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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 19.05.2005
Aktenzeichen: 12 A 12121/04.OVG
Rechtsgebiete: LAbwAG, WHG


Vorschriften:

LAbwAG § 6
LAbwAG § 6 Abs. 2
LAbwAG § 6 Abs. 2 S. 1
LAbwAG § 6 Abs. 5
WHG § 7a
1. Die Abgabefreiheit für das Einleiten von Niederschlagswasser kommt nur dann in Betracht, wenn die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Satz 1 LAbwAG für die Gesamteinrichtung (hier: Mischwassersystem) vorliegen (Bestätigung des Beschlusses des Senats vom 16. Oktober 2003 - 12 A 11304/03.OVG -).

2. Die Abgabefreiheit für das Einleiten von Niederschlagswasser setzt eine den tatsächlichen Verhältnissen entsprechende wasserrechtliche Einleiteerlaubnis voraus (im Anschluss an das Urteil des Senats vom 14. Mai 1998 - 12 A 10149/98.OVG -; in ESOVGRP veröffentlicht).


OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

12 A 12121/04.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Abwasserabgabe

hat der 12. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19. Mai 2005, an der teilgenommen haben

Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Wünsch Richter am Oberverwaltungsgericht Wolff Richter am Oberverwaltungsgericht Geis ehrenamtlicher Richter Bildungsreferent Schneider ehrenamtliche Richterin Sekretärin Schüler

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufungen der Klägerin gegen die Urteile des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 11. August 2004 - 1 K 1252/04.NW - und vom 3. November 2004 - 1 K 1457/04.NW - werden zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Berufungsverfahren zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen Abwasserabgabenbescheide betreffend Niederschlagswasser für die Veranlagungsjahre 1997 bis 2002.

Die Klägerin betreibt in B. eine Kläranlage, aus der sie Niederschlagswasser in den Vorfluter leitet. Der Kläranlage sind im Ortsteil B. die Regenüberlaufbecken 1, 2 und 4 sowie im Ortsteil I. die Regenüberlaufbecken 5 und 6 vorgelagert, aus denen jeweils Niederschlagswasser abgeschlagen wird. Die für den Betrieb der Regenüberlaufbecken 5 und 6 maßgeblichen wasserrechtlichen Erlaubnisbescheide gingen von dem Anschluss einer befestigten Fläche (Ared.) von 21,46 ha an das Regenüberlaufbecken 5 und von 22,8 ha an das Regenüberlaufbecken 6 aus. In den Abgabeerklärungen der Klägerin für die hier in Rede stehenden Veranlagungsjahre wurde das Einzugsgebiet, das unmittelbar an das Regenüberlaufbecken 5 angeschlossen ist, mit 35,46 ha und das an das Regenüberlaufbecken 6 angeschlossene Einzugsgebiet mit 48,77 ha angegeben.

Für das Veranlagungsjahr 1997 setzte der Beklagte die Abwasserabgabe hinsichtlich des Niederschlagswassers auf 91.210,00 DM fest. Die zuvor von der Klägerin beantragte Abgabefreiheit für die an die Regenüberlaufbecken im Ortsteil B. angeschlossenen Einwohner wurde versagt. Inzwischen ist die Verrechnung der Abwasserabgabe für das Veranlagungsjahr 1997 anerkannt. Der Beklagte erstattete die mit Bescheid vom 6. Oktober 2000 festgesetzte Abgabe vollständig.

Mit Bescheiden vom 17. Oktober 2000 (Veranlagungsjahr 1998: 92.302,00 DM), 28. November 2002 (Veranlagungsjahr 1999: 92.260,00 DM) sowie 2. September 2003 (Veranlagungsjahr 2000: 87.410,40 DM; Veranlagungsjahr 2001: 88.040,40 DM; Veranlagungsjahr 2002: 45.199,54 €) setzte der Beklagte ebenfalls Abwasserabgaben für Niederschlagswasser fest. Auch hier versagte er die beantragte Abgabefreiheit, da es angesichts der tatsächlich an die Regenüberlaufbecken 5 und 6 angeschlossenen befestigten Flächen an einer "zugelassenen Einleitung" i.S.d. § 6 Abs. 2 LAbwAG fehle. Weil die Regenüberlaufbecken 5 und 6 denjenigen im Ortsteil B. nachgeschaltet seien, müsse die Abgabefreiheit für den gesamten Abwasserstrang versagt werden.

