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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 04.11.2004
Aktenzeichen: 12 A 11402/04.OVG
Rechtsgebiete: RGebStV


Vorschriften:

RGebStV § 1
RGebStV § 1 Abs. 2
RGebStV § 1 Abs. 2 Satz 1
RGebStV § 1 Abs. 2 Satz 2
RGebStV § 1 Abs. 3
RGebStV § 2
RGebStV § 2 Abs. 2
RGebStV § 2 Abs. 3
RGebStV § 3
RGebStV § 5
RGebStV § 5 Abs. 3
RGebStV § 5 Abs. 3 Satz 1
RGebStV § 5 Abs. 3 Satz 2
Ein Lebensmitteldiscounter, der bei Sonderaktionen ohne Prüfung oder Vorführung originalverpackte Rundfunkempfangsgeräte zum Kauf anbietet, ist nicht rundfunkgebührenpflichtig. Er hält die Geräte nicht zum Rundfunkempfang bereit.
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

12 A 11402/04.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Rundfunkgebühren

hat der 12. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 4. November 2004, an der teilgenommen haben

Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Wünsch Richter am Oberverwaltungsgericht Geis Richter am Verwaltungsgericht Porz ehrenamtliche Richterin Hausfrau Meertens ehrenamtlicher Richter Rentner Koch,

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das auf die mündliche Verhandlung vom 11. Mai 2004 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz - 1 K 507/04.KO - abgeändert und der Bescheid des Beklagten vom 19. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Januar 2004 aufgehoben.

Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen einen Rundfunkgebührenbescheid des Beklagten.

Die Klägerin betreibt für einen Lebensmitteldiscounter eine Verkaufsstelle in K., in der im Rahmen von Sonderverkaufsaktionen Hörfunk- und Fernsehgeräte zum Verkauf angeboten werden. Die Geräte werden dort originalverpackt ohne Prüfung und Vorführung veräußert.

Der Beklagte setzte mit Gebührenbescheid vom 19. Dezember 2003 für die Zeit vom 1. Januar 2000 bis 31. Dezember 2003 eine Händlergebühr für ein Hörfunk- und ein Fernsehgerät in Höhe von 754,69 € fest und nahm darin Bezug auf das Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 8. Mai 2003 (- 2 S 699/02 -, VBlBW 2004, 30). Die Klägerin erhob dagegen Widerspruch, mit dem sie eine Aufstellung über die Zeiträume der Verkaufsaktionen vorlegte. Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Januar 2004 ermäßigte der Beklagte die Gebührenforderung auf 321,15 € und wies im Übrigen den Widerspruch zurück.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin geltend gemacht, sie halte keine Rundfunkgeräte zum Empfang bereit. Sie veräußere die Geräte nur originalverpackt. Im Übrigen habe sie eine verbindliche Nichtbenutzungsregelung in der Weise getroffen, dass sowohl Mitarbeitern als auch Kunden untersagt sei, die Geräte zu testen oder in Betrieb zu nehmen. Die Annahme des VGH Baden-Württemberg, Lebensmitteldiscounter seien bei ihren Verkaufsaktionen Rundfunkteilnehmer, unterwerfe den schlichten Besitz der Geräte einer Gebührenpflicht. Dazu fehle dem Landesgesetzgeber die Gesetzgebungskompetenz, da es sich um eine Steuer handeln würde. Zudem verstoße eine solche Regelung gegen den Gleichheitsgrundsatz. Das Öffnen von Verkaufsverpackungen durch Kunden in Einzelfällen oder der Umtausch von Geräten ohne Karton ändere daran nichts.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 11. Mai 2004 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin sei für die von ihr durchgeführten Verkaufsaktionen rundfunkgebührenpflichtig, da sie unabhängig davon, ob sie entsprechende Geräte ausschließlich originalverpackt veräußere, diese zum Empfang bereithalte, solange sie die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Geräte innehabe und mit den Empfangsgeräten ohne besonderen zusätzlichen technischen Aufwand Rundfunkdarbietungen empfangen könne. Dies gelte auch in Rückgabe- und Umtauschphasen. Ihr Verkaufskonzept unterscheide sich folglich nur in der eigentlichen Veräußerungsphase von dem des Rundfunkfachhandels.

Mit der vom Senat zugelassenen Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vortrages weiter.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 11. Mai 2004 - 1 K 507/04.KO zu ändern und den Gebührenbescheid des Beklagten vom 19. Dezember 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. Januar 2004 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

und tritt der Berufung unter Hinweis auf das verwaltungsgerichtliche Urteil und das Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 8. Mai 2003 entgegen.

Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus den zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätzen nebst Anlagen und den beigezogenen Verwaltungs- und Widerspruchsakten des Beklagten, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 19. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Januar 2004 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Nach § 2 Abs. 2 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages - RGebStV - besteht die Rundfunkgebührenpflicht für jeden Rundfunkteilnehmer (vorbehaltlich der Regelung des § 5 RGebStV) für jedes von ihm zum Empfang bereitgehaltene Rundfunkempfangsgerät. Die Voraussetzungen für die Heranziehung der Klägerin zu einer Rundfunkgebühr sind nicht gegeben. Die Klägerin ist nämlich nicht Rundfunkteilnehmerin.

Rundfunkteilnehmer ist nach § 1 Abs. 2 Satz 1 RGebStV, wer ein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereithält. Ein Rundfunkempfangsgerät wird gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 RGebStV zum Empfang bereitgehalten, wenn damit ohne besonderen zusätzlichen technischen Aufwand Rundfunkdarbietungen, unabhängig von Art, Umfang und Anzahl der empfangbaren Programme, unverschlüsselt oder verschlüsselt, empfangen werden können.

Der Begriff des Bereithaltens in diesem Sinne beinhaltet nicht die bloße Verfügbarkeit der Rundfunkempfangsgeräte zum Verkauf, sondern knüpft an die (mögliche) Nutzung des Rundfunkempfangs an. Die Rundfunkgebühr ist nämlich keine bloße "Gerätebesitzabgabe". Sie ist nur von demjenigen zu zahlen, der sich durch das Bereithalten eines Rundfunkempfangsgerätes die Nutzungsmöglichkeit verschafft hat (vgl. BVerfG, Urteil vom 22. Februar 1994 - 1 BvL 30/88 - BVerfGE 90, 60, 106). Die Rundfunkgebührenpflicht ist der Sache nach wegen der Anknüpfung des die Abgabenpflicht auslösenden Tatbestandes an die tatsächliche Möglichkeit der Nutzung von Rundfunkprogrammen einem Beitrag bzw. einer Gebühr mit Beitragselementen vergleichbar (Urteil des Senats vom 23. März 1994 - 12 A 11840/93 - NVwZ-RR 1995, 291). Voraussetzung für die Entstehung der Rundfunkgebühr ist eine Sonderverbindung zu der Landesrundfunkanstalt, die den Einzelnen zum Rundfunkteilnehmer macht (vgl. BVerfG, Urteil vom 22. Februar 1994, a.a.O., S. 90 f. und 106). Sie beginnt nach § 1 Abs. 2 Satz 1 RGebStV, sobald ein Rundfunkteilnehmer ein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereithält. Dabei ist nicht entscheidend, ob ein Rundfunkteilnehmer tatsächlich Rundfunkleistungen in Anspruch nimmt bzw. welche Programme er empfangen will oder tatsächlich nutzt (vgl. BVerfG, Urteil vom 22. Februar 1994, a.a.O., S. 106). Dennoch stellt die tatsächliche Nutzung die stärkste Form der Teilnahme am Rundfunk dar und ist daher der ursprüngliche und typische Anknüpfungspunkt für die Rundfunkgebührenpflicht.

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die von der Klägerin zum Verkauf vorgesehenen fabrikneuen Geräte ungeachtet des Verbots, sie der Verpackung zu entnehmen und in Betrieb zu setzen, i.S.d. § 1 Abs. 2 Satz 2 RGebStV technisch geeignet waren, in Betrieb genommen zu werden, unabhängig davon, ob dies in den Verkaufsräumen ohne besonderen technischen oder personellen Aufwand möglich war. Allein aufgrund der abstrakten technischen Möglichkeit des Rundfunkempfangs kann nicht zwangsläufig die Rundfunkteilnehmereigenschaft und damit das Sonderverhältnis einer Person zur örtlichen Rundfunkanstalt entstehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Februar 1988 - 7 C 34.87 -, BVerwGE 79, 90, 94; [a. A. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 8. Mai 2003 - 2 S 699/02 -, VBlBW 2004, 30).

