selbst in der Westtürkei an und für sich denkbare Behandlung nicht in Anspruch werde nehmen können. Im Übrigen sei ihr Gesundheitszustand nach wie vor problematisch. Sogar im Alltag bedürfe sie der Schonung und müsse sich körperlichen Belastungen fernhalten. Dies gelte etwa auch für ihre Aufenthalte im Kindergarten, dem entsprechende ärztliche Instruktionen übermittelt worden seien. Sie bedürfe weiterhin der ständigen fachärztlichen Überwachung. Derzeit erfolgten in der Kinderklinik S.... A.... bis zu sechs Kontrolluntersuchungen im Jahr, wobei die Abstände je nach der Befundlage von der Klinik vorgegeben würden. Auch käme es immer wieder zu Luftwegsinfekten, die bei unzulänglicher Versorgung zu Todesgefahr führten. Mit Blick auf etwaige akute Erkrankungen oder anderweitig notwendig werdende Behandlungen sei ihr ein Herzpass für Kinder mit besonders hohem Endokarditisrisiko ausgestellt worden, der entsprechende ärztliche Empfehlungen für ihre Behandlung und Versorgung enthalte. Schließlich habe sie von den früheren Operationen noch Metallklammern im Brustkorb, die in den nächsten ein bis zwei Jahren entfernt werden müssten. In diesem Zusammenhang verweise sie auf neuerliche Atteste des Facharztes für Hals-Nasen-Ohren-Erkrankungen Dr. W...., S.... A...., vom 28. Januar 2003, der Kinderklinik S.... A.... vom 12. Februar 2003 sowie des Kinderarztes und Kinderkardiologen Dr. H...., K...., vom 27. März und 6. Juni 2003. Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Urteils sowie unter teilweiser Aufhebung des Asylbescheides vom 20 Dezember 2001 zur Feststellung zu verpflichten, dass in ihrer Person hinsichtlich der Türkei die Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG vorliegen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen. Zur Begründung macht sie geltend: Unter Berücksichtigung der Erkenntnislage zur Erlangung der Grünen Karte könne vorliegend lediglich von einer vorübergehenden Gefahr der Nichtbehandlung der Klägerin nach ihrer Einreise in die Türkei ausgegangen werden. Damit könne aber von einer ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG begründenden Gefahr nicht die Rede sein. Nach den vorgelegten Attesten bestehe bei der Klägerin zudem ein stabiler Zustand, ohne dass konkrete Anhaltspunkte für eine bevorstehenden Verschlechterung ersichtlich seien. Sollten solche dennoch kurzfristig bis zur Erlangung ärztlicher Behandlung zu besorgen sein, so hinderten diese als inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse allenfalls den Vollzug der Abschiebung bzw. seien bei deren Vollzug von Seiten der Ausländerbehörde durch flankierende Maßnahmen abzufangen. Aber selbst wenn die Auffassung vertreten werden sollte, dass die Gefahr der Nichtbehandlung der Klägerin in der Anfangszeit nach ihrer Einreise nicht in typischer Weise als mit dem Vollzug der Abschiebung verbunden angesehen werden könne, lasse sich das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses nicht feststellen. Denn der Gefahr der Nichtbehandlung einer Krankheit bis zur Erlangung der Grünen Karte sie ein Großteil der in der Regel mittellosen türkischen Bevölkerung allgemein ausgesetzt. Eine solche allgemeine Gefahrenlage setzte aber zur Überwindung der Sperrwirkung des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG eine extreme Gefahrenlage voraus, deren baldiger Eintritt sich jedenfalls auf der Grundlage der vorgelegten Atteste bzw. ohne weitere Beweiserhebungen nicht feststellen lasse. Hinzu komme, dass auch eine etwa vor der Erteilung der Grünen Karte erforderlich werdende Behandlung von den staatlichen Krankenhäusern schon aus berufsethischen Gründen in der Regel nicht versagt werde. Zudem könne die Familie aber auch mit Überbrückungsgeldern aus dem Förderungsfond für Sozialhilfe und Solidarität rechnen. Ebenso könne die Mitgabe eines Vorrats an Medikamenten das Risiko einer ungenügenden Versorgung zusätzlich mindern, wozu sich die Ausländerbehörde bereit erklärt habe. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze in den Gerichtsakten, auf die vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die in das Verfahren eingeführten Erkenntnisse zur Niederlassungsmöglichkeit von Kurden aus der Südost-Türkei in den Gebieten der West-Türkei und zu Struktur und Standard des Gesundheits- und Sozialwesens in der Türkei Bezug genommen. Die genannten Vorgänge waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe: Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte ihre Klage auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung des Vorliegens von Abschiebungshindernissen gemäß § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG nicht abweisen dürfen; denn die Klägerin wäre in Anbetracht ihrer Herzerkrankung in der Türkei einer extremen allgemeinen Gefahrenlage ausgesetzt, die in ihrer Person - unbeschadet der Sperrwirkung des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG - zu einem zwingenden Abschiebungshindernis führt, weil angesichts dieser Gefahrenlage ihre Abschiebung unter Würdigung des in ihrem Fall verfassungsrechtlich gebotenen Schutzes nicht verantwortet werden kann. Nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG kann von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dabei erfasst die Bestimmung nur solche Gefahren, die dem Ausländer im Zielstaat seiner Abschiebung drohen. Sie greift allerdings auch dann ein, wenn die im Zielstaat zu besorgenden Beeinträchtigungen in der Verschlimmerung einer Krankheit bestehen, unter welcher der Ausländer bereits in der Bundesrepublik leidet, so dass die zu besorgende Gefahr in diesem Fall auch durch die individuelle Konstitution des Ausländers bedingt sein kann (BVerwGE 105, S. 383). Des Weiteren ist die Gefahr im Rahmen des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG dann erheblich, wenn sich bei einer Krankheit der Gesundheitszustand des Ausländers im Zielstaat wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde, bzw. ist die Gefahr konkret, wenn eine solche Verschlechterung für den Ausländer alsbald nach seiner Rückkehr in den Zielstaat zu befürchten stünde, weil er dort auf bestimmte Behandlungen angewiesen wäre, die dort indes entweder gar nicht zur Verfügung stehen oder aber für ihn - und sei es gegebenenfalls auch nur aus finanziellen Gründen - nicht erreichbar sind (BVerwG, Buchholz 402.20 § 53 AuslG Nr. 60). In diesem Zusammenhang gilt allerdings gemäß § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG weiter, dass solchermaßen fehlende oder nicht erreichbare Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat, von denen die Bevölkerung oder auch nur die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein betroffen werden, bei Entscheidungen nach § 54 AuslG zu berücksichtigen sind. Hiernach kann die oberste Landesbehörde aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von sonstigen Ausländergruppen allgemein oder in einzelne Zielländer für längstens sechs Monate bzw. im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern auch darüber hinaus ausgesetzt wird. Mit dieser Regelung soll erreicht werden, dass dann, wenn eine bestimmte Gefahr der ganzen Bevölkerung oder einer im Abschiebezielstaat lebenden Bevölkerungsgruppe gleichermaßen droht, über deren Aufnahme oder Nichtaufnahme nicht im Einzelfall durch das Bundesamt und eine Ermessensentscheidung der Ausländerbehörde, sondern für die ganze Gruppe der potentiell Betroffenen einheitlich durch eine politische Leitentscheidung befunden wird. Dabei können individuelle Gefährdungen des Ausländers, die sich aus einer allgemeinen Gefahr im Sinne des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG ergeben, auch dann nicht als Abschiebungshindernis unmittelbar nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG berücksichtigt werden, wenn sie wie im Krankheitsfalle auch durch Umstände in der Person oder in den Lebensverhältnissen des Ausländers begründet oder verstärkt werden, aber nur typische Auswirkungen der allgemeinen Gefahrenlage sind. (BVerwGE 99, S. 324, E 108, S. 77). Ungeachtet dessen ist weiter anerkannt, dass im Einzelfall einem Ausländer, der einer solchermaßen gefährdeten Bevölkerung bzw. Bevölkerungsgruppe angehört, für die ein Abschiebungsstopp nicht besteht, dennoch ausnahmsweise Schutz vor der Durchführung der Abschiebung in verfassungskonformer Anwendung des § 53 Abs. 6 AuslG zugesprochen werden muss, sofern mangels des Vorliegens anderweitiger Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG bei einer Abschiebung in Sonderheit das Leben bzw. die körperliche Unversehrtheit in Anbetracht der drohenden Beeinträchtigungen und deren Eintrittswahrscheinlichkeit so erheblich, konkret und unmittelbar gefährdet würden, dass diese zwingendes Verfassungsrecht verletzen würde. Das ist namentlich der Fall, wenn der Ausländer in seinem Heimatstaat einer extremen Gefahrenlage dergestalt ausgesetzt wäre, dass er im Falle seiner Abschiebung dorthin gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert wäre; dann gebieten es nämlich die Grundrechte des Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, dem einzelnen Ausländer unabhängig von einer Ermessensentscheidung nach § 53 Abs. 6 Satz 2 i.V.m. § 54 AuslG Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG zu gewähren (BVerwGE 102, S. 249, E 108, S. 77). Danach ist die individuelle Furcht des Ausländers, von einer extremen allgemeinen Gefahrenlage in erheblicher Weise betroffen zu werden, begründet, wenn es ihm bei verständiger Würdigung der gesamten Umstände des Falles nicht zuzumuten ist, in den betreffenden Staat abgeschoben zu werden. Maßgeblich ist hierbei eine objektive Betrachtungsweise. Wann die Furcht des Einzelnen angesichts der allgemeinen Gefährdung als begründet anzusehen ist und damit zu einem zwingenden Abschiebungshindernis führt, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist gegenüber dem im übrigen Asylrecht entwickelten Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zudem von einem erhöhten Maßstab auszugehen, denn nur dann rechtfertigt sich die Annahme eines aus den Grundrechten folgenden zwingenden Abschiebungshindernisses über die gesetzliche Sperrwirkung des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG hinaus (BVerwGE 102, S. 249). Vor dem Hintergrund dieser rechtlichen Vorgaben kann die Klägerin von Seiten der Beklagten bei verfassungskonformer Anwendung des § 53 Abs. 6 AuslG die Feststellung verlangen, dass in ihrer Person hinsichtlich der Türkei Abschiebungshindernisse nach Maßgabe des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG vorliegen, da sie im Falle einer Abschiebung dorthin gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod ausgeliefert wäre. Denn in Anbetracht ihrer Herzerkrankung wäre sie dort binnen kürzester Zeit auf eine aufwändige medizinische Versorgung angewiesen, die für sie jedoch als Kind einer im Rahmen der Auseinandersetzungen zwischen der PKK und dem türkischen Staat vor Jahren aus den ländlichen Regionen der Südost-Türkei geflohenen Familie mangels der hierfür erforderlichen finanziellen Mittel wie auch mangels anderweitiger Kostenübernahme als Folge der angespannten wirtschaftlichen und unzulänglichen sozialen Verhältnisse in der Türkei nicht erreichbar wäre. Die Klägerin leidet ausweislich der von ihr vorgelegten ärztlichen Stellungnahme und sonstigen Unterlagen sowie ihrer ergänzenden Ausführungen in der mündlichen Verhandlung seit ihrer Geburt an einem schweren Herzfehler dergestalt, dass ihr eine Herzseite fehlt und ihr Herz nur aus einer funktionierenden Herzkammer besteht, die das Blut