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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 17.12.2004
Aktenzeichen: 12 A 11228/04.OVG
Rechtsgebiete: SGB VIII


Vorschriften:

SGB VIII § 27
SGB VIII § 27 Abs. 1
SGB VIII § 32
SGB VIII § 32 S. 1
SGB VIII § 33
SGB VIII § 33 S. 1
SGB VIII § 86
SGB VIII § 86 Abs. 6
SGB VIII § 89 a
SGB VIII § 89 a Abs. 1
SGB VIII § 89 a Abs. 1 S. 1
SGB VIII § 89 a Abs. 3
Die Kostenerstattungspflicht nach § 89 a Abs. 3 SGB VIII setzt nicht voraus, dass mit der Begründung der örtlichen Zuständigkeit eines Trägers der öffentlichen Jugendhilfe gemäß § 86 Abs. 6 SGB VIII ein Zuständigkeitswechsel oder zumindest das Entstehen einer Kostenerstattungspflicht nach § 89 a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII verbunden war.
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

12 A 11228/04.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Jugendhilfe (Kostenerstattung)

hat der 12. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 17. Dezember 2004, an der teilgenommen haben

Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Wünsch Richter am Oberverwaltungsgericht Wolff Richter am Verwaltungsgericht Porz ehrenamtliche Richterin Hausfrau Emmert ehrenamtlicher Richter Organist Höhmann

für Recht erkannt:

Tenor:

Unter teilweiser Änderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 25. März 2004 - 2 K 3734/03.NW - wird der Beklagte verurteilt, an die Klägerin 76.574,16 € nebst Prozesszinsen seit dem 23. März 2004 in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen der Beklagte zu 16/17 und die Klägerin zu 1/17.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die klagende Stadt L. begehrt vom beklagten R.-Kreis die Erstattung der von ihr im Zeitraum 1. August 2000 bis 31. März 2004 aufgewendeten Kosten der Jugendhilfe für das Kind S. F. in Höhe von 81.383,78 € nebst Prozesszinsen.

S. wurde am 13. April 1994 als nichteheliches Kind von Frau N. M. und Herrn R. F. geboren. Im November 1997 trennten sich seine damals im S.kreis lebenden Eltern, wo sein Vater zunächst verblieb. Seine Mutter zog hingegen nach L., wo sie am 12. Dezember 1997 S. der Mutter von Herrn R. F., Frau G. F., zur Pflege und Erziehung übergab. Dort lebt S. noch heute. Später hielt sich S. Mutter in Sp. und danach im Landkreis B. auf. S. Vater R. F. zog im Sommer 1998 ebenfalls zu seiner Mutter und seinem Vater D. F. nach L..

Bereits im Frühjahr 1998 hatte sich Frau G. F. wegen erheblicher Verhaltensauffälligkeiten S. an die Klägerin gewandt und um Leistungen der Jugendhilfe gebeten. Die Klägerin ermöglichte S. daraufhin den Besuch einer heilpädagogisch-therapeutischen Tagesgruppe (HTT) ab September 1998. Nachdem S. Vater in L. Arbeit gefunden hatte und im Frühjahr 1999 zu einer Freundin gezogen war, erachtete die Klägerin für S. zusätzlich eine Vollzeitpflegestelle als erforderlich. Im Hinblick darauf gab Frau G. F. zum 2. Juli 1999 ihre Berufstätigkeit auf, um sich ganz S. widmen zu können, doch verzögerte sich die Bewilligung der Vollzeitpflege bei ihr durch die Klägerin, da erst mit Beschluss des Amtsgerichts L. vom 28. September 1999 die elterliche Sorge für S. von dessen Mutter auf dessen weiterhin in L. wohnhaften Vater übertragen wurde.

S. Vater hatte am 2. Juni 1999 seine Freundin geheiratet und zog am 1. August 2000 mit ihr, einer am 16. Oktober 1999 geborenen gemeinsamen Tochter und einer weiteren Tochter seiner Ehefrau in den R.-Kreis. Mit Schreiben vom 30. Oktober 2000 an den Beklagten machte die Klägerin daraufhin Kostenerstattung gemäß § 89 a SGB VIII ab dem 1. August 2000 geltend.

Am 31. Juli 2001 endete der Besuch der heilpädagogisch-therapeutischen Tagesgruppe wegen der Einschulung S. im August 2001 in die Grundschule, doch bewilligte die Klägerin bereits vom 15. Oktober 2001 an bis zum 31. Dezember 2002 S. erneut den Besuch einer heilpädagogischen Tagesgruppe für schulpflichtige Kinder (HTT 2).

Mit Schreiben vom 13. Mai 2003 lehnte der Beklagte eine Kostenerstattung ab, weil Frau G. F. als S. Großmutter diesen im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht pflege und erziehe.