Die Worte "zum Empfang bereithalten" in § 1 Abs. 2 RGebStV sind daher nicht ohne jeden sachlichen Regelungsinhalt. Es handelt sich hierbei um ein finales und auf den Rundfunkteilnehmer bezogenes Tatbestandsmerkmal, welches allerdings nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen ist. In den für Privatpersonen üblichen Fällen, in denen nach der Verkehrsanschauung eine Vermutung für die tatsächliche Nutzung und das Bereithalten hierzu besteht, ist damit auch ein sicherer Schluss auf die Rundfunkteilnahme möglich. Anders verhält sich die Rechtslage jedoch bei wirtschaftlichen Unternehmen, die wie die Klägerin die Rundfunkgeräte so schnell wie möglich veräußern wollen, ohne sich dabei zur Verkaufsförderung des Mediums Rundfunk zu bedienen. Nach ihrem Verkaufskonzept soll ein erhöhter personeller oder sachlicher Aufwand für die Präsentation im Verkaufsraum ausgeschlossen werden. Die Rundempfangsgeräte sollen - auch im Hinblick auf die Preiskalkulation - ohne jeglichen Service, d.h. ohne Beratung, Prüfung oder Vorführung, verkauft werden. Auch bei Rückgabe der Geräte wegen Mängeln erfolgt vor Ort keine Prüfung. Dieser bewusste Ausschluss der Nutzung unterscheidet das Verkaufskonzept der Klägerin von dem herkömmlichen Rundfunkhandel, der als Grundlage seines Konzepts die ansprechende Präsentation der Ware einschließlich der Vorführung ihrer Funktionstauglichkeit gewählt hat. Bei dem von der Klägerin praktizierten bloßen Warenumschlag mit den Rundfunkempfangsgeräten als Handelsware besteht keine Vermutung für die Nutzung der Gesamteinrichtung Rundfunk. Bereits Grupp (Grundfragen des Rundfunk-gebührenrechts, 1983, S. 212 f.) führt zutreffend aus, dass die Gebührenpflicht für das Erstgerät bei der Händlergebühr die Bereithaltung zumindest eines Rundfunkgerätes zum Empfang voraussetzt. Die von ihm angeführten Beispiele von Sonderaktionen in Kaufhäusern, Kaffeegeschäften oder einer Lotterie zeigen, dass derartige Verkaufsaktivitäten schon 1983 üblich waren. Nach seiner Auffassung ist der bloße Verkauf von Rundfunkgeräten in diesem Fall nicht gebührenpflichtig.

Die einschränkende Auslegung des § 1 Abs. 2 RGebStV bestätigt auch das Händlerprivileg nach § 5 Abs. 3 RGebStV. Nach Satz 1 dieser Vorschrift sind Unternehmen, die sich gewerbsmäßig mit der Herstellung, dem Verkauf, dem Einbau oder der Reparatur von Rundempfangsgeräten befassen, berechtigt, bei Zahlung der Rundfunkgebühren für ein Rundfunkempfangsgerät weitere entsprechende Geräte für Prüf- und Vorführzwecke auf ein und demselben Grundstück oder zusammenhängenden Grundstücken gebührenfrei zum Empfang bereitzuhalten. Aus der Beschränkung auf Prüf- und Vorführgeräte ergibt sich, dass die betroffenen Unternehmen auch nur insoweit der Rundfunkgebührenpflicht unterliegen können. Die Vorschrift bezweckt, Händler, die eine Vielzahl von Geräten mit dieser Zweckbestimmung in Betrieb nehmen, nicht mit mehreren, sondern nur mit einer Gebühr zu belasten. Die Formulierung soll dabei lediglich hervorheben, dass im Übrigen - für sonst bereitgehaltene Geräte (beispielsweise zur Unterhaltung im Büro) - pro Gerät eine Gebühr abzuführen ist. Dies kann im Umkehrschluss nur bedeuten, dass Geräte, die unter keine der genannten Kategorien fallen, von vornherein nicht gebührenpflichtig sind (Fiebig, TKMR 2003, 266, 272). Damit unterfallen Geräte, die lediglich gelagert oder verkauft werden, nicht der Rundfunkgebührenpflicht. Es ist davon auszugehen, dass diese Auslegung den vertragsschließenden Ländern bei der Formulierung des Rundfunkgebührenstaatsvertrages bewusst war, da bereits gegenüber der Rundfunkgebühr für die Prüf- und Vorführgeräte von den Rundfunkhändlern erhebliche, teilweise verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht wurden (vgl. Grupp, a.a.O., S. 108 ff.). Auch die Regelung des § 5 Abs. 3 Satz 2 RGebStV bestätigt das Ergebnis. Nach dieser Vorschrift können Rundfunkempfangsgeräte außerhalb der Geschäftsräume von den Unternehmen i.S.d. Satzes 1 gebührenfrei nur bis zur Dauer einer Woche zu Vorführzwecken bei Dritten zum Empfang bereitgehalten werden. Eine Lagerung von zum Verkauf bestimmter Geräte wurde erkennbar nicht für regelungsbedürftig gehalten. Diese Geräte sollten der Rundfunkgebührenpflicht nicht unterworfen werden. Auch nach Auffassung des Beklagten ist das Bereithalten eines zweiten oder weiteren Rundfunkempfangsgerätes in den Büros der Angestellten, in Kantinen oder in Werkstätten zur Information oder Unterhaltung der Beschäftigten nach § 5 Abs. 3 RGebStV nicht gebührenfrei (ebenso Göhmann/Siekmann in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, 2003, § 5 RGebStV Rn. 35), denn diese werden ebenso wie die zum Verkauf bereitgestellten Geräte nicht zu Vorführzwecken bereitgehalten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da weder Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art vorliegen noch der eine landesrechtliche Regelung darstellende Rundfunkgebührenstaatsvertrag etwa ausnahmsweise revisibel wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 1998 - 6 C 13/97 -, BVerwGE 108, 108).

Ende der Entscheidung

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