Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 17.02.2005
Aktenzeichen: 12 A 11868/04.OVG
Rechtsgebiete: KAG


Vorschriften:

KAG § 7
KAG § 7 Abs. 2
KAG § 8
KAG § 8 Abs. 2
KAG § 8 Abs. 2 S. 3
KAG § 8 Abs. 4
KAG § 8 Abs. 4 S.
Im Rahmen der Kostenrechnung für Benutzungsgebühren müssen bei der nach § 8 Abs. 2 Satz 3 KAG möglichen Abschreibung auf Investitionsaufwendungen, für die bereits einmalige Beiträge gezahlt worden sind, lediglich die tatsächlich gezahlten und aufgelösten Beiträge zur Verminderung der Abschreibungen angesetzt werden.
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ URTEIL IM NAMEN DES VOLKES

12 A 11868/04.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Abwasserbeseitigungsgebühren

hat der 12. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17. Februar 2005, an der teilgenommen haben

Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Wünsch Richter am Oberverwaltungsgericht Wolff Richter am Oberverwaltungsgericht Geis ehrenamtliche Richterin Hotel-Betriebswirtin Bocklet ehrenamtlicher Richter Tierzuchttechniker Dörrenberg

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 24. Juni 2004 - 2 K 570/04.KO - teilweise abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Grundgebühr je Einwohnergleichwert für die Schmutzwasserbeseitigung im Jahr 2001 sowie entsprechende Vorausleistungen für das Jahr 2002.

Der Kläger ist Miteigentümer eines bebauten Grundstücks in D., das teils als Wohnhaus und teils - vier Monate im Jahr - als gastronomischer Betrieb genutzt wird. Die Entsorgung des Abwassers erfolgt über einen Vollanschluss in den vorhandenen Mischwasserkanal. Auf dem Gebiet der Gemeinde D. befindet sich auch der ehemalige Ausweichsitz der Verfassungsorgane des Bundes, eine Bunkeranlage mit einem 19 Kilometer umfassenden Gangsystem. Das Bundeskabinett beschloss am 9. Dezember 1997, die Einrichtung aufzugeben. Die so genannte Dienststelle Marienthal, bei der 1.041 Personen beschäftigt waren, war für die Aufnahme von bis zu 3.000 Personen ausgelegt. Die Anlage entwässert über einen eigenen Bunkerkanal, der in den 60er Jahren von der Bundesrepublik Deutschland errichtet wurde, auf dem Gebiet der Stadt B.. Nach Neuanlage eines Kanals in D. und einer technischen Umbindung der Abwasserentsorgung des bundeseigenen Grundstücks H.straße ... zog die Beklagte die Bundesrepublik Deutschland unter dem 31. Januar 1997 zu Beiträgen für die Investitionsaufwendung heran. Dabei legte sie eine Tiefenbegrenzung von 35 m zugrunde. Der Beitragsbescheid wurde bestandskräftig.

Mit Bescheid vom 29. Mai 2002 erhob die Beklagte von dem Kläger unter anderem Schmutzwassergebühren für das Jahr 2001 sowie Vorausleistungen für das Jahr 2002. Dabei entfielen jeweils 226,78 € (443,55 DM) auf die Grundgebühr je Einwohnergleichwert für die gewerbliche Nutzung des Anwesens des Klägers sowie auf die entsprechende Vorausleistung. Auch das für die Bunkeranlage zuständige Bundesamt für Zivilschutz wurde mit Bescheid vom 10. Mai 2002 zu entsprechenden Abgaben herangezogen, wobei die Beklagte für die Grundgebühr je Einwohnergleichwert 347 Einwohnergleichwerte festsetzte.

Der gegen den Bescheid vom 29. Mai 2002 gerichtete Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses bei der Kreisverwaltung A. vom 15. Januar 2004).

Das Verwaltungsgericht hat der Klage, mit der der Kläger letztlich eine Reduzierung der Grundgebühr je Einwohnergleichwert und der entsprechenden Vorausleistung begehrte, durch Urteil vom 24. Juni 2004 insoweit stattgegeben, als es der Beklagten unter Abänderung der angefochtenen Bescheide aufgegeben hat, den Betrag von 443,55 DM Grundgebühr je Einwohnergleichwert durch einen nach Maßgabe der Entscheidungsgründe neu zu berechnenden Betrag zu ersetzen. Entgegen ihrer satzungsrechtlichen Regelungen habe die Beklagte bei der Beitragsveranlagung der Bunkeranlage eine Tiefenbegrenzung zugrunde gelegt und damit erhebliche Grundflächen der Einrichtung nicht berücksichtigt. Das dadurch ausgebliebene Beitragsaufkommen in sechsstelliger Höhe wäre aber geeignet gewesen, die Grundgebühr je Einwohnergleichwert insgesamt zu vermindern.