Die nach erfolglosen Widersprüchen erhobenen Klagen hat das Verwaltungsgericht durch Urteile vom 11. August 2004 - 1 K 1252/04.NW - (Veranlagungsjahre 1998 bis 2002) und vom 3. November 2004 - 1 K 1457/04.NW - (Veranlagungsjahr 1997) abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Voraussetzungen für die von der Klägerin geltend gemachte Abgabefreiheit der angeschlossenen Einwohner lägen nicht vor. Die Regenüberlaufbecken 5 und 6 seien nicht entsprechend den maßgeblichen Einleiteerlaubnisbescheiden betrieben worden. Das habe wegen des für die Beurteilung der Abgabefreiheit maßgeblichen Anknüpfungspunktes der Einleitung aus der Gesamteinrichtung Mischkanalisation zur Folge, dass auch die an die Einrichtungen im Ortsteil B. angeschlossenen Einwohner berücksichtigt werden müssten. Das liege sowohl nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 2 Satz 1 LAbwAG als auch dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung nahe. Zudem werde diese Betrachtungsweise dem Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität gerecht. Würde allein auf den technisch ausreichenden Betrieb der maßgeblichen Einleitestellen abgestellt, wäre es ohne größere Ermittlungen bei länger zurückliegenden Zeiträumen nicht möglich, die Abgabe verlässlich festzusetzen. Die Klägerin werde auch nicht rechtsschutzlos gestellt. Sie könne rechtzeitig einen Antrag auf Änderung der einschlägigen Einleiteerlaubnisbescheide stellen, um diese an die tatsächlichen Verhältnisse anzupassen.

Mit bis zum 31. Dezember 2004 befristeten Bescheid vom 18. September 2003 änderte der Beklagte die Einleiteerlaubnisse für die Regenüberlaufbecken 5 und 6 unter Anpassung an die tatsächlichen Verhältnisse. Nach Vorlage der in dem Bescheid geforderten Unterlagen und Nachweise wurde der Klägerin unter dem 14. September 2004 eine neue Erlaubnis zur Beseitigung von Mischwasser aus den Einzugsbereichen der Regenüberlaufbecken 5 und 6 erteilt.

Zur Begründung ihrer zuvor vom Senat zugelassenen Berufungen macht die Klägerin unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vortrags erster Instanz geltend, der Anknüpfungspunkt "Gesamteinrichtung" für die Abgabefreiheit sei nicht zwingend. Eine Abgabefreiheit müsse schon dann gewährt werden, wenn die Einleitung materiell nicht zu beanstanden sei. Dies sei hier der Fall. Die maßgeblichen Einleiteerlaubnisbescheide hätten durch einen "Federstrich" des Beklagten angepasst werden können. Dies bestätige auch eine E-Mail des zuständigen Sachbearbeiters des Beklagten vom 23. November 2004 (Bl. 127 der Gerichtsakte).

Die Klägerin beantragt,

I. unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 3. November 2004 - 1 K 1457/04.NW - den Abwasserabgabenbescheid des Beklagten vom 6. Oktober 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Mai 2004 betreffend das Veranlagungsjahr 1997 insoweit aufzuheben, als eine 77.648,80 DM übersteigende Niederschlagswasserabgabe festgesetzt wurde;

II. unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 11. August 2004 - 1 K 1252/04.NW -

1. den Abwasserabgabenbescheid des Beklagten vom 17. Oktober 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. April 2004 betreffend das Veranlagungsjahr 1998 insoweit aufzuheben, als eine 58.858,80 DM übersteigende Niederschlagswasserabgabe festgesetzt wurde,