Mit Bescheid vom 21. Juli 2003 stellte die Klägerin die Unterbringung S. in Vollzeitpflege zum 1. August 2003 ein und lehnte zugleich die beantragte Unterbringung S. in einer Tagesgruppe der J.-Pflege in L. im Schuljahr 2003/2004 ab, weil S. zumindest an Schultagen einer vollstationären Unterbringung bedürfe. Auf den Widerspruch von S. Vater hin hob der Stadtrechtsausschuss der Beklagten den Bescheid vom 21. Juli 2003 mit Widerspruchsbescheid vom 10. Dezember 2003 auf und verpflichtete die Klägerin, ab dem 1. August 2003 für die Dauer eines weiteren Jahres Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege bei Frau G. F. zu bewilligen. Zwischenzeitlich hatte der Beklagte mit Bescheid vom 14. September 2003 den Besuch einer Tagesgruppe der J.-Pflege in L. durch S. bewilligt.

Da der Beklagte gleichwohl weiterhin jegliche Kostenerstattung ablehnte, hat die Klägerin am 30. Dezember 2003 Klage erhoben und beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 81.383,78 € nebst Prozesszinsen seit dem 23. März 2004 zu verurteilen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 25. März 2004 abgewiesen und zur Begründung unter anderem ausgeführt: Einzige mögliche Rechtsgrundlage für das Erstattungsbegehren der Klägerin sei § 89 a Abs. 3 SGB VIII. Diese Vorschrift sehe zwar eine Erstattung von Aufwendungen vor, die ein Jugendhilfeträger aufgrund seiner Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 SGB VIII aufgewendet habe. Aus systematischen Gründen und nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift setze dies jedoch voraus, dass mit dem Zuständigwerden des Trägers der Jugendhilfe nach § 86 Abs. 6 SGB VIII ein Zuständigkeitswechsel verbunden gewesen sei. Daran fehle es vorliegend, weil die Klägerin, bevor sie zwei Jahre nach S. Aufnahme bei seiner Großmutter am 12. Dezember 1997 gemäß § 86 Abs. 6 SGB VIII zuständig geworden sei, infolge der Übertragung der elterlichen Sorge für S. auf dessen Vater bereits gemäß § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zuständig gewesen sei.

Die Klägerin hat rechtzeitig die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung gegen dieses Urteil eingelegt und zur Begründung geltend gemacht: Das Verwaltungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass S. Vater 1998 zu seinen Eltern und damit auch zu S. gezogen sei. In diesem Zeitraum habe S. deshalb nicht bei einer Pflegeperson gelebt, so dass nach dem Auszug von S. Vater im Jahr 1999 die Zweijahresfrist des § 86 Abs. 6 SGB VIII erneut zu laufen begonnen habe. Des-halb sei der Beklagte mit dem Zuzug von S. Vater am 1. August 2000 gemäß § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII örtlich zuständig geworden, habe die Leistungen aber nicht fortgesetzt, sodass sie hierzu gemäß § 86 c SGB VIII weiterhin verpflichtet gewesen sei und deshalb ihre Auslagen vom Beklagten gemäß § 89 c SGB VIII zu erstatten seien. 2001 sei - zwei Jahre nach dem Auszug von S. Vater aus der Wohnung seiner Eltern - wieder sie gemäß § 86 Abs. 6 SGB VIII zuständig geworden, sodass sich seitdem ihr Kostenerstattungsanspruch gegen den Beklagten aus § 89 a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII ergebe. Selbst wenn man aber davon ausgehe, dass sie bereits am 11. Dezember 1999 gemäß § 86 Abs. 6 SGB VIII zuständig geworden sei, so habe sie gemäß § 89 a Abs. 3 SGB VIII seit dem 1. August 2000 einen Kostenerstattungsanspruch gegen den Beklagten. Diese Bestimmung setze nämlich einen Zuständigkeitswechsel nicht voraus. Die Kostenerstattungsverpflichtung scheitere auch nicht an § 89 f Abs. 1 SGB VIII, da die Hilfegewährung für S. dem Gesetz entsprochen habe. So habe Frau G. F. nach den besonderen Umständen des vorliegenden Falles glaubhaft versichert, nicht zur unentgeltlichen Pflege und Erziehung S. bereit zu sein, obwohl sie dessen Großmutter sei. Als solche sei Frau G. F. S. auch nicht unterhaltspflichtig. Zum einen seien sie und ihr Ehemann nicht leistungsfähig. Zum anderen habe S. Vater im Zeitraum 1. Oktober 2000 bis 31. März 2004 Kostenbeiträge in Höhe von insgesamt 5.519,47 € gezahlt und sei deshalb insoweit seiner Unterhaltspflicht S. gegenüber nachgekommen. Unter diesen Umständen seien zufolge der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts S. Großeltern für diesen nicht unterhaltspflichtig.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 25. März 2004 - 2 K 3734/03.NW - zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 81.383,78 € nebst Prozesszinsen ab dem 23. März 2004 in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

und meint: Der vorübergehende Aufenthalt von S. Vater bei seinen Eltern und damit auch bei S. ändere nichts an dem Umstand, dass S. am 12. Dezember 1999 zwei Jahre bei seiner Pflegeperson G. F. gelebt habe und die Klägerin deshalb zu diesem Zeitpunkt gemäß § 86 Abs. 6 SGB VIII zuständig geworden sei, ohne dass es wegen deren sich zuvor aus § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ergebenden Zuständigkeit zu einem Zuständigkeitswechsel gekommen sei. Daran scheitere ein Kostenerstattungsanspruch der Klägerin gemäß § 89 Abs. 3 SGB VIII, wie das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden habe. Im Übrigen habe Frau G. F. S. als dessen Großmutter in Erfüllung ihrer Unterhaltspflicht gepflegt und erzogen, weil S. Eltern beide leistungsunfähig gewesen seien. Zumindest müssten die von S. Vater unregelmäßig gezahlten geringfügigen Kostenbeiträge vom geltend gemachten Erstattungsbetrag abgesetzt werden.

Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen hierzu sowie auf zwei Hefte Verwaltungsakten der Klägerin und des Beklagten verwiesen, die Gegenstand der Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und überwiegend auch begründet.

Die Klägerin hat gemäß § 89 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 SGB VIII einen Anspruch gegen den Beklagten auf Erstattung von 76.574,16 €.

I.

Gemäß § 89 a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind Kosten, die ein örtlicher Träger der öffentlichen Jugendhilfe aufgrund einer Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 SGB VIII aufgewendet hat, von demjenigen örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe zu erstatten, der zuvor nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII zuständig war oder gewesen wäre. Ändert sich während der Gewährung der Leistung nach § 89 a Abs. 1 SGB VIII, also aufgrund einer Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 SGB VIII, der für die örtliche Zuständigkeit nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII maßgebliche gewöhnliche Aufenthalt, so wird gemäß § 89 a Abs. 3 SGB VIII der örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe kostenerstattungspflichtig, der ohne Anwendung des § 86 Abs. 6 SGB VIII örtlich zuständig geworden wäre.

1) Die Klägerin ist seit dem 12. Dezember 1999 gemäß § 86 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII örtlich zuständiger Träger der öffentlichen Jugendhilfe für Jugendhilfeleistungen an das Kind S. F.. Nach dieser Vorschrift ist oder wird dann, wenn ein Kind oder ein Jugendlicher zwei Jahre bei einer Pflegeperson lebt und sein Verbleib bei dieser Pflegeperson auf Dauer zu erwarten ist, abweichend von § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII der Träger der öffentlichen Jugendhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich die Pflegeperson ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Das Kind S. F. wurde von seiner damals allein personensorgeberechtigten Mutter am 12. Dezember 1997 der im Bereich der Klägerin wohnhaften Mutter von S. Vater, Frau G. F., zur Pflege anvertraut, wo es seitdem lebt. Dass zu einem nach Aktenlage nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt zwischen dem 24. April und dem 8. September 1998 auch S. Vater zu seinen Eltern und damit auch zu seinem Sohn zog und dort bis zu einem nach Aktenlage nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt vor dem 18. Mai 1999 wohnte (vgl. S. 6, 15, 22 und 25 des Teiles II der Verwaltungsakte der Klägerin), änderte nichts daran, dass tatsächlich auch weiterhin zumindest im Wesentlichen Frau G. F. die Pflege und Erziehung S. übernahm und S. deshalb weiterhin "bei einer Pflegeperson" lebte. Zudem hatte S. damals noch allein personensorgeberechtigte Mutter S. Vater nicht mit dessen Pflege beauftragt, sondern eben seine Mutter G. F., so dass S. Vater zu dessen Pflege und Erziehung nicht berechtigt war. Unabhängig davon ging S. Vater auch in L. einer (zunächst Teilzeit-)Beschäftigung nach und war insoweit auch tatsächlich verhindert, S. zu pflegen und zu erziehen.

S. Verbleib bei Frau G. F., bei der er auch heute noch lebt, stand auch bereits am 12. Dezember 1999 auf Dauer zu erwarten. Das Jugendamt der Klägerin verfolgte seine zwischenzeitlichen Erwägungen, S. benötige zumindest an Schultagen eine Heimunterbringung, aufgrund des Widerspruchsbescheides des Stadtrechtsausschusses der Klägerin vom 10. Dezember 2003 nicht weiter, und auch der Beklagte erachtet an Schultagen den Besuch einer Tagesgruppe der J.-Pflege in L., in die eine Sonderschule mit dem Förderschwerpunkt sozial-emotionale Entwicklung integriert ist, für ausreichend, wie aus seinem Bescheid vom 4. September 2003 hervorgeht (vgl. S. 81 der Verwaltungsakte des Beklagten).

2) Da S. Vater, dem mit Beschluss des Amtsgerichts L. vom 28. September 1999 die alleinige elterliche Sorge für S. übertragen worden war, am 1. August 2000 aus dem Bereich der Klägerin in den Bereich des Beklagten verzog und dort einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt begründete, hat die Klägerin seitdem gemäß § 89 a Abs. 3 SGB VIII einen Kostenerstattungsanspruch gegen den Beklagten.