in den Körper pumpt. Auf Grund dessen ist die Durchblutung operativ dadurch sichergestellt worden, dass das Blut am Herzen vorbei in die Lunge geleitet wird, in die es alsdann durch die Atemaktionen einfließt. Weitere Operationen werden erwogen bzw. sind - wie das Auswechseln von Metallklammern in ihrem Brustkorb - absehbar. Wegen des Defektes sind regelmäßige ambulante kardiologische Kontrollen unerlässlich. Der Abstand der Kontrolluntersuchungen schwankt derzeit je nach Befundlage zwischen zwei Wochen und zwei Monaten; nachdem die letzte Kontrolluntersuchung in der Kinderklinik S.... A.... Ende Juni 2003 stattgefunden hat, ist die nächste Vorstellung der Klägerin für Anfang August 2003 vorgesehen. Ungeachtet dessen kommt es immer wieder zu Zyanoseanfällen als Folge unzulänglicher Sauerstoffsättigung des Blutes, die über eine ambulante Behandlung hinaus stationäre Aufenthalte der Klägerin in der Kardiologischen Abteilung der Kinderklinik S.... A.... - wie etwa Anfang 2001 in drei Fällen und Anfang 2002 - erforderlich machen. Solche Anfälle treten bei der Klägerin namentlich im Zusammenhang mit Infekten der Luftwege auf, da dann das Blut nicht mehr ungehindert in die Lunge fließen kann. Um das Risiko solcher Infekte zu senken, hatte sich die Klägerin zudem im Herbst 2002 einer Mandeloperation unterziehen müssen. Etwaige operative Eingriffe können zudem regelmäßig nur stationär in Zentren durchgeführt werden, die für Kinderkardiologie spezialisiert sind, weswegen sowohl die soeben genannte Mandeloperation als auch eine bereits im Sommer 2001 erforderliche Tumorentfernung am Sprunggelenk ebenfalls in der Kinderklinik S.... A.... vorgenommen worden ist. Wegen der auf Grund der Herzerkrankung bestehenden besonders hohen Gefährdung für Endokarditis ist überdies ausweislich des von der Klägerin vorgelegten Herzpasses für Kinder vom 10. Juli 1997 auch sonst bei einer Vielzahl selbst einfacherer ärztlicher Eingriffe bis hin zu zahnärztlichen Behandlungen eine vorbeugende antibiotische Versorgung nötig. Schließlich ist die Klägerin selbst im Alltag auf eine umfassende Überwachung und Betreuung angewiesen. In Anbetracht dessen konnte die Klägerin letztlich bislang nur dank des in der Bundesrepublik gegebenen hohen medizinischen Standards bei im Übrigen auch sonst optimalen Bedingungen überleben.

Mit Blick auf diese Krankheitsgeschichte kann es nicht zweifelhaft sein, dass die Klägerin im Falle ihrer Rückkehr in die Türkei auch dort von Anfang an auf eine vergleichbar umfassende und auf Dauer angelegte medizinische Versorgung wie bislang in der Bundesrepublik angewiesen sein wird, andernfalls sie binnen kürzester Zeit in eine lebensbedrohliche Situation geraten würde. Dabei kann vorliegend dahinstehen, inwieweit die Klägerin bereits im unmittelbaren Zusammenhang mit der Vornahme des eigentlichen Abschiebungsvorganges in eine solche Situation geraten könnte (vgl. dazu die Stellungnahmen des Gesundheitsamtes N.... sowie des Facharztes für Allgemeinmedizin/Flugmedizin Dr. M...., N...., vom 11. September und 7. November 2001). Denn den daraus etwa resultierenden Abschiebungshindernissen Rechnung zu tragen, wäre allein Sache der Ausländerbehörde. Ebenso geht es vorliegend nicht etwa um die Frage, inwieweit es gegebenenfalls aus Anlass der Abschiebung ebenfalls noch Aufgabe der Ausländerbehörde sein kann, gleichsam im Wege einer Nachsorge für die Klägerin eine bei ihrer Ankunft gegebenenfalls akut benötigte ärztliche Versorgung sicherzustellen. Denn selbst wenn entsprechende Vorkehrungen erforderlich sein sollten, so könnten sie doch lediglich der Gewährleistung des Überganges der Klägerin in eine Erstbetreuung, nicht aber der Sicherstellung der von ihr benötigten weiterreichenden und auf Dauer angelegten medizinischen Versorgung dienen, auch wenn sie zeitnah nach der Rückkehr der Klägerin einsetzen