2. den Abwasserabgabenbescheid des Beklagten vom 28. November 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. April 2004 betreffend das Veranlagungsjahr 1999 insoweit aufzuheben, als eine 58.858,80 DM übersteigende Niederschlagswasserabgabe festgesetzt wurde,

3. den Abwasserabgabenbescheid des Beklagten vom 2. September 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. April 2004 betreffend das Veranlagungsjahr 2000 insoweit aufzuheben, als eine 58.858,80 DM übersteigende Niederschlagswasserabgabe festgesetzt wurde,

4. den Abwasserabgabenbescheid des Beklagten vom 2. September 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. April 2004 betreffend das Veranlagungsjahr 2001 insoweit aufzuheben, als eine 61.303,20 DM übersteigende Niederschlagswasserabgabe festgesetzt wurde,

5. den Abwasserabgabenbescheid des Beklagten vom 2. September 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. April 2004 betreffend das Veranlagungsjahr 2002 insoweit aufzuheben, als eine 31.489,47 € übersteigende Niederschlagswasserabgabe festgesetzt wurde.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er wiederholt und vertieft unter Verteidigung des erstinstanzlichen Urteils sein bisheriges Vorbringen. Insbesondere könne keine Rede davon sein, dass die Erlaubnisbescheide durch einen bloßen "Federstrich" hätten geändert werden können. Mit Blick auf die tatsächlich angeschlossenen befestigten Flächen seien den Gewässern größere Mischwassermengen zugeführt worden. Gerade deshalb sei in dem Bescheid vom 14. September 2004 ein Ausgleich der Wasserführung angeordnet worden.

Der Senat hat die Verfahren 12 A 12121/04.OVG und 12 A 10177/05.OVG durch Beschluss vom 19. Mai 2005 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsvorgänge verwiesen. Sie lagen dem Senat vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufungen sind zulässig, aber unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat die Klagen zu Recht abgewiesen.

Die Klagen sind zulässig. Das gilt insbesondere hinsichtlich der Klage gegen den Bescheid vom 6. Oktober 2000. Die von dem Beklagten anerkannte Verrechnung und vollständige Rückerstattung der Abwasserabgabe führt nicht zur Erledigung. Der genannte Bescheid bildet nach wie vor die Grundlage der Abgabenerhebung für das Veranlagungsjahr 1997. Die Verrechnung führt lediglich zur Tilgung der angeforderten Abwasserabgaben, lässt aber deren Rechtsgrund unberührt.

Die Klagen sind jedoch unbegründet. Der Abwasserabgabenbescheid des Beklagten vom 6. Oktober 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Mai 2004 betreffend das Veranlagungsjahr 1997 ist ebenso rechtsmäßig wie die Abwasserabgabenbescheide vom 17. Oktober 2000, 8. November 2002 und 2. September 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2004 betreffend den Veranlagungszeitraum 1998 bis 2002. Die in den Bescheiden festgesetzte Abwasserabgabe für die Niederschlagswassereinleitung aus der Mischwasserkanalisation ist hinsichtlich der an die Einrichtungen im Ortsteil B. angeschlossenen Einwohner rechtlich nicht zu beanstanden. Es besteht insoweit keine Abgabefreiheit gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 des Landesgesetzes zur Ausführung des Abwasserabgabengesetzes ( - LAbwAG -).

Nach der genannten Vorschrift bleibt das zugelassene Einleiten von Niederschlagswasser aus einer Mischkanalisation auf Antrag abgabefrei, wenn das Wasser aus der Entwässerung der Außengebiete der Kanalisation ferngehalten wird und diese so bemessen ist, dass je Hektar befestigte Fläche (reduzierte Fläche) Regenbecken oder Regenrückhalteeinrichtungen von mindestens 10 m³ vorhanden sind und das zurückgehaltene Mischwasser mindestens nach den Anforderungen des § 7 a des Wasserhaushaltsgesetzes behandelt wird. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Aus der Gesamteinrichtung "Mischkanalisation" der Beklagten erfolgte kein "zugelassenes Einleiten" von Niederschlagswasser. An die Regenüberlaufbecken 5 und 6 im Ortsteil I. waren im maßgeblichen Veranlagungszeitraum jeweils größere befestigte Flächen (Ared.) angeschlossen als in den hierzu ergangenen wasserrechtlichen Erlaubnisbescheiden angegeben.