Zwar war infolge der Übertragung der elterlichen Sorge für S. auf dessen Vater durch Beschluss des Amtsgerichts L. vom 28. September 1999 die Klägerin ab diesem Zeitpunkt gemäß § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII örtlich zuständiger Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Als sich ab dem 12. Dezember 1999 ihre örtliche Zuständigkeit nunmehr aus § 86 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII ergab, kam es deshalb nicht zu einem Wechsel der örtlichen Zuständigkeit, sodass die Klägerin aus diesem Grund keinen Kostenerstattungsanspruch gemäß § 89 a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII gegen einen anderen Träger der öffentlichen Jugendhilfe hatte. § 89 a Abs. 3 SGB VIII setzt jedoch entgegen der Auffassung des Beklagten und des Verwaltungsgerichts einen solchen Zuständigkeitswechsel nicht voraus. Ferner regelt diese Bestimmung auch nicht etwa lediglich den Wechsel der Kostenerstattungspflicht von einem bisher gemäß § 89 a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII kostenerstattungspflichtigen auf einen nunmehr kostenerstattungspflichtig werdenden anderen Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Letzteres lässt sich dem Wortlaut des § 89 a Abs. 3 SGB VIII nicht entnehmen. Dieser stellt vielmehr allein darauf ab, dass sich während der Gewährung einer Leistung aufgrund einer Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 SGB VIII der für die örtliche Zuständigkeit nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII maßgebliche gewöhnliche Aufenthalt ändert. Das Erfordernis eines Zuständigkeitswechsels oder doch einer zuvor nach § 89 a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII entstandenen Kostenerstattungspflicht ergibt sich entgegen der Annahme des Beklagten und des Verwaltungsgerichts aber auch nicht etwa aus systematischen Erwägungen oder aus Sinn und Zweck des § 89 a Abs. 3 SGB VIII.

a) So trifft es zunächst nicht zu, dass § 89 a Abs. 1 und Abs. 3 SGB VIII im Verhältnis von "Grundregelung" und "Sonderregelung" stehen (so aber Schellhorn, SGB VIII, § 89, vor Rn. 4 und Rn. 11). § 89 a Abs. 1 SGB VIII regelt vielmehr die Kostenerstattung zu dem Zeitpunkt, zu dem die örtliche Zuständigkeit eines Trägers der öffentlichen Jugendhilfe auf der Grundlage des § 86 Abs. 6 SGB VIII begründet wird; Absatz 3 dieser Bestimmung trägt nachträglichen Änderungen des gewöhnlichen Aufenthalts der Eltern bzw. des Kindes oder Jugendlichen Rechnung. So hat auch der historische Gesetzgeber diese Regelung gewollt und verstanden (vgl. BT-Drs. 12/3711 S. 45). Von der Gesetzessystematik her begrenzt deshalb § 89 a Abs. 3 SGB VIII nicht lediglich eine gemäß § 89 a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII bestehende Kostenerstattungspflicht im Falle einer Änderung des für die örtliche Zuständigkeit nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII maßgeblichen gewöhnlichen Aufenthaltes. Vielmehr findet § 89 a Abs. 3 SGB VIII auch dann Anwendung, wenn der bisher kostenerstattungspflichtige Träger der öffentlichen Jugendhilfe seinerseits gemäß § 89 a Abs. 3 SGB VIII kostenerstattungspflichtig wurde (so auch Krug/Grüner/Dalichau, SGB VIII, Loseblatt, § 89 a Erläuterung IV, Schellhorn, a.a.O. Rn. 9 und Stähr in Hauck/Noftz, SGB VIII, Loseblatt, § 89 a Rz. 4). Schließlich begründet § 89 a Abs. 3 SGB VIII in den Fällen, in denen der Träger der öffentlichen Jugendhilfe schon vor seiner örtlichen Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 SGB VIII aufgrund einer Bestimmung in § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII örtlich zuständig gewesen war und deshalb ein Kostenerstattungsanspruch i.S.v. § 89 a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII infolge der Identität von leistungsverpflichtetem und erstattungspflichtigem Träger der öffentlichen Jugendhilfe nicht bestand, bei einer Änderung des für die örtliche Zuständigkeit nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII maßgeblichen gewöhnlichen Aufenthalts erstmals eine Kostenerstattungspflicht des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe, in dessen Bereich dieser gewöhnliche Aufenthalt nunmehr begründet wurde (ebenso Krug/Grüner/Dalichau, a.a.O. Erl. IV, Reisch in Jans/Happe/Saurbier/Maas, KJHG, 3. Aufl., Loseblatt, § 89 a SGB VIII Rn. 25 und das Gutachten des Deutschen Instituts für Vormundschaftswesen vom 18. Mai 1994 - J 1.301 - DAVorm. 1994, 592 [594]).