Mit der vom Senat zugelassenen Berufung begehrt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage. Sie trägt vor, ihr sei es zu keinem Zeitpunkt rechtlich möglich gewesen, die Bundesrepublik Deutschland im Bereich der Bunkeranlage zu einmaligen Beiträgen für die Abwasserentsorgung zu veranlagen. Durch die nach Neuverlegung des Kanals in D. lediglich erfolgte Umbindung des Bunkerkanals sei der Bundesrepublik Deutschland kein weiterer Vorteil entstanden. Zudem werde mit der Aufgabe der Nutzung der Bunkeranlage ein beitragsrelevanter Vorteil grundsätzlich in Frage gestellt.

Die Beklagte beantragt,

unter teilweiser Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 24. Juni 2004 - 2 K 570/04.KO - die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Der Kläger bittet,

die Berufung zurückzuweisen.

Er vertritt die Auffassung, der Festsetzung der Einwohnergleichwerte für die Bunkeranlage sei deren Kapazität bei Vollbesetzung mit 3.000 Personen zugrunde zu legen. Außerdem habe die Beklagte zu keiner Zeit das Niederschlagswasseraufkommen im Bereich der Bunkeranlage zutreffend festgestellt und bewertet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsvorgänge verwiesen. Sie lagen dem Senat vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.

Die Klage ist in vollem Umfang abzuweisen. Der Gebührenbescheid vom 29. Mai 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Januar 2004 ist auch hinsichtlich der vom Kläger angegriffenen Grundgebühr je Einwohnergleichwert, die allein noch Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist, rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten.

Zunächst begegnet die von der Beklagten erhobene Grundgebühr je Einwohnergleichwert im Hinblick auf die Festsetzung des einmaligen Beitrages für Investitionsaufwendungen gemäß § 7 Abs. 2 Kommunalabgabengesetz - KAG - gegenüber der Bundesrepublik Deutschland für den ehemaligen Ausweichsitz der Verfassungsorgane des Bundes keinen rechtlichen Bedenken. Zwar kann mit dem Verwaltungsgericht davon ausgegangen werden, dass sich die Höhe des von der Bundesrepublik Deutschland mit Bescheid vom 31. Januar 1997 erhobenen Beitrags über die Vorschrift des § 8 Abs. 2 Satz 3 KAG auf die Gesamtgebührenkalkulation und damit auch auf die hier im Streit stehende Grundgebühr je Einwohnergleichwert auswirkt. Allerdings bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob die Veranlagung der Bundesrepublik Deutschland zu dem einmaligen Beitrag tatsächlich fehlerhaft war. Obgleich hiergegen tatsächliche Umstände wie die Erstellung des bundeseigenen Bunkerkanals in den 60er Jahren sowie die Entwässerung im Hoheitsgebiet der Stadt B. sprechen, würde selbst eine fehlerhafte Beitragsveranlagung der Bundesrepublik Deutschland mit Bescheid vom 31. Januar 1997 nicht zur Rechtswidrigkeit der Grundgebühr je Einwohnergleichwert bei der hier in Rede stehenden Schmutzwassergebühr führen. Nach der für die kalkulatorische Berücksichtigung von Abschreibungen maßgeblichen Vorschrift des § 8 Abs. 2 Satz 3 KAG darf bei der Kostenrechnung für Benutzungsgebühren eine Abschreibung auch auf Investitionsaufwendungen erfolgen, für die bereits einmalige Beiträge gezahlt worden sind, wenn die gezahlten Beiträge als Ertragszuschüsse passiviert und jährlich mit einem durchschnittlichen Abschreibungssatz aufgelöst und die aufgelösten Beiträge zur Verminderung der Abschreibungen angesetzt werden. Damit macht der Gesetzgeber deutlich, dass der Kostenrechnung ausschließlich die gezahlten Beiträge zugrunde zu legen sind. Nur auf dieser Grundlage ist letztlich eine gesicherte Gebührenkalkulation nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen möglich. Diese Betrachtungsweise wird zudem dem Umstand gerecht, dass die Beitragserhebungen für Investitionsaufwendungen regelmäßig bestandskräftig abgeschlossen sind und für eine Neuveranlagung kein Raum mehr ist. So liegt der Fall auch hier, nachdem die Bundesrepublik Deutschland bereits mit Bescheid vom 31. Januar 1997 zu dem einmaligen Beitrag herangezogen wurde und das diesbezügliche Beitragsschuldverhältnis damit abschließend geregelt wurde.

Allerdings findet eine unter Berücksichtigung der tatsächlich gezahlten einmaligen Beiträge für Investitionsaufwendungen vorgenommene Gebührenkalkulation dort ihre rechtliche Grenze, wo der öffentlich-rechtliche Abgabengläubiger bestimmte Abgabepflichtige unter keinem denkbaren rechtlich vertretbaren Gesichtspunkt ganz oder teilweise von der Veranlagung und/oder der Einziehung der Abgaben ausnimmt und sich deshalb der Schluss aufdrängt, dass dies auf sachfremden Erwägungen beruht, die sich als bewusst unwirtschaftliches und willkürliches Verhalten darstellen.

