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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 18.08.2003
Aktenzeichen: 10 B 11079/03.OVG
Rechtsgebiete: AuslG, VwGO, VwVfG


Vorschriften:

AuslG § 74 Abs. 1 S. 2
AuslG § 74 Abs. 2
AuslG § 74 Abs. 3 S. 2
AuslG § 74 Abs. 3
AuslG § 74
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
VwGO § 80
VwVfG § 14
Zur Frage, ob der in § 74 Abs. 3 Satz 2 AuslG vorgesehene Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Anordnungen nach § 74 Abs. 1 und 2 AuslG auch die der Zwangsgeldandrohung nachfolgende Zwangsgeldfestsetzung erfasst.
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ BESCHLUSS

10 B 11079/03.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Ausländerrechts

hier: aufschiebende Wirkung

hat der 10. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 18. August 2003, an der teilgenommen haben

Vizepräsident des Oberverwaltungsgerichts Steppling Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Falkenstett Richter am Oberverwaltungsgericht Möller

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 5. Juni 2003 festgestellt, dass ihre Klage gegen den Leistungsbescheid der Antragsgegnerin vom 14. März 2002 aufschiebende Wirkung hat. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 250.-- € festgesetzt.

Gründe: Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte den von der Antragstellerin in erster Linie verfolgten Antrag, gemäß § 80 Abs. 5 VwGO analog festzustellen, dass der von ihr am 6. August 2002 erhobenen Klage - 3 K 2152/02.KO - gegen den - von der Antragsgegnerin nicht gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO für sofort vollziehbar erklärten - Leistungsbescheid vom 14. März 2002 aufschiebende Wirkung zukommt, nicht ablehnen dürfen, nachdem sich im Rahmen der im vorläufigen Verfahren auf Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz angezeigten summarischen Würdigung nicht mit der gebotenen Verlässlichkeit feststellen lässt, dass diese Wirkung etwa anderweitig ausgeschlossen wäre. Soweit das Verwaltungsgericht wie auch die Antragsgegnerin davon ausgegangen sind, die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen die in dem genannten Bescheid ausgesprochene Zahlungsaufforderung sei vorliegend kraft Gesetzes nach Maßgabe des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 74 Abs. 3 Satz 2 AuslG ausgeschlossen, bestehen gegen diese Auffassung nicht unerhebliche Bedenken. Sollte sich dieser Satz 2 wie auch schon der vorangegangene Satz 1 des Absatzes 3 lediglich auf die dort ausdrücklich genannten Anordnungen nach § 74 Absatz 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 AuslG beziehen, so wären von ihm ohnehin nur die Anordnungen der Untersagung der Beförderung von Ausländern ohne erforderliche Pässe und Visa in das Bundesgebiet bzw. der Aufgabe, solche Ausländer nicht in das Bundesgebiet zu befördern, nebst der für den Fall der Zuwiderhandlung gegen diese Anordnungen vorgesehenen weiteren Anordnung der Zwangsgeldandrohung erfasst, nicht aber auch eine sich daran anschließende Zwangsgeldfestsetzung, um die es vorliegend der Sache nach geht. Sollte der Satz 2 dieses Absatzes 3 hingegen mangels Wiederholung der in Satz 1 enthaltenen gesetzlichen Bestimmungen auch noch sonstige in § 74 etwa vorgesehene Anordnungen erfassen wollen, ergibt sich keine andere Betrachtungsweise, nachdem jedenfalls die Zwangsgeldfestsetzung als weitere entsprechende Anordnung in § 74 AuslG ersichtlich nicht angesprochen wird. Dies gilt dabei in Sonderheit auch mit Blick auf § 74 Abs. 2 Satz 2 AuslG, wonach Beförderungsunternehmen für jeden Ausländer, den sie einer Verfügung nach Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AuslG zuwider befördern, Beträge zwischen 250.-- € und 2500.-- € zu entrichten haben, erscheint doch insoweit zweifelhaft, inwieweit diese Bestimmung mit ihrem für die Höhe des im Zuwiderhandlungsfalle zu entrichtenden bzw. zuvor nach § 74 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 2 AuslG anzudrohenden Zwangsgeldes vorgegebenen Rahmen zugleich als eigenständige Ermächtigung für die vorliegend mit dem Leistungsbescheid erfolgte Zwangsgeldfestsetzung angesehen werden kann. Dies gilt umso mehr, als es einer solchen zusätzlichen Ermächtigung in § 74 AuslG auch nicht ohne weiteres bedufte, nachdem insoweit in Ergänzung der spezialgesetzlichen Bestimmung des § 74 AuslG für die weitere Durchsetzung der dort vorgesehenen