müsste. Dem gemäß stellt die Gefahr der Nichtgewährleistung dieser zuletzt genannten Versorgung selbst dann bereits ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis im Sinne des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG dar, wenn - wie vom Verwaltungsgericht wegen der Dauer des Verfahrens zur Erteilung der Grünen Karte angenommen bzw. aber auch wegen der bei der konformen Anwendung des § 53 Abs. 6 AuslG vorausgesetzten Unmittelbarkeit der zu besorgenden Gefährdung - nur ein vergleichsweise kurzer Zeitraum von einigen Wochen bis hin zu zwei Monaten in den Blick zu nehmen wäre bzw. ist (vgl. BVerfG InfAuslR 1998, S. 242, VGH Mannheim, NVwZ-beil. 2001, S. 6). Da es nur in den drei großen Universitätskliniken des Landes in Ankara, Istanbul und Izmir Abteilungen für Kinderkardiologie und Herzchirurgie mit Behandlungsmöglichkeiten für Patienten mit nicht korrigierbaren zyanotischen Herzen gibt, wird sich die Familie mit der Klägerin zwangsläufig nur in einer dieser drei westlichen Großstädte der Türkei niederlassen können, um so der Klägerin überhaupt die Chance für einen entsprechenden tatsächlichen Zugang zu den dort für sie gewährleisteten umfassenden und fachspezifischen Betreuung zu eröffnen. Das aber bedeutet, dass die Familie in diesen Städten aller Voraussicht nach sowohl mit Blick auf ihre Vermögensverhältnisse wie auch mit Blick auf ihre Verdienstmöglichkeiten bei gleichzeitig erforderlicher Sicherstellung des Lebensunterhaltsbedarfs für insgesamt acht Personen jedenfalls bis auf weiteres nur in den dortigen Armutsquartieren wohnen können wird (vgl. Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 20. März und 9. Oktober 2002). Was die Vermögensverhältnisse der Familie der Klägerin anbelangt, so ergibt sich zwar aus den Angaben ihrer Eltern in deren Asylverfahren wie auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, dass die Familie nach dem Verkauf ihres Hab und Gutes zur Finanzierung ihrer Ausreise im Jahr 1995 noch über verschiedene Liegenschaften einschließlich eines Hausgrundstückes in dem früheren Heimatdorf bei M.... verfügt, es ergibt sich aus ihnen indes ebenso, dass diese Grundstücke letztlich ohne Wert sind, sei es weil sie mittlerweile verödet bzw. verfallen sind, sei es weil sie ohnehin bereits von den im Dorf verbliebenen Bewohnern benutzt werden, so dass sich für sie jedenfalls in absehbarer Zeit keine Käufer finden lassen werden. Was die Verdienstmöglichkeiten der Familie anbelangt, so werden diese allenfalls zu deren Existenzsicherung ausreichen. Dass etwa der Vater der Klägerin bereits in den ersten Wochen oder Monaten nach der Einreise gar einen gesicherten und zudem entsprechend gut bezahlten Arbeitsplatz finden wird, erscheint zumal vor dem Hintergrund der in der Türkei zu verzeichnenden hohen Arbeitslosigkeit zudem um so fernliegender, als dieser nur begrenzt der türkischen Sprache mächtig ist, nur unzureichend lesen und schreiben kann und ohne Berufsausbildung bislang lediglich von der Landwirtschaft gelebt hat. Damit aber steht ernsthaft zu besorgen, dass sich bei der Klägerin mit Blick auf die in den Armutsquartieren der genannten Großstädte anzutreffenden schwierigen Lebensbedingungen wie gerade auch problematischen hygienischen Verhältnisse schon unmittelbar nach ihrer Niederlassung zu ersten Infekten der unterschiedlichsten Art kommen wird, die über eine ärztliche Konsultation hinaus sehr schnell eine stationäre Überwachung in einem Krankenhaus bzw. in letzter Konsequenz eine unverzügliche Überweisung der Klägerin in die Universitätsklinik erforderlich machen werden. Diese Gefahr erscheint dabei um so wahrscheinlicher, als die Klägerin auch von Seiten ihrer Familie nicht mehr die im Bundesgebiet ihr gegenüber erbrachte Fürsorge erfahren wird, nachdem diese letztlich in der neuen Umgebung nur dadurch überleben können