b) Letzterem steht auch nicht etwa der Gesetzeszweck des § 89 a SGB VIII entgegen (so aber Stähr, a.a.O. Rz. 8). Allerdings war Anlass für die Schaffung von § 89 a SGB VIII, dass wegen der mit einem Zuständigkeitswechsel nach § 86 Abs. 6 SGB VIII verbundenen Kostentragungslast insbesondere am Rande von Ballungsgebieten und Großstädten kaum mehr Pflegestellen gefunden wurden, weil die dortigen Jugendämter befürchteten, nach zwei Jahren die Kosten übernehmen zu müssen (vgl. BT-Drs. 12/2866 S. 24). Ferner lautete § 89 a Abs. 3 SGB VIII in seiner ursprünglichen Fassung: "Hat sich nach dem Zuständigkeitswechsel der für die örtliche Zuständigkeit nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII maßgebliche gewöhnliche Aufenthalt geändert, so wird der örtliche Träger kostenerstattungspflichtig, der ohne Anwendung von § 86 Abs. 6 örtlich zuständig geworden wäre"; zugleich war ursprünglich auch in der Überschrift auf einen "Zuständigkeitswechsel" abgestellt worden (vgl. BGBl. I 1993, 661). Indessen hat der Gesetzgeber bei der Änderung des § 89 a SGB VIII durch das 2. Gesetz zur Änderung des Achten Buches Sozialgesetzbuch vom 15. Dezember 1995 (BGBl. I S. 1775) die Anknüpfung des § 89 a Abs. 3 SGB VIII an einen Zuständigkeitswechsel in "Anpassung an die zugrunde liegende Zuständigkeitsnorm des § 86 Abs. 6" bewusst beseitigt, da diese Norm "einen Zuständigkeitswechsel nicht zwingend voraussetzt" (vgl. BT-Drs. 13/3082 S. 12). Zudem hatte schon die ursprüngliche Fassung des § 89 a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII als kostenerstattungspflichtig auch denjenigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe angesehen, der vor dem Zeitpunkt, ab dem sich die örtliche Zuständigkeit aus § 86 Abs. 6 SGB VIII ergibt, zuständig "gewesen wäre", so dass ein Zuständigkeitswechsel nicht Voraussetzung für eine Kostenerstattungspflicht nach dieser Bestimmung war und ist. Entgegen der Annahme Stährs (a.a.O.) bezweckte die Regelung mithin schon seinerzeit nicht etwa, "ausschließlich ... kostenmäßige Belastungen durch von außen vermittelte Pflegestellen auszugleichen" (vgl. auch die von Anfang an viel umfassendere Auffassung des 14. Bundestagsausschusses in BT-Drs. 12/3711 S. 45, der von einer § 86 Abs. 6 SGB VIII "entsprechende[n] Kostenerstattungsvorschrift" in § 89 a SGB VIII ausging). Jedenfalls nunmehr stellt § 89 a SGB VIII uneingeschränkt ein Äquivalent zu der durch § 86 Abs. 6 SGB VIII systemabweichend geschaffenen Kostenbelastung der Pflegestellenorte dar (so auch Reisch, a.a.O. § 86 Rn. 68 f.), soweit nicht ausnahmsweise der gemäß § 86 Abs. 6 SGB VIII örtlich zuständige Träger der öffentlichen Jugendhilfe mit dem nach § 89 a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII kostenerstattungspflichtigen identisch ist und soweit nicht allgemeine Verwaltungskosten in Rede stehen (vgl. § 109 SGB X). Ein derartiger, möglichst umfassender Schutz der Pflegestellenorte würde indessen eine vom Gesetzgeber zumindest nicht mehr gewollte Lücke enthalten, sofern sich aus § 89 a Abs. 3 SGB VIII eine Kostenerstattungspflicht nur dann ergeben würde, wenn mit dem Beginn der örtlichen Zuständigkeit eines Trägers der öffentlichen Jugendhilfe gemäß § 86 Abs. 6 SGB VIII ein Zuständigkeitswechsel verbunden war.

Es gibt entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts auch keinen sonstigen Grund für eine derartige Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 89 a Abs. 3 SGB VIII. Die räumliche Nähe eines Trägers der öffentlichen Jugendhilfe zu einer Pflegeperson ist zwar der Grund für die vom System des Anknüpfens an den gewöhnlichen Aufenthalt der Eltern in § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII abweichende örtliche Zuständigkeit der Pflegestellenorte nach Absatz 6 dieser Regelung. Die durch dieses Zuständigwerden entstehende "Beziehung zum Hilfefall" ist aber nicht prinzipiell dann "ungleich enger", wenn damit kein Zuständigkeitswechsel verbunden ist. Ein solcher Fall liegt nämlich nicht nur dann vor, wenn der nunmehr nach § 86 Abs. 6 SGB VIII örtlich zuständig gewordene Jugendhilfeträger schon zuvor aufgrund einer Zuständigkeit nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII Jugendhilfeleistungen erbracht hat, sondern auch dann, wenn das Kind bzw. der Jugendliche schon zwei Jahre oder mehr bei einer Pflegeperson gelebt hat, sein Verbleib dort auf Dauer zu erwarten ist und nunmehr erstmals Leistungen der Jugendhilfe erforderlich werden. Im letzteren Fall hätte der nach § 86 Abs. 6 SGB VIII örtlich zuständige Träger der öffentlichen Jugendhilfe einen Kostenerstattungsanspruch nach § 89 a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII gegen den Träger der öffentlichen Jugendhilfe, der vor Ablauf der zwei Jahre örtlich zuständig "gewesen wäre", ohne dass dies also einen Zuständigkeitswechsel voraussetzte. Hierzu würde eine Beschränkung der Anwendung des § 89 a Abs. 3 SGB VIII auf die Fälle eines Wechsels der örtlichen Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 SGB VIII einen nicht zu rechtfertigenden Wertungswiderspruch bedeuten. Dies würde um so mehr in den Fällen gelten, in denen sich der für die örtliche Zuständigkeit nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII maßgebliche gewöhnliche Aufenthalt, aufgrund dessen ein Träger der öffentlichen Jugendhilfe i.S.v. § 89 a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII "zuvor zuständig ... gewesen wäre" und deshalb kostenerstattungspflichtig wurde, ändert. Denn würde § 89 a Abs. 3 SGB VIII einen Zuständigkeitswechsel bei der Zuständigkeitsbegründung nach § 86 Abs. 6 SGB VIII voraussetzen, wie das Verwaltungsgericht meint, so bliebe dieser Jugendhilfeträger, der ohne Zuständigkeitswechsel kostenerstattungspflichtig wurde, trotz der Änderung des dafür maßgeblichen gewöhnlichen Aufenthalts kostenerstattungspflichtig, obwohl sich seine bisherige "Nähe zum Hilfefall" durch nichts von der jetzigen "Nähe zum Hilfefall" desjenigen Jugendhilfeträgers unterscheidet, in dessen Bereich der für die örtliche Zuständigkeit nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII maßgebliche gewöhnliche Aufenthalt nunmehr begründet wurde.