Das Verwaltungsgericht hat unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats (Beschluss vom 16. Oktober 2003 - 12 A 11304/03.OVG -) zutreffend darauf hingewiesen, dass eine Abgabefreiheit nur dann in Betracht kommt, wenn die Gesamteinrichtung den Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Satz 1 LAbwAG entspricht. Hieran hält der Senat fest. Die hiergegen erhobenen Einwände der Klägerin überzeugen nicht. Sie lassen das Ziel des Gesetzgebers unberücksichtigt, den Betreiber einer Mischkanalisation anzuhalten, die netzabschließende Kläranlage sowie die Vorfluter insgesamt möglichst wenig zu belasten. Dieser Regelungszweck ist nur dann mit dem notwendigen Nachdruck zu erreichen, wenn die Voraussetzungen für die Abgabefreiheit an die Gesamteinrichtung anknüpfen. In diesem Sinne spricht auch die Vorgängervorschrift des § 6 Abs. 2 Satz 1 LAbwAG, nämlich § 9 Abs. 2 Satz 1 LAbwAG in der Fassung vom 22. Dezember 1980, von der Einleitung von Niederschlagswasser über öffentliche Abwasseranlagen und beschreibt seinerseits die Abwasseranlage als Oberbegriff für Kanalisation, Regenentlastungen und Abwasserbehandlungsanlagen. Dies entspricht auch der in der Literatur vertretenen Auffassung. So bezeichnet Köhler (Abwasserabgabengesetz, § 7 Rn. 34, München 1999) als Voraussetzung der Abgabefreiheit, dass das Kanalnetz (Trenn- wie Mischwassersystem) in Anlage, Betrieb und Funktion den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht; dabei sei unter dem Kanalsystem die Gesamtheit der zu ihm gehörenden Entwässerungsanlagen und -einrichtungen zu verstehen, einschließlich z.B. von Pumpwerken, Regenklär- und -rückhalte- sowie -überlaufbecken. Ferner bestätigt der Wortlaut des § 6 Abs. 5 LAbwAG diese Betrachtungsweise. Zwar betrifft diese Bestimmung Fragen der Abgabenerhebung und nicht der Abgabenfestsetzung. Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Gesetzgeber ausdrücklich - und insofern im Unterschied zu § 6 Abs. 2 Satz 1 LAbwAG - "von Einrichtungen" spricht, die zur Erfüllung der Voraussetzungen für die Abgabefreiheit nach § 6 Abs. 1 oder 2 dienen, und damit gerade einzelne Teile der Gesamteinrichtung in den Blick nimmt.