wird, dass neben den Eltern auch die drei ältesten Geschwister einer Erwerbstätigkeit nachgehen, sodass sie öfter sich selbst überlassen bleiben bzw. auf die Betreuung durch ihre beiden erst zehn und acht Jahre alten Geschwister angewiesen sein wird. In Anbetracht dessen könnte ein Überleben der Klägerin schon in den ersten Wochen nach ihrer Niederlassung in der Türkei allenfalls dann als vorstellbar angesehen werden, wenn ihr dort auch tatsächlich von Anfang an ein entsprechender unmittelbarer Zugang zu den solchermaßen benötigten Ärzten, Krankenhäusern und Universitätskliniken eröffnet wäre. Davon kann indessen keinesfalls ausgegangen werden, nachdem die Familie der Klägerin mit Blick auf ihre bereits oben erörterten Vermögens- bzw. Einkommensverhältnisse nicht einmal ansatzweise in der Lage sein wird, die damit einhergehenden Kosten zu tragen. In diesem Zusammenhang ist der Senat des weiteren davon überzeugt, dass die für die Klägerin solchermaßen bestehende extreme Gefahr, wegen fehlender Eigenmittel den erforderlichen Zugang zu der benötigten Versorgung und Behandlung ihrer Erkrankung in der Türkei nicht erlangen zu können, auch nicht dadurch gemindert wird, dass die Familie einen Anspruch auf Ausstellung der sogenannte Grünen Karte ("yesil kart") hat, die die Klägerin alsdann zu kostenloser medizinischer Versorgung im dortigen staatlichen Gesundheitssystem berechtigten würde. Wie sich insofern aus den in das Verfahren eingeführten Erkenntnissen des Senates ergibt, setzt die Erteilung der Grünen Karte ein bürokratisches Verfahren voraus, das mit der Registrierung des Bedürftigen am Wohnort beginnt sowie alsdann nach der Vorlage einer Bescheinigung über das Nichtbestehen anderweitigen Versicherungsschutzes zwei weitere Bestätigungen des Steueramtes und des für den früheren Wohnsitz zuständigen Dorfvorstehers über das Fehlen von Vermögen bzw. Besitz voraussetzt und bis zu zwei Monate dauern kann. Damit aber steht ernsthaft zu besorgen, dass selbst im Falle einer regulären Bearbeitung eines entsprechenden Antrages der Familie auf Erteilung dieser Grünen Karte die Klägerin nicht über die notwendigen finanziellen Mittel verfügen wird, um eine ihr schon in den ersten Wochen nach ihrer Rückkehr drohende Infektion behandeln lassen zu können. Dies gilt umso mehr, als das Verfahren gerade für die Familie der Klägerin zusätzlich dadurch erschwert werden wird, dass die Eltern der Klägerin nur unzulänglich die türkische Sprache beherrschen und darüber hinaus auch noch Analphabeten sind, wodurch sich zusätzliche Reibungsverluste sowie zeitliche Verzögerungen ergeben werden. Überdies steht zu besorgen, dass die Familie der Klägerin zunächst sogar mit einer Ablehnung ihres Gesuchs rechnen muss, weil sie im Sinne der gesetzlichen Voraussetzungen für den Erhalt der Grünen Karte jedenfalls zunächst nicht als besitz- und vermögenslos angesehen werden dürfte, nachdem ihr im früheren Heimatdorf noch verschiedene - wenn auch, wie bereits soeben erwähnt, letztlich nicht verwertbare - Liegenschaften gehören. Hinzu kommt schließlich, dass die Klägerin selbst mit dieser Karte anfänglich nur Zugang zu den staatlichen Krankenhäusern erlangen kann und dass erst von dort aus die erforderliche Weiterverweisung an die für sie letztlich benötigten Universitätskliniken denkbar ist, wodurch grade in einem akuten Notfall zusätzliche Zeit verloren gehen würde. Dass im Übrigen sowohl die Erlangung der Grünen Karte als auch deren Benutzung gerade für mittellose Personen nicht unproblematisch ist, weil auch für deren Ausstellung eine Gebühr zu entrichten ist bzw. die angerufenen Krankenhäuser gelegentlich dennoch auf einer finanziellen Mitbeteiligung der Patienten bestehen, sei nur noch am Rande erwähnt (vgl. zum Ganzen: Erkenntnisse des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom Dezember 1999, Februar 2002 und