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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 04.11.2004
Aktenzeichen: 12 A 11440/04.OVG
Rechtsgebiete: LGebG, GKG, POG


Vorschriften:

LGebG § 15
LGebG § 15 Abs. 4
LGebG § 15 Abs. 4 Satz 1
GKG F. 2001 § 13
GKG F. 2001 § 13 Abs. 1
GKG F. 2001 § 13 Abs. 1 Satz 1
GKG F. 2001 § 13 Abs. 1 Satz 2
GKG F. 2004 § 52
GKG F. 2004 § 52 Abs. 1
GKG F. 2004 § 52 Abs. 2
POG § 24
Der Gegenstandswert der Anfechtung einer Vernichtungsanordnung für ein Radarwarngerät ist regelmäßig mit dem halben Auffangwert zu bemessen.
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

12 A 11440/04.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Polizeirechts (Kosten des Widerspruchsverfahrens)

hat der 12. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 4. November 2004, an der teilgenommen haben

Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Wünsch Richter am Oberverwaltungsgericht Geis Richter am Verwaltungsgericht Porz ehrenamtliche Richterin Hausfrau Meertens ehrenamtlicher Richter Rentner Koch

für Recht erkannt:

Tenor:

Unter teilweiser Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 25. Juni 2004 - 7 K 3698/03.NW - wird der Kostenbescheid des Beklagten vom 30. Oktober 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. November 2003 aufgehoben, soweit er einen 163,12 € übersteigenden Betrag festsetzt. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge tragen der Kläger zu 3/5 und der Beklagte zu 2/5.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen einen Kostenbescheid des Beklagten für ein Widerspruchsverfahren.

Das dem Kostenbescheid zugrunde liegende Widerspruchsverfahren betraf die Vernichtungsanordnung für ein Radarwarngerät. Am 10. März 2003 stellte die Polizei bei einer Verkehrskontrolle auf der Autobahn BAB 650 betreffend das Fahrzeug der Marke Daimler Benz, amtliches Kennzeichen ..., ein Radarwarngerät auf der Grundlage des Polizei- und Ordnungsbehördengesetz Rheinland-Pfalz - POG - sicher. Mit an den Fahrzeugführer, Herrn A. V., gerichtetem Bescheid vom 24. März 2003 ordnete das Polizeipräsidium R. die Vernichtung des Radarwarngerätes an und schloss die Herausgabe aus. Hiergegen legte der Kläger, der unter der gleichen Adresse wie Herr A. V. wohnt, ohne Begründung Widerspruch ein. Das Polizeipräsidium R. nahm erkennbar an, der Kläger sei der Fahrer des Wagens gewesen, und wies seinen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29. Oktober 2003 zurück. Mit Kostenbescheid vom 30. Oktober 2003 forderte das Polizeiprasidium R. von ihm die Kosten des Widerspruchsverfahrens in Höhe von 225,62 € an. Ausgehend von einem Gegenstandswert in Höhe von 4.000,00 € setzte es auf der Grundlage seiner Gebührentabelle vom 15. Mai 1997 eine Gebühr in Höhe von 220,00 € fest und machte Auslagen in Höhe von 5,62 € geltend. Gegen diesen Kostenbescheid legte der Kläger am 12. November 2003 Widerspruch ein und führte aus, es gebe genügend Anhaltspunkte für eine konkrete Bewertung des Gegenstandes. Es handele sich um die Vernichtung des Radarwarngerätes der Marke "Road Runner", das einen Marktwert bzw. Kaufpreis von 250,00 DM (127,82 €) habe. Es sei daher ein Gegenstandswert von 250,00 DM anzunehmen. Das Polizeipräsidium R. wies mit Widerspruchsbescheid vom 24. November 2003 den Widerspruch zurück.

Der Kläger hat am 19. Dezember 2003 Klage erhoben und im Wesentlichen vorgetragen, der Kaufpreis sei zumindest ein erhebliches Indiz für die Bewertung der getroffenen Maßnahme. Der Beklagte hat darauf verwiesen, dass der Wert der Verwahrung des Radarwarngerätes für ein Jahr und der Vernichtung nicht ohne weiteres zu bestimmen. Es sei daher sachgerecht, den Auffangwert gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 des Gerichtskostengesetzes a.F. - GKG - in Ansatz zu bringen. Der objektive Wert der Sicherstellung, Verwahrung und Verwertung des Radarwarngerätes werde insbesondere durch das öffentliche Interesse bestimmt und dürfe sich nicht ausschließlich an der Bedeutung der Sache für den Kläger orientieren. Da es für den objektiven Wert keinen verlässlichen Maßstab gebe, sei eine Abweichung vom Anfangwert letztlich willkürlich. Auch bei einer Gebührenbemessung nach dem Verwaltungsaufwand würden bei einer Bearbeitungszeit von vier Stunden Gebühren in Höhe von 233,12 € (höherer Dienst) bzw. 165,60 € (gehobener Dienst) anfallen.

