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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 31.03.2003
Aktenzeichen: 10 A 11884/02.OVG
Rechtsgebiete: BVerfGG, BeamtVG, VAHRG, BGB


Vorschriften:

BVerfGG § 31 Abs. 1
BeamtVG § 57 Abs. 1 S. 1
VAHRG § 5 Abs. 1
BGB § 1360
BGB § 1587 b Abs. 2
§ 5 Abs. 1 VAHRG erfasst grundsätzlich nur den Anspruch auf nachehelichen (Scheidungs-)Unterhalt, nicht aber auch den Anspruch auf Familienunterhalt gemäß § 1360 BGB.
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ BESCHLUSS

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Rückforderung überzahlter Versorgungsbezüge

hier: Zulassung der Berufung

hat der 10. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 31. März 2003, an der teilgenommen haben

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt a. d. Weinstraße vom 16. September 2002 wird abgelehnt.

Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Antragsverfahren auf 20.622,45 € festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Im Hinblick darauf, dass der Kläger anhand seines Falles ganz allgemein die "Gerechtigkeit" der Vorschriften über den Versorgungsausgleich in Abrede stellt, hält es der Senat für angezeigt, vorab auf Folgendes hinzuweisen:

In seinem Urteil vom 28. Februar 1980 (BVerfGE 53, 257 = FamRZ 1980, 326) hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Vorschriften über den Versorgungsausgleich im Grundsatz verfassungsgemäß sind. Insbesondere hat es die Vereinbarkeit des Versorgungsausgleichs mit Art. 33 Abs. 5 GG festgestellt (vgl. den 2. Leitsatz). An diese Entscheidung ist auch der beschließende Senat gebunden (vgl. Art. 31 Abs. 1 BVerfGG). Deshalb können die Rügen des Klägers, soweit sie die Verfassungsmäßigkeit des Versorgungsausgleichs betreffen, von vornherein nicht zum Erfolg führen. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht in der genannten Entscheidung den Gesetzgeber nach Maßgabe der Gründe verpflichtet, eine ergänzende Regelung für Härtefälle zu treffen (vgl. den 4. Leitsatz).

In Ausführung dieser verfassungsgerichtlichen Verpflichtung hat der Gesetzgeber das Gesetz zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG) vom 21. Februar 1983 (BGBl. I. S. 105) erlassen. Dieses Regelungswerk ist also gewissermaßen das Ausführungsgesetz zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Februar 1980. Als solches ist es im Licht dieser Entscheidung zu sehen. Das wiederum bedeutet zweierlei: Zum einen sind die Bestimmungen des Versorgungsausgleichshärteregelungsgesetzes - soweit erforderlich - nach Maßgabe des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Februar 1980 auszulegen. Zum anderen ist ein Regelungsdefizit des Versorgungsausgleichshärteregelungsgesetzes angesichts der Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts dann, aber auch nur dann verfassungsrechtlich zu beanstanden, wenn es eine davon für geboten erklärte Regelung zu treffen unterlassen hat.

Vor diesem Hintergrund ergibt sich für die hier in Rede stehende Kürzung der Versorgungsbezüge gemäß § 57 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG i. V. m. § 5 Abs. 1 VAHRG Folgendes: Gemäß Abschnitt C. V. des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Februar 1980 (BVerfGE 53, 257 [306] = FamRZ 1980, S. 326 [335 rechte Spalte unten]) sind die beamtenrechtlichen Vorschriften (hier: § 57 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG) unter der Voraussetzung mit Art. 33 Abs. 5 GG "vereinbar, dass eine ergänzende Härteregelung der erörterten Art geschaffen wird (s. oben C. III.)". In der danach ausdrücklich Bezug genommenen Passage heißt es (BVerfGE 53, 303f. = FamRZ 1980, S. 335 linke Spalte unten):

Zu einem verfassungswidrigen Zustand kann es ebenfalls kommen, wenn beim Ausgleichspflichtigen vor dem Ausgleichsberechtigten ein Versicherungsfall eintritt. Hier liegt das Schwergewicht bei den Fällen, in denen der ausgleichsberechtigte Teil, dem die übertragenen Werteinheiten mangels Vorliegens eines Versicherungsfalles noch nicht zu Gute kommen, auf Unterhaltsleistungen des Ausgleichsverpflichteten angewiesen (Unterstreichung d.d.Sen.) ist.