April 2003, Vertrauensarzt der Deutschen Botschaft vom 3. März 2000, Overdiek vom 27. April 2000, Taylan vom 13. Mai 2000. Deutsche Sektion der Internationalen Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges/ Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. vom 11. November 2001, Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 20. März und 9. November 2002 sowie Klinikum der Phillips-Universität Marburg, vom 16. Juli 2002). Gegenüber diesen Feststellungen lässt sich auch nicht etwa einwenden, dass der Klägerin gerade während der Zeit bis zur Ausstellung der Grünen Karte die zusätzliche Möglichkeit eröffnet sei, über den Förderungsfond für Sozialhilfe und Solidarität finanzielle Zuwendungen zu erlangen. Tatsächlich gelten nämlich für den Erhalt dieser Leistungen im Grundsatz die gleichen Voraussetzungen wie für die Erteilung der Grünen Karte, so dass die Familie über diesen Fond aller Voraussicht nach allenfalls während der ersten Tage nach ihrer Niederlassung in der Türkei mit einem gewissen Übergangsgeld von 63,-- € pro Tag rechnen kann, ihnen indes alsdann und darüber hinaus weitere Zuwendungen, wie sie für die Behandlung der Klägerin benötigt würden, versagt bleiben werden. Soweit es daneben schließlich auch noch die Möglichkeit von Zuwendungen durch religiöse Stiftungen geben mag, hilft dies der Klägerin gleichfalls nicht weiter, nachdem die Familie seit nunmehr rund neun Jahren in der Bundsrepublik lebt, weswegen ein Zugang zu einer solchen Stiftung eher spekulativ erscheint. Zum Zwecke der Klarstellung sei abschließend nochmals betont, dass es der Senat - ungeachtet dessen, dass die vorliegend zu besorgende Gefährdung der Klägerin ihr insoweit lediglich individuell droht, als diese ihre Ursache in deren Herzfehler hat, ohne dass die Klägerin deshalb, auch wenn derartige Erkrankungen nicht singulär sein mögen, einer Bevölkerungsgruppe im Sinne des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG zugeordnet werden kann (vgl. BVerwGE 105, S. 287) - dennoch als angezeigt erachtet hat, in verfassungskonformer Anwendung des § 53 Abs. 6 AuslG auf die oben dargestellten erhöhten Anforderungen hinsichtlich der Erheblichkeit, Konkretheit und Unmittelbarkeit jener Gefährdung abzustellen, da der Nichtzugang der Klägerin zu der von ihr wegen dieses Herzfehlers benötigten, in der Türkei zudem auch grundsätzlich vorhandenen aufwändigen medizinischen Versorgung letztlich seine Ursache in den allgemein schwierigen Lebensverhältnisse in der Türkei bzw. in den in besonderer Weise unzureichenden Lebensbedingungen gerade für im Zuge des PKK-Konfliktes aus den ländlichen Gebieten der Südost-Türkei geflohene kurdische Familien bei ihrer Niederlassung in den Großstädten der West-Türkei hat, die ihrerseits durchaus als eigenständige Bevölkerungsgruppe angesehen werden können (vgl. VGH München, Beschl. vom 10. Oktober 2000 - 25 B 99.32077 -, BVerwG, EZAR 043, Nr. 51 sowie Beschl. vom 29. April 2002 - 1 B 59/02 -). Sind nach alledem die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG wegen der für die Klägerin in der Türkei bestehenden extremen Gefahrenlage erfüllt, so war die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des angefochtenen Asylbescheides zur Feststellung eines entsprechenden Abschiebungshindernisses zu Gunsten der Klägern zu verpflichten; einer zusätzlichen Aufhebung der in diesem Bescheid außerdem enthaltenen Abschiebungsandrohung bedurfte es hierbei allerdings nicht, bleibt doch deren Rechtsmäßigkeit hiervon unberührt, da nach § 41 Abs. 1 AsylVfG diese Entscheidung lediglich die Vollziehbarkeit der Abschiebung betrifft (BVerwGE 99, S. 324, E 105, S. 287). Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten beruht auf § 167 VwGO. Die Revision wird nicht zugelassen, da keine der in § 138 VwGO genannten Gründe vorliegen.

Ende der Entscheidung

Zurück