Mit Urteil vom 25. Juni 2004 - 7 K 3698/03.NW - hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und den Kostenbescheid vom 30. Oktober 2003 sowie den dazu ergangenen Widerspruchsbescheid vom 24. November 2003 hinsichtlich eines 55,62 € übersteigenden Betrages aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Beklagte habe zwar die Gebührentabelle vom 15. Mai 1997 und damit den Gegenstandswert einer Gebührenerhebung zugrunde legen dürfen. Es lägen jedoch konkrete Anhaltspunkte für die Bedeutung, den wirtschaftlichen Wert oder den sonstigen Nutzen der Amtshandlung für den Kläger vor. Die erforderliche objektivierte Bewertung knüpfe allein an die Bedeutung der Maßnahme für den Gebührenschuldner an. Damit entspreche sie den Grundsätzen für die Streitwertberechnung in § 13 GKG a.F., so dass ein öffentliches Interesse an der Entscheidung nicht berücksichtigt werden dürfe. Die Bedeutung der Vernichtungsanordnung für den Kläger sei der Verlust des sichergestellten Radarwarngerätes, das nach seinen Angaben 250,00 DM gekostet habe.

Der Beklagte hat am 6. August 2004 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt, mit der er sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Er weist insbesondere darauf hin, dass der Widerspruch des Klägers gegen die Vernichtungsverfügung auch auf die Herausgabe seines Radarwarngerätes gerichtet gewesen sei. Der mögliche Führerscheinverlust müsse sich bei der Bemessung des Gegenstandes in angemessener Weise widerspiegeln. Die Orientierung am Kaufpreis des sichergestellten Gegenstandes bedeute einen nicht zumutbaren und unpraktikablen Verwaltungsaufwand und stehe damit nicht mit der gesetzgeberischen Intention der Gebührenbemessung im Einklang.

Der Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 25. Juni 2004 - 7 K 3698/03.NW - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

und tritt der Berufung unter Hinweis auf das verwaltungsgerichtliche Urteil entgegen.

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus den zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätzen nebst Anlagen und den beigezogenen Verwaltungs- und Widerspruchsakten des Beklagten, die sämtlich Gegenstand der Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg.

Das verwaltungsgerichtliche Urteil ist abzuändern. Der Kostenbescheid vom 30. Oktober 2003 ist rechtmäßig, soweit er unter Zugrundelegung eines Gegenstandeswertes von 2.000,00 € und unter Hinzurechnung der Zustellungsauslagen den Betrag von 163,12 € nicht überschreitet; im Übrigen ist der Bescheid rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die hier streitige Widerspruchsgebühr findet ihre Rechtsgrundlage in § 15 Abs. 4 Satz 1 des Landesgebührengesetzes - LGebG - vom 3. Dezember 1974 (GVBl. S. 578) in der Fassung vom 15. Oktober 2002 (GVBl. S. 371). Danach erhebt die Widerspruchsbehörde eine Widerspruchsgebühr von mindestens 5 €, höchstens 510 €, wenn gegen eine Amtshandlung Widerspruch eingelegt wird. Die Rahmengebühr hat der Beklagte - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - für den Bereich des Polizeipräsidiums R. in für den vorliegenden Fall nicht zu beanstandender Weise mit der Gebührentabelle vom 15. Mai 1997 ausgefüllt. Diese Gebührentabelle lehnt sich an den Gegenstandswert der angefochtenen Amtshandlung an, worin sich auch der wirtschaftliche Wert der Amtshandlung für den Gebührenschuldner niederschlägt (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29. Juli 1980 - 7 A 22/80 - AS 16, 38 [42 f.]).

Der Beklagte hat sich ausweislich des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2003 mit seiner Gebührentabelle an die Berechnung des Streitwertes für das gerichtliche Verfahren nach § 13 Abs. 1 GKG a.F. angelehnt (seit dem 1. Juli 2004: § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.d.F. des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes), so dass die hierfür geltenden Grundsätze für die Bemessung des Gegenstandswertes herangezogen werden können. Danach ist der von dem Beklagten der Widerspruchsgebühr zugrunde zu legende Wert des Interesses des Klägers an seinem Widerspruch gegen die Vernichtungsanordnung vom 24. März 2003 in entsprechender Anwendung des § 13 Abs. 1 S. 1 des Gerichtskostengesetzes a.F. - GKG - mit der Hälfte des Auffangwertes, also mit 2.000,00 € zu bemessen.

Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F. ist der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen und nach Satz 2 ist ein Streitwert von 4.000,00 € anzunehmen, wenn der bisherige Sach- und Streitstand hierfür keine genügenden Anhaltspunkte bietet. Die Festsetzung nach Ermessen bedeutet zudem, dass der Wert durch das Gericht geschätzt werden darf und sowohl eine Schematisierung als auch eine Pauschalierung zulässig ist, so dass eine Beweisaufnahme über den Wert nicht erfolgt (Hartmann, Kostengesetze, Kurz-Kommentar, 33. Aufl. 2004, § 13 GKG Rn. 14; ebenso Meyer in: Markl/Meyer, Gerichtskostengesetz, Kommentar, 5. Aufl. 2003). Bevor eine Anwendung des Auffangwertes von 4.000,00 € (§ 13 Abs. 1 S. 2 GKG a.F.) in Betracht gezogen wird, ist daher zu prüfen, ob genügende Hinweise oder Anzeichen vorhanden sind, die sich für eine Schätzung nach § 13 Abs. 1 S. 1 GKG a.F. eignen (Zimmer/Schmidt, Der Streitwert im Verwaltungs- und Finanzprozeß, S. 5; Hartmann, a.a.O. § 13 GKG Rn. 18). Der Bewertung ist, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, das objektive Interesse des Klägers an der erstrebten Entscheidung zugrunde zu legen (vgl. Hartmann, a.a.O., § 13 GKG Rn. 9 m.w.N.; Zimmer/Schmidt, a.a.O., 1991, S. 4). Damit ist das Interesse des Klägers an der Aufhebung der Vernichtungsanordnung maßgeblich. Zwar hat der Kläger im Widerspruchs- und Klageverfahren hinsichtlich der Kostenfestsetzung vorgetragen, sein Radarwarngerät habe 250,00 DM gekostet. Darüber hinaus ist aber zu berücksichtigen, dass der Kläger bei objektiver Beurteilung nicht nur an dem merkantilen Wert des Gerätes interessiert war, sondern im Hinblick auf die angestrebte Aufhebung der Vernichtungsanordnung auch an dessen Nutzwert. Das Interesse des Klägers schätzt der Senat deshalb unter Berücksichtigung der in dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 1996, 563; zum neuen Kostenrecht: Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 7./8. Juli 2004 in Leipzig beschlossenen Änderungen, im Internet abrufbar unter www.bdvr.de) enthaltenen vergleichbaren Streitverhältnisse auf den hälftigen Auffangwert.

Ein vergleichbares Streitverhältnis stellt beispielsweise die Sicherstellung oder Stilllegung eines Kraftfahrzeuges dar (Streitwertkatalog 1996: Nr. II 45.8 und 2004: Nr. 46.15), hinsichtlich derer lediglich von dem hälftigen Auffangwert ausgegangen und weder auf den Wert des Fahrzeuges selbst noch auf dessen individuellen Nutzwert für den jeweiligen Kläger abgestellt wird. Auch für die Anfechtung einer Vernichtungsanordnung ist es gerechtfertigt, einen Abschlag von dem Auffangwert vorzunehmen, da diese im Hinblick auf die regelmäßig hiervon erfasste Klagesituation im Verhältnis zu anderen Rechtsstreitigkeiten, die z.B. eine Fahrerlaubnis der Klasse 3/Klasse B - Pkw - (Auffangwert; Streitwertkatalog 1996: Nr. II 45.2 und 2004: Nr. 46.3) betreffen, erkennbar überbewertet wäre. Da die Streitwertberechnung einfach und auch für einen Widerspruchsführer oder Kläger vorhersehbar sein soll, ist der Auffangwert in bedeutsameren Verfahren angemessen zu erhöhen bzw. in weniger bedeutsamen Verfahren auf die Hälfte zu verringern. Ein geringerer Wert als die Hälfte des Auffangwertes ohne einen Anknüpfungspunkt an eine konkret bewertbare Interessenlage findet sich in den Streitwertkatalogen von 1996 und 2004 nicht.

Nach alledem ist für das Widerspruchsverfahren ein Gegenstandswert von 2.000,00 € zugrunde zu legen. Das Polizeipräsidium R. hat für die Zeit nach Einführung des Euro die DM-Beträge im Verhältnis 2:1 in Euro umgerechnet. Dies führt im Hinblick auf den Gegenstandswert von 2.000,00 € zu einer Gebühr von 157,50 €. Zwar hat die Gebührentabelle des Polizeipräsidiums R. für den Betrag 4.000,00 DM keine Gebühr ausgeworfen. Hierbei handelt es sich aber offensichtlich um ein Versehen, da sämtliche anderen Beträge in 1.000,00 DM-Schritten zwischen 1.000,00 und 10.000,00 DM festgelegt sind. Daher ist nach der Systematik der Mittelwert zwischen dem Gebührenwert für einen Gegenstandswert bis zu 3.000,00 DM (= 280,00 DM Gebühr) und dem Gebührenwert für einen Gegenstandswert bis zu 5.000,00 DM (= 350,00 DM Gebühr) anzunehmen. Dies ist vorliegend ein Gebührenbetrag von 315,00 DM, umgerechnet nach dem vom Polizeipräsidium gewählten Verhältnis von 2:1 demnach 157,50 €. Diesem Betrag ist ein vom Kläger nicht angefochtener Betrag von 5,62 € für die Zustellungsauslagen hinzuzurechnen, so dass von dem Beklagten die zutreffende Widerspruchsgebühr auf 163,12 € festzusetzen war.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 2, 155 Abs. 1 VwGO; der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit wegen der Kosten beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO bezeichneten Art nicht vorliegen.



Ende der Entscheidung

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