Zwangsgeldandrohung das Verwaltungsvollstreckungsgesetz Platz greift, das gerade auch für den Fall, dass es um die Durchsetzung bestimmter Handlungs- oder Unterlassungspflichten geht, in den §§ 6 ff die erforderlichen Regelungen und damit im Zusammenhang in § 14 eine ausdrückliche entsprechende Ermächtigung zur Zwangsgeldfestsetzung enthält. Demgemäß hat denn auch das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 21. Januar 2003 - BVerwG 1 C 5.02 - (AuAS 2003, S. 174) herausgestellt, dass die Durchsetzung des Beförderungsverbotes nach § 74 Abs. 2 AusG i.V.m. den §§ 6 ff VwVG erfolge (vg. S. 10 sowie 12 und 14 f UA). Soweit das Verwaltungsgericht des Weiteren angenommen hat, sein bereits auf der Grundlage des Wortlautes des § 74 Abs. 3 Satz 2 AuslG gewonnenes Verständnis, wonach zu den von dieser Bestimmung erfassten Anordnungen auch die in § 74 Abs. 2 Satz 2 AuslG aus seiner Sicht mitangelegte Zwangsgeldfestsetzung rechne, sei auch mit Blick auf den Sinn und Zweck des § 74 AuslG gerechtfertigt, erscheint dies gleichfalls nicht zwingend. Denn wenn auch durchaus für die Auffassung der ersten Instanz sprechen mag, dass bei einer Erstreckung des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung auch auf die Rechtmittel gegen die Zwangsgeldfestsetzung der Beförderungsunternehmer gegebenenfalls noch nachhaltiger zur Beachtung der Einreisevorschriften angehalten werden könnte, so gibt es doch in gleicher Weise auch für eine Begrenzung des Ausschlusses des Suspensiveffektes lediglich für Rechtsmittel gegen die Untersagungs- bzw. Auflageverfügung nebst Zwangsgeldandrohung sachliche Gründe (vgl. dazu bereits OVG Lüneburg zu § 18 Abs. 5 Satz 3 AuslG 1965, NVwZ 1989, S. 1095). Hiernach kann in Sonderheit das Beförderungsverbot nur wirksam durchgesetzt werden, wenn es sofort vollziehbar ist, weil im Falle der unerlaubten Verbringung von Ausländern ohne Pass oder erforderlichen Sichtvermerk in das Bundesgebiet sowohl die Zahlungspflicht nach § 74 Abs. 2 Satz 2 AuslG als auch die Verfolgung der Ordnungswidrigkeit gemäß § 93 Abs. 3 Satz 2 AuslG ein solchermaßen vollziehbares Verbot nach § 74 Abs. 1 Satz 2 bzw. Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AuslG voraussetzt. Ähnlich verhält es sich hinsichtlich der von § 74 Abs. 3 Satz 2 AuslG miterfassten und demgemäß gleichfalls kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Zwangsgeldandrohung, wird doch dem Beförderungsunternehmen dadurch in aller Deutlichkeit vor Augen geführt, dass bereits der nächste Verstoß gegen eine vorangegangene Untersagungsverfügung bzw. mit dieser Androhung einhergehenden Aufgabeverfügung ungeachtet eines etwa von ihm hiergegen eingelegten Rechtsmittels zu einer Zwangsgeldfestsetzung führen kann. Die eigentliche Zwangsgeldfestsetzung selbst indessen bedarf damit im Zusammenhang nicht notwendigerweise ebenfalls des Sofortvollzuges. Der Antragsgegnerin als Gläubigerin stehen mit den Beförderungsunternehmen in der Regel solvente Schuldner gegenüber. Eine unverzügliche Beitreibung des festgesetzten Betrages ist auch nicht etwa deshalb nötig, weil er zum Ausgleich bereits getätigter Aufwendungen möglichst rasch wieder vereinnahmt werden müsste. Statt dessen hängt es hier vielmehr von der Zahl und der Art sowie dem Gewicht der weiterhin auf Seiten des betreffenden Beförderungsunternehmens festgestellten Verstöße gegen die Untersagungs- bzw. Aufgabeanordnung ab, ob von ihm verwirkte Zwangsgelder entweder generell oder aber zumindest in bestimmten Einzelfällen möglichst zeitnah oder aber gegebenenfalls auch erst nach dem Abschluss eines gegen deren Festsetzung angestrengten Rechtsmittelverfahrens beigetrieben werden sollen. Tatsächlich hatte denn auch die Antragsgegnerin selbst wegen solcher Erwägungen in der Vergangenheit nicht etwa auf einer unmittelbaren Beitreibung der gegenüber der Antragstellerin festgelegten Zwangsgelder bestanden wie im Übrigen aber auch das Bundesverwaltungsgericht in dem bereits oben angeführten Urteil vom 21. Januar 2003 (a.a.O., S. 16 UA) es damit im Zusammenhang als durchaus vertretbar erachtet hat, die Beitreibung des Zwangsgeldes gegebenenfalls im Wege einer in angemessenen Abschnitten gestuften Vollziehung vorzunehmen. Den Materialien zu § 74 AuslG lässt sich gleichfalls nichts Gegenteiliges entnehmen; denn soweit sie bezüglich der Regelung des § 74 Abs. 3 AuslG Ausführungen zu den Motiven des Gesetzgebers enthalten, befassen sich diese lediglich mit dessen Satz 1 (vgl. BT-Drucks. 