Anhaltspunkte dafür, dass diese rechtliche Grenze von der Beklagten im vorliegenden Fall überschritten worden wäre, bestehen jedoch nicht. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Beitragesbescheides gegenüber der Bundesrepublik Deutschland vom 31. Januar 1997 hatte die Beklagte keine Kenntnis von den tatsächlich angeschlossenen Grundflächen der Bunkeranlage. Denn das Bundeskabinett hatte den Beschluss zur Aufgabe der Einrichtung erst am 9. Dezember 1997, also etwa elf Monate später, gefasst. Bis dahin unterlag die tatsächliche Ausdehnung der Anlage der Geheimhaltung. Hinzu kommt, dass nach dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten im Berufungsverfahren lediglich eine Umbindung des Bunkerkanals stattgefunden hat. Die Abwässer der Bunkeranlagen wurden aber bereits seit Mitte der 60er Jahre über den bundeseigenen Kanal auf dem Gebiet der Stadt B. entwässert. Ein weiterer Vorteil wurde dem Bund durch die Umbindungsmaßnahme mithin nicht ohne weiteres vermittelt.

Unabhängig davon deutet vieles darauf hin, dass selbst eine Beitragsveranlagung der Bundesrepublik Deutschland in Höhe eines von dem Kläger als zutreffend angesehenen sechsstelligen Betrages angesichts der Abschreibungsvoraussetzungen des § 8 Abs. 3 Satz 2 KAG im Ergebnis zu keiner im Sinne des § 8 Abs. 4 Satz 1 KAG erheblichen Entlastung der Gebührenschuldner geführt hätte.

Die Grundgebühr je Einwohnergleichwert ist auch nicht aus anderen Gründen rechtswidrig. Insbesondere ist der Gebührensatz mit Blick auf die für die Bunkeranlage festgesetzten 347 Einwohnergleichwerte für die anderen Gebührenschuldner nicht zu hoch. Die Beklagte ist bei der Festsetzung der 347 Einwohnergleichwerte erkennbar von Nr. 17 der Anlage 2 zu § 19 Abs. 3 Satz 4 der Satzung über die Erhebung von Entgelten für die öffentliche Abwasserbeseitigungseinrichtung und über die Abwälzung der Abwasserabgabe der Verbandsgemeinde Altenahr vom 11. Juni 1996 ausgegangen. Danach ist bei Arbeitsstätten je drei Betriebsangehörige ein Einwohnergleichwert anzusetzen. Dem entsprechend hat die Beklagte die Anzahl der Einwohnergleichwerte auf der Grundlage der ehemals 1.041 Mitarbeiter der Bunkeranlage ermittelt und diese Anzahl der Gebührenerhebung noch im Bescheid vom 10. Mai 2002 zugrunde gelegt, obwohl die Belegschaft nach dem Beschluss des Bundeskabinetts vom 9. Dezember 1997 zur Aufgabe der Anlage bereits reduziert wurde. Entgegen der Auffassung des Klägers muss die Beklagte bei der Veranlagung der Bundesrepublik Deutschland nicht von der Kapazität der Bunkeranlage bei Vollbesetzung mit 3.000 Personen und dem entsprechend 1.000 Einwohnergleichwerten ausgehen. Eine solche Betrachtungsweise lässt mehrere Gesichtspunkte unberücksichtigt. Bei dem Ausweichsitz der Verfassungsorgane des Bundes handelt es sich um eine Einrichtung, die ihrer Art nach einzigartig und deshalb keinem Vergleich mit anderen Einrichtungen zugänglich ist, in denen Abwasser anfällt und für die Vorhalteleistungen erbracht werden müssen. Die Bunkeranlage war vor allem dadurch gekennzeichnet, dass eine Vollbesetzung mit 3.000 Personen nur im Verteidigungsfall zu erwarten gewesen wäre. Hinzu kommt, dass im hier betroffenen Gebührenzeitraum des Jahres 2001 bereits der Beschluss des Bundeskabinetts zur Aufgabe des Ausweichsitzes vorlag, so dass von einer Vollbesetzung der Bunkeranlage nicht mehr ausgegangen werden konnte. Schließlich entspricht es dem System der Einwohnergleichwerte auch sonst, einen zeitweise verstärkten Abwasseranfall im Wege der Pauschalierung zu bemessen.

Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des im Bereich der Bunkeranlage anfallenden Niederschlagswassers nicht zutreffend veranlagt hat. Solche Anhaltspunkte hat auch der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht genannt. Abgesehen davon sind hier unterschiedliche Kostenrechnungen betroffen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO bezeichneten Art nicht vorliegen.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 151,19 € festgesetzt.

Gründe

Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwerts ergeht gemäß §§ 47, 52 Abs. 3 GKG und berücksichtigt das ursprüngliche Begehren des Klägers, die Grundgebühr je Einwohnergleichwert sowie die entsprechende Vorausleistung auf ein Drittel zu reduzieren.



Ende der Entscheidung

Zurück