3) Ein Kostenerstattungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten bestünde im Übrigen auch dann, wenn man mit den nunmehrigen Erwägungen der Klägerin davon ausginge, wegen des zwischenzeitlichen Aufenthalts von S. Vater bei seinen Eltern und seinem Sohn von Sommer 1998 bis Frühjahr 1999 habe die Zweijahresfrist des § 86 Abs. 6 SGB VIII im Frühjahr 1999 erneut zu laufen begonnen. Mit der Begründung eines neuen gewöhnlichen Aufenthalts von S. Vater am 1. August 2000 im Bereich des Beklagten wäre dieser gemäß § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zuständig geworden und bis zur Begründung der Zuständigkeit der Klägerin gemäß § 86 Abs. 6 im Frühjahr 2001 zuständig geblieben. Wie die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung zutreffend ausgeführt hat, hätte sich bei dieser Prämisse ein Kostenerstattungsanspruch bis Frühjahr 2001 aus §§ 86 c, 89 c SGB VIII und danach aus § 89 a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII ergeben.

II.

Die Klägerin kann indessen Kostenerstattung nur in Höhe von 76.574,16 € verlangen.

1) Soweit die Klägerin insgesamt 55.947,85 € für den Besuch einer Tagesgruppe im Sinne von § 32 Satz 1 SGB VIII durch S. vom 1. August 2000 bis zum 31. Juli 2001 und vom 15. Oktober 2001 bis zum 31. Dezember 2002 geltend macht, entsprach diese Hilfegewährung in jeder Hinsicht dem Achten Buch Sozialgesetzbuch. Die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob Frau G. F. als Großmutter S. zu dessen unentgeltlicher Pflege und Erziehung bereit war und ob sie diese verneinendenfalls im Rahmen ihrer bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsverpflichtung leistete, ist ohne jede Auswirkung auf die mit dem Besuch der Tagesgruppe durch S. verbundenen Kosten. Hiervon ist trotz der nicht näher begründeten gegenteiligen Bekundung in seinem Schreiben vom 6. August 2003 letztlich auch der Beklagte ausgegangen, da er andernfalls nicht auf seine Kosten durch Bescheid vom 4. September 2003 S. erneut den Besuch einer Tagesgruppe ermöglicht hätte, obwohl dieser weiterhin bei seiner Großmutter im Bereich der Klägerin wohnte und von dieser gepflegt und erzogen wurde.

2) Soweit die Klägerin insgesamt 25.435,93 € für die Vollzeitpflege S. im Sinne von § 33 Satz 1 SGBVIII im Zeitraum 1. August 2000 bis 31. März 2004 geltend macht, ist dieser Betrag nur in geringem Umfang nicht erstattungsfähig. Grundsätzlich entsprach nämlich auch diese Hilfe dem Achten Buch Sozialgesetzbuch, da eine S. Wohl entsprechende Erziehung im Sinne von § 27 Abs. 1 SGB VIII anders nicht gewährleistet war.