11/6321, S. 82 sowie 11/6950, S. 26). Aber auch die Gesetzgebungsgeschichte im Übrigen zwingt nicht notwendigerweise zu dem Schluss, dass in § 74 Abs. 2 Satz 2 AuslG als weitere Anordnung zugleich auch die Zwangsgeldfestsetzung geregelt und demgemäß alsdann auch die gegen diese eingelegten Rechtsmittel in den von § 74 Abs. 3 Satz 2 AuslG vorgesehenen Ausschluss des Suspensiveffektes miteinbezogen worden seien. Soweit demgegenüber mit Blick auf § 18 Abs. 5 Satz 3 AuslG 1965 und die dazu ergangene Rechtsprechung die Auffassung vertreten wird (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 74, Rdnr. 25 ff), dass wegen der nunmehr in § 74 Abs. 2 Satz 2 AuslG vorgesehenen Verhängung eines Zwangsgeldes wie auch wegen des in § 74 Abs. 3 Satz 2 AuslG vorgesehenen Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der bisherige Streit über die Qualifizierung der Geldleistung bzw. deren sofortiger Vollziehbarkeit obsolet sei, vermag der Senat diese vor dem Hintergrund der bislang aufgezeigten Erwägungen gleichfalls nicht zu teilen. Dabei mag dahinstehen, inwieweit der Gesetzgeber gegebenenfalls tatsächlich eine derartige Klarstellung mit der Neufassung des § 78 AuslG auch im Hinblick auf gegen die Zwangsgeldfestsetzung gerichtete Rechtmittel ins Auge gefasst haben mag, hätte er sie alsdann jedenfalls nicht mit der gebotenen Klarheit zum Ausdruck gebracht, was indessen um so schwerer wiegt, als es im Hinblick auf den in § 80 Abs. 1 VwGO aufgestellten allgemeinen Grundsatz, wonach Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, wie auch auf die Bedeutung der aufschiebenden Wirkung für die Rechtsschutzgarantie stets einer eindeutigen gesetzlichen Regelung bedarf (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 13. Aufl., § 80, Rdnr. 65). Spricht nach alledem vieles dafür, dass die Regelung des § 74 Abs. 3 Satz 2 AuslG nicht ohne weiteres auch auf Rechtsmittel gegen die Zwangsgeldfestsetzung erstreckt werden kann, so zeigt sich ferner, dass diese Festsetzung auch nicht etwa deshalb kraft Gesetzes sofort vollziehbar wäre, weil es sich bei ihr um eine Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung handelt. Das Verwaltungsvollstreckungsgesetz enthält seinerseits keinen generellen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Rechtsmitteln gegen die auf seiner Grundlage erfolgten Anordnungen. Ein solcher lässt sich zudem aber auch nicht etwa aus den §§ 6 ff VwVG herleiten. Dies gilt hierbei ungeachtet dessen, dass beim Zwangsgeld die Festsetzung in dem Erlass eines Leistungsbescheides besteht, der seinerseits nach den Vorschriften des 1. Abschnittes dieses Gesetzes vollstreckt wird mit der Folge, dass aufgrund der Festsetzung als vollziehbarem Vollstreckungsakt unmittelbar zur Einleitung der Vollstreckung geschritten werden kann; denn soweit damit den Behörden ein entsprechender erster Zugriff möglich ist, bleibt eine eingeleitete Vollstreckung anerkanntermaßen nur bis zur Einlegung eines Rechtsmittels zulässig, es sei denn diesem käme anderweitig kraft Gesetzes oder aufgrund behördlicher Anordnung im Einzelfall keine aufschiebende Wirkung zu (vgl. Engelhardt/App, VwVG-VwZG, 5. Aufl., § 3 Rdnr. 3). Dementsprechend vermag der Senat des Weiteren auch nicht die zu § 74 AuslG in der Ziffer 74.2.2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Ausländergesetz vom 28. Juni 2000 vertretene Rechtsauffassung zu teilen, wonach im Falle der Zuwiderhandlung das angedrohte Zwangsgeld festzusetzen sei, gemäß § 74 Abs. 3 Satz 2 Widerspruch und Anfechtungsklage mangels aufschiebender Wirkung nicht nur gegen die Anordnung der Androhung sondern auch der Festsetzung des Zwangsgeldes als vollziehbarem Vollstreckungsakt nicht entgegenstünden und im Übrigen sich (erst) die Erhebung und Beitreibung des Zwangsgeldes nach Verwaltungsvollstreckungsrecht richte. Schließlich ergibt sich ein Sofortvollzug kraft Gesetzes auch nicht nach Maßgabe des § 80 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, weil es sich bei dem Zwangsgeld nach allgemeiner Auffassung um keine Abgaben oder Kosten im Sinne dieser Regelung handelt (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 80, Rdnr. 56 ff sowie OVG Lüneburg, a.a.O.). Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf den §§ 14, 20 Abs. 3 und 13 Abs. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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