Hieraus ergibt sich, dass das Bundesverfassungsgericht nur die Fälle des Versorgungsausgleichs durch ein Härteregelungsgesetz geregelt wissen wollte, in denen der Ausgleichsberechtigte auf Unterhaltsleistungen des Ausgleichspflichtigen angewiesen ist. D.h. in anderen Worten, dass der Ausgleichsverpflichtete (durch das Scheidungsurteil oder eine spätere familiengerichtliche Regelung) dem Ausgleichsberechtigten zum (nachehelichen bzw. Scheidungs-)Unterhalt verpflichtet ist - denn nur dann ist der Ausgleichsberechtigte auf Unterhaltsleistungen angewiesen. Eine verfassungsrechtlich bedeutsame und regelungsbedürftige Härte liegt damit (nur) in den Fällen vor, in denen der Ausgleichspflichtige auch zur Gewährung nachehelichen Unterhalts (Scheidungsunterhalts) familiengerichtlich verpflichtet ist. Indessen gehören dazu nicht, jedenfalls nicht ohne weiteres die Fälle, in denen der Ausgleichspflichtige dem Ausgleichsberechtigten kraft Gesetzes, auf der Grundlage des § 1360 BGB (Familien-)Unterhalt zu gewähren hat, weil er mit dem Ausgleichsberechtigten (wieder-)verheiratet ist. Denn dieser Familienunterhalt ergibt sich unter Ehegatten auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung, ein Anspruch besteht zwischen Ehegatten also stets - auch ohne dass der Betreffende wie es das Bundesverfassungsgericht "auf Unterhaltsleistungen angewiesen" ist.

Bei diesem Verständnis der Regelungen greift für den Kläger die Härteregelung des § 5 Abs. 1 VAHRG nicht ein. Denn er ist weder auf Grund des Scheidungsurteils noch zu einem späteren Zeitpunkt familiengerichtlich zu Unterhaltsleistungen an seine frühere und jetzige Ehefrau verurteilt worden. Eine nacheheliche Unterhaltspflicht bestand demnach nicht. Vielmehr wurde der Kläger seiner Ehefrau erst durch die Wiederheirat nach Maßgabe des § 1360 BGB unterhaltspflichtig.

Eine andere Frage ist demgegenüber, ob dieser Anspruch auf Familienunterhalt (ausnahmsweise) dann die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 VAHRG erfüllt, wenn er gleichsam an die Stelle des nachehelichen Unterhalts tritt und damit diesen ersetzt (wie in dem vom Kläger zitierten Urteil des BGH vom 9. Februar 1983, FamRZ 1983, S. 461) - mit der Folge, dass der Ausgleichsberechtigte (und neuer Ehegatte) auf die Unterhaltsleistungen "angewiesen" bleibt. Diese Frage braucht aber nicht entschieden zu werden, weil ein solcher Fall hier nicht gegeben ist.

Von daher ist nicht ernstlich zweifelhaft i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, dass - wie von der Vorinstanz entschieden - § 5 Abs. 1 VAHRG im Falle des Klägers nicht anwendbar ist. Auch hat die Rechtssache nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Denn dass diese Vorschrift vorliegend nicht anwendbar ist, lässt sich bereits in diesem Antragsverfahren feststellen, ohne dass es der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf.

Damit erledigt sich auch der vom Kläger beiläufig erhobene Einwand, sein spezieller Fall sei "ungerecht" und damit verfassungswidrig entschieden. Denn wie bereits ausgeführt, hat das Bundesverfassungsgericht mit der Herausstellung einer bestimmten - hier aber nicht vorliegenden - Fallkonstellation als grundgesetzwidrigen Zustand zugleich entschieden, dass in anderen Fällen - wie etwa hier - die Regelungen über den Versorgungsausgleich nicht verfassungswidrig sind. Dabei mögen diese Regelungen den Kläger hart treffen, es ist jedoch keine Härte, die um der Verfassungsmäßigkeit des Versorgungsausgleichs willen einer ergänzenden Regelung bedarf.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 17 Abs. 3 und 4 GKG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.



Ende der Entscheidung

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