a) So war zur Überzeugung des Senats Frau G. F. schon ab Juli 1999 nicht mehr bereit, Ihren Enkel S. unentgeltlich zu pflegen und zu erziehen. Zwar kann nach der Lebenserfahrung regelmäßig erwartet werden, dass Großeltern ihre Enkel auf Grund der diesbezüglich engen familiären Verbundenheit unentgeltlich pflegen und erziehen. Der vorliegende Fall weist indessen entscheidende Besonderheiten auf. So ging es vorliegend nicht etwa allein darum, die für grundsätzlich jedes Kind notwendige Pflege und Erziehung sicherzustellen, weil S. Mutter dieser Aufgabe ab dem 12. Dezember 1997 nicht mehr gerecht werden konnte und wollte und weil hierzu auch S. Vater, nachdem er personensorgeberechtigt geworden war, mit Blick auf seine inzwischen gegründete Familie und seine Berufstätigkeit als Kraftfahrer nicht (mehr) bereit war. Vielmehr besteht bei S. nach traumatischen Erlebnissen als Kleinkind eine hyperkinetische Störung seines Sozialverhaltens mit oppositionell verweigerndem Verhalten, verbalen und körperlichen Aggressionen, Lügen, Stehlen, Feuerlegen und sexualisiertem Verhalten. Hinzu kommt eine primäre enuresis nocturna mit Einnässen fast jede Nacht (vgl. im Einzelnen S. 144 ff. und 163 des Teiles I sowie S. 6, 12, 17, 32, 36 und 51 f. des Teiles II der Verwaltungsakte der Klägerin). Vor allem seine Verhaltensstörung hatte bereits den weiteren Besuch eines normalen Kindergartens unmöglich und den Besuch einer heilpädagogisch-therapeutischen Tagesgruppe als Jugendhilfeleistung ab September 1998 erforderlich gemacht (vgl. S. 15 des Teiles II der Verwaltungsakte der Klägerin). Gleichwohl wurde der verbleibende Betreuungsaufwand so hoch, dass der am 6. März 1948 geborenen, damals also erst 51 Jahre alten Frau G. F. daneben die Fortsetzung ihrer Berufstätigkeit als Einzelhandelskauffrau nicht mehr möglich war. Im Rahmen von Hilfeplangesprächen im Mai und Juni 1999 wurde es indessen angesichts der negativen Auswirkungen eines Bezugspersonenwechsels bei S. in der Vergangenheit und wegen dessen "desolater Entwicklungsgeschichte" als notwendig erachtet, Frau G. F. für S. als feste, kontinuierliche und verlässliche Bezugsperson zu erhalten. Als einzige Möglichkeit, dies zu erreichen, wurde die Finanzierung einer Vollzeitpflegestelle gesehen, da Frau G. F. äußerte, sie sei bereit, dafür ihre Arbeit aufzugeben, obwohl ihr Nettoverdienst offenbar das Dreifache des später für S. gezahlten so genannten Pflegegeldes ausgemacht hatte. Tatsächlich gab Frau G. F. bereits am 2. Juli 1999 ihre Arbeit auf, kam aber dennoch bei S. Betreuung trotz des Besuchs der heilpädagogisch-therapeutischen Tagesgruppe und trotz einer begleitenden kinderpsychiatrischen Behandlung oft genug "an Grenzen" (vgl. im Einzelnen S. 12 und 162 des Teiles I sowie S. 20 bis 22, 32 und 39 des Teiles II der Verwaltungsakte der Klägerin). Angesichts des weit überdurchschnittlichen Aufwandes, den S. Pflege und Erziehung nicht nur in zeitlicher Hinsicht erforderte, und der Notwendigkeit, dafür auch noch auf den bisherigen Arbeitsverdienst verzichten zu müssen, sieht der Senat keinen Anhaltspunkt dafür, dass die - später auch schriftlich abgegebene - Erklärung von Frau G. F., zu einer solchen Pflege und Erziehung nicht unentgeltlich bereit zu sein, nicht der Wahrheit entsprochen hat.

b) Ferner erfüllte Frau G. F. auch nicht etwa mit ihrer Betreuungsleistung natural eine ihr als Großmutter S. obliegende Unterhaltspflicht, weil sie nicht unterhaltspflichtig war.

Entgegen der Annahme der Klägerin gilt dies indessen nicht etwa deshalb, weil S. Vater ab Oktober 2000 in geringem Umfang seine Unterhaltspflicht erfüllen konnte und im Rahmen seiner Heranziehung zu einem Kostenbeitrag gemäß § 91 SGB VIII auch erfüllte (so aber auch S. 4 des Rundschreibens des Landesamtes für Soziales, Jugend und Versorgung Rheinland-Pfalz vom 13. April 1999 = S. 65 der Verwaltungsakte des Beklagten). Denn soweit S. Vater mangels Leistungsfähigkeit gemäß § 1603 Abs. 1 BGB nicht unterhaltspflichtig war, hatten S. Großeltern diesem gemäß § 1607 Abs. 1 BGB Unterhalt zu gewähren. Auch in dem von der Klägerin zitierten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. September 1996 (5 C 31.95 - FEVS 47, 433 ff.) heißt es ausdrücklich: "... wenn und soweit die Eltern nicht leistungsfähig sind i.S.d. § 1603 BGB, haben die Großeltern ... nach §§ 1607 Abs. 1, 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB den Unterhalt zu gewähren" (a.a.O. S. 438 am Ende des 2. Absatzes). Nichts anderes ergibt sich aus dem Anfang des übernächsten Absatzes, wo es heißt: "Sind die Eltern dagegen (ganz oder teilweise) leistungsfähig ..., tritt insoweit eine Unterhaltspflicht der ... Großeltern nicht ein" (a.a.O. S. 439 am Anfang des 2. Absatzes; das Wort "insoweit" hat die Klägerin bei der auszugsweisen Wiedergabe dieses Urteils in ihrer Klageschrift und in ihrer Berufungsbegründung jeweils versehentlich weggelassen).