Ist danach im Rahmen des § 6 Abs. 2 Satz 1 LAbwAG auf die Gesamteinrichtung abzustellen, kann die Klägerin auch nicht mit Erfolg geltend machen, eine lediglich in formeller Hinsicht den tatsächlichen Verhältnissen nicht entsprechende Bescheidlage schließe wegen des materiell ordnungsgemäßen Betriebs der Regenüberlaufbecken 5 und 6 die Abgabefreiheit für die an die Regenüberlaufbecken im Ortsteil B. angeschlossenen Einwohner nicht aus. Zwar reichte das Fassungsvermögen der Regenüberlaufbecken 5 und 6 aus, um die Wassermengen der tatsächlich angeschlossenen befestigten Flächen von 35,46 ha bzw. 48,77 ha aufzunehmen, obgleich diese Flächen etwa doppelt so groß waren als die in dem wasserrechtlichen Bescheid der ehemaligen Bezirksregierung Rheinhessen-Pfalz vom 2. November 1984 in Gestalt der Erlaubnisänderung vom 11. Oktober 1994 vorgesehenen (Regenüberlaufbecken 5: 21,46 ha, Regenüberlaufbecken 6: 23 ha). Jedoch kommt es auf diesen materiellen Gesichtpunkt nicht an; allein die (formelle) Bescheidlage ist rechtlich erheblich. Bereits nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 2 Satz 1 LAbwAG bleibt nur das "zugelassene Einleiten" von Niederschlagswasser unter den weiteren Voraussetzungen der Vorschrift auf Antrag abgabefrei. Auch mit Blick auf die strenge Formalisierung des Abwasserabgabenrechts ist unter "zugelassenem Einleiten" nur dasjenige Einleiten zu verstehen, das in den zugrunde liegenden wasserrechtlichen Bescheiden vorgesehen ist; ansonsten ist eine Abgabefreiheit ausgeschlossen (vgl. auch Urteil des Senats vom 14. Mai 1998 - 12 A 10149/98.OVG -; in ESOVGRP veröffentlicht). Dies entspricht ferner dem Regelungskonzept des Gesetzes. Insofern lässt sich den Gesetzesmaterialien entnehmen, dass der Gesetzgeber aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung und der Rechtsklarheit in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf den wasserrechtlichen Bescheid abstellen wollte (vgl. hierzu Begründung des Regierungsentwurfs zum LAbwAG 1980 LT-Drs. 9/818 S. 20 [Zu § 9]). Für die von der Klägerin angestrebte materielle Betrachtungsweise ist daher kein Raum. Einer über den Wortlaut hinausgehenden Anwendung steht bereits entgegen, dass es sich bei § 6 Abs. 2 Satz 1 LAbwAG um eine Ausnahmevorschrift handelt, die eng auszulegen ist. Dass die Freiheit von der Niederschlagswasserabgabe zur Regel geworden ist, ändert daran nichts. Es ist gerade der auch über das Instrument der Abgabefreiheit erzeugte Lenkungsdruck, der zu einer nachhaltigen Gewässerreinhaltung beiträgt. Hierzu bedarf es insbesondere des ständigen Bewusstseins der Einleiter, insgesamt - also auch in formeller Hinsicht - um eine ordnungsgemäße Einleitung bemüht zu sein.

Eine davon abweichende Beurteilung ist nicht etwa aus übergeordneten rechtlichen Gesichtspunkten geboten. Insbesondere steht der hier vorgenommenen Auslegung des § 6 Abs. 2 Satz 1 LAbwAG der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht entgegen. Unter Berücksichtigung des auf die Einleiter erzeugten Lenkungsdrucks sind die damit verbundenen Anforderungen geeignet und erforderlich, um eine effektive sowie nachhaltige Verbesserung der Gewässerqualität sicher zu stellen. Sie sind auch zumutbar. Der Betreiber der Mischkanalisation hat es jederzeit in der Hand, auf eine auch formell den tatsächlichen Verhältnissen gerecht werdende Einleiteerlaubnis hinzuwirken. Hierzu genügen regelmäßig ein entsprechender Antrag sowie die Vorlage der erforderlichen Unterlagen bei der zuständigen Behörde. Diesen Weg hat letztlich auch die Klägerin - wenngleich verspätet - gewählt, indem sie im Jahre 2003 bei dem Beklagten eine Anpassung der Einleiteerlaubnis beantragt hat. Unabhängig davon ist zu berücksichtigen, dass es der Klägerin unbenommen ist zu prüfen, wer die Verantwortung für die verspätete Anpassung der wasserrechtlichen Bescheide trägt und welche Folgen für den Verantwortlichen hieraus gegebenenfalls erwachsen.