S. Großeltern väterlicherseits, Frau G. F. sowie Herr D. F., waren aber ihrerseits nicht leistungsfähig und deshalb gemäß § 1603 Abs. 1 BGB nicht unterhaltspflichtig. Frau G. F. hatte kein Einkommen mehr, ihr Ehemann verdiente ausweislich der von ihr vorgelegten Unterlagen (vgl. die Anlage 1 zur Klageschrift) im August 2000 netto 3.391,55 DM und im September 2000 netto 3.401,80 DM. Hinzu kamen im August 2000 Spesen von 728,00 DM und im September 2000 von 1.176,00 DM, denen aber entsprechende Aufwendungen gegenüberstehen und die im Unterhaltsrecht deshalb nur insoweit Einkommen darstellen, als häusliche Aufwendungen eingespart werden. Die Leitlinien der Oberlandesgerichte gehen, soweit ersichtlich, davon aus, dass es im Regelfall zu häuslichen Einsparungen in Höhe von einem Drittel der Spesen - gleich ob diese steuerpflichtig oder steuerfrei sind - kommt (vgl. Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 8. Aufl., Rn. 752 Fußnote 521 m.w.N.). Mangels Anhaltspunkten für einen Ausnahmefall erhöhte sich mithin der Nettoverdienst von Herrn D. F. im August 2000 um (728,00 DM : 3 =) 242,67 DM auf 3.634,22 DM und im September 2000 um (1.176,00 DM : 3 =) 392,00 DM auf 3.793,80 DM. Demgegenüber stand Herrn D. F. als Großvater ein so genannter erhöhter großer Selbstbehalt von 2.250,00 DM zu, ferner war von einem vorrangigen angemessenen Unterhalt für Frau G. F. von 1.750,00 DM auszugehen (vgl. im Einzelnen das Rechtsgutachten des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht vom 11. November 2000 - U 1.730 kn - JAmt 2001, 81 ff., OLG Koblenz, Urt. vom 17. Mai 2004 - 13 UF 199/04 - OLGR 2005, 22 und Kalthoener/Büttner/Niepmann, a.a.O. Rn. 48). Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass das zu berücksichtigende Einkommen von Herrn D. F. in der Folgezeit seinen Selbstbehalt und den vorrangigen Unterhalt für Frau G. F. überstiegen hätte.

c) Auch war eine vom Verwaltungsgericht offenbar erwogene Herabsetzung des im so genannten Pflegegeld enthaltenen Pauschalbetrages für die "Kosten der Erziehung" nicht vorzunehmen, obwohl Frau G. F. zu den Zeiten, zu denen S. die Tagesgruppe besuchte, von dessen Pflege und Erziehung freigestellt war. Eine solche Herabsetzung entspräche nämlich nicht dem Wesen eines Pauschalbetrages, der zudem auch nicht etwa nach den Öffnungszeiten des konkret besuchten Kindergartens, der auch nachmittags geöffnet sein kann, nach der konkreten Dauer des Schulunterrichts, der in höheren Klassen ebenfalls nachmittags stattfinden kann, nach der konkreten Dauer einer Berufsausbildung sowie nach Ferien- bzw. Urlaubszeiten unterscheidet. Überdies war S. Pflege und Erziehung wegen dessen Verhaltensstörung und wegen des fast nächtlichen Einnässens derart aufwendig (s. o.), dass ohne den Besuch einer Tagesgruppe eine im Einzelfall mögliche Erhöhung der "Kosten der Erziehung" (vgl. nur Wiesner, SGB VIII, 2. Aufl., § 39 Rn. 34) in Betracht gekommen wäre.

Hingegen muss für das beim Besuch einer Tagesgruppe zu Hause ersparte Mittagessen in den Zeiträumen 14. Juni bis 31. Juli und 15. Oktober bis 31. Dezember 2001 statt des angesetzten Monatsbetrages für Kinder bis zum vollendeten 7. Lebensjahr von (20 Tagen x 2,45 DM pro Tag =) 49,00 DM der Monatsbetrag für Kinder ab Beginn des 8. Lebensjahres von (20 Tagen x 3,15 DM pro Tag =) 63,00 DM, zusammen also (4 x [63,00 - 49,00 DM] =) 56,00 DM bzw. 28,63 € mehr von dem im so genannten Pflegegeld enthaltenen Pauschalbetrag für "Unterhalt" abgezogen werden. Gleiches gilt für den Zeitraum 1. Januar bis 31. Mai 2002; in diesem Zeitraum sind monatlich 63,00 DM bzw. 32,21 € statt 25,00 €, zusammen also (5 x [32,21 - 25,00 €] =) 36,05 € mehr vom Pflegegeld abzuziehen. Schließlich ermäßigt sich das Pflegegeld im Zeitraum 1. Juni bis 31. Dezember 2002 monatlich um 32,21 €, zusammen also um (32,21 € x 7 =) 225,47 €. Insgesamt sind dies 290,15 € (vgl. im Einzelnen S. 34 f. und demgegenüber S. 64, 73, 100 und 114 des Teiles I der Verwaltungsakte der Klägerin). Es darf mithin also nur Pflegegeld in Höhe von (25.435,93 € - 290,15 € =) 25.145,78 € angesetzt werden.

3) Weiterhin sind vom verbliebenen Gesamtbetrag der Aufwendungen der Klägerin in Höhe von (55.947,85 € + 25.145,78 € =) 81.093,63 € die von S. Vater für den Zeitraum 1. August 2000 bis 31. März 2004 geltend gemachten und vereinnahmten Kostenbeiträge in Höhe von zusammen 4.519,47 € (vgl. S. 69 und 84 der Gerichtsakte) abzuziehen, so dass die Klägerin insgesamt eine Kostenerstattung in Höhe von 76.574,16 € vom Beklagten verlangen kann. Dieser Betrag ist - wie beantragt - in entsprechender Anwendung von §§ 291 Abs. 1, 288 BGB mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 81.384,00 € festgesetzt (§§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1 und 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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