Vor diesem Hintergrund kommt eine Abgabefreiheit nach § 6 Abs. 2 Satz 1 LAbwAG regelmäßig selbst dann nicht in Betracht, wenn eine Entwässerungsanlage oder -einrichtung offensichtlich (materiell) ordnungsgemäß betrieben wird und deren formelle Legalisierung lediglich reine Formsache wäre. Ungeachtet dessen liegt eine solche Situation hier aber auch nicht vor. Zwar hat der Beklagte der Klägerin auf entsprechenden Antrag unter dem 18. September 2003 einen Änderungsbescheid unter Berücksichtigung der tatsächlich angeschlossenen befestigten Flächen erteilt. Dabei ging der Beklagte aber nach den Ausführungen seiner Vertreterin in der mündlichen Verhandlung vom 19. Mai 2005 davon aus, dass die erhebliche Vergrößerung der angeschlossenen befestigten Flächen zu einer höheren Mischwassermenge in den Regenüberlaufbecken 5 und 6 sowie einem verstärkten Abschlag in die Vorfluter führt. Dem ist zuzustimmen. Darüber kann die in der von der Klägerin eingereichten Planung angegebene gleich gebliebene Pumpenleistung nicht hinwegtäuschen. Diese kann ihren Grund nur darin haben, dass die vorhandenen Pumpen entweder für die ursprünglich vorgesehene angeschlossene befestigte Fläche überdimensioniert waren oder der verstärkten Wasserzuführung durch längere Laufzeiten Rechnung getragen werden sollte. Jedenfalls bedurfte es in dem wasserrechtlichen Bescheid vom 18. September 2003 materiellrechtlicher Regelungen, welche die Änderung der tatsächlichen Verhältnisse berücksichtigten. Zudem war die Erlaubnis von vornherein widerruflich und bis zum 31. Dezember 2004 befristet. Damit sollte die Klägerin insbesondere angehalten werden, notwendige Maßnahmen zum Ausgleich der Wasserführung und zur Schaffung von Retentionsvolumen zu ergreifen. Ihr wurde aufgegeben, der oberen Wasserbehörde bis spätestens zum 30. Juni 2004 zusammen mit einem Antrag auf Erteilung eines neuen Wasserrechtsbescheids für die Einleitung von Mischwasser aus den Regenüberlaufbecken 5 und 6 Unterlagen und Nachweise vorzulegen. Der nach entsprechender Vorlage ergangene Änderungsbescheid des Beklagten vom 14. September 2004 (Bl. 111 der Gerichtsakte) ordnet dann auch Maßnahmen an, die von der Klägerin bis spätestens 31. Dezember 2006 fertig zu stellen sind. Es kann deshalb hier keine Rede davon sein, dass es sich bei der fehlenden Zulassung für die Einleitungen in den in Frage stehenden Veranlagungsjahren um einen reinen "Papierfehler" handelte. Ein solcher lässt sich schließlich auch nicht der E-Mail des Mitarbeiters F. der Beklagten vom 23. November 2004 an den Werkleiter der Klägerin entnehmen (Bl. 127 der Gerichtsakte). Zwar wird darin ausgeführt, dass die Regenentlastungsanlagen der Klägerin in der Vergangenheit gemäß der genehmigten Planungen und der Erlaubnisbescheide der ehemaligen Bezirksregierung Rheinhessen-Pfalz ordnungsgemäß betrieben worden seien. Gleichzeitig wird aber u.a. auch auf die notwendigen baulichen Änderungen, den erforderlichen Nachweis zum Ausgleichsvolumen sowie die notwendigen Aussagen über die Optimierung der Bewirtschaftung der Regenentlastungsanlagen, wie sie der Beklagte insgesamt im Bescheid vom 14. September 2004 angeordnet hat, hingewiesen. Dies macht ebenfalls deutlich, dass ohne zusätzliche Maßnahmen der Klägerin die Erteilung einer Einleiteerlaubnis nicht in Betracht gekommen wäre.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergeht gemäß § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO bezeichneten Art nicht vorliegen.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren bis zur Verbindung am 19. Mai 2005 hinsichtlich des Verfahrens 12 A 12121/04.OVG auf 76.155,78 €, hinsichtlich des Verfahrens 12 A 10117/05.OVG auf 6.933,73 € und für die Zeit danach auf 83.089,51 € festgesetzt (§§ 47, 52 Abs. 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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